Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 19, 1905, Sweiter Theil., Image 10

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Das Räthsel von Elvershiih. ?
Roman von Yeinhocd Ertmamn
Istssbmwtsskä
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QQQOQOQOQWIIIOO oooooooooo
ssssssss swsssssssssssssssssssssssssss
(15. FortseyungJ
Die Hände des jungen Malers zit
terten vor Ungeduld, als«ee den Brief
erbrach und während die beiden
Frauen ihn voll banger Sorge be
obachteten, begann er in fliegender
st die mit seinen Schriftziigen eng
deckten Seiten zu lesen. Wohl
guckte es während dieser Lettijre ein
paarmal wie ein Ausdruck von Bit
terkeit und Verachtung um seinen
Mund; aber als er dann an den
Schluß grlan i war, lehnte er sich
mit ein-ern tiefgen Ansathmen der Er
leichterung in die Kissen zurück.
»Dein Himmel sei Dank, es war
toch kein Traum!« sagte er in dem
Ton eines von schwerer Sorge Er
ldsien. ,.Darum also ist sie seit-m
men! Sie fürchtete wohl, daß ich ster
ben würde, und daß ihr Geheimniß
mit diesem Brief in fremde Hande
gelangen tönntel Du magst ihr die
urcht vom Herzen nehmen« Thyra.
«b ihr den Brief uriick und sa ihr,
daß ich selbst es fei, der ihn chicke.
Sage ihr auch—doch nein- sage ihr
nichts weiter. Jch denke, es wird ge
nug sein, uns vor ihrer Wiederkehr zu
bewahren«
Er hatte ihr das zufammengesaltete
Blatt gereicht, und Thyra schickte sich
nach kurzem Zaudern an, ihm zu ge
horchen. »Da Dues so haben willst,
Gib-aber bist Du auch sicher, daß
es Dich nicht später gereuen könnte,
was Du mich jeht zu thun heißest?
Ich glaube nicht« daß es nur das Ver
lan n nach dem Briese war, das sie
svot hierhertrieb. hre bange Sorge
um Dich war so au richtig —«
«Geh, ich bitte Dich, gehi« unter
brach er sie. »Und lehre schnell zu
rück; denn ich werde mich erst wieder
rei und leicht fühlen, wenn ich von
ir gehört habe, daß sie fort ist, um
kirrftig nie mehr meinen Weg zu
IrruzerL«
Thhra ging· Jn dem nämlichen nie
drigen, dunstigen Raume, darin auch
ihre früheren Zusammentiinfte statt
gefunden hatten, schritt Editha. un
geduldig ihrer harrend. auf und nie
der. Argwöhnisch forschend flog ihr
Blick über die Gestalt der schönen jun
aen Norwegerin hin.
»Berzeihen Sie, wenn i mir im
mer wieder rausnehme. c-ie in der
Erfüllung J eer Schwesterpflichten zu
stören· Jch merke wohl, daß ich dies
mal ungelegen gekommen bin, aber-«
«Sie sind nicht ungelegen gekom
men,« fiel Thvra ruhig ein. »Mein
Bruder war es, der mich hinderte,so
gleich Jhrem Rufe zu folgen. Er sen
det Ihnen durch mich diesen Brief zu
rück. Hoffentlich ist es derselbe, nach
dem Sie neulich fragten.«
Editha fah das wohlbekannte Billet
in ihrer Land, und die wilde, ver eh
vende Ei rsucht, die sie im Angeicht
tser jungen Norwegerin immer nur
mühsam zu meistern vermocht hatte,
lolerte in hellen Flammen empor.
Mit einigen raschen Schritten trat
sie dicht vor Thyra hin, um ihr unge
siiim das verräthersche Billet zu ent
reißen, »Svrechen Sie die Wahrheit?
Erik selbst ist es, der Sie mt diesem
Vriefe zu mir schickt?«
«JC’«.
»So haben Sie mich ihm verrathen.
Jst das die Auffassung, die Sie von
der heiligteit eines gegebenen Verspre
chens halten?«
«Jch habe mein Versprechen gehal
ten, so lange es möglich war. Wenn
Sie Interesse für meinen Bruder ha
ben, dürfen Sie mir keinen Vorwurf
daraus machen, daß ich es heute gebro
chen habe. Die Rücksicht auf fein
Wohl machte es mir zur Pflicht.«
.Natiirlich!« höhnte Editha. »Und
as sich selbst dachten Sie dabei teinen
tugendlich Aber Sie haben recht,
ich darf Jhnen keinen Vorwurf ma
chen. Es ist nur meine eigene Thor
heit, die nach Verdienst bestraft wird.
Und ei ist nicht der Mühe werth, noch
weiter davon zu reden. here Hallager
wird natürlich nicht die Grausamkeit
gehabt haben, Jhnen das Lesen des
Briefes zu verbieten, den er Jhnen
offen übergab.«
»Nein, denn mein Bruder wird nie
mals ein Verbot aussprechen, von
dein er wissen mußte, daß es mich
beleidigt Nur auf feine ausdrückliche
Aufforderung würde ich diesen Brief
gelesen haben, und vielleicht —- viel
leicht nicht einmal dann.«
»Ah, Sie kennen feinen Jnhalt
nicht? Und Sie hätten sich auch nicht
Mist ihn zu errathen? Nun,
dann bleibt mir also nur noch übrig,
Ihnen fiir die freundliche Bemühung
zu danken und mich von Jhnen zu ver
nbfehteden, denn einen weiteren Auf
trog hatten Sie, wie es scheint, nicht
site mich erhalten«
»Nein· Aber ich hege den Wunsch,
m eigenem Antrieb eine Frage an
Sie in richten, an derenBeantwortung
Ist-e sehe viel gelegen wäre.«
»Er-essen Sie hören! Vielleicht wird
es mir ein besonderes Vergnügen be
reiten- Almen Rede zu stehen.«
»Ich weiß nicht, von welcher Art
.Yke Beziehungen zu meinem Bruder
Isrsessessessessvssssssssssssssss
jwaren, und ich will es nicht wissen.
TAber eine Ahnung, die mich hoffent
jlich nicht täuscht, sagt mir, daß Sie
allein imStande sein würden, ihn von
einer Sorge zu befreien, unter der er
nun schon seit Tagen leidet. An dem(
Abend, der seiner Erkrankung voraus
ging, war er bei Ihnen, nicht wahr?«:
»Nehmen wir an, daß et bei mir
gewesen sei —- was weiter?«
»O, es ist fo, ich höre es ans Ihren
Worten. Und Sie werden mit dann;
gewiß auch sagen können, was in je-J
ner Nacht mit ihm geschah, und wie;
er atn Morgen nach Eichfelde zurück-l
gelangt ist. Jhm selbst ist jede Erin-«
netung daran entschwunden und es
muß ihm aus irgend einem Grunde»
den ich nicht kenne, « ·
tigkeit sein, es zu erfahren Denn er
,zermartert sich unablässig deswegen!
den Kopf und quält sich mit dunklen(
Vorstellungen von etwas cchreckli-j
chem, das in jener Nacht gescheheni
wört«
, Das spättische Lächeln war voni
; Edithas Lippen verschwunden, und ih
Hre Züge hatten plählich einen Augen- (
Iblick höchster Spannung ansgenom-s
;men. »
»Er hat mit Jhnen davon gespro
chen« fragte sie· »Wenn ich Jhnens
eine Antwort geben soll, muß ich zu
ivoren alles erfahren, was Sie von ihm]
hörten.
i Thhra wiederholte die Aeußerun
Igen Erits, so wie sie ihr im Gedächt
sniß geblieben waren. Erwartungs
voll sah sie zu Editha auf, als sie ge
endet hatte.
»Nein, ich weiß nichts«, sagte Edi
tha kühl. »Daß in jener Nacht etwas
Schreckliches auf Elverhäh geschah,
kann anen jedes Kind hier im Dorfe
serzählem Ob aber here Hallager et
was damit zu schaffen hat« vermöch
Iten außer ihm selbst wohl nur noch
lzwei Lippen zu bekunden die sich da
mals aus ewig geschlossen haben.
Vielleicht kehrt Jhrem Bruder früherl
oder später die entschwundene Erin
nerung zurück. Sollte er dann den·
Wunsch hegen, mich zu sprechen, so
mögen Sie mich davon in Kenntniß
setzen. Jch weiß nicht« ob ich seinem
Rufe Folge leisten würde: aber ich]
itin Jhnen jedenfalls nicht schon jetzti
verbieten mich darum zu bitten.« «
; Mit einer hoheitsvollen Geberde
neigte sie das Haupt, und in der näch
ssten Minute war Thyra allein. Be-«
drückt von der dunklen Empfinduna,l
daß sie in guter Absicht etwas sehr
Thörichtes gethan, kehrte sie in dass
Krankenzimmer zurück.
Mit unruhig erwartungsvolleri
Miene wandte Erit sich ihr zu. »Ist
sie fort? Und bist Du sicher, Thyra,
daß sie nie mehr zurückkehren wird?« l
»Wenn ich sie recht verstanden habe, i
IErik, würde sie nicht anders kommenl
als auf Deinen Ruf-«
»O, dann sehe ich sie niemals wie
der! Gieb mir das Stizzenbuch,
«Mutter, von dem Du eben gesprocheni
;hast."
! Frau Hallager that, was er be
igehrte, und seine hande, die schmal
fund durchsichtig geworden waren, in
dieser kurzen Reihe von Tagen, wand- l
Iten hastig die Blätter bis er zu der
JZeichnung gelangte, die Edithaö Ge-i
Hstalt im knapp anschließenden Reitansl
jzuge darstellte. Lange betrachtete er
zmit sinnendem Blick die Porträtftu
die, dann sprach er kopfschütteind vor
sich hin: »Wie seltsam! Ausgelöscht
und erstorben, als wäre es nie gewe
sen! Und ich wähnte doch, et könnte
nicht anders als mit meinem Leben
enden.«
Noch ehe eine der beiden Frauen!
feine Absicht eraihen und ihn an ih- «
ter Ausführung hindern konnten, hat- I
ter er dies Blattzugleich mit den fol
genden, auf denen Ediihas Antlih in
immer neuen Auffassungen wieder
kehrie, aus dem Buche gerissen und
—-- zu formlofen Knäuel zufammen
geballi — in die entfetniefie Ecke des
Zimmers geschleudert (
,Au3gelöfcht auch dies! Ah, nunj
ifi mir leicht und frei! Gieb mir:
Deine hand, Thhra —- Deine liebe
Hand! Und auch Du, Mutter! Wie
köstlich ifi doch ein solches Erwachen
aus wüfiem Traum!«
Er führte ihre Hände an feine Lip
pen, und dann lag er fiill lächelndj
da, einen lichten Abglanz sonnigen
Seelenfriedenz auf dein blassen Gesj
sicht
: Nicht lange nachher zog fich Frau
Thallager zurück, um eine Weile zu ru«
hen. Thhra faß am Fenster, und als
iErii eine Bewegung machte, die sie fiir
kein Zeichen der Ungeduld nahm« frag
Ite fie, fich ihm zuwendend: «Hafi Du
leinen Wunsch, Erili Willst Du, daß
ich Dir ein-a- vorlefe wie gefiernk J
; »Nein. Aber ich mbchie mit Diri
Plaudern Komm her zu mir, damit
ich Dein Gesicht fehen kann Jch habet
W
« « (
ei so lange entbehren müssen s-— so
lange.« »
Thyra hatte sich wohl erhoben, um
seinem Wunsche nochzultmnnenI aber
sie war nun doch an dem Tische in
mitten des Zimmers stehen geblieben
und hatte bei seinen leyten Worten
die Augen niedergeschlagen.
»Das Sprechen könnte Dich an
strengen, Erit;.Du weißt, daß Dok
tor Harmsen Dir empfohlen hat« Dich
noch zu schonen. Soll ich also nicht
doch lieber lesen?"
,,O, es schadet mir gewiß nichts,
mich rnit Dir zu unterhalten. Denkst
Du wohl noch daran, Thora, wie wir
miteinander Märchen aussiihrten hoch
droben in unserem herrlichen Berg
wald? Du warst die gesungene Prin
zessin und ich der Ritter, der Dich
befreite. Und denkst Du noch an
die linden Sonnenabende, wo ich Dich
weit hinausruderte aus den Fiord,
unt Dir von meinen gewaltigen Hofs
nungen vorzuschwärtnen und meinen»
hochfliegenden Plänen? Mir ist, als;
wäre es erst gestern gewesen. Aber Dus
Thyra -—- erinnerst auch Du Dich;
jener glücklichen Stunden ?'« (
»Gewiß, Crit ich erinnere mich th- !
rer sehr wol-. Wie hätte ich sie auch
vergessen sollen! Jn der Stille unse
res heimathlosen Lebens verwischen
sich die Eindrücke wohl nicht soschnell
wie draußen in der großen Welt-«
»Ach, diese große Welt —- wie llein
und arti-selig scheint sie mir lxeuie ne
ben der seierlichen Erhabenheit unse
rer ndrdischen Hochgebirgsnatur, die
dem Menschen wie dem Künstler tan
sendmal mehr zu geben vermag als
sie· Ich mußte wohl hinaus, um mei
ne Hand zu üben aus zopfigen Akade
mien und meinen Blick zu schärfen
mit weiten Studienreisen; aber meines
herzens bester Theil ist doch immer
daheirngeblieben, auch wenn ich selber
mir dessen zuweilen taum bewußt
wurde. Und nun ists genug des Wan
derns und Schweiselns in der Frem
de. Nun lebten wir drei zusammen
heim, um uns nie mehr zu trennen
Die Lust des Vaterlande-« wird mir
die alte Kraft wiedergeben, wie Deine
Augen und Deine Stimme mir mei
nen verlorenen Frieden wiedergegeben
haben. Ach, daß wir doch schon mor
gen sortziehen könnten!'«
»Gedulde Tich nur noch eine kurze
Zeit. Doktor Harrnsen sagt, daß
wir in etwa vierzehn Tagen reisen.
dürfen. Aber nicht aus lange oder
gar aus immer darfst Du Dich dort
even vergraben. Du würdest es auch
gar nicht ertragen. Ein Künstler
braucht andere Lebensluft, als Du sie
in jener Einsamkeit athmen müßtest.«
»Nein, mich verlangt nach nichts
Besserem mehr, als Dich über den
Fiord zu rudern wie damals, und-mit
Dir durch die Wälder zu streifen.«
»Und Deine Kunst, Erit? Denkst;
Du denn gar nicht an sie?«
»Gewiß! Jch habe sogar die kühn
sten Pläne und den festen Vorsatz, eine
Menge unsterblicher Meisterwerie zu
schaffen. Aber ich muß darüber mit
einem Menschen reden lönnen, der mir
geduldig iuhort und der meine Arbeit
mit liebevollem Antheil begleitet. Du
mußt bei mir sein, Thora«
Ohne ihn anzusehen, schüttelte sie
den Kopf. »Du würdest Dich sehr bald
enitiiuscht fühlen. Meine Gesellschaft
mochte gut genug für Dich sein, so
lange Du leine schöneren und geist
volleren Frauen tanntest, jetzt aber
würde sie Dich sehr bald langweilen
und Dir nur um so schneller dieSehn
sucht wieder nach den Anregungen und
Zerstreuungen von denen Deine ei
math Dinkeine zu bieten vermag.
Crit Hallager lächelte und beobach
tete mit Entzücken den Wechsel der
Farbe aus ihrem liebreizenden Antlitz.
»Was soll ich sagen, Thyra, um
Dich vorn Gegentheil zu überzeugen?
Ich deute, daßes am besten ist, wenn
wir es aus die Probe antommen las
sen —- voeausgeseßt natürlich, daß Du
nichts dagegen einzuwenden hast,und
daß Dich der Gedanle nicht erschreckt,
mich von nun an bei Dir zu behalten
— sitt das ganze Leben.«
Sie selber wußte wohl nicht« was
sie gerade in diesem Moment so un
widerstehlich zwang, ihre Augen zu
ihm zu erheben; aber als ihre Blicke
sich nun bege treten, da bedurfte es
temes gesprosenen Wortes mehr, um
ihnen zu offenbaren, daß sie fortan
nicht mehr wie Bruder und Schwester
würden neben einander leben können.
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Neunzehntes Kapitel.
Jn demselben Zimmer des Herren- l
hat-fes von Elvershöh, wo die ersten T
Bernehrnungen stattgefunden hatten,;
laß auch heute, am Tage nach der.
Auffindung der Leiche Indian- der»
Landgerichtsrath Martin-z mit seinem
jungen Prototollführer und dem ha
geren Kriminaltommissan Sie waren
in einer eifri en halt-lauten Unter
haltung begri en, als der Gendarm
auf der Schwelle erschien, um in straf- »
fer, dienstlicher Haltung zu melden:l
»Die Zeugin Fräulein Redlich ist zur
Stetle.« ’
Der Landgerichtörath rückte sich
auf seinem Stuhle zurecht und se te
den Kneifer auf die Nase. »L« en
Sie sie eintreten.« s
Mit scharfem Blick musterie er die
Gestalt des jungen Mädchens, die
mit ihrem hübschen, etwas bleichen
Gesicht, ihrem wunderschönen gold
rothen hear und in dem einfachen
dunklen Kleide unmöglich einen an
dererseits vortheilhaften Eindruck aufi
ihn machen tonntr. Mit einer intle
, . , . .
chen Vernei nng erwiderte er ihren
leise gesvr Gruß.
»Ich habe Sie um Ihr Erscheinen
ersuchen lassen, mein Fräulein, weil
Jhr Zeugnis in der vorliegenden
Sache von großer, vielleicht entschei-»
dender Wichtigkeit ist,« begann er ins
ernstem und eindringlichern Ton. »Al-j
ler Voraussicht nach werde ich es nicht (
vermeiden können, Sie iiber Dinge zu s
befragen, deren Erörterung Jhnenl
peinlich und unangenehm sein mußu
Die Erforschung der Wahrheit aber?
steht als ein öffentliches Jnterefsei
hoch über dem Interesse des einzelnen,j
und ich brauche Sie wohi nicht erst?
ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß!
Sie mir nichts verschweigen dürfen»
wie start auch die Versuchung für Sie«
sein möge, es zu thun- Zwar werde ichl
vorerst noch von Ihrer Veteidigungl
Abstand nehmen doch bitte ich Sie;
nichtsdestoweniger dringend, Jhre
Aussagen so einzurichten, daß Sie
sie jederzeit durch einen Eid beträfti
gen tönnen·«
Käthe nictte mit einem Ausdruck so
reisender Befangenheit und Verwir
rung, daß selbst das Herz dg; strengen
Juristen nicht ungerührt bleiben
konnte.
»Sie wissen ohne Zweifel, um was
es sich hier handelt.'« fuhr der Land
gerichtsratb fort. »Der Majoratsherr
aus Elbershöh,Baron Erwin von Lin
derode, wurde eines Morgens erschaf
sen irn hiesigen Pakt aufgefunden,
und der Verdacht, ihn ermordet zu
haben, lenkte sich sogleich auf den
Förster Rudolf Fabian, mit dem er
Tags zuvor einen heftigen Worttvech
sel gehabt hatte. Der Förster Fadian
war Ihnen bekannt?«
Köthe schlug die Augen nieder;
aber sie sagte doch mit vernehmlicher
Stimme: ,,« a.«
»Ihr-e Bekanntschaft war sogar
eine ziemlich intirne, das heißt, es be
nano ein heimliches medesveryalr
niß zwischen Ihnen und ihmi«
»Muß ich daraus wirklich antwor
ten, mein Herr? Für die Entschei
dung der Frage, ob Fabian den Ba
ron erschossen hat, kann dies doch un
möglich Bedeutung haben-"
«Doch mein Fräulein, ich muß da
raus bestehen, daß Sie mir rückhalt
los Auåtunst geben-"
»Nun denn —- ja! Der Förster
Fahian hat sich um meine Hand be
worden«
«Und Sie haben ihn nicht zurück
aewiesen, er durfte sich als Jhren
Verlobten betrachten, nicht wahr?««
Jn raschem Wechsel lam und ging
die Farbe auf Käthes Gesicht. Sie
mußte dem Landgerichtsrath noth
wendig Mitleid einslößen, wie sie da
in unvertennbarem seelischen Kampfe
vor ihm stand —-— in einem Kampfe,
den er sich nur als die natürliche
Auflehnung ihrer mädchenhasten
Scham gegen den brutalen Eingriff
in ihre zartesten Geheimnisse zu deu
ten vermochte.
»Ich will es Jhnen leichter ma
chen, mein Fräulein,« sagte er in gü
tigem, sast väterlichem Tone. »Sie
sollen uns nichts erzählen, sondern
Sie sollen nur bestätigen oder der
neinen, was ich Ihnen mittheilen wer
de. Es ist Ihnen jedenfalls bekannt,
daß man den Förster Fabian, den
man gesliichtet glaubte, gestern als
Leiche in einem Steinbruch an der
Grenze des Gutsbezirts Eloershöh
ausgefunden hat·«
»Ja, es wurde mir erzählt.«
»Die am heutigen Vormittag er
folgte Obdultion hat im Verein mit
einer genauen Besichtigung des Fund
ortes ungesiihr Folgendes ergeben:
Der Förster — aber ich bitte Sie, sich
zu setzen! Jch verstehe vollkommen,
daß es Sie angreisen muß, diesen
traurigen Bericht zu oernehmen.«
Der Kriminaltommissiir brachte ihr
einen Stuhl, und mit taum vernehm
lich geflüstertem Dank ließ sich Mithe
daraus nieder.
»Der Förster hatte eine tödtliche
Schußoerledung am Halse, und es ist
als gewiß anzunehmen, daß sich Ia
bian den Schuß in selbstmörderischer
Absicht beigebracht hat, und zwar,
nachdem er das Wildgatter überstie
n hatte und bis an den äußersten
and des Steinbruchs oorgetreten
war. um durch den unvermeidlichen
Sturz in die Tiese seinen Zweck um
so sicherer zu erreichen. Der Absturz
tst denn auch erfolgt, und Fabian hat
dabei außer einem Beinbruch ver
muthlich auch schwere innere Ber
letzungen erlitten. die sich indessen
mit Sicherheit nicht mehr nachweisen
lassen. Jedenfalls hat er noch einige
Zeit gelebt, ist vielleicht erst nach eini
gen Stunden durch den Tod von sei-:
nen Leiden erlöst worden«
Käthe hatte längst das Taschentuch
an die Augen gedrückt. »O mein
Gott!« schluchzte sie. »Es ist ja nicht
auszudeuten —- dies Iiirchterliche.«
«Es thut mir leid, mein Fräulein,
daß ich Ihnen die grausige Schilde
rung nicht ersparen konnte; aber die
Umstände, unter denen der Tod des
Försieri ersolgte, werden ja tein Ge
heimnis bleiben, und Sie würden sie
darum wahrscheinlich auch ohne mei
nen Bericht erfahren haben. Jch muß
te sie so aussiihelich erwähnen, damit
Ihnen das Weitere verständlich werde.
denn durch sein langsames Sterben ist
Fabian in den Stand geäeht worden,
noch nach dem verhängni vollen-Sturz
gewisseAuszeichnungen zu machen, die
man in einem neben der Leiche ge
fundenen Notizbuche entdeckte. Eben
.diese Auszeichnungen haben mich ver
i
entlast. Sie rusen in lassen. und sie
sind ei, die in erster Linie den Ge
enstand Jhrer Vernehmung bilden
sollen. Betchiistigen sie sich doch vor
nehmlich mit rer Person«
Das junge iidehen ließ die and
mit dem Tuche sinken. Die B tür
zung iiber die letzten Worte des Un
tersuchungsrichters stand ihr deutlich
aus dem Gesicht geschrieben.
»Mit meiner Person?« wieder
holte sie unsicher.
»Ja. ch werde sie Jhnen in ihrem
vollen ortldut nach der Abschrift
vorlesen, die wir zu den Alten genom
men haben.'«
Er blätterte in dem vor ihm liegen
den Attenbiindel, das bereits zu an
sehnlichem Umsange angeschwollen
war und begann in niichternem, ge
schiistsmäßigem Tone zu lesen: »Es
beginnt zu dämmern, und ich lebe noch
immer. Zweimal während der Nacht
war ich bei llarer Besinnung, wurde
aber stets von Neuem ohnmächtig.
Nun ist es hossentlich bald vorbei
Lebe wohl, Käthet Jch wünsche Dir
alles Gute, wie treulos Du auch an
mir gehandelt hast. Daß Du mich um
dieses elenden Krüppel-l willen ver-»
rathen lonnteft, nur weil er ein Baron
ist! —- Du sagst, es sei nicht wahr,
und er habe keinen Antheil an meiner
Entlassung, aber ich glaube nichts
mehr —- nichtsl Und er wird Dich
in·s Elend bringen« denn seine Frau
lannst Du doch niemals werden. Hät
eeii jedenfalls besser gethan, mir Dein s
Wort zu halten, und wirst es noch mit
bitterer Reue einsehen. Wir wären
gliictlich geworden, wenn Du heute
Abend eingewilligt hättest, mit mir zu
geht-, denn ich liebte Dich iiber aller
Nun hast Du mich in den Tod getrie
ben mit Deinem Nein! Es war das
letzte. Die Menschen hassen und für-ch
ten mich wegen der Geschichte mit dem ?
Wilderer; eine Stellung hab' ich nicht,
will mich auch nicht länger von den z
Herren siirLumpengeld zumAufpasfen
und Anzeigen und Todtschießen ge
brauchen lassen. Nun hast auch Du
mich von Dir gestoßen, da ist es so am
besten für mich. Fort aus dieser elen
den Weltt«
fchDer Landgerichtisrath unterbrach
»Hier folgt ein nnleserliches Ge
lritzeL Wahrscheinlich ist der Unglück
liche dann noch einmal in tilrzereBe
wußtlosigteit verfallen, denn der
Schluß seiner Auszeichnungen lautet:
»Ich weiß nicht« wie lange es schon
dauert. Es ist ganz hell, aber meine
Uhr ist stehen geblieben, als ich stür te.
Es geht zu Ende -—— ich fühle es. «ch
bin nur zufrieden. daß ich tein zwei
tes Menschenleben au dem Gewissen
habe, und daß der ;nspettor recht
zeitig dazwischentani, als ich den Ba
rrn an der Gurgel hatte. Damals
hätte ich ihn sicherlich erwiirgt in mei
nem Zorn s—- ietzt habe ich keinen Haß
prehr gegen ihn, denn er ist ein armer
Betrogener wie ich --— trog seines
Reichthumg und seiOeg Abels-. Ich ver
gibe ihm von Herzen alle-.- —-— auch den
Schlag, dener gegen mich geführt hat.
Ich vergebe auch Dir, Käthel Wenn
sie mich finden —"
Der Landgerichtsrath schob das
Attenhest zurück.
»Damit ist es zu Ende. Ter Tod
wird ihm endlich als mitleidiger Er
lbser den Stift aus der Hand genom
men haben. Daß die Auszeichnungen
in der That von ihm herrühren und
nicht etwa später unterschoden worden
sind, ist durch Schriftvergleichung be
reits mit voller Sicherheit festgestellt
worden« Es fragt sich für uns also
nur, ob das, was diese Aufzeichnun
gen an unverständlichen Hindeutungen
aus Ereignisse und Thatsachen enthal
ten, derWabrheit entspricht oder nicht«
Um gleich mit dem Wichtigsten zu be
ginne, frage ich Sie, mein Fräulein:
Wann haben Sie den Förster Fabian
zum le ten Mnle gesehen?«
Die ntwort des jungen Mädchens
erfolgte nicht sogleich; sie hatte das
Gesicht in den banden verborgen und
schluchzte unablässig. Der Unter
fuchungsrichter wartete geduldig ein
paar Minuten lang, dann aber sagte
er in ernsterem und eindringlicherem
Tone: »Es tann Ihnen nicht schwer
fallen, mir auf diese einfache Frage
Auitunft zu geben, Fräulein Redlich.
Der Förster bezieht sich in den hinter
laflenen Blättern ganz un weideutig
auf eine Unterredu mit hnen. die
nur in die Zeit zwif n seinem Streit
mit dem Baron Und seinem Selbst
inordverfuch fallen lann; dies festzu
stellen aber ist fiir uns von der größ
ten Wichtigteit, denn es bedeutet nicht
mehr und nicht weniger als die Ent
scheidung der Frage, ob Fabian der
Mörder des Barons v. Linden-de ge
wesen ist oder nicht«
»Er ist es nicht gewesen« Herr Rich
ter! Er lann es nicht gewesen sein;
denn zu der Zeit, da Herr v. Linderode
an der entgegengesetzten Seite des
Partei erschossen wurde, war Rudolf
Fabian bei mir.«
Käthe war ausgestaan und vor
den Tisch des Landgerichtzraths hin
Htreten Mit fester Stimme hatte sie
e inzaltsschwere Erlliirung abgege
hn, ie ohne Zweifel das Resultat
eines langen und schweren Seelen
tampfei war. Ihre Thriinen waren
versiegt, und eine unerschittterliche
Eintschlassenheit sprach aus ihren
Z en.
r Untersuchun stichtee war siir
einen Moment völlg außer Fassung
und sah e mit großen Augen an.
Seine er te Empfindung freilich war
die eines mächtigen Unwillens. «
»Das wußten Sie? Und doch sagen
Sie ei uns erst feßti Ja, begreifen
Sie denn nicht, daß Sie damit viel
leicht die Erzreitung des Berbrecherö
. »... —--«-. w-. --.-.-.-- —··«.... W -.. ,.... -
spinnen m ihm sei enden rec
fchafft haben, sich in aller ritterlich
ieit der Bestrafung zu entitedenf«
l »Ich habe gefehlt des let-gn- ich
nicht. Ader niemand bat mich desra t,
und es ist siir ein Mädchen schrieb
nicht leicht, aus freien Stücken feinen
Ruf dem Gerede der Welt preiszu
gehem«
Diese lehte Erklärung mußte wohl
etwas Einleuchtendes stir den Land
aerichlsrath haben, denn die Falten
auf seiner Stirn verschwanden, und
seine Stimme gewann wieder ihren
drrigen ruhigen Klang.
»Da es leider nicht mehr zu lindern
ist, wollen wir fiir jetzt nicht weiter
darüber rechten. Erzählen Sie uns
tcnn ausführlich, was Sie von den
Ereignisan jenes Abends zu sagen
wissen.«
»Mein Obeim war nach Eichselde
hinüber-gegangen und ich wußte, daß
er nicht ror Mitternacht heimkeng
werde, da ich vorausfah, dasz Fa ian
kommen werde, schickte ich unter einem
Brrwande auch das Mädchen und den
einzigen noch im Hause anwesenden
Görtnergeliiilsen fort, so daß ich ganz
allein war.«
»Wenn ich Sie recht verstehe, hatten
Sie also ein Stelldichein mit dem
Förfter verabredet?"
»Nein. Wir trafen uns sonst an
einer bestimmten Stelle im Walde,
kenn mein Oheim der den Försler
k;aßie, würde mich aus dem hause ge
sagt haben, wenn er unseren Verkehr
entdeckt hätte«
»Wie kam es denn, daß Sie trotz
dem Fabians Besuch erwarteten?«'
»Er hatte mich kurz zuvor im Ge
spräch mit einem anderen rn ges
trasfen· und da er sehr eisers chtig und
niifitrauisch war, zweifelte ich nicht,
dafi er kommen werde, mich zur Rede
zu ftellen.'·"
»Und er kam wirklich?«
CFortsetzuong folgt.)
MWM
Tauchererlebiitfse.
Ein englischer Tiefseetaucher, der
im December mit einem älteren Berufs
genosfen die genaue Lage eines gesun
kenen Schiffes feststellen sollte, giebt
von feinen Empfindungen während
seiner ersten unterseeischen Reise sol
gende Schilderung. Als er nach den
Ohnmachtsanwaiidlungen, die der un
gewohnte Druck der Wassersiiule bei
dem Neuling verursacht, zur Besin
nung gekommen war, fand er sich aux
einem Sandbett stehend, das sich wei
wie gut gebleichte Leinwand zu feinen
Füßen hinzog Schaaren riesenhafter
Schnecken und Würmer, die Schlangen
glichen, umschwärmten sie —— der Tau
cher sieht bekanntlich alles mehrfach ven
griißert. Leicht und frei, wie in des
Luft, trotz des schweren Anzuges und
der schweren Bleisohlen aii den Beinen
gingen sie etwa 100 Meter auf dei
Meeresboden vorwärtss Aus des
pflanzenbedeetten kleinen spiigeln und
Thalern schofsen ganze Schwärme sil
ber- und goldglitzernder Fische Blihen
gleich vor und hinter ihnen durch die
Fluth Schließlich erkannten sie in
einem großen dunklen Körper dor sich
das untergegangene Fahrzeug.
Das Tageslicht drang noch so weis
in die Tiefe. daß es schien, als sähe
man durch dickes Glas; es war also
hell genug, um das Leck zu finden.
Plötzlich wurde der Lichtkegel über ih
neii durch eine schwarze Wolle verdun
telt. llnwillkiirlich aufwärts blickend,
bemerkten sie einen großen Körper, der
sich üer über Köpfen hin und her be
wegte. »Das Herz stand mir still, ich
sah in den geöffneten Rachen eines rie
sigen Haie5. Wohl schien das Scheu
sal bedeutend größer als es wirklich
swar, aber aus alle Fälle war »der
Schrecken des Ozeans« über uns und
spielte um unsere Lustschliiuche und
Rettungsleinen ——— ein neugieriger Biß,
und es wäre mit uns vorbei gewesen.
Unheirnlich langsam, aber sicher näherte
sich uns das Ungeheuer. Jch hielt mich
schon fiir verloren, als der Hai einige
Meter vor mir stehen blieb, unverwandt
uns betrachtete, wie eine Katze, die sich
zum Sprunge auf die Maus fertig
macht, den Schwanz bewegend
In diesem furchtbaren Augenblick
schnellte mein Gefahrte blö lich die
Arme auf und ab, der isi ch schien
retdutzt und entfernte ich lang am,
blieb aber über uns stehen. Balle iins
Minuten standen A wir nun « wieder
apum-Zion uno biete an iich rurze
Zeit schien mir ungeheuer lang, bis
endlich der Schatten sich verzog. Mein
Kamerad und ich gingen nun vollends
um das Wract, —«-— ich mit zagendem
Herzen, —- herun1, damit wir über
die genaue Lage des Schiffes berich
ten konnten, und ich hatte mich lchan
etwas erubigt, als plötzlich der ver
teufelte Schatten abermals sich iiber
uns blicken ließ
Ein Grausen ergriff mich — i
wollte zurückweichen, da packte mi
etwas, ich wehrte mich aus Leibes
triiiten. daß vom Meeresboden dicke
Sandwolten aufwirbeltem plötzlich
schien, wie aus weiter Ferne, eine
menschliche Stimme zu mir zu drin
Jgen. »Sei tein Narr« du hast wieder
»die Rettung-leiste aus der Hand ge
lassen!« Der Hai lauerte ja nur auf
die Körper der Matroien aus dem
Schiss.« Mein Geiiibrte stand dicht
neben mir; ich hängte mich an ibn und
schrie aus Leibestriittem »Dtnauf,
hinauf, ich will nach obenl« Die fürch
terlichen Eindrücke hatten mich halb
wahnsinnig gemacht, und halbtotst er
bligte ich das Licht der Sonne nie
der-« Kein Wunder. das unter 100
Männern, die sich dem Taucherberute
widmen wollen« vielleicht 2 bis 8 auf
die Dauer ibm treu Leibs-·