Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 28, 1905, Sweiter Theil., Image 10

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    —
MOEPOPEEÄEEÄEEEEOOØØMEGE
Das Räthfel von Elvershöh.
Roman von Yeinhokd Ertmamt
PEEUUOT
IOOOVOVOOI
Wi-tttmOOmQQQQOQQOOQQOQQQ
UWTTT TTT-I"I- -v"
(12. Fortsehung)
Auf die Minute! Jch hat tte die
Schläge der Uhr gezählt, und unmit
telbar nach dem letzten trachte der
ß·«
«Mußte der Baron auf seinem Weg
vom Schlößchen nach dem Herren
hause die Stelle, auf der er später ge
funden wurde, unbedingt passiren?«
«Unbedingts Nein! Es giebt noch
verschiedene andere Wege aber der«
kürzeste und meistbenutzte führt nahe
an der Aussichtsbank vorüber.«
«Sie sagten vorhin, mein gnädiges
Fräulein, zwischen der Verabschie
dung des Barons und dem Augen
blick, da der Schuß fiel, hätte ein Zeit- s
kaum von ungefähr einer Viertelstun- (
tfe gelegen. Braucht man denn so viel
Zeit, um von dem Schlößchen bis zul
der Aussichtsbank zu gelangen?" 4
»Wenn man rasch ausschreitet, i
wohl taum. Aber ich habe es nie1
ausprobirt und lann darum auch lein
sicheres Urtheil abgeben«
,,,Davon daß sich um jene Stundel
—turz vorher oder kurz nachher —j
irgend jemand in dem betreffenden
Theil des Bartes aufgehalten hätte,J
haben Sie natürlich nichts bemerkt?"?
Editha zauderte ein paar Setunden «
lang, dann antwortete sie mit einemI
klaren und bestimmten »Nein!« ’
»Und Sie wüßten mir auch nie
manden zu nennen, der in einem»
feindfeligen Verhältniß zu JhremVet
ter gestanden oder der ein Interesse
an seinem Ableben gehabt hätte?«
4»Nein, außer dem Förster Fabian
Der Untersuchungs-richtet erhob»
sich. »Ich danke Ihnen, gnädiges
Fräuleitzl Es ist ja nicht völlig aus
chlvssen, daß ich Sie im weiterem
laus der Untersuchung noch umj
dieses oder jenes werde befragen
Itiissenz aber ich werde nach Kräftenj
bemüht sein, es zu vermeiden. Nur(
eine einzige Auskunft möchte ich nochl
den Ihnen erhalten. Als der Baronj
Sie verließ — befand er sich da in
einer heiteren oder in einer gereiztens
Stimmung?«
Mein Gott, welche sonderbare
Fragel« mischte sich Frau v. Linder
ode ein. »Ich verstehe wirklich nichts-—«
»Ich aber verstehe den Herrn Land
gerichtsrath vollkommen, liebe Mut
ter«, sagte Editha ruhig. »Und ich
muß der Wahrheit gemäß zugeben«
daß Erwin allerdings übellaunig aus- ’
geregt war —- sicherlich wenig geneigt,«
viele Umstände mit jemandem zu ma
chen, der ihm etwa seindselig entge
gengetreten wäre. Wenn ihn Fabian
nicht aus dem Hinterhalte niederge
schossen hat, wie ich es fiir das- Wahr
scheinlichere halte, sondern wenn es
vorher zu einem neuen Wortwechsel
zwischen ihnen gekommen ist, so ist
mein Vetter dabei gewiß nicht glimpf
lich mit dem Förster versahren.«
«Hatte Fabian hier aus Elverhöh
nicht irgend einen Bertr auten, einen
Freund oder vielmehr eine Braut, wo
nian vorsichtig nachsorschen tönnte,
um zu erfahren, wohin er sich gewen
dei hat?« »
Editha hatte den Namen ihrer;
rothhaarigen Feindin schon auf den
Lippen; aber sie dachte an das Ver-i
sprechen, das sie Prosper gegeben, ans
seinen flehentlichen Blick und an sein
Ms,gran1verwiistetes Gesichti
cinzig aus Mitleid mit dem trankenl
Bruder zwang sie die rachsüchtige Re
gung nieder.
»Ich bin über die persönlichen
«seiiehungen jenes Menschen nicht
säher unterrichtet,« sagte sie kühl
»Die Dienerschast oder die Gutsbe
ssiten werden darüber wahrscheinlich
Ieser Auskunft geben stinan
Der Landgerichtsrath hatte keine.
seiten Frage Er verbeugte sich und
sing. Unten hatte er zunächst eine Be- »
fprechung mit dem Krimtnaltommif
far, der sich gleich nach der Ankunft
von den übrigen Herren der Unter
fuchungstommifsion getrennt nnd auf
feine eigene Hand Nachforschungen
angestellt hatte. Das Ergebniß der
selben stimmte offenbar vollkommen
Eberein mit dem, was Martin-Z aus
feinen Gesprächen mit dem Oberw
fpettor und mit Editha in Erfahrung
gebracht hatte.
»Die Sache liegt ja, wiees scheint,
edit einfach,« meinte er. »Alle Ver
Uchtsmamente weisen auf diesen För
sier Indian. Es fehlt zur Sühne des
Versprechens also nichts weiter, als
: daß wir ihn erwischen —-— vorausge
W, daß er sich nicht etwa der Strafe
» durch einen freiwilligen Tod entzogen
»Hut. Ria, ich denke, wir werden auch
drüber bald genug volle Gewißheit
Die huren verfchmahten es nicht,
M Reinen meiß anzunehmen, der
M- ist Auftrage der henfchaften
M den Oberinspettor geboten wur
M Im festen sie wieder ihre feier
« . satt-Mienen auf, und an der
fI’ f I’ ’I’ fI’ "I""I" vIvfIv ".’ -I’ "I’"I" --
hand einer von dem Kommissar ent
worfenen Liste begann der Unter
suchungörichter mit den Vernehmun
gen, durch die er auch die letztenSchat
ten zu zerstreuen und den Hergang der
Tragödie vollkommen aufzuklären ge-:
dachte. i
FünfzehntesKapiteL »
Noch nie hatte Käthe Redlich einein
Tag so unerträglich lang gesunden
wie diesen. Was sie auch immer be-:
gann, mit wie viel neuen Beschäfti-.
gungen sie es auch versuchen mochte —
die Zeit schien doch nicht von derl
Stelle zu rücken, und die peinigende
Unruhe, die sie mit allen erdentlichew
Mitteln zu bekämpfen und zu unter-»
drücken strebte, steigerte sich nur von
Viertelstunde zu Viertelstunde.
Sie wußte, daß in der Frühe die
Herren vom Gericht getommen waren,
daß man die Leiche des Baron-s seziert
habe, und daß jett drüben im Herren
hause alle verhört würden, von denen
sich erwarten ließ, daß sie irgend et
was Wesentliches auszufagen ver
möchten. Um die Mittagszeit war
auch ihr Oheim zu diesem Zweck durch
einen Diener abgerufen worden und
seitdem schrack Käthe bei jedem
Schritt, der draußen hörbar wurde,
zusammen»immer in der Meinung,
daß- man jetzt auch sie zu holen tüme.
Aber es wurde Abend, ohne daß
ihre Befürchtung sich erfüllt bitte, und
nur einmal noch schnürte ein unbe
siimmtes Angstgefühl ihr das Herz
zusammen. als sie die kleine verwach
fene Gestalt des Obergiirtnerss mit ei
nem Gesicht, das ihr noch griesgrämi
ger schien als gewöhnlich, wieder auf
das Haus zuschliirfen lfah. EineWeile
war sie im Zweifel, ob sie ihn em
pfangen oder sich unter dem Vor
wande einer Migräne eilig in ihre
Stube zurückziehen solle. Aber ihr’
brennendes Verlangen, sich Gewißheit
über den Gang der Ereignisse drüben
im Schlosse zu verschaffen, siegte über
die furchtsamenRegungen eines schlech
ten Gewissens, und mit der unbefan
genften Miene, die sie zu erheucheln
irn Stande war ging sie ihrem Oheim !
entgegen
,.Wie lange du aus-geblieben bist!
Hatten sie dich denn soviel zu fragen?
Jch glaubte schon, sie ließen di ch gar
nicht wieder los.«
»Dummes Zeug! Jch möchte wif
sen, wie sie dazu kommen sollten, mich
festzuhalten,« knurrte der Alte. »Ich!
bin es doch nicht, der den Baron um- !
gebracht hat. Und vor dem Verdacht
dem Herrn Fabian als guter Freund
fortgeholfen zu haben, bin ich glückli
cherweise auch hinlänglich sicher. Jch
danke Gott« daß ich mir den Kerl im
mer gehörig vom Leibe gehalten habe,
und du wirft es jetzt hoffentlich ein
sehen, daß ich recht hatte, dich vor ihm
zu warnen.«
Käthe wußte sich unauffällig so zu
setzen, daß der Obergärtner ihr nicht
in die Augen fehen konnte. Jhre Auf
regung energifch meisternd, fragte sie
anscheinend gleichmüthig: »Ist es
denn jetzt ganz gewiß, daß er den
Baron erfchoffen hat? Vielleicht wür
de manches ein ganz anderes Gesicht
gewinnen, wenn er da wäre, um sich
zu vertheidigen.«
»Und warum ift er nicht da, der
faubere Herr? Warum hat er sich bei
Nacht und Nebel davongemacht, wenn
nicht aus Furcht? Wenn ich heute
Morgen noch an die Möglichkeit ge
glaubt hätte, es könne vielleicht doch
ein anderer gewesen fein — jetzt würde
ich meine Hand dafür ins Feuer le
t ,daß es nur der Fbefter gethan
a ,
.Aber was ifi denn nun eigentlich
driiben bot gangen? So erzähle mir
doch! Hier "rt man ja nicht das Ge
ringsie.«
»Na, was soll ichda groß erzählen?
Jch weiß ja auch nur, wag ich so im
Herumstehen ausgesungen habe, denn
außer bei meiner eigenen Vernehmung
bin ich natürlich nicht in das Anhör
äimmer hineingekommen Und was
ne mich da gefragt haben, war ziem
lich ungewaschenes Zeug. Jch hätte
alltoissend sein aniissen, um ihnen da
rauf u antworten, und wenn man
audäjeine Ohren und Augen einiger
ina ossen hat — alles weiß man
schlie lich doch nicht.«
,, as hättest Du auch angeben sol
» len? Warst Du denn nicht bis nach
Mitternacht im Wirthshause drüben
in Eichs elde?« «
Die «innerung daran schien dem
: Obergärtner nicht sehr angenehm.
! »Wenn ich nachshause gekommen bin,
s kümmert niemanden usw hat fü: diese
Sache auch at keine Bedeutung Ge
nug, daß iåum zehn Uhr, a s das
Berbre angen wurde, mich an
einem rt and, wo ich nichts da
von hören oder sehen tonnte.«'
«Um zehn Uhr?« fragte Käthe ha
st nnd mit allen Anzeichen derllebev
ra chu . »Das ist unmöglich. Um
dkese kann der Mord nicht veriibt
werben sein«
Verwundert sah der Alte aus. »Und -
warum nichti Was zum Zenker, weiht
Du denn davon, Madcheni«
Käthe wFrqiszcätligebetrossenö aged
mit einer ge « n megnng ra te
freihr Gesicht noch tiefer in den Schat
ten. »O, ich meine nur — ich glaubte,
daß zu einer so sriihen Stunde der
Schuß doch hiitte gehört werden mäs
sen· Um zehn Uhr kann selbst aus die
sem langweiligen Elvershöh unmög
lich schon alles in den Federn liegen.«
»Und er ist auch gehört worden —
von drei verschiedenen Personen sogar
—dem gnädigen Fräulein, von ihrer
Kammerjungfer und von dem Kutscher
Helbig der sich mit seiner Herzaller
liebsten ein Stelldichein bei dem Eis
keller gegeben hatte."
Käthe antwortete nicht« Sie hatte
sich weit in ihren Stuhl zuriickgelehnt
und blickte sehr angelegentlich zum
Fenster hinaus-. obgleich eg draußen
im verschwimmenden Abenddämmern
durchaus nichts zu sehen gab.
Da sie keine weitere Frage that,
fuhr der Ober-gönnen der inzwischen
mittheilsam geworden war, nacheiner
Weile aus eigenem Antriebe fort: »Es
stimmt auch alles ganz genau. Die
beiden Forstgehilfen sagen aus, daß
Fabian bald nach neun Uhr auf die
Försterei zurückgekommen sei, ganz
aufgeregt und verstört, sodaß sie gleich
merkten, eg- miißte ihm etwas sehr
Unangenehmeg pafsirt sein. Als ihn
der eine wegen einer Arbeit befragte,
die am nächsten Tage vorgenommen
werden sollte« sagte er: »Das geht mich
nichts an—ich habe hier nichts mehr
zu besehlen.'« Und dann ging er in«
die-Stube hinaus, wo der Gewehr
schrant steht, und weil sie sich gerade
darunter befanden, hörten sie ihn wohl
eine Viertelstunde lang aus und nieder »
rennen wie ein wildes Thier. Danni
tarn er die Treppe wieder herab, und’
durch die Thürritze konnten sie sehen,s
daß er seine doppelläusige Kugel
flinte unter dem Arm hatte —-«— die-« »
selbe, mtt der er den Ziegetarvetrer er i
schossen hat. Er jagte den Dachshund «
zurück, der mit ihm lausen wollte, und s
ging mit großen Schritten in den
Wald hinein. Der Forstgehilse Mo
dratz hat gleich zu seinem Kollegen ge
sagt: »Der sieht aus-, als ob er nichts
Gutes vorhätte!« Na. und damit
hat er ja auch recht behalten.«
Wieder gab es ein längere-.- Schwei- ’
gen. Man hätte glauben können, daß
Käthe aus die letzten Mittheilungen
ihres Oheimg taum noch gehört habe.
wenn sie nicht plötzlich gesagt hatte:
»Wenn Fabian erst nach neun Uhr
in die Försterei zurückgekehrt ist und
sich noch eine geraume Zeit dort aus
gehalten hat, wie tann er dann um
zehn Uhr den Baron erschoisen haben
an einer Stelle, die um mindestens
drei Viertelstunden von der Förstereii
entfernt ist?a
«Stirnmt alles gan genau!« wie
derholte ver Alte mit Fiachdrutt »Die l
herren von der Untersuchungstommis
sion haben den Weg selbst abgeschm
ten. Das erste Mal brauchten sie
vierzig-Minuten, und dann würde die
Rechnung allerdings nicht austom
men; nachher aber, als sie den Ver
such wiederholten und etwas schärfer
ausgrissm machten sie es in taum
einer halben Stunde. Und der Förster
mit seinen langen Beinen hat sicherlich
nicht mehr Zeit dazu gebraucht, be
sonders, wenn ihn die Muth vorwärts
getrieben hat und das Verlangen, seine
Rache an dem Baron zu nehmen«
»Und nachher — nachher hat ihn
niemand mehr gesehen?«
»Das ist das einzige Wunderbare
kei der Geschichte. Kein Mensch hat
ihn wieder zu Gesicht bekommen. Es
ist« als ob er durch die Lust davonge
stogen wäre. Und er hat nichts mit
genommen. Sogar sein Geld wurde
in seinem Schreibtisch gesunden. Die
huren von der Kommission meintenÅ
er würde sich wohl umgebracht haben, ’
wie es ia auch das beste wäre, aber ich.
alaub’g nicht, und nachdem der Wart
nnd der Wald nach allen Richtungen
hin niit den Hunden adgesucht worden
sind, ohne daß sich eine Spur von ihm
gefunden hätte, ist eH auch wirklich
sehr wenig wahrscheinlich«
Die Wißbegierde des jungen Mäd
ctyng schien erschöpft Sie hatte nichts
mehr zu fragen, und als der Ober
gärtner nach einer Weile etwas brum
tnig andeutete, daß es doch ioohl an
»der it sein dürfte, zu AbendJu essen,
tun sie eili auf und richtete die
ahlzeit so chnell und sorgfältig her,
iwie wenn ihre Gedanken in der That
durch nichts anderes als dur diese
Illeinen häuslichen Obliegenhei en in
JAnspruch genommen wären. Aber
Ewährend der Oheim dann mit bestem
lAppetit den Speisen zusprach, legte sie
Iselbst sich zum Schein etwas davon
Laus den Teller, und es zuckte sast wie
ein Ausdruck körperlichen Schmerzer
iiber ihr Gesicht. als der Alte das vo
rige Thema noch einmal ausnahm.
»Willst Du auch wissen, was die
herren von der Kommission mich ge
fragt haben, Ratt-et Jrgend ein
Klatschmaul muß da Deinen Namen
vorgebracht heil-ein«
Die hängelampe, unter der sie saß,
estattete Käthe diesmal nicht, ihr Ge
sicht zu verberer. So nahm sie ihre
ganze Energie zusammen, um den
mißtrauischen Augen des Obergärt
nee- teinen Anlaß zum Argwohn zu
geden. .
Minnen Nament« fragte sie mit er
heuchtelter Verwunderung »Ja wel
chem Urian-neithein
»Nun, tm Zusammenhange mit die
sen: Fabian —- toai denn sonst? Der
Rath wollte gehört haben, der Förster
sei früher all guter Freund bet unt
aus- und eingegangen, und dte Leute
hätten sogar von einem Verhältnis
zwischen ihm und Dir geredet. Ra,
da habe ich ihm aber ein Li t ausge
steelt, das ihm wohl ein bi chen die
Nase oersengt haben mag. So bald,
denteich, wird er sich nicht wieder in
meine höuslichen Angelegenheiten mi
schen. Der und mein guter Freund!
Es war gut, daß Du mir bei Deiner
striicklehr reinen Wein eingeschenit und
mir gebeichtet hast, daß Du seiner « it
nnr vor den unverschämt-en Nach tel
lungen dieses Menschen geslohen bist.
So konnte ich den Herren denn mit
Deinen eigenen Worten tlarlegen. wie
es um Euer angebliches Liebesbu
hältniß in Wahrheit bestellt war, und
konnte der Schlange des bösen Gere
des gleich aus dem Fleck den Kopf zer
treterr. Jch glaube wahrhaftig, sie
hätten Dich sonst auch noch zur Ver
nehmung holen lassen."
Käthe stocherte gesenkten Hauptes
aus ihrem Teller herum. »Ich hätte
mich nicht davor gefürchtet. Aber ahnst
Du wirtlich nicht, von wem jene Ver
leumdung ausgegangen sein kann?
Sollte etwa das liebenswürdige Fräu
lein Editha — Z«
»Ach, Unsinn! Wie lommst Du aus
einen so albernen Gedanken? Das
gnädige Fräulein wird sich viel um
Dich getiimmert haben! Uebrigens ist
sie eine tapsere Person, das muß man
ilsr lassen. Die Baronin triegt man
aar nicht iu Gesicht; aber ihre Jungfer
sagt, sie tviire wieder die reine Thra
nrnweide. Und das jämmerliche Kerl
chen, der Herr Prosber, liegt irani
aus seinem Zimmer. Fräulein Editha
allein behält den Kopf oben und giebt
ihre Befehle, als ob nichts geschehen
ware."
»Der Herr Prosper ist traut? Hast
Du auch erfahren. wag ihm sehlt?«
»Wahrscheinlich wieder die alte Ge
schichte. Seine Nerven sollen ja ganz
zerriittet sein, und der Bader USE-ich
selde, der gescheiter ist wie ein Dottor,
meint, er tönne höchstens noch ein
Jahr oder so herum machen —--- wobei
cis übrigens gar nicht ausgeschlossen
ist, daß er noch vorher verrückt wird.
Das sind angenehme Aussichten siir
uns-, denn vorläufig ist er ja nun
’mal Majoratgherr aus tslvershöh --—
daran lätß sich leider nichts ändern«
Der Obergärtner wischte sich den
Mund, faltete säuberlich seine Ser
uiette zusammen und stand auf, um
sich seine geliebte Pfeife zu stopfen.
»Na.« meinte er, als ersah, daß
Mithe zur Thiir ging, »ivillst Du
schon fort? Ich dachte, Du würdest
mir noch ein bischen ’tva5 vorlesen.«
»Heute nicht.« lehnte sie ab. »Ich
hebe noch für mich zu nähen, und
außerdem bin ich sehr müde. Gute
Nachtt«
Aber sie dachte nicht daran, sich mit
einer Näherei oder sonst welcher Arbeit
zu beschäftigen, als sie einige Minu
ten später ihr zu ebener Erde gelege
nes Schlaszimmer betrat. Na dem sie
die Lampe angezündet hatte, ehte sie
sich an’s osfene Fenster, die hände
lässig in den Schooß gefalteL wäh
rend ihr Blick sich träumerisch in die
duntle Stille da draußen verlor· Daß
Lie Gedanlen, von denen ihre Seele
erfüllt war, nichts Beglüclendes oder
Erheiterndes hatten, stand deutlich
genug aus ihrem Gesicht geschrieben,
und je länger sie so in den schweigen
ten Pakt hinaus-starrte, desto düsterer
wurde der Ausdruck ihrer iige, desto
sestee preßten sich die rot n, vollen
Lippen usammen.
Eine ile noch hörte sie das Räu
spern ihres Oheims, dann vernahm sie
wie er nach seiner Gewohnheit den
leergebrannten Pseisenlops am offe
nen Fenster austlopste und einige Mi
nuten später die Hausthür verschloß.
Auch das le te Geräusch im Hause
verstummte. äthe durste sicher sein,
daß sie ietzt unter diesem Dache die
einzige war, die ihr Lager noch nicht
ausgesucht hatte. Auch sie fühlte sich
abgesponnt und müde. aber eine selt
same, unbestimmte Furcht hielt sie
teoch immer ab, sich zu enttleiden.
Da war es ihr als hatte sie drau
ßen, nur wenige Schritte vor ihrem
Fenster, einenSchatten vorüberhuschen
sehen. Sie sprang aus und neigte sich
hinaus
»Ist jemand das-« sraate sie, und
nun lösten sich aus der Dunkelheit
wirklich die Umrisse einer Männer
gestalt.
aNicht so laut, ich beswöre Sie,
Fräulein Redlich! Jch bin es, Prosper
v.Linderode, und Sie haben ewisz
keinen Anlaß, sich vor mir zu ürch
tm.«
Er stand jetzt dicht Unter dein Fen
ster, und während er ihr hastig, in
unvertennbarer Angst, jene Worte su
sliisterte, sah Käthe mit Bestiirzung
tie geisterhaft sahle Blässe seines zu
ihr erhabenen Gesichts.
»Sie, Herr Baron?« fragte sie in
demselben vorsichti en Flästertone zu
rück. »Aber man agte mir doch, daß
Sie krant seien. Wird es Jhnen nicht
schaden, daß Sie um diese Stunde-s«
»Ach, es kommt nicht viel daraus
an, obes mir schadet. Und ich habe
mich ja auch heimlich hinauf-geschli
chen. Sie dürfen es niemandem ver
rathen, dasz ich hier gewesen bin.
Meine Mutter und meine Schwester
würden außer sich sein« wenn sie es
ersiihren. Nicht wahr, Sie werden tei
nern Menschen sa n, daß Sie mich
heute Abend gese n habenf«
»Wenn Sie es so wünschen —— ge
wiß nicht, here Antoni« «
» ch danke Ihnen, und ich weiß.
daß Sie Wort halten werden- Ei ist
ein so glücklicher Zu all, daß ich Ge
legeheit finde, mit nen zu sprechen.
Ich tte es kaum zu hassen gewagt.«
« bar Sie sind doch wohl nicht dei
hakb hierhergeiomtnen?«
Osaka und allein deshalb, räu
iein We ch! Es ktej mir keine uhr.
I
B mußte mich davon überzepgenH
tu nen nichts widerfahren ist. (
»A r was hätte mir denn geschehen »
sollen, Herr Baron?« ;
Esr hob sich aus die Fußspiyem unt f
idr möglichst nahe zu ein und seine,
Stimme bis zu einem taum noch ver- ;
nehnilichen Hauchen dämpfen zu tön
nen. »Ich weiß, daß hier «ein unsinni- I
aes Gerede geht, es hätte der Förster
z abian meinen Vetter erfchossen, und »
ich begreife nur zu gut, wie schwer Sie
darum leiden müssen. Aber Sie dür
fen den Muth nicht verlieren. Seine
Unschuld musz bald an den Tag kom
men. Es ist ja nicht anders mdglich.«
Käthe zauderte, zu antworten. Noch
zerbrach sieihr sonst so iluges Köpf
chen offenbar vergeblich, um fiir das
seltsame Benehmen nnd die räthsel
haften Worte des Barons eine ein
leuchtende Erklärung zu finden. »Und
weshale fragte sie endlich unsicher,
»wes-halb sagen Sie das gerade mirs« »
»O, Sie wifZen fehr wohl, weshalb »
ich es Jhnen age. Und Sie diirsenE
nicht glauben, daß ich Sie weniger
innig verehre, seitdem ich von Ihrem «
Herzensgeheimniß Kunde er alten;
habe. Ich· bin in Verzweiflung, daß E
ich nichts thun kann, Sie aus Ihren «
schweren Sorgen zu befreien. Aber ich J
bin ohnmiichtig. Bei der Blindheit
dieser Thoren würde es nicht den ge- ;
ringsten Erfolg haben, wenn ich auch?
immer und immer wieder alte, daß er i
unschuldig ist. Und ich bin so traut,
daß ich Sie nicht einmal zu beschützen
vermag wenn Bosheit und Schaden
freude sich an Sie heranwagen sollte.
aber ich habe mäne Schwester gebe
ten, es statt meiner zu thun. Und sie
hat es mir versprochen. Sie dürfen
sich vertrauensvoll an sie wenden.
wenn Sie eines Beistandes bedürfen.«
Er erschrak über das scharfe, spötti
Tche Auslachen, mit dem sie ihn unter
brach. »Jhre Schwester-? Fräulein
Editha? Ah, das ist natürlich nur ein
schlechter Scherz, rr Baron!«
»Ein Scherzt »s, Fräulein Mitbe,
kein Mensch auf der ganzen Welt kann
in diesem Augenblick weniger zum
Scherzen aufgeleat sein als ich! Es ist
ganz so ivie ich eg Ihnen sage, wenn
ich auch freilich von Herzen wiinfchen
möchte, daß Sie des Beistandeg nicht
erst bedürfen.«
»Ich verstehe von alledem nur so
viel, daß Sie sich in Bezug auf meine
Person in einem großen Jsrrthum be
finden ini.issem Herr v. Linderode! Jch
fühle mich ebensowenig von irgend
einer Gefahr bedroht, zu deren Ab
wendung ich fremder Hülfe bedürfte,
als ich mir Jhre Andeutungen über
ein Derzensgeheimniß erklären kann,
von dem Sie Kunde erhalten haben
wollen. Hier liegt entweder ein Miß
verständniß wr, oder man hat mich
bei Ihnen verleumdet.«
»Wie? Sie sollten wirllich nicht be
greifen-? Dass ist doch ganz undent
bar. Denn wenn auch ich mich ge
täuscht haben sollte -— meine-Schwester
iiigt niemals, und sie hat tnit ihren
eigenen Augen gesehen -« «
»Was hat FräuleinEditha gesehen?
"ch bitte Sie dringend, es mir zu
agen. Man braucht sich nicht immer
einer Lüge bewußt zn sein, wenn man
die Unwahrheit spricht. Und der Haß
ift eine Brille, die das Aussehen der
Dinge oft sonderbar verändert. Da
rcn aber, dafz ich mir aus irgend einer
unerliiirlichen Ursache den Haß der
gnädigen Baroneffe zugezogen habe,
darf i.«h leider schon seit langem nicht
mehr zweifeln·"
Mit weit aufgerisfenen Au n
tarrte Profper zu ihr empor. Jn ei
nem armen, zerrissenen Herzen rangen
Hoffnung und Zweifel urn den Steg
Erst stammelte er einige verwirrte,
zusamsmenhanglose Poete, dann aber
raffte er seine Strat zusammen und
sagte: »So wäre es nicht wahr, daß
Sie von dein Förfter Fabian geliebt
werden, und daß —- daß Sie feine
Liebe erwidern?«
Das junge Mädchen ließ den in
angstvoller Erwartung Zitternden
felundenlang auf ihre Antwort har
ren, dann neigte sie sich plötzlich so
tief zu ihm herab, daß er das ver
lockende Flimmern in ihren heißen
Nixenau n fah, und daß der warme
Hauch i -eö Atheins über seine Stirn
find es also gar nicht gewesen« die
meine Schwester mit dem Förfter im
Walde getroffen — es war nur ein
Jrrt um — nur eine Verwechslung
der rfon —«
»Ich weiß nicht, was räulein Edi
tha nen über diefe egegnung er
zählt t, HerrBaron, aber da sie
einmal im Walde an rnir dor« ber
gzna während ich mich mit dein För
r unterhielt, daran erinnere ich nii
allerdings recht gut. Gefchah es do
zn einer Stunde, die ich schwerlich ver
isssimvexdsI
«-«« -. --
hinftreifte: »Nein, es ist nicht wahrl« »
»Käthe, Fräulein Köthe! Und Sie »
»Aus VVOL mllkmcllc cc IOMOXII
lich enttiiuscht. »Ich bitte Sie, wenn
es Ihnen peinlich ist, nicht von diesen
Dingen zu reden ——«
Doch sie unterbrach ihn in entschie
denem Tone. » würde freilich nie
zrr einem Menf n davon gesprochen
haben, aber ich etfahre heute nun schon
zum zweiten Mal, daß man mich hier
verdächtigt. Ob die anderen sich da
dur täuschen lassen, ist mir sehr
glei iiltig —- nur in Ihren Augen,
herr kon, möchte ich nicht schlechter
dastehen-als ch wirklich bin. Jenes
Zusammentre en mit herrn Fabian
war ein rein zufälligesx aber er nahm
den Zufall wahr, um mir zu sagen,
was er wohl an keinem anderen Orte
auszusprechen gewagt hätte. Sowie
ich seine Absicht erkannte, wollte ich
ihm denRiicten wenden. Aber er wußte
das Mittel u finden, das mich zum
Weiden not igtez denn er mochte mein
Mitleid rege. Er spra mir von sei
nem unglücklichem der ehlten Leben,
von seiner Bereinsarnung, von dein
Kummer, den ihm das Mißtrauen
und der kaum verborgene Ab egeu sei
ner Umgebung bereite. Cr l deut
lich durchblieken, daß er außer Stande
sei, dieses Dasein langer vertragen,
und ich mußte fürchten, dasz er in sei
nein unseligen Gemütbszustande ir
gend etwas Verzweifelteö unterneh
men würde, wenn auch ich, aus die er
gewissermaßen seine letzten Hoffnun
gen gesetzt hatte, mich gleichgugixÄ
oder verachtli von ihm abtebrte.«
erfüllte einsa eine Menschenpflicht
indein ich ihn zu trösten suchte. Das
leidenschaftliche Empsindem das. er
mir entgegenbrachte« onnte ich freilich
ficht mit gleichen Gefühlen erwidern.
Aber ich bot ihm meine Freundschaft,
eine Gabe, die ja für ·eden anderen
vielleicht werthlog gewesen wäre, die
aber jenen Ungliictlichen meinerlleber
zeugung nach damals mit neuer Zu
versicht und neuem Lebensmuth er
fiillte. Es mag sein« daß er niir in
überströmender Dankbarkeit dieHände
liißte, und daß ich es ihm nicht wehrte,
ich glaube auch, daß Fräulein v.Lin
derode gerade in diesem Augenblick
an uns vorüberging. Aber wenn sie
schärfer bingesehen hätte, oder wenn
ityr Blick .nicht durch die Abneigung
argen mich getrübt worden wäre, so
hätte sie wahrlich die Ueberzeugung
gewinnen müssen, daß es nicht eine
Liebesszene war, die sie da belauscht
hatte.«
Hastig, obne auch nur ein einziges
Mal zu stocken, hatte Kät diese be
redte Vertheidigung vorge tacht. Bei
den letzten Worten nur war ihre
Stimme etwas unsicherer geworden,
wie wenn sie gegen eine Regung mäds
dienhaster Scham antämpsen müsse.
Prosper hatte ihr athenilos zuge
bört. Sein-.- Augen glänzten wie im
Fieber. »Und dann? Er hat sich mit
dein Geschenk Jbrer Freundschaft be
gniigti Er hat nicht nieer von Ihnen
gesordert?«
. »Wesbalb begehren Sie es zu wis
sen, Herr Baron? Er war ein unglück
licher Mensch —- beilb vielleicht schon
reni Wahnsinn verfallen. Wenn er
trptz meiner bestimmten Erklärung
tyejrichte Hoffnungen hegte ---— kann
mich eine Verantwortung tressen?
Hatte sich sein Verhängniß nicht auf
andere Weise erfüllt? Doch ich habe
sekon zu viel von diesen Dingen ge
sprochen· Nur der Wunsch, gerade
var Ihnen nicht in einein falschen
Lichte zu erscheinen, hat mich dazir
Lersuhrt Lassen Sie mich jetzt das
zkenster «schlies;en! Tie Gebülsen mei
nes ObeimH schlafen ganz in der Nähe.
Es weite schlimm fiir inich, wrnn sie
uns harten«
(Fortsetzung folgt.)
h— - —-«———
Die Zukunft des Eisen-.
Carnegie hatte tiirzlich behauptet,
daß die Eisenerzlager der drei haupt
sächlichsten Jndustriestaaten, Nord
amerika, Deutschland und England, in
kurzer Zeit ihrer Erschöpfung entge
gengehen sollten. Anknüpfend an die
se Aeußeritng hat der Geologe Profes
sor Fritz Frech Untersuchungen über
die zur Verfüguna stehenden Eifenerz
vorräthe aus der Erde angestellt und ist
nach der Zeitschrift für praktische Geo
logie zu den folgenden Ergebnissen ge
langt:
Die Zukunft des Eisens, d. h. der
Eisenproduktion, ist auf das innigste
mit der Zukunft der Steinkohle ver
hundem
Eine Erschöpfung der Eisenerzlaaeri
stätten ist siir die drei fiihrenden In
dustrieländer, Nordamerika, Deutsch
land und Großbritannien, innerhalb
weniger l1 bis 2) Jahrhunderte mit
einiger Sicherheit vorauszusehen, ent
sprechend der Anschauung von An
drew Caruegie. Jn Nordamerika
wird bei dem herrschenden Raubbau
die Erschöpfung der werthvollen l55
bis 60pprozentigen) Erze des oberen
Sees schon in der ersten Hälfte dieses
Jahrhunderts zu erwarten sein.
Ein Niedergang, bezw. ein Ver
schwinden der Industrie wird jedoch
nur in England erfolgen, wo ungefähr
leichzeitig auch die Steintohlen er
chöpst sein werden (in ca. 100 Jahren
in Durham und Northumberland, in
ca. 250 bis 350 Jahren in den iihrii
gen englischen Kohlenfeldern).
Für Deutschland und Nordamerika
wird durch den Jmport ausländischer
Eise-setze die Erschöpfung der instin
dischen Lagerstätten ausgeglichen wer
den, da das Erz zur Kohle reist. Die
Zukunft der Eisenproduktion ist also
in diesem Falle eine Transportfrage.
Die Erdrinde birgt, vor allem im
nördlichen Skandinavien und in
»Schon . ferner in Algerien und wahr
Heini ch in OIndien. Südamerika und
ustrclieth svlällgltcht Eisenmassen
fiir eine fernere Zukunft.
An einem Beispiel, dem nördlichen
Schweden« hat Ftech gezeigt, daß «e
dort etmiitelte Eisenmenge allein ie
Eisenpwduttion der drei führenden
! Jnduittieftaaten fiit zwei Jahrhunder
ite, unter Berücksichtigung der heutigen
isissekm aufrecht zu erhalten vermag.
Nur in einem AusnchmefalL in der
chinesischen Provinz Schansi, läßt das
Zustandetomtnen von Kohle Qnd Ei
fenetz auf 1600 bis 1700 deutschen
Quadratmeilen das Emporkommen eis
Inet zukünftigen Weltindustrie außer
Hhalb der führ-enden drei Jndustrieitaa
ten möglich erscheinen.
Im Kreis-blau iiit den Okeriaunusi
szeis (No. 53 sucht die Brunnenvev
Jwaliunsn,,Mii n zum Braun-Miit
llen.« omit soll der Brunnen gi
fiilli werdens