Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 28, 1905, Sweiter Theil., Image 14

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    Merrenloses Gut ,
Roman von Osle Bembakd
—- s s— —- f-v
(30. Fortsetzung.) »
»Ja Trauer?« fragte Frau Gra-’
bist sey interessiert «
. rauerl Sterben Ia Men
schen an allen Ecken und Kanten So,
Rest geht sie ins Haus hinein Na,
zu uns wird sie nicht kommen, das
sie t sest!« - .
ine halbe Minute daraus schallte
die glatglockr.
» ie kommt doch zu uns - — komcnt
hochl« Der alten Frau zitterten die
welken Hände, ihre Stimme klang un
sicher. »Geh’ nachsehen Nannn, geh’!
Jung — sagst du —---— und in Trauer?"
«Herrgott, kalt Blut:« mahnte
Nanny im Herausgehen »Es kann
der Zeitungsjunge sein!'«
»Jetzt schon? Nein! Und dir Wa
gen fährt eben fort! Wenn ich doch
nur selbst —- selbst —-«
Sie versuchte sich zu erheben, der
schwerfällige Körper sank aber zurück.
Draußen ein leises Zwiegespräch
lein Wort zu verstehen —- jetzt ein halb
unterdräckter Ausruf von Nanny.
Gleich darauf trat diese wieder ins
Zimmer —- erregt, verwirrt, an ihrer
Schürze zupsend.
»Ich — ich soll —- ja, Frau Gra
ditzer — kuriose Dinge passieren noch
alle Tage aus dies-er Welt ——«
»So rede doch nicht so viel! Warum
sagt du es mir denn nicht gleich, daß
Hanna gekommen ist ———- meine Enkel
tochter Hanna aus Miinchen?'«
»Gtvßmutter!« ,
Die schlanke schwarze Frauenae:
stack eilte ins Zimmer, schlug den
Schleier zurück, neigte sich über die
alteDame
Lamm stand ein Weilchen aus der
Türschwelle, sah unter zusammengezo
genen Brauen herüber-, dann zog sie
sich langsam zurück.
«Entkliochter! Großmutter!« murr
te sie achselzuckend. Es hat sich was-!
Leuten Blutsttopsen von der Dora
und ihrem Polacken hat das in sich und
kommt nun angereist und spielt sich »
hier auf die Verwandtschaft aus! So
was Angenommenes . . . und weiß’
Jet- noch, von wo! So was Frem- «
das »Fretnde« vor der altenFrau,
küßte ihr die runzligen Hände und bat
isten-entrissen »Sei mir nicht böse,
liebste Großmutter. daß ich dich er-:
schreckt habe! N-annn sollte dich vorbe
reiten —"
Es schadet nichts, mein Kind! Es
ist schon It, geht schon vorüber! Jst
mir lieb, ß du gekommen bist, sollst
mir viel von meiner Dora erzählen,
alles haarlleini Laß dich doch anse
Zh ich kenne dich ja gar nicht mehr!
aß und hübsch geworden! Aber
baß dein Mann dich fortgelassen hat
nach so kurzer Zeit!«
Hanna senkte den Kopf.
»Er —et hat mich nicht —- -- ich bin
—- et weis nicht —— ach, Großmutter,
ich will dir alles erzählen, ich muß.
ja! Erlaube nur daß ich einstweilen
bei dir bleiben dars, und sage keinem,
seinem, daß ich hier bin, wer auch
nach mir fragen sollte!«
Die alte rau schüttelte schwerfäl
lig den Kop i
l
mIndessen kniete das »Angenomme
i
»Von dem, was du eben jetzt ae
sag«t hast, versteh ich kein Wort mein
liebes Kind! Was soll ich nicht sa
gen? Hat dich dein Mann nicht frei
willig hetgtfchiclt2« l
»Nein! Jch bin heimlich aeaanqen
Ich habe jeyt erst erfahren, aus wel
cher Familie ich bin und wie meine»
Eltern und Geschwister zugrunde ac- s
Use- sindi Er aber hat das gewußt «
und hatiinich deshalb zu seiner Frau
gemacht, weil er ein-e Schuld aus seis
MPVetgangenheit hats sühnen wol
Es dauerte ein Weilchen. bis Frau
Gradiser antwortete es aeschah
endlich mit abermaliaem langsamen
Kipssehütteln
»Das ist iur mich alte Frau zu
hoch, das versteh’ ich nicht, du mußt
mir das genau erklären Deine Fa
milie . . . ja, ja, ich weiß natürlich.
wie alles damals war, und es bat mir
in der Seele leid getan. Jch hoffte
aber, du würdest das nie erfahren,
meine Dorn hat alles drangeletzt, auf
daß es nicht geschieht! Wer hat eg
disdenn erzählt?«
»Man —- man hat es mir geschrie
ben —- vielmehr eine Zeitung geschickt,
in der es zu lesen mail«
»Armes Kind-und dein Mann-;
der soll — ach, das ist ja dummes
Zeug, das bildest du dir ein! Wenn
er dich geheiratet hat, wird er dich
doch auch liebhabenk Bist ja ein rei
· Schei, junges Geschöpf, und meine
ritt-at mit geschrieben was für
ein Fules und lluges Mädchen du
- wurst.«
.Meine liebe Multi! Ja, die hatte
mi liebl« Schwere Tränen standen
in nnas Augen, und die alte Frau
ms chlang sie schluchzend: »Meine
M —- mein einziges Kind! Sprich
sit M meiner Doral«
, IX den Zehen hatte sich Nanny
«’ »s- Tiir gefchliyen —- ingrimmig
, i e Hande.
T Bist fiir sie. das reinste
i ie legte das Auge ans
«Siien beide da, hal
- is den Armen und weinen!
l
-
Wo ich nicht wußte. was tun, wie ihre
Gedanken alt-ziehen von « dem ewigen
Trauern — und hatte sie glücklich so
weit, daß sie sich abziehen ließ —- und
jetzt tommt so was —— so was! Und
der Mann weiß von nichts-, hat sie ge
sagt? Muß auch ’n schöner Mann
sein, der seine eben angetraute Frau
in der Welt herumsahren läßt und
weiß von nichts-! Jch sag’ es ja im
mer, die Kerls taugen alle nichts. ob
sie da sein sind oder gewöhnlich!
Hübsch ist sie, die Hanna, wenn sie
auch nichts von unserer Dora hat —
aber wie soll sie das? Ganz was
Fremde-J s-— und mit der Familie, aus
der sie kommt, muß irgend was nicht
richtig sein —- meine »Frau« spricht
nie davon. und wenn ich es mal tun
will, bricht sie immer kurz ab. Na,
lange hör’ ich mir dass Geseusze da
drin nicht mehr an —- wenn sie nicht
bald andere Seiten ausziehen, da
mach' ich kurzen Prozeß und platz«
hereint«
Es dauerte dennoch eine geraume
Weile, ehe die entrüstete alte Jung
frau dies tat. Sie machte sich aller
lei in Küche und Haushalt zu schaffen
— endlich trat sie Ivie von ungefähr,
eine Platte mit Früchten und einer
Fiasche Moseltvein in der Hand ins
Zimmer-.
Die alte Dame hatte die Enleltoch:
ter im Arm und streichelte zärtlich
das junge, blasse Gesicht.
,,Nein,s nein, Hannal Mit Lug« und
Trug g-:h’ ich nicht um aus meine al
ten Tage! Jch werde es niemanden
anzeigen, daß du bei mir bist, aber
wenn mich jemand fragt, dann muß
ich die Wahrheit betennen!«'
»Und das mit Recht!« Nannn
setzte das Teebrett mit solchem Nach
druck auf den Tisch, daß Teller und
Gläser klirrten. »Aus Wintelziige
sind wir hier nicht eingerichtet, junge
Frau. und wenn Sie die Dummheit
nun mal begangen haben, sich -’nen
Mann zu nehmen, dann müssen Sie
auch selber ausessem was Sie sich ein
gebroctt haben. Meine »Frau« ist alt
und hinfällig. die muß geschont wer
den . . . anstatt daß da Fremde Leute
aus München herkommen und machen
ihr den Kopf heiß!«
»Still, Nannyl Schäm’ dich doch!
Wenn das Kind in seiner Not zu mir
kommt, unr einen Zusiuchisort zu su
chen. dann sindet sie den, hast du ver
standen? Was ich mit meiner Entei
tochter abzumachen hab’, das- geht uns
beide allein an! Hof du die Betten
herunter und bring’ das Gasizimmer
für Frau Professor Cotta in Ord
nuna!«
»Schön, Frau Graditzers Da wä
ren wir ja nun glücklich wieder da;
angelangt, wo wir vor fünsundsviers
zia Jahren-anfingen: beim Dienstbo
ten! Jch hatte es in letzter Zeit
manchmal schon beinahe vergessen« daß
ich einer war, es isi gut, daß Sie mich
heute daran erinnern!«
»Nein, nein!«« Hanna sprang auf,
ihre Augen alänzten in Tränen. »Das
darf nicht sein! Jch will nicht Zwie
tracht iäen zwischen euch beiden! Nicht
dazu bin ich hergekommen! Laß mich
wieder spri, Großmutter! Sieh, ich
will dich nicht ausregen. auch nicht zu
Unwahrheiten verleiten, auch Nannn
nicht zur Last fallen! Ich kann aus
eigenen Füßen stehen ich tann —
und ich werdet Du sollst meine Zeug
nisse sehen, sie werden dir beweisen,
daß ich mein Erarnen gut bestanden
habe, daß ich mir seit-it weit-er sprudel
sen kann. Wenn du mir eine tieine
Summe leihen willst ——— ich zahle sie
dir später gewiß zurück —- ich möchte
sort von hier —- ich weiß auch schon,
wohin —- mein naner bek- treibt
mich — nein, nein, ichJienne dir nicht
den Ort, ich will nicht gefunden wer
den. ich will nicht nach München zu
riick -—- ich kann es nicht! Und wenn
du selbst nicht weißt, wo ich geblieben
bin, dann bleibt dir Ausrede und Un
wahrheit erspart! Du sollst Nachricht
von mir erhalten, wenn du es wün
schest, aber hilf mir —- ach, hils mir,
daß ich von hier sorttomme je sriii
her, desto lieber.' "
»Amen,« murmelte Nannn sast un
hörbar
Die alte Frau blickte ratlos von ei
ner zur andern.
»Was soll ich tun? Lügen mag
und kann ich nicht, aber dich sortschi
elen, taum, daß du gekommen bist,
und soll nicht einmal wissen, wohin . . .
das Kind, das meine Dorn so innig
geliebt, das sie ausgezogen hat, wie ihr
eigenes! Kommt Zeit, kommt Rat —
vorerst bleibst du hier, meine bannen
und wir reden von deiner Mutti —
immer —- immert Naniw. komm her,
sei gut, tränke mich nich-t! Hab’ ich
alte Frau denn nicht schon genug Leid
zu tragen?«
Langsam kam Nanny heran, lang
sam legte sie ihre Hnd in die bittend
ousgestreckte Rechte ihrer Gebieterin.
Aber es war tein'vers·o·hnter und auch
kein wohlwollender Seitenblick, der da
bei auf ihren Augen ans die junge
Frau siel.
25. k
hernsrnold Motten-Lin lag in
seinen- sett und blickte aus trtihen,
verschlossenen vom vielen Weinen-ge
rWen LIan auf seinen Schwieger
ist-du« der, heftig gesiitulierend und«
frasch sprechend, oor ihm stand. Ei
swar morgens sechs Uhr. Piotrotvsty,
»der seit Wochen sehr schlecht schlief,
;hatte vor kaum zwei Stunden, nach
;endlosem Hin- und Verwenden in den
Kissen, endlich etwas Schlaf gesundem
Haus diesem hatte ihn, unsantt genug,
ider geräuschvolle Eintritt Professor
JCottaH aufgeschreckt —- die alte The
fres war. halb bekleidet, händeringend
fund weh-klagend im Hintergrund er
«,schienen und hatte immer wieder be
t-:uert, sie könne nichts dafür. sie habe
es ganz gewiß nicht zulassen wollen.
Piotrotostn verstand sie nicht und
verstand auch Cotta zunächst nicht; es
llag wie ein bleierner Druck über sei
Inem Begriffsvermögen. Was wollten
fdte beiden von ihm? Warum sprach
Cotta so aufgeregt auf ihn ein? Was
s— was war geschehen? Hanna war
fort —— verschwunden? Unmöglich! Er
Lunte da5 nicht richtig verstanden ha
n.
»Ja doch, in drei T ...... Na,
men!« Der Professor unterdrückte mit
Mühe den Fluch, der ihm aus der
.Zunge lag, wie er in das verdutzte,
Iängstliche Gesicht des Mannes sah.
dem er den kargen Schlummer ver-«
türzt hatte. »Bei mir isi sie nicht« nnd
Thereö beschwört, sie wäre auch nicht
hier! Das ist atso wadr«?«'
»Bei mir? Aber sie ist doch gestern
gegen Abend zn dir gefahren. nach der
Richard Wagnerstraszei Wie soll sie
also kei mir . . .«
.Sie könnte ja doch zurückgekommen
sein! Kennst du etwas Unberechenba
reres als eine Frau? Kannst du je
mals mit einiger Bestimmtheit im vor
aus sagen, wag sie tun oder unterlas
sen wird? Ich nicht! Und ich tenne
’ne ganze Menae Weiber von den al
lerverschirdenstrn Sortent Das-·- aber
haben sie alle miteinander gemein: dasj
unberechenkare Element!«
»Um Gottes willen, Cotta!« Vio
trowstv machte Miene, aus dem Bett
auszuspringen. »Das wird doch kein
Unglück . . . wo kann sie sieblielsen
sein? Jst sie überhaupt gar nicht bei
dir gewesen?«
»Natürlich ist sie und bat . . . ja
so!« Damit drehte Eotta sich plötzlich
um, packte die mit äußerstem Interesse
i zuhörende Theres mit festem Griff bei
beiden Schultern und schob sie ohne
weiteres vor sich her durch das neken
lidem Schlasgemach liegende Zimmer.
»Hier öffnete er die auf den Korridor
Jführende Tür, estortiirte Theres hin
laus,·toandte sich ins Zimmer zurück
l
(
UND Okcolc innen kckll Cmtusscl Um.
«Jessas!« zeterte die alte Perion
»Ist dag- auch eine Art? Ich krieg«
den blossen Tod vor Schrecken! Was
soll’s denn? Wollean ’neinneh:n und
meinen guten Herrn ermorden, Sie
rabiates Greuel?«
Der Professor iiimmerte sich sein
HJota um diesen Jammer. Mit zehn
starken Schritten siand er wieder vor
Piotrowsins Bett.
»Sie ist gegen sieben Uhr abends
oder so herum gestern heimgekommen
hat mit den Leuten geredet, ist ins
Atelier hinauf Und hat sich nach einer
Weile etwas zu essen neben lassen.
Dernzeil ist ein Brief für sie abgege
ben worden von einem Dienstanw
den muß sie in ihrem Boudoir gele
sen haben, denn dies fand ich ans dem
Fußboden liegen, und die-J qui dem
kleinen Tisch —— sonst nicht5.«
»Un dann? Wo ist sie —- "
»Sie ist in ihr Anileidezimmer ge
kommen, nach einer oeraumen Zeit,
hat das Mädel, das den Handwffet
auspacten wollte, weggeschickt, und die
ist in die Mädchentammer gegangen
und hat da mit einem Besuch ges
schwatzt. Wie sie endlich und endlich
sich los-macht --- es ist schon stichdnntel,
und sie dentt, sie muß doch die Betten
verrichten —— da findet sie alles leer.
Sie schlägt Alarni. die anderen helfen
suchen, der Portier wird befragt, toeifz
von nichts, sie trauen sich nicht zur Vo
lizei ohne meine Erlaubnis-, hoffen
auch, sie könnte zu dir oder in Rodes
genanqen sein und beschließen« zu
warten, bis ich heimkomme. Das ist
erst um halb zwei Uhr geschehen. Ich
tms ein paar Beta te, wie ich um
elf von meinem B der Richard fort
ging, mit denen hab’ ich in einem Bröu
gesessen, dann im Ratsiellerd Was
sollte ich allein zu Hauf-?- Jch hab’
keine Ahnung gehabt, daß Hanna
heimkommen tönnte!«
»Und was hast du s— hast du —«
« ch half gewettert und geflocht,
ni schlecht —- vie Leute haben gesit
tert vor mir —- tvie ein Berrückteebin
ich gewesen, als ich das —- daz gelesen
hab' —- da!« Er warf dem Schwieger
vater mit einer heil-ten Bewegun vte
zertnitterte Zeitung und das satt
mit der kleinen Stizze auf die Bett-—
decte. »Lies selbst --—« steh selbst
darfst dich gar nicht lange aufhalten.
Ein einziger Blick genügt.«« i
Piotrowstn hielt siie eine both
Minute die beiden Blätter nahe ans
seine iutzsichtigen Augen. »Allntiich-l
itget Gott das! Gerade dass Wer z
» hat -—"
»Ja -—-— wer? Wenn ich ihn finde,
»den Satan, mit diesen meinen händen !
möcht« ich ihn etwiirgen mit mei
inen Händen! Jch hab’ tein solches
TBlatt in meinem Besitz gehabt, ich
nicht! Die paar Andenken von bilde
gard, die hab’ ich in apaetentVetschluß,
und an dem ist nicht gerührt worden«
»Hildeqaed? Wer ist das?"
»Ja so —- du weißt nicht « ich
kann mich jetzt nicht mit langen Erklä
rungen aushalten — sie ist meine
Braut gewesen« hannas ältere Schwe
ster. wir waren heimlich verlobh mein
Bat-it hätte es niemals zugegeben. Er
war Schmidts better Freund, der lljm
« .
; oft geholfen hat. aber diesmal —- ge
rade diesmal —«
Piotrowslh hatte beide Hände vor das
Gesicht geschlagen, wie von zu hellem
Licht geblendet.
»Und das — das hat sie erfahren
müssen —-, und so? Meine Hannat
Das derwindet sie nie!"
Cotta lachte hart und höhnisch auf.
»Deine Hanna? Sieh, sieb! Ich
dachte, sie wäre meine Frau und ge
hörte mir!«
»Ach —- du!'« Der andere ließ die
Hände herabsinken und sah aus vor
wurfsrollem grollendeii Augen aus«
»Als ob du sie getannt nnd verstanden
hättest! Hundertinal hat meine Dora
mir gesagt, wie tiefinnerlich heißiind
leidenschaftlich das Kind empfindet-—
ich hat« es lange nicht glauben wollen,
aber endlich sind die Augen mir aufne
aanaen. Ich sage dir, ein so reicher
Schatz von Liebe und Zärtlichteit hat
für dich in meiner Hanna gelegen
wie du ihn bei teinein Weibe findest
--— nein -·- und wenn dii Tausende
tenntest, und wenn du die ganze Erde
durchsuchtestk Wie hat sie dich geliebt
und vergöttert2 Angst konnte man
haben, wenn man es spiirte —- Angst
iini sie. Du aber, du hast gnädig die
Hand nach ihr ausaestreckt, weil sie dei
ner verstorbenen Braut ähnlich sah
«und ireil eure Familien früher be
sreundet waren -—— was weisz ich sonst
noch, trag für Motive es gewesen
sind, die dich trieben. Das Haupt
motiv: wahre, hingebende Liebe ist’s
nicht gewesen —— das haben Dora und
ich auf den ersten Blick gesehen, und
dein Bruder und seine Frau ebenso
gut. und Ellh -- und jeder, der euch
näher stand! Sie hat dir gefallen «
ja —— aber geliebt haft du sie nicht,
das weißt du selbst am besten. Und
nun denke, was sie empfunden haben
muß, neben einein Manne zu leben.
dem jeder Herzschlag, jeder «!lteinzug,
jede Reauna ihrer heißen jungen Seele
gehörte, und der si-: niii freundlichem
Wohlwollen behandelte, wie ein klei
nes ochiriesterckem das man geleaent
lich mit einem Scherz abfindetf Tau
send- und tausendmal zu schade ist
meine Hanna dafür gewesen —- und
auch für dich überhaupt ja, viel zu
schade, und wenn du noch so groß und
berühmt bist! Sie hat um deine
Liebe werben wollen, sie ist glücklich
uiid dankbar gewesen, daß sie nur bat
um dich sein dürfen, das weiß ich be
stimmt, wenn ich auch nie ein Wort
mit ihr darüber gesprochen habe . . .
aber nun sie dies erfahren hat. nun
sie weiß, iraruiii du sie zum Weibe ac
nommen hast, da sage ich dir -- ich
kenne sie besser, wie dii sie tennst, und
liebe sie hundertsach siärter, als du sie
liebst « da sage ich dir: wenn sie«
jetzt von dir gegangen ist freiwil
lig lommi sie nicht wiederk«
Piotrowglh hatte seine Rede immer -
melir gesteigert, er hatte rückhaltlos
alles gesagt. was ihm aus dem Herren
lag. Sehr selten geschah es, dasz der
gutmütige. irohlwollende Mann der
artig aus sich herausging: jetzt aber
war sein ganzes Wesen durch den Tod
seiner Frau, den Schmerz um sie, die
auälende Sehnsucht, die er nach ihr
empfand, durch und durch gerüttelt,
und seine Liebe zu Danna war in der
letztverflossenen Zeit, da sie ihm so
treu zur Seite gestanden, noch gewach
sen. Jn diese Liebe hatte sich immer
wieder ein neidischer Groll aus den
Mann eingeschlichen, dein dies Frauen
herz so ganz gehörte und der die last
bare Perle, die ihm das Meer des Le
bens vor die Füße gespiilt, wie einen
bunten, wertlosen Kiesel behandelte.
Fast erschrak der Mann ietzt selbst
über seine leidenschaftlichen Worte.
Es war ihm vor einer Erwiderung
lsottas bange, lannte er doch dessen
heiße-· Temperament zur Genüge. »
Aber diese Erwiderung blieb noch«
aug. Der Professor hatte deinSchIvie I
gervater zu Anfang seiner Rede starr?
ins Gesicht gesehen, dann hatte seins
Blick sich gesenkt, er atmete iniihsain,»
und es zuckte ihm leise um den Mund !
und Augen. Auch jetzt noch, da Pio- ;
troiosth längst verstummt war und sich -
erschöpft in die Kissen zurücklehnte,«
tarn teine Entgegnung. j
«Willsried,« sagte endlich der ältere H
Mann. halb beschämt und halb trosig «
»du bist mir sicherlich sehr böse, J
aber -—-« ;
»Nein,« entgegnete Cotta ganz leise, »
»du hast recht!« -
Eine ganze Zeitlang blieb es wieder f
still iin Schlasziniiner» Man hörte!
draußen deutlich das ausgeregtef
switschern und Schwaden der Spec-I
inge.
Unwillliirlicb hob Piotrowity seine
Fand und hielt sie dem Schwieger
ohn hin. Dieser schlug ein, aber zu- »
gleich machte er mit der freien Linien
eine beschwichtigende Bewegung, die
ausdrücken wollte: »Lasz es fett »ge
nua sein davont« -
Der andere nickte; er hatte alles ne
sagt, was er sagen wollte ----- mehr so
gar ----- was hätte er jetzt noch reden
können?
«Du wirst eine schlechte Nacht ge
habt baben,« begann er unsicher.
»Ich habe gar nicht geschlafen. Zur
Polizei wollte ich nicht eher, als bis
ich mit dir, mit Alwine Etdmann,
vielleicht mit Rades gesprochek hätte.
Es wird alles unnütz fein, abe verlu
chen muß man es. Da hannas hand
toffet und ein paar andere ihr gehö
rige Sachen verschwunden sind, so hab’
ich auf dem Zentralbabnbof nachge
fragt. Aber die Beamten, die ich fest
dort sand, sind abends nicht dagewe
sen » und sank-' ich sie auch, welchen
Anhalt könnte ich ihnen geben? Eine
junge schlanke Dame in Trauertlei
dun . einen Handtosser tragend . . . .
hun rt solcher Erscheinungen kommen
—
(
aus ge en Baan en vor. Jch habe
teine A nung, wohin sie sich gewendet
haben kann. Du kennst ihre Bezie
hungen besser . . . ob sie zu irgend ei
ner reundin ——·'
Piotrotvsty schüttelte den Kons.
»Sie hat sehr wenige Freundinnen
—— angwärts aar kein-e! Wenn sie aber
den Koffer mit sich genommen hat, so
scheint es mir ganz nuhloä daß du
noch biet in München Nachsrage s
hältst-« !
»Ich will zunächst wisfen,« sagte
Cotta langsam, »wer mir den Liebes
dienst erwiesen hat, meiner Frau diese !
Zeitung, dies Bild zuzustellen Das;
muß ich ersahren!« i
Sein Gesicht hatte sich getötet, seine (
Stimme klang heiser, nnd es war ein
Blick in seinen Augen, der nichts Gu
tes verhieß.
» »Eine Jnsaniie!« sagte Piotroivslt)"
mit starker Betonung
»Es wird sie bis ins innerste Herz
getroffen haben. Hattest du nie da
ran gedacht, ihr selbst über die Vernun
genheit die Augen zu öfsiien?«
tFortsetzung solgt.«i
—-——-.-.-—-..—..
Ertlnvm einst nnd ietzt.
Es kennzeichnet den Kapitalisinus.
daß die Gedanken, die edelsten Pro
dukte menschlicher Arbeit, sich ihm
nicht ohne weiteres, sondern nur
gezwungen und künstlich unterord
nen. Jede nützliche Thätigkeit läßt
sich ohne Schwierigkeit in die Waaren
vroduktion einordnen, aber die Ge
danken schlechtweg erfordern eine be
sondere Gesetzgebung, Urhebergesetze in
der Literatur und Patentgesetze in der
Technik, wenn sie dem sie Erdenkenden
Dinge bringen sollen, die der Kapita
lisnius nur jenen gewährt, die Geld
vorweifen tönnen.
Daher waren die Patente das Erste,
was Erfinder verlangten, die von ih
rer Arbeit leben wollten. Und in der
ersten Zeit großen Gebrauch-I- dieses
Hilfst-mittels in der lzweiten Hälfte des
Hechtzehnten Jahrhunderts und in
Jlkngland sehen wir das Schicksal der
J Erfinder davon abhängen, ob es ihnen
gelingt, Patente zu erhalten und zu
-Lewahren; das Schicksal der Erfinder
a"i Erfinder felbstredend. Denn als
Watt bereits Maschinenfabrikant war,
lapitalistischer Unternehmer, brauchte
er nicht daran zu Grunde zu gehen,
daß auch andere Unternehmer Maschi
nen bauten.
Von den Erfindern der Spinnrna
schine haben zwei oder drei bedeutende,
Wyett, Lewis Paul und Hargraves.
keinen Erfolg darin gehabt, ihre Er
findungen auszuniiyen Arkwright
hingegen, der einen Theil davon fiir
feine Patente zu verwenden verstand,
wurde reich; er ließ sich von den Fa
l«·.-ikanten, die seine Maschinen anwen
deten, einen Gewinnantheil bezahlen,
auch verkaufte er ielbst Spinnmaschi
nen und besas-, eigene Spinnereien.
Cromvton, der die Erfindungen Har
greaves’ und Arlrvrights zu einer viel
besseren Maschine vereinigte, war vor
her ein kleiner Spinnhandwerter und
besaß eine harareaves’fche Soinnnia
schine. Als er die Erfindung fertig
hatte, hielt er sie geheim und arbeitete
mit seiner neuen Maschine ohne sie
tratentiren zu lassen. Sobald die an
deren Spinner der Gegend sahen, das-,
er viel besseres Garn erzeugte als- sie,
iiötbigten sie ihn, das Geheininiß ge
aen das Versprechen zu liisten, siir ihn
eine Subslridtion zu veranstalten.
crontption aab nach und erhielt
schliesslich mit vieler Miibe — MS
Pfund Sterling Dreißia Jahre st
ier, ain Abend seines Lebensz, bewillig
te ihm das englische Parlament Eil-»O
Pfund Etaaigbelohnung (s-.1rt·.v:ighi,
der iirsinder des mechanischen Web
ituth nahm zwar vier Patente, es- ge
lang ihm aber nicht, sie zu verioertben,
und auch ilin lohnte schließlich der
Itapitaligmus aus Staatsniittelin
Wein es nicht gelingt, die Aug-nütz
ung seiner neuen Gedanken siir sich zu
nionopolisiren, der hat einen Natur
scjiatz geschaffen. Alleg, was die
Lilienschheit an Gedanken seit ihreni
Beginne droduzirt und wag in dauer
haster Form erhalten geblieben, tritt
uns, tritt jeder späteren Zeit ebenso
entgegen wie aller-, was aus dem Erd
ball durch Naturwalten vor uns ent
standen und verblieben ist. Vom
Standpunkt der Volkswirthschast hat
uns ein Urwald dieselbe Bedeutung
wie ein mathematisches Gesetz, das vor
zwei Jahrtausenden ein Grieche sand.
Sie stehen uns beide srei zur Versä
gung, wenn unsere Arbeit sie erfaßt.
Und der Mann, der heute lebt und
denkt und seine Gedanken nicht unter
die Fittiche eines Monopols zu brin
gen vermag, giebt der kapitalistischen
Gesellschaft so viel, als hätte er vor
zweitausend Jahren gelebt. So we
nig irgend eineWerththeil aus unserer
Gesellschaft dem Phthagoras zufließt.
so wenig giebt es Speise und Trank
siir den unglücklichen Erfinder oder
« Entdeeker unserer Zeit.
Doch zum Ersinden gehören auch
Produktionsmittel. Sie haben eine
entscheidende Rolle in der Geschichte
Ider Technik gespielt. Neue Gedanken
Ientsprineen ihrem Schöpfer nicht ser
,tig, es raucht viele Versuche, urn sie
» zu wirklichen Gedankens-sur die Wirth
l schast zu machen. Die Idee einer Ma
3 schine muß die Idee einer brauchbaren
zMasehtne sein, sonst hat sie keinen
sWerth. Die empirische Entdeckung
sneuer Eigenschaften der Materie
zksraucht dre Produktionsmittel noeh
iviek mehr. Wer bezahlte nun in der
sAnsangszeit des aditalisrnus die
kostspieligen Versuchetk Entweder der
s
,
W
Erfinder selbst oder ein Ko italisi,
der siir sich Profit aus der Erfkndung
erwartete, der sie auch oft dringend
brauchte, wenn er nicht seines ganzen
Kapitals verlustig werden sollte oder
der auch selbst das idealistische Bestre
ben hatte, mitzuhelsen, der Menschheit
einen Naturschasz --— in dem vorhin
entwickelten Sinne zu verschaffen. So
hat Lewis Paul fünftausend Pfund
seine-S eigenen Vermögens dem Bau
seiner Spinnmaschine geopfert, wah
rcnd die Watt’sche Dampfmaschine
dank den ungehnren Summen zustande
tam, die erwartungsvollen Kapitali
sten dem Erfinder zur Verfügung
stellten. Es entzieht sich wohl aller
Berechnung, welche Summen seither
die Erfindung erforderten.
Wir sagten Produktionsmittel
besuchen die Erfinder. Dieses Wort
Zeigt uns mit Selbstverständlichieit
den Weg, den das Ersinden im Ver
lauf der stärkeren Entwicklung dek
siapitalisnius einschlagen mußte. Der
Kapitalist konnte sich nicht damit be
gnügen, dein Erfinder die Produk
tionsmittel in dessen eigenem Betrieb
zur Verfügung zu stellen. Ersinden
Ist, geschützt durch Patente, eine Pro
duktion wie jede andere; Erfinden und
Erfinder mußten unter die direlte
Herrschaft des Kapitals gerathen, der
Erfinder der Angestellte eines Unter
nehmers werden, dem er seine Arbeits
trast verkauft. Was ein solcher mo
derner Erfinder schafft, ist Eigenthum
des Kapitals: er hat tein Recht, durch
eigene Patente sein Wert in sein Ei
genthum zu bringen.
Hier hilft leine Sentimentalitiit:
Jch habe die Produktionsmittel, sagt
der Unternehmer; Sie, Herr Daltor,
haben den Geist, lönnen aber mit ihm
nichts erreichen, wenn ich Ihnen nicht
mein Laboratorium, meine Werkstätte,
schließlich auch andere Arbeitskräfte
zxrr Verfügung stelle. Folglich gehört
das Produtt mir, wie jedes andere
meines Unternehmen-T und Jhnen der
Arbeitslohn
So ist das Ersinden als Haupt
und Nebenberuf eine Massenerschei
nung besonders in jenen Produktions
zweiaen geworden, in denen es in den
letzten Jahrzehnten viel zu erfinden
gab und noch giebt, in der chemischen
nnd eletrotechnischen Industrie, aber
auch in anderen. Der selbstständige,
nicht direkt in Kauitalgdiensten stehen
de Erfinder trat in die zweite Linie.
Damit ist, was nitch geleuanet werden
t.rnn, eine Intensitätssteigerung im
Erfinden eingetreten, auch eine Ra
tionalisirung. Nicht mehr geht ein
csartwright daran, ohne je einen
Handwebstuhl gesehen zu haben, einen
mechanischen Webstuhl zu erfinden,
sondern das Kapital beschafft sich Ar
beitskräfte, die, mit dem ganzen Wis
sen ihres Spezialgebietes ausgerü
stet. in gemeinsamer Arbeit sich an
dessen Grenzen wagen. Die Wissen
schaft ist nicht mehr umsonst. Das
Kapital muß Hochschulen erhalten, um
diese Arbeit-Sträer ·augzubilden. und
sind sie sertia, dann muß es sie erst
laufen und dann wissenschaftlich at
beiten lassen.
Beispiele von Erfindungen, die der
crt erfolgten, ließen sich in Massen
ausstellen. Riirzlich wurde eine ver
öffentlicht. die geradezu typisch ist.
Das Unternehmen Siemens uns
Halt-te brachte eine neue Glühlainpe
ruf den Marti, die anstatt eines Koh
lrnsadens einen Faden aus dem wenig
bekannten Metall Tanta enthält.
Schwer schmelzhare Metalle gestatten
eine höhere Gliihtemveraiur als der
Frohlenfaren und je höher dir Tempe
ratur, desto höher nnd günstiger die
Lrnchttrast Metallfnden haben aber
in der Regel den Nachtheil. nur nie
driae Spannunaen dei- elektrisch
Stronico zu gestatten, und deshalb
nnd auch aug- anderen Gründen war
bis-her auch erst seit turzem » die
Auersche Osmiumlamve die einzige
Metallfadenlampe. Die Geschichte der
Tantalainpe von Siemens und Halste
erfuhr man aus zwei Vorträgen, wel
ette die Erfinder, Dr. von Bolten und
Dr· Feuerleim im Elektrotechnisches
Verein in Berlin hielten, nrn die neue
Lampe dein sachmännischen Publituar
zu erklären. Das, woraus es uns hier
ankommt, sind die einleitenden Worte
des Dr. v. Bolten, die folgendermaßen
lauteten:
»Die Firma Sie-new und halöke
tellte mir vor Jahren die Aufgabe, is
ihrem Laboratorium ein Material fikt
Gliihsaden zu finden, dessen Schmelz
puntt so hoch liegt, daß die Tempera
tur, bei welcher das Leuchten hochötos
notnisch wird, erheblich unter demjeni
gen Punkt liegt. too der Faden« sei et
durch Schiirelzung, sei es durch mvles
tulare Prozesse oder Zerstiiubung er
stört oder übermäßig angegriffen
wird.« Boiten hatte das Material zu
finden, Feuerlein mit einem Stabe
von Beamten die Gliihlampe selbst zu
tonstruiren. Und in ihren Vorträgen
war so wenig von ihren eigenen Let
stungen, ihren persönlichen Verdien
sten um die Erfindung die Rede, das
zum Schluß here Wilhelm v. Sie
rnenc diese hervorheben mußte. Die
Erfinder waren eben Angestellte, dir
das neue Wert ihres Unternehmens
demonstrirten.
An diesem Beispiel tann auch sehr
gut gesehm werden, wie sehr sich die
Situation selbständiger Erfinder ver
s techtert hat. Wer wird heute einem
onteur die roßen Summen verstu
elen. die er tauchte, um eine neue
Gliihlambrnidee zu erproben und aus
zustihreni
J. German