Sein erstes plaidoser. Erzählung nach em Englischen von J. A. Lang und schlottrig, jung und selbstbewußt, so trat er, eben erst von der Wechtsschule als Advolat diplo mirt, ohne irgend welche Erfahrung« ohne irgend welchen Rath von älteren Kollegen, zum ersten Male in den dichtgedrängten Gerichtssaal Seine blossen, sast noch lnabenhaften Züge ließen erkennen, wie wichtig er sich fühle im Bewußtsein, daß Jeder mann aus ihn sehe. Ueberzeugt, daß er bei den alten, gesetzten Rechtsver "tretern, bei den unisotmirten Ge richtsdienern, bei den gewohnheits mäßigen Gerichtssaal-Besuchern un gewöhnliches Aufsehen errege, setzte er sich an einen der breiten Tische, mit jener Pose hoher Wichtigkeit, welche nur die frühe Jugend anzunehmen weiß. An seiner Seite befand sich ein an derer Jiingling, lau-n iiber sechzehn alt, rothwangig und gefällig anzu sehen. Es war ein eigenthümliches Zusammentreffen, daß an demselben Tage, an welchem Edward Gran den Gerichtssaal zum ersten Mal als voll giltiger Advolat betrat, sein jüngerer Bruder da als Zeuge zu erscheinen hatte. Zeuge in einem Fälschungsfalle. Die Brüder waren zusammen hinge gangen, der Aeltere voran, irn Ge fühle der hohen Bedeutung seiner Stellung, der Jüngere sichtlich voll Zagen, voll Aengstlichleit, wie er sich verhalten, was er als Zeuge thun sollte. Mit überlegener Gleichgültig leit beantwortete der Advotat in schier brüstem Tone die nervösen Fragen des jüngeren Bruders. Wie Frant Gran jetzt« zum ersten Male in seinem Leben, in den Ge richtssaal lam, da wußte er von dessen Etitette und Formenwesen nicht mehr, als wäre er ein unerzo gener Jndianerjunge gewesen, frisch von den Prairien des Westens herein Sein erhabener Bruder, zu dem er mit bangem Respekt und voll Scheu hinansah, hatte ihm darüber nichts gesagt, als »daß dies die Stätte von Gerechtigteit, von Wahrheit und Würde sei.« Ach. der Jüngere ahnte nicht, daß der imposante Bruder selbst, der Ge richtsadvotat von Furcht und Zittern erfüllt war. im Vergleich womit Franks Seelenzustand sast beneiden-H Jverth erschien. Die Würde, die der neue Advotat an denTag legte, war geheuchelt, sein Selbstbewußtsein die Frucht entschlossenen Strebens, und seine Ueberlegenheit war in Wirt lichleit so schwach. wie die Jahre lei ner taum erst erreichten Mündigteit. VII-er er spielte diese drei Rollen mit Her Verzweiflung der noch unerprob in Intelligenz. Der heutige Gerichtssall hatte bei do 50,000 Bewohnern des Städt ch viel Aussehen gemacht. Der uirer eines großen Handelshauses hakt den Namen eines Kunden aus einer Wechsel gesälscht, hatte den Wtchk in der Bank disiontiren lassenmit der Absicht, das gesälschte Papst vor dessen Fälligteit wieder einzuken. Aber man hatte die Sachsentdeclt und er war verhaftet worde Frant Grav, der junge Mensc war im Bureau zugegen ge wesen.'als der Polizeibeamte den Fälschsortnahm, er hatte jedes Wort r Unterregung mit"angehört. Der ktheidiger des Angeklagten hatte l vorladen lassen, um durch ihn gehe Augsagen des Polizisten widerlei zu lassen. Der uge dachte Tage nnd Nachte vortser ner nur an die verhängrtiß volle Wandlung, an all’ vag, wag ihm anm schrecklichen Tage bevor stehen rde. Sein Bruder hatte ihn nunhin instruirt, und zwar in nur we geduldiger Art: daß er daran jen müsse, nur die Wahr heit zugen, »die volle Wahrheit und nictals die Wahrheit«! Der richtsrlert rief den Fall Thomas-oval auf. Die üblichen Formalin waren rasch erledigt, die Anischrist war verlesen und der össche Anlläger hatte seine einleiten Rede gehalten, bevor Frant wußte, was eigentlich vor sich gehMehrere Zeugen wurden ausgerus wurden verhört und iteuzvert Sie sagten aus, die Untersch: aus dem betreffenden Wechsel gefölscht. Jetzt lam der Polizist« die Verhaftung des schuldigeskassirers vorgenommen hatte, aden Zeugenstanv Er wurde (fordert, ausführlich zu ertlären, zwischen ihm und dem tlngscilaaanläleich der Verhaf tung gesen worden sei. Frant Gran trmittlerweile zum Ver ständniß Vorgänge gelangt; er folgte dem mit gltilsendem Jn teresse. Aussage des Polizei sergeanterichien ihm merkwürdig zutreffendtm konnte er’6 begrei fen, wie : alles so klar im Ge dächtnis ien hatte. Sein gelehr ter Brudeimerte sich anscheinend nicht im srntesten um die Ver nehmun , ern blätterte mit wei sern St rein in einem Gesedbuch tum. »SergecWilsvn,« sagte der Staatzan geben Sie uns, wenn m« lich, Linie Antwort des An etagten, ihn bewogen be, ch das Gerade um jenen it puntt aus Weise zu verschas en.« »Wel! er sagte: »Ich mußte jene Nacht hundert Dollars haben ich hatte gespielt und verloren und mußte meinen Verlust bezahlen, um nicht aus dem Club ausgestoßen zu werden« Franc Grah hörte diese Aussage mit wachsendem Staunen an. Er richtete sich aus seinem Stuhle auf und ließ das verwunderte Auge von dem Polizisten aus den Angellagten gleiten, in dessen Zügen sich hoff nungslose Verzweiflung ausprägtr. Dann reckte sich der eigene jugendliche Körper, das ehrliche blaue Auge blitzte unter der von Entriistung ge rötheten Stirn auf und die kräftige junge Stimme schrie tiihn heraus: »Er lügt! Der Kassirer hat das nicht gesagt! Er sagte ...« »Ruhig!« donnerte der erstaunte Richter und zwei Gerichtsdiener eil ten drohend auf den jungen Sitzun fried zu. Sein Bruder schnellie, wie von eleltrischem Stoß getroffen, halb in die Höhe, seine Wangen wurden erst roth, dann leichenblaß, als zöge sich sein Herz in Todesschreck zusam men. »Ich beantrage, das; der junge Mensch aus dern Gerichtssaal gewie sen werde,« schrie der vor Staunen stotternde Staatsanwalt Der Poli zei - Sergeant auf dem Zeugenstuhl sah schuldbewuizt und doch heraus fordernd drein, des Angeklagten Minen erhellten sich und hunderte der Zuschauer reckten die Hälse, um den Urheber des merkwürdigen Zwischen falls zu sehen . .. I I »Wel! ..... er hat aber gelogen! Herr Wilson hat das gar nicht ge sagt! Er sagte, er habe das Geld haben müssen, weil seine Frau zwei Monate lang trank gewesen sei und der Arzt erklärt habe, er werde nicht mehr kommen, wenn Herr Wilson nicht feine Rechnung bezahle. Jch habe es deutlich gehört, Herr Rich ter« Frani schrie es heraus-, nnd sein Herz erzitterte jetzt vor Furcht, die fast die Wahrheit erftickte, die sich über die Lippen drängte. »Führen Sie ihn hinaus, Gerichts diener!« Der Richter bebte vor Ent riiftung. »Seit ich auf dem Rich terstuhle sitze, ist mir solche Frechheit noch nicht vorgekommen, nein, noch nickt« »Aber ich bin doch ein Zeuge,« stammelte Frank, und auch ihn über lam allmälig helle Entriistung Und er fah mit männlichem Muthe dem Richter in’s Gesicht. »Genug, Herri! Ists möglich, daß Sie nicht so viel gelernt haben, um zu wissen, was Sie dem Gerichts hof schuldig sind?! Woher kommen Sie? Jch werde mich gleich mit Jshnen beschäftigen, Herr! Sie tön nen die Würde des Gerichtshof-z nicht ungestraft verletzen beim Him mel, ich habe so ’was noch niemals er lebt!« Und wenn man ihn sah, den Richter, so mußte man ihm das glau ben. Mittlerweile war des jungen Men schen Gesicht leichenfahl geworden, seine Züge verzerrten sich. Sein ganzes Wesen schien erdrückt vom Ge fühle tiefer Demiithigung und Er niedrigung. Und doch tonnte er die tnahenhafte Entriiftung, den jugend lichen Trotz nicht niederlämpfen, fein Stolz bäumte fich, fein Herz schien in heller- Empiirung aufzuschreien. Ein Blick nach dem fahlen Bruder hin über, ein Blick, der ein Nothfchrei um Hilfe war, zeigte ihm, daf; er in sei nem Ringen allein stehe sein AM irter zitterte auf feinem Stuhl wie Efpenlaub, feine Augen waren starr zu Boden geheftet. Wie der Richter einen letzten Ausruf geschlossen hatte, da bebten des Jungen dlutlos gewor dene Lippen, seine Zähne schlossen sich übereinander und die zornige Elim me zischte dazwischen hervor: »Oh, ich geb’ den Teufel drum, Sie verdammter alter Narr!« Man ermesse die allgemeine tödt liche Bestürzung die diesem Ausschrei folgte· Ein Moment absoluter Ruhe wie die Stille zwischen dem Fallen des Blißstrahls und dein Krachen des da raus folgenden Donners. Hunderte Augen sahen nach dem gesenkten und doch energiebeseielten Kopf des jungen Mannes hin, der jetzt blutroth war und dessen Gesichtsmusleln nervös zucktem dann sahen sie nach dem Rich ter hin, dessen puter-rotl)e Züge allge mach das Blau intensiver Wuth an nahmen. Seine Augen blitzten ocnis nös über den Jungen hin: ,,Junger Mensch,« so begann er, »Sie haben einen schweren Verstoß verübt, der nicht ungeahndet hingehen kann. Sie haben dieses Gerichte-s Wiirde grob beleidigt· Sie haben diese Gerichtsstelle entweiht. Mit grenzen losem Staunen ersehe ich, daß Sie sast ein Mann sind und nicht ein Kind, wie man nach Jhrer unbegreiflichen Ueberstiirzung, nach Jhrer vollendeten Gleichgiltigleit bezüglich der Folgen Jhres Verhaltens, die Ihnen nicht unbekannt sein konnten, annehmen sollte. Jch weiß nicht, wer Sie sind, sicherlich aber sind Sie nicht zu so vol lendeter Mißachtung des Respelts erzogen worden, der dem Alter und der Stellung, welche der Richter im Gemeinwesen einnimmt, gebührt. Mir erscheint Jhr Verhalten wie vollen dete Schlechtigleit und i werde Sie sicher zur Erlenntnisz hres Jer ihutns bringen. Es wird meine pein liche Pflicht sein. Sie zu einer Geld buße zu verurtheilen und Sie für vier Wochen ins Gefangniß zu schicken, aber ich bin überzeugt, daß dies der einzige Weg ist, den ich bei Jemandem von Jhrem Alter und Jhrer Intelli genz einschlagen lann, der solche That begangen hat!« Hier wurde der Richter durch einen Ansall lrampfhafien Schluchzens Franks unterbrochen. Der arme Junge warf sich mit den Armen auf den Tisch, an welchem er saß; sein ganzer Körper erbebte in lonvlsiveni Schmerz. Bevor der Richter jedoch seine Ansprache fortsetzen konnte, er hob sich die ungelente Gestalt des Bruders, das tödtlich verlegene Ge sicht dem Richterstuhl zugewandt, die blutlosen Lippen bewegend, als sprä chen sie Worte aug. Doch kein Laut kam zwischen ihnen hervor. Dann raffte er sich sichtlich mit übermäßiger Kraft zusammen. Die eine Hand er faßte die Lehne des Stuhls, gegen den die steifen Beine sich stützten. Und dann strömten in seltsamem, unnatür lichem Tone doch hell und scharf, wie von außerordentlicher Gewalt hervor gebracht, die Worte hervor: »Euer Ehren, ich erbitte sür,einen Augenblick Jhre Nachsicht. Hören Sie den schwachen Appell ans Jhre Milde, bevor Sie meinen Bruder, meinen unwissenden, impulsiven Bruder sol schwer verdammen. Wenn die diesen Gerichtshof zugefügte Beleidigung ge siihnt werden muß, dann muß die Strafe auf ein anderes, schuldigeres Haupt fallen. Eurer Ehren, mich treffen all1 die entrüsteten Vorwürfe, all’ der verdiente Tabel. welche dieser unglückselige Vorfall verursacht hat. Jch war’5, der, in unbriiberlicher Hervortehrung meiner eigenen Ueber legenheit, es unterlassen hat, seine ängstlichen Fragen, wie er sich hier zu verhalten habe, zu beantworten. Jch schwelgte in meinem Besserwissen und in seiner Jgnoranz. Er war nie zu vor in einem Gerichtgsaal gewesen, er wußte nichts von dessen Regeln und Gebrauchen und Vorschriften. Jm Inn-ersten meine-·- elenden Her zeng fühlte ich wohl, wie hart ich ihm gegenüber sei, doch mein thörichtes Piedestal, auf das ich mich gestellt, war so hoch, daß ich davon zu ihm in seiner Hilflosigteit nicht herabsteigen mochte. Vielleicht mass ein weiterer Fehler von mir, daß ich ihm sagte, er solle während seines Hiersein-Z nur die Wahrheit sagen; ich sage ein Feh ler, Eurer Ehren, weil es solcher War nung nicht bedurft hat« weil er solch-e Jnsulte nicht von mir verdiente, der seine Tugenden so genau kennt. Er hat niemals eine Lüge gesagt, ich schwöre es! Nicht alle Mächte der Erde könnten meinen Bruder dazu bewegen, eine Unwahrheit zu äußern« Was er während der Augsagen jenes» Zeugen dazwischenrief ei- war wahr, oder er würde es nicht gesagt haben. Sein Fehler, die Ungehörigteit, daß er's herausschrie, sie sind in seiner eigenen rücksichtglosen Ehrlichkeit und in meiner Weisung begründet, die Wahrheit zu sagen. Er tannte nicht das Gerichtsverfahrem er wußte Nichts-, Eurer Ehren, als daß eine Lüge gesagt worden war: da schrie sein Herz die Wahrheit heraus-. Jch bin für diesen seinen ersten Fehler verantwortlich Für den lzweiten, den gröberen Verstos-« die Beleidigung des Gerichtshofe5: dafür, Eurer Eh ren. muß die Natur selbst zur Rechen-: schaft gezogen werden. Ich bitte Sie, gehen Sie im Geiste zur Zeit zurück, wo Sie in seinem Alter waren, in den Jahren, wo jugendlicher Stolz, Takt, Vorsicht s Alles überbäumts Versetzen Sie sich in seine Stelle, Eurer Ehren, Jhr Herz berstend über die Verletzung Jhres jugendlichen Stolzes nnd überfüllt von jenem gäb-« l renden Zorn, jenem stiirinischen Trotz, jenem jugendlichen Schrecken dor dem Lächerlich erscheinen, das je den Nerv und jede Faser zum Ersti tern bringt: wie würden Sie da em pfunden haben? Mit dem unglückli chen Muth der Unwissenheit hat er seine ununterdrückten Gefühle her ausgesprudelt: Sie würden gefühlt haben, wie er es gethan. Sie, ein Richter der Menschen und ihrer Re gungen: gehen Sie zurück in die Tage, wo Jhre Seele gegliiht hat im Feuer trotziger Erregung — und ha ben Sie Mitleid mit ihm, der so ge fehlt hat! Er ist unschuldig, soweit es die böse Absicht betrifft. Er ist ehrlich; er ist ein Junge, ein Junge, wie Sie einer gewesen sind; ein Junge, wie Alle hier um uns herum es gewesen sind; ein Junge. wie ich einer bin, der ich zu Eurer Ehren rede. Jch bitte Sie, strafen Sie ihn nicht, denn nie im Leben wiirde er die Schmach vergessen. Jch bitte Sie, lassen Sie mich ihn jetzt hinausneh men, ohne ein weiteres Wort von Ih nen, bis man ihn ruft, aus Daß er seine ehrliche Eidesaussage mache. Was immer Sie ihm noch sagen möchten s-« es könnte aus ihn nicht mehr Eindruck machen, als Jhr ek stes Wort: »Ruhig!« --— Das hat ihn erdrückt. Es war genug, es war mehr als genug für das zarte, unetprobte Herz. Er fühlte jetzt so gebrochen, so vernichtet, wie Sie sühlten, Eurer Ehren, als Sie ein Junge waren!« Die steife Gestalt gab nach, das weiße Antlitz sank nach vorwärts, der lange hagere Körper glitt in den Stuhl —« des Advotaten erstes Plai doyek war usEndr. m Auge des Richters gli erte es ver ächtig feucht, ein Odem von Sympathie gin durch den ganzen Saal, die alten dvota ten, die an den Gerichtsschranken sa ßen, standen aus und klatschten in die Hande: es war offenbar-, daß der Junge Kollege seinen ersten Fall ge wonnen hatte. Er aber hörte den Beifall nicht — er war bewußtlos geworden. Der siehest-rief VonJuliusKeller. Rliire war eines jener Mädchen, die das ganze Haus regiren. Vater, Mut ter und Schwester standen unter ihrem Pantoffel. Kläre galt bei den Ihrigen siir einen Ausbund von Klugheit, ihr Geist ward von allen Verwandten bis in’g dritte und vierte Glied neidlos an erkannt, die Reize ihrer Persönlichkeit waren unantastbar, und niemand kam ihr in den Augen der Familie Stufe ow an Anmuth und Grazie gleich. Mit sanfter Energie übte sie ihre Ge walt, niemals ward sie böse und rauh ihre gleichmäßige Liebengwiirdigkeit bezwang aller Herzen. Die Liebehatte dieses Musterwein abgeschworen . Für die Männer sollte " es teinen Platz mehr in ihrem Herzen z geben, seitdem ihre beste Freundin in der Ehe allerlei unliebsame Erfahrun gen gemacht hatte. Kläre war auch m dieser Beziehung gar llng und weise· »Ich habe den sesten Willen, mich nie mals zu verlieben,« hatte sie mit fester Stimme einst gesagt, »und was man ernstlich will, kann man auch.. Jch werde stets mir selbst genug sein, ich will keine Bevormundung durch einen Mann, keinerlei Abhängigkeit von ihm. Und wenn du gescheit bist, Schwester. mach’s so wie ich. Die Männer haben genug Unheil in die Welt gevrachr — unser Papa natürlich ausgenommen-« es wird Zeit, daß sie erkennen lernen, wie ihreMacht niedergeht . . . Jch wer de niemalH solche Thorheiten mitma chen, darauf verlaßt euch!« Diese weisheitlichen Worte hatten einen großen Eindruck auf die Familie gemacht, und MamaStresenow schämte sich fast nachträglich, einstmals anderen Prinzipien gehuldigt zu haben. Wie die Schwester Fritzi. die Acht zehnjiihrigr. über die Liebe dachte?—« Man wußte es nicht genau. Sie schwieg sich aus-. Aber da sie sonst in allen Stücken das Gegentheil Kläres war, so fürchtet Mama Stresenow tin stil len das Schlimmste Papa Stresenow äußerte sich iiber die Geschichte nicht, wie er denn überhaupt eine hartnäckige Abneigung davor hatte, sich iiber ir— gend etwa-:- selbststiindig zu äußern Eines Tages-, während Kläre in eis ner gründlichen Vorlesnng eine Fülle von Geist und Langweiligteit vollEnts ziicken einsog, stürzte Fritzi athemlos den Hut in der Hand, mit glühendem Gesicht in das Wohnzimnier nnd rief den Eltern zu: »Mama! Mainal — Mir ist was Schreckliches passirt!« - Die Alten fuhren erschrocken auf und starrten sie an. »Um Himmels willen, Kind, was denn?« »Ich habe mich verlobt.« Die Eltern blickten il)r·entset3t in das rothe Gesicht. »Das hab’ ich kommen seh’n,« stöhnte die Mutter. während Vater sich mit einein dumpfen Schweigen be gnügte, innerlich indessen das vernünf tige Töchtercheu herzlich begliicts wünschte. »Ich kann nichts dafür, beste Maus-a. Es ging eben nicht anders. Ich hab’ mich gewehrt und dagegen getiimrsst, aber heute hat mich Ernst übernim velt.« » »(srnst? . . . Ernst Vlasi115, der Hauswirthssohn Z« »Ja! —— Der ist’5 . . . Ach, wenn du wiisitest, wie lieb ich ihn habe -- nnd er dass gemertt und verlangte heute von mir, das; ich itun das Gegenthcil schwören sollte! —--- Na. ich tonnte dach unmöglich einen Meineid leisten · . Da haben wir uns denn verlobt.« »Frit3i! Was wird stlöre dazu sa gen?! . . . . Ohne daß du dich vorher wenigstens mit mir verständigst basi!« »Wißt ihr was?« rief Fritzi hastig. »Sie darf vorläufig noch nichts davon wissen. Das hab’ ich auch Ernst ge sagt. Jch bring’ es ihr nach und nach so schonend wie möglich bei.« ,,Thu, wie du willst . . . ich wasche meine Hände inUnschuld . . . Das gute Kind, die arme Kläre . . . sie hat es sich schon so schön ausgemalt, wie ihr beide nach unserm Tode einst eure altenTage zusammen verleben wollt . . .« »Aber das läßt sich doch nun nicht mehr ändern. Und überhaupt, ich denke ganz anders über die Männer als Klare! . . . Und über meinen künfti gen Mann werde ich sie schon auftlä ren.« »Wir - sie kommt-" Fritzi schrie auf. »Jetzt kann ich sie nicht sehen,« rief sie und eilte ausz- dem Zimmer-, wäh rend stliire durch die andere Thür her eintrat, so gemessen und ernst, so schtoeiasam und still wie immer in neuerer Zeit,· wenn sie aus den Vorle sungen kam . . sit Jl- si Fritzi trug schwer an ihrem Ge heimniß. Es kostete sie große Mühe, der Schwester etwas so Wichtiges zu verheimlichen, und doch fand sie auch nicht den Muth, offen mit dem Ge ständnifz herauszurücken. Das »Noch und-nach-beibringen" ließ sich auch recht schwer bewerkftelligen, denn Kläre hatte jetzt mehr zu thun als je zuvor und niemals Zeit zu einer vertrauli chen Aussprache. Aber Fritzi bedrückte fort und fort das Bewußtsein, vor der treuen Schwester etwas zu verbergen, und diese Empfindung theilten in noch hisherem Maße Papa und Mama. Mit cheuen Blicken, als seien sie Mitschul dige eines Verbrechenz gingen sie an Kläre vorüber und wichen ihr aus Fühlte Kläre das? Ahnte sie etwas? —- Auch sie schien bedrückt und unfreier als sonst in- ihrem Wesen Endlich kam Friki auf eine rettende Idee. Jn schlaslo er Nacht war der Plan in ihrem erregten Hirn gereift, und jetzt galt es nur, die Mama auf schlaue Weise zur Ausführung zu überreden. Die Kleine ging fest entschlossen auf’ s Ziel los »Mama,« sagte sie energisch, — ,,weißt du was? —- Jch halt’H nicht mehr aus. Jch ertrage diese heimliche Verlobung nicht mehr und Ernst auch nicht. Unser Glück will an’S Tages licht, wir wollen nicht so herumschlei chen, als wäre Liebe ein Verbrechen. Soll ich entbehren, weil Kläreg Freun din zufällig einen Ekel von Mann er wischt hat? Warum hat sie nicht besser aufgepaßt! Jch hätte so einen nicht ge nommen.- Aber warum sollen wir da runter leiden! »Mach nicht so eine ängstlicheMiene, Papachen dir geschieht ja sicher nichts. Aber heraus inuß die Geschichte, und ich weiß auch nun, wie ich am besten drum rum komme . . . Ganz von un gefähr muß sichs machen. Es handelt sich nur um den Anfang. Wenn ich erst in Schuß komme, geht’s schon! Also hör zu, Mama, was ich mir aus gedacht habe.« Frau Stresenow blickte sie gespannt an und fliisterte voll bangster Erwar tung: »Na —— na — was denn?« »Ich verliere eins von Ernsts rei zenden Billetg- dour. »Geliebte5 Mäd chen!« Du weißt schon --— so schreibt er immer. Du, Mama, —-— findest es, weißt natürlich nicht, wem es gehört, und hälst fürchterliche Musternng . . . Verstehst du?« »Nein Wort!s- sWag soll denn dasj« »Aber Mama! Wie kann man nur so « wenig Phantasie besitzen . . .Du machst dag natürlich, wenn Wäre dabei ist. — Du toiiinisi möglichst aufgeregt, den Brief in der Hand, herein und rufsu »Das ist unerhort1 . . . Yag in unbegreiflich! . . . Ein Liebesbrief . . . in meinem Hause!« Dann beginnst du mit zitternder Stimme oorzulesen.«----« »Mit zitternder Stimme? -—— Wie soll ich denn das machen?« »Es wird schon geh-en, Mainas chen . . . ,,Geliebte5 Mädchen!« liest du — -- und so weiter.· Und dabei musterst du mich scharf und vorwiter voll . . . Jch fange zu weinen , zu schluchzen an, nnd daran erkennst du, das; der Brief an mich gerichtet ist, überhäufst mich mit Boriviirfen und ich —«— gestehe alles-» . . . Je ein pörter du bist, desto besser . . . Denn kenne Klares goldene-, Herz. Anstatt empört zu sein, wird sie das Mitleid mit mir packen, und sie erfährt dabei im Handumdrehen alles . . . Na — einverstanden?« Es kostete große Mühe, die Maan zu der Komödie zu überreden, aber da auch der Gatte, der ja keinerlei Risiko bei der Sache hatte, den Plan ausge zeichnet fand. so willigte die gute Alte em. Its II- si Die Stunde der Ausführung des Planes tam. Kläre erschien nach reichlich genosse ner Aesthetit ermattet und zerstreut am häuslichen Herd. Sie war schweig sam und net-böser als sonst. Auch recht bleich sah sie aug. Erschöpft ließ sie. sich im Lehnsessel am Fenster der Ber liner Stube nieder. Papa saß in der’ Sodhaecte, Fritzi hantirtc unruhig imj Zimmer umher. Niemand sprach ein Wort. . . . i »Wo st Martia?« fragte Kläre end-( lich. »Ich weiß nicht, wo sie bleibt-U platzte der Alte heraus. »Sie miiszte schon längst hier sein.« Fritzi hustete laut, da öffnete sichi die Thür, und Mama trat ein. .. Mitl großen Schritten kam sie in die Mitte des Zimmers, ihre Hand hielt einen Brief und zitterte dabei sichtbar. ,,Mama!« rief Fritzi ihr entgegen, da sie nicht sprach. »Was ist dir? — Du siehst so erregt aust« »Soll ich —- es nicht feint« stieß Mama hervor, und die Hand mit dem Brief zitterte fürchterlich. ,,...Wenn ich so etwas erlebe! . . . Seht, was ich in Eurem Schlafzimmer gefunden habet« Dabei hob sie den Brief noch höher empor-. »Wißt ihr, was das ist? Ein Liebesbrief!.... Ein Liebesbries in meinem Hause. . .Wer kann ihn wohl verloren haben? . .. Hört! Sie räusperte sich, während rings umher Todtenstille herrschte, und las-: »Geliebtes Mädchen. . . . Ein tiefer Seufzer schwer und bange —-—-- durchtönte den Raum. Fritzi. die eben Anstalten machte, zu schluchzen, blickte sich überrascht um.... Der Seufzer kam von Klare, die bei den Worten der Mutter ausgestanden war Leichenblässe bedeckte ietzt ihrt Gesicht — sie schwankte Entsetzts stürzte Fritzi auf sie zu —— von der an deren Seite kam die überraschteMutter der Schwankenden zu Hilse, und der Papa sperrte vor Ueberraschunq ob der unerwarteten Wendung der-komis die den Mund weit aus. »Meine Kläre, was ist dir?« rief Frau Steresenow in höchster Desorg niß. »Bist du tranl?« Klöre richtete sich in ihren Armen auf und flüstette: W ,,Mama, sei gut — lies nicht wei ter —- und gib mir meinen Brief ...« »Deinen Brief?!« »Sie riefen es alle drei zugleich: — Mama, Papa und Fritzi. »Seit gestern suche ich ihn überall .. Wie lonnt’ ich ihn nur verlieren . . . . O, es war die Strafe für meine Verschlossenheitl Jhr solltet alles er fahren-« Das Schicksal wollte es!« Fritzi packte die Schwester nun bei den Händen und sah ihr ins Gesicht »Kläre! »s— Du hast auch ——-?-« Kläre richtete sich auf. Muth und Ruhe kamen ihr wieder. »Ich habe auch einsehen müssen, daß kein Mensch die Liebe ungestraft ab schwören soll! Jch hab mich dagegen zu wehren gesucht mit aller Kraft — aber —-——es ging nicht! Ach, wenn ihr meinen Reinhold kennen würdet! Er ist so gut, so brav, so ireu... Und wie nett er schreibt, nicht wahr« Ma ma?!« Jubelnd umarmte Fritzi die Schwe ster und tanzte mit ihr im Zimmer herum.. »Kläre! Klare! Die Geschichte ist gottvoll! Warum hast du uns denn das nicht schon früher gesagt?« »Ach, ich hatte ja solche Angst da vor, euch einzugestehen, wie ich mir selbst untreu ward!« »Du Angst vor uns? Und wir fürchteten uns vor dir!— Und nun sprudelt es von Fritzis Lippen, sie berichtete rückhaltlos die lustige Wahrheit und hielt schließ lich der Schwester das verhängnißoolle Brieflein mit den Worten hin: »Und nun lies! Mein Ernst schreibt auch ganz nett!« s Abends gabs bei Stresenow’s ein skleines Familienfest, bei dem Reinhold und Ernst sich als kiinftige Schwiiger herzlich anfreundeten. Wo die stolze Kläre ihren Liebed bries verloren, stellte sich niemals he raus, Lirnfig Brief aber ward be stimmt, als gemeinsame Familienre lique aufbewahrt zu werden. Der kleine Schlanmeier. »Nun, Karlchen, Du ißt doch den Kuchen sicher ganz gern?« »O ja, Tante —- aber auch gern ganz.« Unter Manne-rn. »Was macht denn unser alter Freund Rabe?« »Der macht feinem Namen alle Ehre, der stiehlt wie ein Rabe.« Verliittnidtiiia. »Wie kommt eg eigentlich, daß era so plbizlichden ersten besten ge nommen hat?« . »Na, etlaube einmal, es ist weder der Erste, noch der Bestel« Vorzeitiqe Strafe. Schutzmanm »Sie werden wir ersi einmal da rein thun ins Bad, mir scheint, Sie haben eg sehr nöthig.« Landstreicher: »Aber erlauben’s, i bin doch no net verurtheilt!« Nicht zu helfen. »Herr Baron sollten «’mal einen Wechsel in Ihren Lebensgewohnheiten eintreten lassen.« Baron (verschuldet«): »Schon ver sucht, lieber Doktor, es pumpt mir tei I« ner mehr Beim Wort genommen. Sie: Das Versprechen ist Dir nun. einmal entschlüpft, nun mußt Du es auch halten! Er: Aber, Kind, wie soll ich etwas halten, was mir bereits entschlüpft ist? Störung. Schmierendirettor lvon der Bühne zum Publikum): ,,Entschuldiaen die Herrschaften, wenn im zweiten Akt die Festtafel ausfallen muß, da unser Schnauzel mit der Wurst durchge brant ist!« Anspruchsvoll Fremder (imAlpenwirthshaus, zum andern)t »Nun, wie gefällts Ihnen denn hier oben?« »Hm, ’s Essen müßte reichlicher sein, und ’s Bier besser, und die Sen nerinnen hübscher . . . und’ n Fahr stuhl fehlt. I« Seine Domiine. Onkel (zu Besuch, kalten Ausschnitt speisend): ,,Sag einmal, das Zeug da nehmt Ihr wohl gleich fertig aus ei nem Delikatessen- Geschäft?« Oberföstersfrau: »Was denkst Du? Das Ausschneiden läßt sich meinMann nicht nehmen!« --..-.- .--.« Rossi-riet . »Hat Dein Mann nicht recht ge tobt, als Du ihm die Rechnung der Schneiderin zeigtest?« »Na und wie!« »Und was thatest Du denn dage gen?« »Ich zeigte ihm auch noch die Hut rechnungen und da war er sprach los!« Don Inn-is Ende. »O, Marguis, msan sagt mir-, daß Sie einst den Frauen sehr gefährlich waren!« »Ach, gewiß, Gnädigste, aber jeyt' sind die Frauen es mir," erst gestern sagte es mir mein Arzt!«'