f -. ..—.- - . « O ' 0 « « J , M ·««« 305404 HOOOOAUAUO Aus-sod- AUO 4043001.043 U4.-«U ’ ( .- - »p-· . .- :-—.-» W . e .««»s— s · - s----.- q- « J su- -- M I AM Metrenloses Gut. Roman von OZkie Bernhard Of,O’s’0.s«f0.sfc.-.O.U.A.0. o"0f.so"oI-Mnnffkf70"»fsovi Unvsossofsfn· Inv«QOv-·70 . . · 's s I . (29. Fortsetzung) ’ Später. Mein Paul ist todt — allcm Anschein nach ohne besonderen Kampf. Er liegt da wie schlafend, aber er ist hinüber. -————-— Jch habe neben meines Weibes Bett geknieet, ich habe ihre ertaltenden Hände geküßt, ihr tausendmal ge dankt, sie tausendmal um Verzeihung » angefleht Sie hat mich angesehen und hat noch zu lächeln versucht. Auch ; sie hat nicht viel leiden dürfen. ; Ich sreue mich aus den Tod-—ja, s ich freue mich « jetzt, da ich sie ster- ! ben sah! i Hildegard ist todt-Herbert ath met noch—.n1ein-Fkiva muß sich am ( längsten quälen. Unserer süßen kleinen Hanna hab’« ich das Gift in die Milchslasche gegos- i sen; ich wollte ihr zu trinken geben,( aber sie drehte schlastrunten das ( Köpfchen beiseite und schlummerte i weiter· Sobald sie erwacht, wird sie i trinken. Wenn ich kann, warte ich es ( ab. Weil das Kind seiner Schwester ’ Hildegard jetzt schon ähnlich sieht und auch seiner Mutter! Das einzige Mit Lied meiner unglücklichen Familie, s ganz bewußtlos, ganz schuldlos sstirbt Wird es ein Engel werden, der für die Seinigen bittet an Gottes Throns Was —- wsas erwartet uns dort im Jenseits? Gibt es ein Jenseits? Geben wir ein zum Allerbarmer in das lichtdurchströmte Land der Ber- E heißung —- der Berllärung —- oder tauchen wir hinab ins Nirwana — ms ewige Nichts? Ich habe nun meinen Becher auch getrunken und will mich niederle en. Klein-Frida lebt immer noch. ein Kind, mein Kind, berzeih’ deinem ar men Vater, daß er dir, wider seinen Willen, das Sterben so schwer macht! Jch vergebe allen, die mir Uebles Eidam seh bitte alle um Vergebung, «e ich ge chädigt oder getränkt habe. Meine ledte Bitte ist die, man möge mich mit den Meinigen zusammen be ewiger-, wo es und wie es auch sei! Frida ist endlich todt —- Hanna hat noch nicht getrunken-» aber sie wird... sie muß... Ich lege mich nieder. Gott sei uns allen gnädig!« Die engbedtuclten Zeitungsspalten waren zu Ende. Mechanisch wendete Damm das Blatt um. Es enthielt nichts weiter. Sie blieb sitzen, ohne klares Be wußtsein, ohne besondere Gedanken. Einmal war eH ihr, als liefen kalte Schauer über sie bin, und sie fragte sich voller Staunen: »Fkieten? Aber es ist ja Frühling!« Dann spürte sie ein trockenes, stechendes Bohren im halfe, als wärge sie da drinnen et txasF sie griff mit der Hand an die seichte, aber die Hand sank schwer herab und laa wie todt auf dem schwarzen Kleide. Das schwarze Kleid, das trug sie um die Frau, die lange Jahre hindurch Mutterstelle an ihr vertreten hatte —aber ihre rechte Mutter, die war schon lange todt-— und ihr Vater auch —- und alle ihre Geschwister . .. und sie selbst war auch dem Tode geweiht gewesen . .. aber sie lebte! Von neuem ein Frösteln — dann ein verwundertes Umsehen: wie kam sie doch eigentlich hierher? Was wollte site hier? Ja so! Sie hatte lesen wol len—iiber die bildende Kunst! Sie hatte ja auch gelesen — nur war es eine Leltiire anderer Art gewesen! » Ihre Eltern! Und vier Geschwister! Hildegard —- Herbert —- Paul ——.,,und Irida — so hießen sie! In ihren Ge danken wiederholten sich immer die vier Namen: Hildegard — — Herbert — Paul —- Frida — und die hatten alle sterben wollen — und waren auch alle siege-them jung, gesund und lebens Vp . Hilde ord! An dem einen Namen« blieben chließlich ihre holb gelähmten, langsam wandernden Gedanken hän gen und hielten sich daran fest. Hildes gardl Das war die älteste Tochter ge wesen — ihre erwachsene Schwester, die da aus dem Bilde war, mit dem lachenden Kindchen aus den Armen — und die hatte besonders gern sterben wollen« weil es sür sie im Leben doch sent Glück mehr aah —— die war die heimlich verlobte Braut eines jungen, aCen Künstlers gewesen, und des Bater, Herr C . . . ., hatte seinem Ingliicklichen Freunde, dem Vater der see-re nicht mer helfen wollen, da M Sohn ihn große Summen ge na schlug beide Hände pos« Ge sz —- die Zeitung fiel mit leisem s cis-ein von ihren Knieen herab aus « Teppich zu ihren Füßen. Sie lls lesen? Sie wußte alles — «In also! Darum hatte Will - s. « der « Frauen der gefeiert- Miustler, der Mäs- tiibelt und ge wv ski T· den-u nich-. Was spat- sie; ti- ist seiner Sams- Wchkz . « se s- ich-« «an « . X I ZU A I « II M widrig-M Wes Staunen untergegangen. Ein Mann wie er . . . unsd sie dazu! Sie, die keine sieghafte, blendende Schönheit war, keinen hervorragenden Geist be saß, nicht reich war, keine Rolle in der Gesellschaft spielte — sie, die nichts in die Wagschale zu werfen hatte, als grenzenlose, anbetende Liebe! Sie hatte versucht, sich halbwegs mit der Erklärung zufrieden zu geben, daß eben diese unendliche Liebe ihn gerührt haben müsse. Freilich. es hatten ihn wohl viele Frauen geliebt —- aber doch keine, teine auch nur annähernd so wie sie . . . und das hatte er sicher ebenfalls herausgefunden . . . darum war sie seine Frau geworden! halbwegs nur hatte ihr diese Er klärung genügt —- aber es war die ein zige, die sie fand, und sie mußte ver suchen, an sie zu glauben und an die Macht ihrer Liebe, die es vielleicht, vielleicht erreicht, daß auch er mit der Zeit mehr siir sie empfand, als dies brüderlich warme Gefühl, das, gegen ihre Leidenschaft gehalten, wirkte, wie ein winziges Lichtfiinlchen im Ver gleich zu einer himmelhohen Flalrnme. Jetzt — jetzt wußte sie es besser, was es gewesen war, das ihn zu ihr geführt, ihm den Entschluß eingege ben hatte, sie zu seinem Weibe zu machen. Eine Art von Sühne hatte es sein sollen — es hatte ihn ein Schulldgefiihl gedrückt, zugleich im Sinn seines toten Vaters. Sie kannte ihn ja — er war großmütig und vor nehm esmnt, nichts Kleines, Niedri ges ha tete ihrn an. Jhre verstorbene Schwester Hildegard, die hatte er ge liebt — um sie, die jener ähnlich fah, urn die einzig Ueberlebende der un glücklichen Familie, hatte er aus Edel sinn, aus Mitleid geworden . . . Mitleid! Es war hanna, als öge ihr Herz sich zusammen wie ini he tig sten Krampf —- aus Scham, aus Ein piirung und Jammer! Wie —- wie war’s doch gewesen, als er um sie warb? Was hatte er doch gesagt? Sie durfte nicht suchen in ihrem Ge dächtnis —- namenlos erregt wie sie war — die Worte waren in ihre Er innerung gegraben wie in glühendes Erz. »Wie sagten Sie doch neulich, asls ich Sie fragte, wem Sie ähnlich sähen? Als was bezeichneten Sie sich? « Sie hatte geantwortet: »Als herrenloses Gui!'« und da war es über seine Lippen gekommen warm und überzeugend: »Das sollst du nie mehr sagen dürfen! Wenn du es willst, so hast du deinen Herrn jetzt gefunden! Sag’ mir, Hanna —- Melusinie — willfi du mein eigen sein?« Nicht ein Wort von Liebe, nicht ein Wort von seinen eigenen Empfin dungen! Sie aber hatte Ja gesagt weil sie ihn unsagbat liebte, nicht wußte. wie sie sich ein Leben ohne ihn denten sollte, hoffte, sein Gefühl für sie werde an dem ihren erstatten und erwarmen. Siemußte ihm ja doch gefallen —- warum sonst hätte er sie zu seiner Frau begehrt? Auf eine Lösung« wie die jetzige, war sie nie, niemals gekommen, ob schon sie zuweilen gedacht hatte, er müsse etwas von ihrer Hertunft, ih rer Familie wissen, mehr als sie selbst; er hatte sie oft so eigentümlich ange sehen, seine Rede mitten im Satz ab gebrochen, er war manchmal sichtlich verlegen geworden. Sie hatte dann stets gedacht, die Pflegeeltern hätten ihm Eröffnunaen über sie gemacht, die ihr verborgen bleiben sollten. Sie sah ihn im Geist deutlich vor sich, den geliebten, so aualvoll geliebten Mann! Sie hörte seine Stimme, sah seine Augen aus sich erichtet mit die sem eigentümlich be iitenden. ernst mitleidigen Blick, über den sie so oft nachgesonnen hatte. Sie verstand ihn jetzt gut genug, diesen Blick Und bei dem Gedanken daran, wei terleben zu sollen neben diesemManm der sie ohne Liebe geheiratet, der der Vergangenheit ein Sühnopfer hatte bereiten wollen durch die Ehe mit ihr, der sein Gewissen zu beschwichtigen wünschte und sonst nichts, der für sie nichts weiter übrig hatte, als die lau warme, mitleidige Empfindung eines guten Freundes, kam ein so milder, leidenschaftlicher Gram über sie, daß sie aufsprang von ihrem Sitz und mit verstörten Augen um sich sah. - War sie noch länger zu hause hier? Konnte sie hier bleiben, nachdem sie dies —- dies Unglaubliche erfahren? Gehörten die Mö l, die Bilder, all die Din , die sie utn sich her sah, ihr noch? rfte sie noch das stolze, si chere Gefühl der Eigentümerin haben, das sie vor kaum einer Stunde noch so glücklich gemacht? Und sie selbst? Wem gchörte sie? Doch nicht dem Marm, der sie halb aus Mitleid, halb aus Gewissenhastigteit geheiratett »Zum-Moses Gatt« Das war sie ge wesen, das blieb sie. Es war niemand da aus der weiten Welt, der ihrer be durfte. Wie see sieh das sagte, recht aus ih rer in tief E resu , im bittersten Schmerz · Derg- tigrmg steernden »Sa!ehervus,dahehthefs3 ; rasch Ists dem Zimm, o · M Blick zuräetiwsep. a ’ J Ist-MS tun « du »p- eis- «- s — hellfchimmernde Biisie, die auf hohem« Sockel stand, und ging auch da vor über. Das war ja nicht sie! Wirt-fu« die sie ewefen, zu denken, er hätte ihre Büfte aus dem Gedächtnis ge macht! Er hatte sie das freilich glau ben lassen, ihm war diese fptechende Aehnlichkeit bequem gewesen. Jm Ge hen wandte sie den Kopf zurück und lä chelte bitter. Dort war sie, dort blieb sie, ihre Schwester Hildegard, die er geliebt hatte! Sie aber, Hanna, war »herrenloses Gut« —— sie konnte hier nicht bleiben, sie hatte zu gehen! Wohin? Sie wußte es noch nicht, während sie weiterschritt —- aber fort bestimmt, ganz bestimmt. Jn ihrem kleinen Antleide immer fand sie Gusta mit dem Handtoffer be schäftigt, den sie soeben erst aufge schlossen. Das Mädchen war unge mein verlegen. »Bitte tausendmal um Verzeihung gnä’ Frau, daß ich jetzt erst . . . ich habe noch kein Stück ausgebaut Aber — aber — der Zenzi ihre alte Mut ter ist ganz unerwartet gekommen — aus Starnberg daheim, gnä’ Frau, wo auch ich daheim bin —- und da haben wir halt so viel zu reden ange fangen — und da —«« »Sie hatten den Koffer vergessen eö schadet nichts -— nein, nein, ich bin nicht böse. Lassen Sie ihn nur, wie er ist — wirklich, es eilt gar nicht, und gehen Sie ruhig zurück zu Zenzis Mutterl« »Ach nein, gnä’ Frau, ich kann ja doch auspacken!« »Sie sollen nicht auspacken, ich wünsche es nicht, Sie hören ja! Ge hen Sie nur erst einmal!« »Ach, gnä’ Frau sind doch wirklich gar zu viel gut!« Gusta küßte ge rührt die Hand ihrer Herrin. »Dant’ auch vielmals. Und wie ich gebraucht werd’ — gnä’ Frau dürfen eben nur läuten!« Wie Panna altem war, entnahm sie rnit hastigen Händen einemSchrant und einem Komodenfchud noch ein paar Sachen, die sie in den lleinen Koffer legte. Nun öffnete sie mit einem Schlüssel ein besonderes Fach ihres Toilettentifches, darin lagen die Schmuckgegenstiinde, die sie von ihren Pflegeeltern her besaß: die gediegene goldene Uhrtette, ein hübscher Schmuck von Perlen und Saphiren, den sie zu ihrer Konfirknation erhalten, eine rosa Korallenschnur und noch einige Klei nigkeiten Die steckte sie zu sich, aber es toar ihr nicht um diese Andenken allein zu thun. Ganz zu untersi auf dem Boden des Faches lag eine kleine Geldbörse, die ihr Frau Dorn Pilz trowsky extra gehätelt hatte, damit sie ihr selbstverdientes Geld hineintun könne. Wenige Tage vor dem Tode der gütigen Geberin hatte Hanna ih rem Gatten noch dies Beutelchen ge zeigt, durch dessen Maschen es goldig blitzte, und er hatte gelacht und ge fragt: »Wozu hebst du dir dies Geld eigentlich auf, Mausi?« —- ,,Wei( es selbstvetdientes ist« hatte sie ern-Wem und halb fchetzend hinzugefügt: »Und wenn du mit mal einen Wunsch ver sagst, dann äteicc ich in meinen ver borgenen Schatz.« Nun noch eine kleine Manne, die ihre Papiere, ihre Zeuanisie enthielt. Sie hüllte sich in den langen. dunkeln Mantel. den sie sich zur Trauer hatte anfertigen lassen, setzte ihr Häkchen auf und griff nach Schirm und Hand kosser. Alles ijbrige ließ sie stehen und liegen, wie es stand und lag· Auf den eleganten kleinen Lederkasten, der ihre kostbaren neuen Schmuckstiicke barg, warf sie nicht einmal einenBlick, als sie den Toilettentisch verschloß und den Schlüssel an seine gewohnte Stelle legte. Angestrenqt lauschte sie hinaus, ehe sie ging. Alles still, ganz still. Wie sie durch den Korridor huschte und die Tür zur Hintertreppe öffnete, hörte sie vom Dienstbotenziminer her lau tes Reden und Lachen. Geräuschlos drückte sie die Tür ins Schloß. Aus der Straße lagerte bereits die lichte Dämmerung des Frühlings abends. Wenige Spaziergänger nur kamen des Weges, ein paar elegante Eguipagen rollten fast lautlos durch die vornehme Strarße. Hanna hätte es nicht nötig gehabt, den schwarzen Schleier so sorgsam til-er ihr Gesicht zu ziehen. Niemand achtete aus sie. An der Biegung der Straße karn ihr ein Mietwagen entgegen, ein leich ter Einspännm sie winkte ihn hastig zu sich heran. »Nach dem Zentralbahnhos.« Die Fahrt ging rasch. Ein lindeö Abendliiftchen suhr’schmeick,elnd iiber das junge blasse Gesicht unter dem Trauerschleier. Am westlichen-— Him mel stand ein lichtgriiner Streif über einem breiten rosafarbenen Strahlen giirtel. Schwalben schossen mit hel lem Zwitscherlaut durch die warme, stille Lust. 24. Jn der Tauenpienstraße in Bres lau war es um die Mittagszeit ziem lich lebhaft. Die alte, korpulente Dame, die im Wohnzirnmer ihrer im ersten Stock gelegenen Wohnung saß, hatte ihre Strickaebeit in den Seht-s sinken lassen und sah anscheinen voller Teilnahme auf das Leben und Treiben unter ihren Fenstern Anscheinendt Denn ei war ein trüber-, abwesend-er Blick, der unter den saltigen Lidem hervorsalpsmchts von Lebens-nat und Frohsinn stand darin u lesen. Kein Wunder frei li ! ’ alte Frau trug tiefe Trauer dtmg- sit IMU GIVE WI futcheu tm W- und Ko mit am glitt-. , »Du-Ists- M M i I I i i s ; nicht mehr!'« « melte dieGescholtene mutlos und nahm ; mechanisch ihr Strick-Jena zwischen "»Reisen kann ich nicht mehr, sonst ausgestatteten Zimmers tat sich sachts eine Tür auf und eine andere alte Frau erschien —- zwar noch nicht so bejahrt, wie die am Fenster, aber si cherlich auch nicht weit von den Sieb zigern entfernt. Sie trug eine breite dunkle Schürze und eine tleine haube von schwarzem Band und Spihen aus dem dünnen grauen Haar. Die am Fenster rührte sich nicht. Die andere tonnte dicht an sie heran kommen, bei ihr stehen bleiben, ohne daß sie ihrer gewahr wurde. Nur wie sie sie jetzt leise am Aermel zupste, fuhr sie zusammen, wie ein Kind, das Schelte fürchtet. s »Na ja, begann die mit der Schürze nud nieste gewichtig ein paakmat mit1 dem Kopf, ,,da haben wir’s ja wieder! Stricken tun Sie nicht, und lesen tun Sie auch nicht« und zum Fenster her aussehen tun Sie auch nicht »Ich sehe ja zum Fenster heraus!« entgegnete die alte Dame tleinlaut. »Ja . . . aber wie! Das Heraus sehen kenne ich! Jch sollte Sie bloß eaminieren, wer hier jetzt die halbe Stunde vorbeipassirt ist —— nicht einen Menschen würden Sie mir nennen tön nen —- nicht einen! Bloß immer da sitzen und die Gedanken bei dem ha ben, was doch leider Gottes nicht mehr zu ändern ist . . . nein, Frau Graditzer, alles, was recht ist, aber das geht nicht mehr «—— und das geht »Was soll ich denn bloß tun?« mur die gichtischen, runzeligen Hände. wör’ ich ja wohl nach München ge fahren —« »Ach — reisen! Wer spricht da von? Und aar nach Miinchent Da wären Sie auch gestorben vor Gram und Kummer, in dem Trauerhaus —« . »Und das wär’ das beste für mich gewesen, Nanny. Was soll ich alte einsame Frau noch auf der Welt?« »Ja, das wird mancher Menfch fragen, und die Antwort darauf müs sen wir unserem ftherrgott überlassen, der mufz schon wi en weshalb er den einen früher abruft, wie den anderen. Müssen doch lernen, uns zu schicken. Alt und einsam haben Sie gesagt? Ja, gegen das Alter« da gibt’s leider lein Mittel, aber gegen die Einsam keit, da gibt es mehr wie eines — und wie oft soll ich es Jhnen noch sa gen: nehmen Sie sich was Junges ins haus —- ’ne Gesellschaftsdame.« ,, hah’ doch dich, Nannh!« » , mich! Da haben Sie auch was Rechtes! Bin ich jung? Bin ich eine Dame? Kann ich Sie unterhalten und Jhnen pläsierliche Gedanken bei bringen?« »Du guter Gott!" sagte die Alte im Lehnsessel tummervolL »Den Men schen möcht’ ich mir ansehen, der mir ietzt noch pläsierliche Gedanken bei bringen lönnte.« »Sie brauchen auch nicht jedes Wort, das ich rede, auf die Goldwage zu legen,« brummte Nanny, halb är gerlich, hallb mitleidig. »Ich will bloß sagen: was Gebildete5, was Bergniigte5, was Junges gehört hier her ins Haus . . . und ich bin unge bildet, mißvergniigt und alt.« »Aber du haft mich lieb und hältst treu zu mir —— rechneft du das für nichts? Und haft meine Dora ge kannt als Kind und als junges Mäd chen —« »JatVohl —- und als Braut auch! Was mußte der schwarze Polael kom men und ihr den Kopf verdrehen und sie uns wegnehmen! hats sie nicht ge heiratet, dann wäre sie überhaupt nicht trank geworden und iäß' jetzt feelenvergniigt hier bei uns!« .Meine Dora ist fehr glücklich ge .wesen mit ihrem Manni« »Ach was wollt’ ich doch! Glücklich! ,hat nicht mal ’n Kind mit ihm ge habt! Und ’ne Ehe ohne Kinder. ich weiß nicht, die tommt mir bloß so : halb vors« ; »Sie haben sich doch die lleine ! Hanna angenommen!« « »Und wag haben Sie von der klei i nen Hanna gehabt? Jetzt, wo sie an fangen tonnte, was zu taugen und was zu nützen da läust sie hin und heiratet auch, als wenn aus der weiten Gotte-weit kein Heil und rein Glück zu sinden wär’ ohne die Männer!« »Du bist immer gegen die Ehe ge wesen ——«· »Bist ich! Hab meine guten Gründe dafür· Wer 'nen Stiefvater gehabt hat, wie ich, und ’ne Schwester. die an einer schlechten Heirat zugrunde gegangen ist, und ist selbst berlobt ge wesen und sitzen gelassen worden, mir « nichts dir nichts « von dem tanni man keine Lobgesänsge aus die Ehe vers s langen. Die Kerls sind alle zusam- ; men keinen roten Heller wert, die tau- J gen zu nichts, einer, wie der andere!« s »Du gehst zu weit — viel zu weit; gehst du, Nannht« Die alten Augen? unter den saltigen Lidern be nnen,s sich zu beleben. »Ja unserer z milieI sind keine schlechten Männer gewesen«-— ; nein, gewiß nicht! Was war mein: Großvater lfiir ein feiner, vornehmer » herr; ich eh’ ihn noch vor mir in blaue-n Tuchrock und Essarpins, in gesölteltem Jabot und gepudertem daar —- und immer so galant noch » zur Großmutter-, trotzdem sie schon eine alte Frau war dazumal! Und mein Vater —- wie hat der meine gute Mutter in Ehren gehalten! Meine eigene Ehe, so kurz, wie sie dauerte-— tote schön war biet« Sehr g priichig wurde die alte » Etat-. Ver-ji des Seli en wurden ins beste L t gerückt i-j mer-»Im Demn- Zeiim Undene-« ket« r Wisseundtseueansl gesiihrt. Nannh stand, beide hände iiber der breiten Schürze ge altet, und hörte zu, ein kleines, ganz leines Lä cheln der Befriedigung um die Lippen. Pas hatte sie ja gewollt, dazu war sie Ia nur ins Zimmer gekommen — »ihre Frau« herausreißen aus den trostlo en Gedanken, sie zum Reden bringen, meinetwegen zum Streiten! Sie kannte all die Geschichten, die die Alte ihr mitteilte, Wort fiir Wort; die« Vorzüge und Eigenschaften des seligen radißer, des Vaters und Großvater waren ihr geläufig. wie am Schnürchen-sie hätte sosort nach helsen können, wen-n die Rednerin je mals ins Stocken geraten wäre. Schadete nichts! Frau Gradider sprach, ofrau Graditzer ereiferte sich! — Jn einer tnappen halben Stunden war es Essenszeit —— die Sache wurde mit großer Umständlichteit betrieben-— danach bettete sie die Herrin auf das mächtige Sosa im Schlaszimmer, legte Decken und Kissen zurecht, verdun telte die Fenster. Frau Graditzer be schwor zwar, daß sie nach Tisch nie mals schlafe, und Nanny erwiderte seit Jahren jedesmal aus eine derar tige Behauptung: »Das ist recht scha det« obgleich sie wußte, daß »die Frau« stets eine ganze Weile ties und fest schlummerte, oft sogar schnarchte. Dann kam der Rassen eine Weile später die Zeitung —- und für den Abend mußte schließlich auch Rat werden! Es wurde Rat, und zwar aus völ lig unerwartete Weise. Gerade hatten Herrin und Dienerin den Kasfee eingenommen, gemeinsam, wie alle Mahlzeiten, als drunten aus der Straße ein Wagen vorsuhr. Dies war nun gerade nichts Seltenes-, aber unbeschästigten alten Leuten ist jedes kleinste Ereignis wichtig, und so trat Nanny zum Fenster und stattete ihrer Gebieterin, die wegen gichtischer Füße sehr unbehilslich war und am Kassee tisch sitzen blieb, Napport ab. »Ein! Dame steigt aus — scheint jung zu sein, hat aber ’n Schleier vorm Gesicht — bei der Wärme! Hat ’n Handtofser bei sich und geht in Trauer!« (Fortsetzung solgt.) -- Brei-see Kaiser-rede. B r e m e n, 23. März. Die Rede, die der Kaiser beim Fest essen im Ratt-hause gehalten, hat fol genden Wortlaut: Mein verehrter Herr Bürgermeister! Wollen Sie Mir gestatten, daß Ich tiefbewegtenherzens zunächst eineSoh nespflicht erfülle, indem Jch meinen von Herzen kommenden Dank Ihnen ausspreche, daß Sie Mir den Wunsch Jhrer Landsleute übermittelt haben, Theilnehmer zu sein an dem heutigen festlichen Tage und beizuwohnen der Enthüllung dieses einzigartigen herr lichen Standbildes, das die Freie Hansestadt Bremen Meinem seligen Vater gesetzt hat. Jch kann wohl sa gen, daß es Mich aufs Tiefste bewegt hat« wie Jch heute die Menschenmas sen mit Meinen Augen überflog, da ran zu denken, daß der frühere preu ßische Kronprinz und nochmalige erste Kronprinz des Deutschen Reiches und schließlich der zweite Hohenzollernkai see so in einer freien deutschen Stadt gefeiert werden konnte, gleichsam als ob er hier zu Hause wäre; ein Beweis dafür, wie seine Gestalt, ebenso wie die seines erlauchten großen Vaters, Gemeingut unseres gesammten deut schen Volkes geworden ist. Jch danke von herzem daß die Stadt Bremen Meinen Vater und sein Andenken in dieser herrlichen Weise geehrt hat. Sie haben ein Kunstwerk geschaffen, wie wenige in deutschen Landen stehen und ich bin fest überzeugt, dasz noch in späteren Generationen die ganze machtvolle Persönlichkeit, dann schön vom Glanz der Sage umwoben, durch dieses Standbild dem herzen des-Vol kes näher gebracht werden wird, daß die vom Vater aus Sohn sich folgen den Generationen der Bremenser nie mals des zweiten Kaisers vergessen werden« dessen erhabene Siegsriedgge stali die deutschen Heere zu den Sie gen führte, denen wir die Einheit ver danken. Und so stehen nun Mein Großvater und Mein Vater in herrli chen Standbildern in dieser treuen deutschen Stadt und bilden Mart fteine für die Geschichte unseres Va terlandes sowohl, wie siir die Stadt Bremen. Wahrlich, der geschichtliche Rückblick, den Sie die Güte hatten. uns eben zu geben, zeigte uns in groß artiger Weise die Fiigung Gottes und die Gnade, die die Vorsehung mit un serem-Volk und Land gehabt hat. Der Zeitabschnitt, den die beiden hohen Herren vertiirpern. die hier in ler ge gossen aus ihren Plagen stehen, ist nun gelchichtlich sestgelegt und es ist an der nachfolgenden Zeit und deren Generationen, sortzubauen aus der Grundlage, die hohen Herren gelegt haben. Sie haben die Güte gehabt, die Gedanken zu erwähnen, welche-Sie bewegten bei früherer Gelegenheit in diesem selben Raume. Sie entspre chen in jeder Beziehung vollkommen dem, was Jch auch damals gedacht habe. Jch habe, als Jch als Jüng ling vor dem Modell des Brornrnh Schiffes gestanden habe, mitJngritnrn die Schmach empfunden, die unserer Flotte und unserer damaligen Jlagge aus-than worden ist« und vielleicht, da doch mal von Meiner Mutter Seite ein Stils Seel-litt in Meinen Ideen Entllvlits ist« M VII M Wes Wim W der fiir Mich die Richtschnur geben sollte für die Art und Weise, wie Jch die Aufgaben aufzufassen hätte, die nunmehr dem Deutschen Reiche bevor standen. Jch habe Mir damals den Fahneneid geschworen, als Jch zur Regierung lam nach der gewaltigen Zeit Meines Großvaters, daß, was an Mir liegt, die Bajonette und Ka nonen zu ruhen hätten, daß aber die Bajonette und Kanonen scharf und tüchtig erhalten werden mußten, da mit Neid und Scheelsucht von außen uns an dem Ausbau unseres Gartens und unseres schönen Hauses im Jn nern nicht stören. Jch habe Mir ge lvbt auf Grund Meiner Erfahrungen aus der Geschichte, niemals nach einer öden Weltherrschast zu streben, denn - was ist aus den sogenannten Welt reichen geworden? Alexander der Gro ße, Napoleon 1., alle die großen Kriegsheldem im Blute haben sie ge schwommen und unterjochtc Völker zurückgelassen, die beim ersten Augen blick wieder ausgestanden sind und die Reiche zum Zerfall gebracht haben. Das Weltteich, das Jch Mir geträumt habe, soll darin bestehen, daß vor Al lem das neu erschaffene DeutscheReich von allen Seiten das absoluteste Ber trauen als eines ruhigen, ehrlichen und friedlichen Nachbarn genießen soll und daß, wenn man dereinst viel leicht von einem deutschen Weltteich oder einer Hohenzollernweliherrschaft in der Geschichte reden sollte, sie nicht aus Eroberungen begründet sein soll durch das Schwert, sondern durch ge genseitiges Vertrauen der nach glei chen Zielen strebenden Nationen, kurz ausgedrückt, wie ein großer Dichter sagt: Auszen hin begrenzt, im Jnnern unbegrenzt. Sie haben hingewiesen auf die Schiffe, die hier erinnerungsreich von der Decke des schönen, alten Saales herabhängen. Die Zeit, in der Jch grofz geworden bin, war trotz des gro ßen Krieges fiir is.seren seefahrenden Theil der Nation teine große und glorreiche. Auch hier habe ich die Kon sequenzen gezogen dessen, was Meine Vorfahren gethan haben. Jm Jnnern war militärisch so viel geschehen wie nothwendig war. Jetzt mußte die Seerüftung d’rantommen. Jch danke Gott, daß Jch hier in diesem Rath haus keinen Nothschrei mehr auszu ftoßen habe, toie einst in Hamburg. Die Flotte schwimmt und sie wird ge baut und das Material an Menschen ist vorhanden. Der Eifer und der Geist ist derselbe wie der, der die Os fiziere der preußischen Armee bei ho henfriedberg und Königgrätz und bei Sedan ersiillt hat und mit jedem deut schen Kriegsschiff, das den Stapel verläßt, ist eine Gewähr mehr für den Frieden auf der Erde gegeben und um so viel weniger werden unsere Gegner -rr.it uns anzubinden suchen, um so werthvoller werden wir als Bundes Tgenosien sein. Als ich an dem heuti jgen Tage die Bürgerschaft Vremens s iiberflogen habe, sah Jch die Alten i und die Jungen nebeneinander stehen, Idie Alten mit ihren Medaitien und "Kreuzen, die Mittiimpfer und Mit thäter unter den beiden großen her ren, deren Standbilder in dieserStadt stehen« vor ihnen die Jugend, die hin einwachsen soll in das neue Reich und seine Aufgaben. Was werden ihre Aufgaben «sein? Stetig auszubauen, Streit, Haß, Zwietracht und Neid Hi meiden, sich zu erfreuen an dem deut schen Vaterland, wie es ist, und nicht nach Unmöglichem zu streben, sich der festen Ueberzeugung hinzugeben, daß unser Herrgott sich niemals so große Mühe mit unserem deutschen Vater lande, seinem Volke gegeben, wenn er uns nicht noch Großes vorbehalten hätte. Wir sind das Salz der Erde, aber wir müssen dessen auch würdig sein. Darum muß unsere Jugend lernen, zu entsagen und sich zu versa gen, was nicht gut thut fiir sie, fern zuhalten, was eingeschleppt ist von Völkern und Sitten, Zucht, Ordnung, « Ehrfurcht und Rellgcosttat zu bewah ren. Dann möge über das deutsche Volt einst geschrieben werden, was an den Helnien Meine-is ersten Garde-Re giments steht, »Se-chr taiis«, »Stets derselbe«. Dann werden wir von allen Seiten mit Achtung. theil weise auch mit Liebe, als sichere und zuverlässige Leute betrachtet werden und können stehen, die Hand am Schwerttnops, den Schild vor uns auf die Erde gestellt und sagen: 'l’amen, »Komme, was wolle«. Jch bin sest überzeugt, daß Meine Worte hier in Brernen aus einen guten Boden fallen werden. Von Herzen wünsche ich, dass der goldene Friede, der bisher mit Gottes Hilfe erhalten worden ist, uns weiter erhalten bleiben wird, und daß Bremen unter dem Frieden grünen, blühen und gedeihen möge. Das ist Mein innigster Wunsch. Es lebe Bre men! Hurrahl hurrahi hurrabt W Russland will die Friedensbedings ungen schreiben. Fragt fiel-I nur« wer sie dittirt. II I If Der anma ende Künstler sieht nur das, was er ann; der bescheidene sieht auch das, was er nicht kann. i se · Unter den Bildern, die wir im her en tra en, erweisen sich manche mtt er Zei als unwerth aufbewahrt z weederk «