Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (April 14, 1905)
W Gut-des Oed am Fetz. Erzählung von Karl Tanera. Einsani lag er, der große Gutshas Oed am Fels. Aber prächtig wie ein Adlerhorsi hing er an einer Steu wcnd des Loisachthales. Das Schönste war und blieb jedoch der Nahblick aus die Benediltenwnnd, den Rabenlops nnd die Jocheralrn. »Dort ist die Welt mit Steinen ver sperrt: hinter diesen gewaltigen Fels massen hört alles aus!« Aber der junge Gutsbesitzer von Oed am Fels wußte es anders. Schon als Knabe trat er so und so ost auf den Zwiesel gestiegen und hatte in die engen Schluchten dahinter, in das ro mantische Loisachthal, in’s Jsarthal und über die heimathlichen Wälder und Felder davon gebückt. sn dieser Welt war der Knabe, der in rülsesler Jugend den Vater verlo ren, ausgewachsen; der Jüngling dachte ebenso; und als er mit 24 Jah ren den Hof übernehmen und selbst verwalten mußte, da lehrte er gern ans München von der Universität zu gück in oie Einöde des Alpenvorlam es. hier lebte e wieder ganz in und fiir seine Welt auf dem Gutshof von Oed am Fels. Die Mutter war recht alt gewor den. Der Tod ihres Mannes, dann die Verwaltung des großen Besitzes und die Erziehung des einzigen Sohnes hatten all ihr Denken und Thun beansprucht. Der Sommer von 1875 war heiß. Die Bewohner der nördlichen Theile Baherns und ganz Deutschlands la men immer mehr nach dem Süden, um in den Alpen und deren Vorland der Hitze der Ebenen und der großen Städte zu entfliehen. Rasso Ellhach saß an einem der er sten Julitage friih Morgens in einer Lichtung des Nonnenwaldes aus einem ochstand. Heute mußte der Sechser lommen, heute wollte er ihn sicher treffen. Er täuschte sich nicht. Seit friih fiinf Uhr iiste der Bock auf dem südlichen Theile der Dichtung. Jetzt tam er immer näher. Noch hundert Meter, dann hatte er ihn. Plötzlich mußten die Geißen et was Fremdes demerlt haben, das sie erschreckte. Jn wilder Flucht jaaten sie mit ihren Kißen iiber die Lichtung. Der Bock schreckte auf, äuate nach dem Walde, einige gewaltig-e Sätze, und er war den Blicken des enttäuschten Jä gers entschwunden. Tritte und Rufe wurden im Walde hörbar. »Die verdammten Weiber! Hab' ihnen doch verboten, so früh am Mor gen hier Reisig zu sammeln. Jch werd ihnen ein Donnerwetter machen, daß sie an mich denten sollen.« Eilig stieg er voll Zorn von feinem Hochftand herunter, entlud die Büchse, denn heute war es mit der 0fand doch vor bei, und ging mit großen Schritten dem Theil des Waldes zu, in dem er jeßt immer deutlicher Rufe vernahm. Wegen der hohen Busche konnte er nicht weit vor sich sehen. Nun schim merte ein helles Kleid durch die Zweige. Rasch schritt er darauf los. ···,,Jhr der k—« «Die Schimpsworte aueoen rnm in oer zieme neaen. Ueberrascht siand er sofort still, zog verlegen den Hut vorn Kon und rkef halb stotternd: »Ich bitte tausendmal um Vergebung, gnädiges Fräulein« Seine Unsicherheit tonnte ihm wirt lich nicht verdacht werden. Ein bi:d schönes, hocheleganies gelleidetes Mäd chen von vielleicht zweiundzwanzig Jahren stand vor ihm. Die junge Fremde weidete sich einige Zeit an seiner Verlegenheit. Dann sprach sie sanft und freundlich: »Sie tamen so ergrimmt auf mich zu. Darf ich hier nicht gehen?« »O, gewiß, gnädiges Fräulein, wo Sie wollen« »Aber« warum waren Sie denn so »Ich! Nun, ich will es offen ein gestehen. Jch saß dori an der Lich tung auf einem hochstand, um einen Sechserbock zu schießen. Noch einige Minuten, und er wäre meine Beute geworden. Da— muß er Jbre Tritte und Riese vernommen haben und ging flüchtig ab. Jch lonnte ihn nicht mehr schießen.« »Ei, da hab ich freilich ein großes Unheil angestiftet. Aber absichtslos.« »O, das weiß ich. Es macht auch gar nichts. Jch bekomme ihn ein an dermal.« Während dieser Worte war eine iiliere Dame nachgetommen Tag Mädchen rief ihr entgegen: »Denle nur, Martia, ich habe unwissentlich dem Herrn seine Jagd verdorben. Mein Erscheinen vertrieb den Bock, dem er auflauerte." Soiort wandte Ellbaeh ein: »Ich wiederhole, gnädiges Fräulein, das macht gar nichts. —- Darf ich mir aber die Frone erlauben, wie die Da men so früh hierher kommen? · Ich siehe in dieser Beziehung vor eure-n RäthseU « . · »Das sehr leicht zu lösen ist. Meine Tochter und ich wollen zwei Monate hier in eine Sommerfrische gehet-. Ge tern kahen wir uns die Umgegend-» Vetter · » Nacht. i fiel uns nichts. Man sa te uns, aß zwischen Beuerberg ers an und blieben dort illseej un Staltach so hübsche böse sein-, s. B. heuleiten, Ord. Faistenberg und Oe am Fels. Diese wollen wir heute ansehen, am vielleicht eine Hom nrernntertnnit zn finden. Konnten Sie uns Wem ziu welchem her ge nannten ·fe wr von hier zuerst ««"’;i"3«b.p »- smi « ,; a a · . Enge ve- pr ichs-ur M «Er hat die beste Lage von allen in der nzen Gegend und ist ein Herr chastgsiy während alle anderen nur amrnbose sin-d.« «Wiitden wir dort wohl Zimmer sitt toet Monate miethen können?« »Gewiß. Sie erhalten die beiden besten Zimmer des oberen Stockwertes mit der Aussicht aus das Gebirge.« »O, Sie wohnen wohl in diesem Hose, weil Sie so genau orientirt sind?« »Ich bin der Besitzer von Oed am Fels. Mein Name ist Rasso Ellba .'« »Das trisst sich aber glückli ,« fügte jetzt dieTochter ein. »Da sind wir ja an die beste Quelle gekommen. Meinst du das nicht auch, M ma?« »Ja, gewiß. Herr Ellbach t viel leicht die Liebenstvsiirdigteit, uns nach dem Gut zu sühren.« »Mit größter Freude, meine Ta men. Wir qehen diesen Waldwea.« Alle drei wanderten nun auf einem schattigen Holzabsuhrweg durch den herrlichen Hochwsald Nach- einigen Schritten bemerkte die ältere Dame: ,,Darf ich Jhnen auch unsern Namen nennen. Jch bin die Wittwe des Oberregierungsrathes von Balzer aus Negensbnrxp Diese ist meine Tochter Elle-. —- -—— — Fünf Wochen waren vergangen. Fritz hatte sich Rasso Ellbach verwan e . Seine Mutter, die Bauern, die Leute vom Hof tannten ihn gar nicht mehr. Statt wie sonst von morgens friih bis zur Nacht in den Wäldern, Wiesen und Feldern herumzuwan vern, um die Arbeiter anzuhalten, war er gar nicht mehr von Ella von Balzer wegzuhringen Er wartete mit dem Frühstück aus sie, weil sie gewöhnlich morgens sieben Uhr er schien, während ihre Mutter bis acht Uhr schlies. Er gin mit ihr hacke ren, fuhr sie in der åmgegend unzer, lauschte ihrem Klavierspiel, kurz, war den ganzen langen Tag um sie. Er wu te nur, daß er rasend in die schöne Fremde verliebt war. Sie aber behandelte ihn eigentlich recht schlecht. Sie spielte mit ihm wie eine Katze mit einer Maus. Er härmte sich, er magerte ab, er ward immer bliisser. Das erweclte keineswegs ihr Mitleid, sondern es schien ihr «- reude zu machen nnd stei gerte nur ihre Sucht, ihn erst recht zu quälen. Seine Mutter sah genan, wie es mit ihrem einzigen Sohn stand. Die arme Frau verzweifelte fast. Sie machte ihm Vorstellungen, von der unseligen Leidenschaft abzulasiem aber alle Worte der geängstigten Mutter, sogar alle Selbstverwiirse Gut-achts waren vergebens. Seine sämmtlichen Vorfahr Zerstr len wie Seifenblasen, sobald er sie sah. Endlich nahte der Schluß des Sommerausenthaltes der beiden Da men: Rassa hatte Ella an einem der lehten Abende zum schönsten Aus sichtspnnit seines ganzen, arosien Ve sitzes geführt. Dort streckte sie sich im Gras aus. »Nun, Rasso, setzen Sie sich nicht zu mir? Wollen Sie mir nicht wieder die Gegend heichreihen?« »Ja, das will ich thun.«- Mit einer gewuten wilden Unergie liest er um nieder und sprach, indem er ihr rie einzelnen Punkte zeigte: Da unten liegt mein Hos. Den kennen Sie ja gründlich. Lig ist einer der qröfsten Güter im Vorland, hat iiber neunzehn Morgen ohne die Alm und ist schul densiei. Dos- Ella, biete ich Ihnen. Jch srage nicht, was Sie in die Ehe mitbringen. Jch will und brauche nichts als Sie und Jhre Liebe. Die aber muß ich haben, sonit werde ich wahnsinnig. Ella, ich biete Ihnen, was ich bin und habe. Werden Sie mein Weib. Machen Sie mich glück lich. Sie sollen es nie bereuen. Jch werde Sie auf den Händen tranem Soviel an mir liegt, will ich Ihnen ein Paradies auf Erden schaffen. Alles nur um Jhre Liebe!" Nuhig, aber mit höhnisch verzog-e nein Mund hatte sie ihm zugehisrt Jetzt sprang sie aus, lachte, so lnut sie ionnte, und rief dann spöttisch: »Aber, lieber Rasso, Sie sind wahr haftig schon wahnsinnig Nein, Sie sind rasend. Jch glaube, es liegt in Jhrern Namen. heäch, und eine Octo «nomensfrau! « , das vornehme Fräulein von Balger, hier unter Bauern begraben« in einigen Jahren selbst eine biete. runde Bäuerin, die im Stall herumläuft und nach Kuhmist riecht! Nein, das ist ja zu komisch. Aber es war mir ein Vergnügen, mit Ihnen zu spielen. Wenn wir noch län r hier geblieben wären, so hätte ich ie vielleicht lo weit gebracht, ein mal ein kaltes Verzweiflungsbad in der Loilach zu nehmen. Geschadet hätte es Jhnen wohl nicht, denn lchwimmen können Sie gewiß auch· Mich hiitte es aber töni lich omiisirt.« Bis dahin war er schen geblieben und hatte, den Läge in beide Hände gestützt, zugehört. s in seinem Jn nrrn vor ing, tonnte man nur an dem Wogen eines ganzen Körpers eilen nen. Bei den lehten Worten seiner Peinigerin aber war er wie von einer Feder gelchnellt aufgesprungen. Mit duntelrothem Kopf und geballten Fäusten stand er vor ihr, und keuchend klang es aus seinem Munde: «Sie verdammte Rosette. Ja, meine Mutter hat recht. Sie sind tein menschliches Wesen, sondern ein teuflischer Bam pnr. Wenn ich meine Büchle da hätte, würde ich Ihn-II den Schädel zer schmettern, Sie Sotant« Statt zu erschrecken, lachte fie, aus ihre stets siegreiche Schönheit pochend, Ihn ntsch los. i o tonnte lich der junge Mann W nicht mehr halten. Blind vor Wuth erhob er die Faust, und mit einem Stoß vor ihre Stirn warf er sie zu Boden. Dann ergrsf ihn Grauen vor sich selbst. Als sie sich, jetzt doch zu Tod erschrocken, langsam erho und er erkannt hatte, daß sie nicht verletzt war, wandte er sich wsie von Furien gepeitscht um und verschwand im Walde. Vier Stunden später sah man Rasso Ellbach in raschem Schritt mit gesenktem Haupte durch den Hof eilen. Er ging, ohne nach seiner Mutter oder sonst jemanden zu fragen, in sein Zimmer und schloß sich ein« Dort schrieb er Brief auf Brief. Gegen Abend ließ er sich von einem Knecht etwas zu essen bringen. Dann schrieb er weiter de ganze Nacht durch bis zum frühen Morgen. Seine Mutter war troy des Gra me5, den ihr das gestrige Verhalten des Sohnes ——-— von dem Schlag wußte aber Niemand etwas, denn Ella von Balzer hatte darüber geschwie gen — doch endlich eingeschlafen. Da stand plötzlich ihr Sohn im Reise anzug dor ihr. »Leb’ wohl, gutes Mutterl. Mich leidet es nicht mehr länger hier. Jch muß fort. Frag« nicht, warum und wohin ich gehe. Du erfährst alles durch die Briefe, die ich hinterlasse.« »Mein Rasso, du wirst doch nicht Hast du Gott und deine alte Mutter bergessen?« »Sorg’ dich nicht, Mutterl, ich hab’ mich wieder in der Gewalt. Aber nahe daran war es, daß ich mir eine Kugel durch den Kon gejagt Hätte. Jetzt habe ich dies überwunden. Aber fort muß ich. Fraa’ mich nicht· Gieb mir noch einen Kuß!« Wortlos,, nur fchluchzend, küßte Und umarmte sie ihn. Dann riß er sich los. Gleich darauf fuhr er sort. Zwei Stunden später brachte der Knecht den Wagen zurück. »Der junge Herr läßt noch grüßen. Er hat ein Billet nach München ge nommen nnd ist mit dem ersten Zug von Seeshaupt abgefahren.« sit If J Fünfundzwanzig Jahre waren ver gangen. Der Oed am Fels-Hof be fand sich seit etwa zwanzig Jahren im Besitz eines Oetonomen aus dem Flachland. Er hatte ihn recht ver wahrlost gefunden und daher billig getauft. Kein Wunder. Die alte Frau Ellbach war ein Jahr nach der Abreise ihres Sohnes gestorben. Vom Gericht aufgestellte Verwalter hatten den Hof start verwirthschaftet, und als die Erlaubniß des jungen Herrn Ellbach zum Verkauf endlich aus Amerika eintraf, galt das schöne Gut kaum mehr die Hälfte von dem, war-I es in den siebziger Jahren werth ge wesen war. Die Kaussumme hatte das Gericht an Herrn Ellbach übe-sendet die Empfangsbeftätigung traf ein, dann hörte kein Mensch mehr etwas von dem einst in der ganzen Gegend beliebten jungen Mann. ----- Hinten im Westen der Vereinigten Staaten Nordanierita5, in Calisor nien ,liegt ein wunderbare-, Thal, eines der schönsten, der großartigsten auf der ganzen Erde, das Yosemite. Dahin war Rasso Ellbach auf sei ner Flucht vor den Seelenschmerzem die ihn quälten, an einem Spätherbst abende gekommen. Die Wildheit die ser Natur, die Großartigleit der Wasserfälle und der Felsbildungen, sowie der wunderbare Wald fesselten ihn so, daß er blieb. Die letzten Som mersrischler waren Magezogen, im Thal befanden sich nur noch mehrere Aufseher und einige halbcivilisirte Jndianer. Rasso Ellbach blieb. Er kaufte ein Stiick Wald, ließ es aushol zen. erbaute dort ein geräumiges hölzernes Gasthaus und nannte es sei nem indianischen Führer zu Ehren Wanowa. Bald entwickelte sich das-s selbe so, dafz er es vergrößern mußte. Er nahm viel Geld ein, kaufte weitere Strecken des Waldes, verkaufte sie nach Jahren mit sehr großem Vor theil wieder und wurde schließlich für amerikanische Verhältnisse ein wohlhabender, für euroviiifche Ver hältnisse aber ein sehr reicher Mann. So war das Jahr 1900 gekommen. Das Iihotel Wawona war wieder überfällt. Mr. Ellbach, der stille, schweigsame. wetternarbige, aber doch vorzüglich aussehende Wirth mußte sogar Zelte errichten lassen, um allen Touristen Platz zu verschaffen. Jn einem der letzteren war ein junger, vielleicht ztvanzigjähriger Mann un tergebracht, der sich als ein Mr Schneider aus San Francisco im Fremdenbuch eingetragen hatte Um die Kosten einer Wagenfahrt zu ersparen, unternahm dieser Fremde eines Morgens zu Fuß einen Ausflug nach den wunderbaren ,,big trees von Mariposa«. Einer der Hotelbedienste ten hatte ihm den Weg genau beschrie ben. Der Tag verging, die folgende Nacht auch, der junge Mann war nicht zurückgekehrt. Man erstattete Meldung an Mr. Ellbach. »Er hat sich jedenfalls verirrt.« So fort ließ der Wirth einen Wagen ein spannen, nach dem hain von Mari pofa fahren und durch Bedienstete die Wege absuchen, Alarmfchitsse abgeben, rufen und alles thun, um den Verirr ten auf den rechten Pfad zu leiten. Vergebens. Die Leute kehrten spät Abends zurück, ohne eine Spur ge funden zu haben. Niemand hatte den Fremden gesehen. Niemand wußte den was von ihm. Troy der einbrechen Wen Dunkelheit fuhr Mk. anach nochmals in den Wald, nahm Diener und Fackeln mit, ließ letztere an ver schiedenen Punkten anzünden, wie derum rufen und schießen und alles nur Mögliche thun, um den Vermiß ten zu finden. Den ganzen Tag durchstreiften sie das weite Gebiet. Jetzt wollten sie verzweifelt zurückkehren. Plötzlich gab einer der Hunde Laut und rannte dann direkt ins Gebüsch. Die Männer stürzten hinzu. Nach wenigen Augenblicken kamen sie an eine freie Stelle, und vor ihnen lag, schon ziemlich in Verwesung überge gangen und von Käfern und Wür mern benagt, der Leichnam des un glücklichen jungen Mannes-. Ein Mord war es nicht. Man sah teine Wunde. Neben der Leiche lag eine offene Brieftafche. Mr. Ellbach warf einen Blick auf die aufgeschlagene Seite und las die ersten mit Bleistift geschriebenen Worte. Dann ließ er die Hand mit der Brieftasche sinken und griff sich auf die Augen« wie wenn er sich über zeugen wollte, ob er denn noch klar setze. Nun erhob er die Tasche wieder und las noch einmal. Aber er er kannte es deutlich, wag da in deut scher Sprache aeichrieben stand: »Ein Sterbender bittet nachfolgen de Zeilen feiner Mutter zu senden und zwar: An Frau Ella Schneider, ge borne von Balzer, München-Au, Ma riahilfftraße 16.« Der Wirth unterbrach einen Au genblick das Lesen. »Ein Sohn von Ella von Balzer —- hier als Leiche!« Ellbach nahm von neuem die Tasche auf und las weiter: »Liebe Mutter! Jetzt, wo ein Zufall mich so früh sterben läßt, nenne ich Dich nochmals: liebe Mutter. Das soll bedeuten, ich vergebe Dir. Verdient hast Drl es nicht, denn Du haft den Vater elend gemacht und aus der Heimath getrie ben. Du warst mir nie eine wahre Mutter, weil Dir Deine Eitelkeit, Ge fallfucht und Kotetterie keine Zeit für Dein Kind ließen. Du hast Dein und mein Vermögen vergeudet und uns beide an den Bettelstab gebracht, wäh rend ich jetzt Besitz-er einer halben Mil lion sein sollte. Du weißt, ich tonnte Dein Leben mit zweifelhaften Män nern nicht mehr ansehen. und Du hat test mir den Aufenthalt zu Hause an und für sich unmöglich gemacht, denn Dein schlechter Ruf wurde auch mir hinderlich. Jch ging nach Amerika und fand nach vielen Kämpfen und Entbehrungen eine gute Stelle in einem großen Bankhaus. Ich hoffte, meinen Weg zu machen. Hier aber traf mich ein unvorhergefeheneg Un glück. Jch habe-mich in den Waldun gen von Mariposa verirrt, legte mich todtmiide zum Ruhen nieder und wur de von einer großen, im Gras ver borgenen Klapperfchlange wiederholt gebissen. Jch kann mir die Wunden auf dem Rücken weder augsaugem noch ausbrennen . . .. Jch fühle es -—-- ich muß sterben. Da sind weichere Gefühle in mein Herz gezogen. Ich weiß ja auch, daß Du selbst für Dein lafterhafres Leben jetzt hart büßest, denn daß Du die öffent liche Armenunterftsützung annehmen mußt, um Dein Leben zu friften, ist« jedenfalls eine gerechte Strafe Gottes. Diese Gedanke und mein bevor stehender Tod haben meinen Haft aug gelöfcht. Jch vergebe Dir. ---- Jch fühle, es geht zu Ende. Mögest Du diese Zeilen erhalten und sie Dich trö sten und —- bessern. Dein Sohn Theodor.« Ellbach war erschuttert. Still betete er ein Vaterunser fiir den Verunaliickten Am nächsten Tage wurde Theodor Schneider im herrlichen Wald von Mariposa feierlich begraben. ——— Drei Wochen später befand sich Rasso Ellbach auf der Reise nach Deutschland. Er hatte plötzlich Heim weh betonnnen. Nach sechs Wochen traf er in München ein. Zuerst begab er sich zum ctadtmagistrat, erkun digte sich nach der Abtheilung für Ar menwesen und gab dort Austrag, siir die Ella Schneider, geborne von Bal zer, einen Platz in einem Stist für Frauen besserer Stände ausfindig zu machen und zu bestellen. Er hinter legte die nöthige Summe für die vor geschriebene Aussteuer und ließ eine gerichtliche Urtunde aus-fertigen, in der er sich verpflichten-, die für die Ausnahme und Erhaltung der Pensio näriu nöthige Summe binnen zwei Monaten baar zu erlegen. Als ein zige Bedingung verlangte er, daß Frau Schneider nie den Namen ihres Wohlthäters erfahre, und alle nöthi gen Korrespondenzen nur durch den Stadtmagistrat, ohne ihn selbst zu nennen, mit ihr geführt würden. Auch der letzte Bries ihres Sohnes wurde ihr aus diese Weise zugeschickt. Dann fuhr er hinaus nach der Ge gend im Südosten des Starnberger Sees. Jn Beuerberg verließ er die seit seiner Abwesenheit entstandene Eisen bahn und wanderte langsam nach dem Oed am Fels-Hos. Nichts hatte sich geändert. Nur etwas verwahrloster er schienen die Bauten. Ein Knecht stand vor dem Haupt haus. Diesen sragte der Fremde: »Mein gehört der Hosi« ,,Borläufi’ no’ dem Bauern Haber. Aebr er is’ as der Gant. Jn süns Wochen wird alles versteigert wer’n, wann si’ oaner sind’t, der’n hof kast.'« — I War das nicht ein Fingerzeig? Rasso Ellbach sah es so an. Er fühlte, nur Ihier vermochte er wieder glücklich zu werden, im deutschen Ba terland, in der alten Heimath auf sei nem schönen Gut: ’ Oed am Fels. Its Il- III Bald erstanden Hof und Gut wie neu. Das Geld des reichen Amerika ners — so wurde Herr Ellbach von den Nachbarn genannt —- machte sich sehr zu Gunsten von Hof, Feld und Wald geltend. Der Gutsherr aber war und blieb ein stiller, wenig Verkehr suchender Mann. Nur die Jagd pflegte er wie früher. ———-·—.s Das amerikanische Duell. Humoresle von H a n s H o r i n a. Rudi Kraxenberg und Dolsi Kar pfcnbach, zwei jugendliche Lebemänner, waren bis vor Kurzem die besten Freunde. Seitdem sich aber beide in die schöne Mimi vom Ballett verliebt hat ten, konnten sie einander nicht aus stehen und befehdeten sich, wo es nur immer möglich war. Als dies der schö nen Mimi zu Ohren kam, lachte sie schnippisch nnd meinte leichthim »Da wird wohl den beiden Herren nichts anderes übrig bleiben, als sich zu schießen!« Als Rudi dies hörte, wurde er blaß. Er hatte ganz im Geheimen, trotz aller gegentheiligen Versicherungen, sein Bischen Leben doch noch lieber als die schöne Ballerine, und auch Dolfi dachte sich, daß das Schießen eine verflucht unangenehme Sache sei, wenn ein an derer darauf zurückschießt. Gute Be kannte, welche sie in diese satale Ge schichte einweihten, faßten sie aber bei ihrem als vorhanden angenommenen point (t’lionneur, und so blieb den beiden Helden wohl oder übel nichts anderes übrig, als sich nach Sekundan ten umzusehm Es ward nach langem Hin und Her ein sog· ,,arneritanischeg Duell« vereinbart. Das wirkt sicher und verursacht weiter keine unliebsa men Scherereien mit der wohllöblichen Polizei. Auf Wunsch der schönen Mimi wurde jene Art der Entscheidung gie wählt, wo jeder der Gegner vor einem Stückchen Zucker sitzt, und derjenige, auf dessen Stückchen sich zuerst eine Fliege niederläszt, innerhalb vierund zwanzig Stunden der Welt adieu zu sagen hat. Die Austragung dieses spannenden Duelles sollte so wurde ausgemacht --—- in der Wohnung der Ballerine vor sich gehen, und zur festgesetzten Stunde fanden sich die beiden Gegner mit ih ren Kartellträgern ein. In der Mitte des Zinimer5, gerade unter der Hänge: lampe, wo stets einige Fliegen im Kreise umhersummten stand schon ein weißgedeckter Tisch, an welchem sich Rudi und Dolsi niederließen und mit einer gewissen Feierlichkeit je ein Stückchen sorgfältig in Seidenpapier gewürfelten Würfelzucker aus der We stentasche hervorzogen und dasselbe vor sich hinlegten· Dann starrten sie mit bleichen, erregten Gesichten empor, ob die p. t. Fliegen schon Notiz genom inen hätten. Die übrigen Anwesenden thaten dasselbe, und es oergingen eini ge Minuten in athemloser Spannung Endlich ließ sich eine Fliege aus den Tisch herab —---— gerade mitten zwischen den beiden Zuckersttickchen. Zuerst krab belte sie direkt auf Rudi’S Zucker los; dann schien sie sich aber die Sache zu überlegen, flog aus und setzte sich auf Dolfi’s Nase. Unter gewöhnlichen Verhältnissen jagt man so ein frecheg Thierchen all sogleich mit untoilliger Gebärde fort; Dolfi aber, der sich dachte, besser aus die Nase, alS auf denZucker, riihrte sich nicht« liefi zur Erheiterung der Zuseher die kecke vFliege nach Herzenslust nus seinem Gesichtserker herumspaziercn und schnitt die unglaublichsten Gri massen, um dem Kitzel der sechs Füß chen zu widerstehen. Endlich hatte sie ihre Pronienade beendet, flog wieder aus den Tisch herab und setzte sich nun ganz in der Nähe von Rudi’5 Zucker nieder. Jn angstvoller Spannung hing nun dieser an ihren Bewegungen. Dicke Schweißtropfen traten aus seine Stir ne, und seine Zähne llapperten hörbar, alg die verhängnißvolle Fliege seinem Stückchen immer näher und näher kam. Jn seiner Angst sah er es nicht, daß mittlerweile noch eine zweite Fliege auf dem Tisch erschien und nun aus Dolsig Zucker losmarschirte Letzterer, der schon gewonnen zu has ben glaubte, sing an allen Gliedern wie Espenlaub zu zittern an. Er blies heimlich auf das todbringende Thier chen, er stöhnte und ächzte umsonst! Sie krabbelte näher und näher ..... Da s- als sie nur mehr einen Milli: meter von seinem Stückchen entfernt war —- entrang es sich bebend von sei nen Lippen: »Dummes Luderl Es ist ja Kreide und nicht Zucker!« Die Wirkung dieser Worte wareine unerwartete: Rubi, sein Gegner, bezog dieselben auf sich, suhr ganz perpler in die Höhe und stammelte: »Ja —— wie —- tvie hast Du denn das aus einmal herausgekriegt, daß ich Kreide genommen habe?!« »Ah, Du hast auch Kreide?« ries nun Dolsi erstaunt. »Da haben wir also bei-de —« Seine weiteren Worte gingen in dem Sturm von Gelächter, in welches nun die Sekundanten und die Ballerine ausbrachem verloren. — Die schöne Mimi aber nahm — beide und —- — schob sie m TM hinaus (Meggen·dor Bl) Aus der Schule. v Lehrer: »Warum steigt das Queck silber in die Höhe, wenn man das Thiermometer in heißes Wasser sielltZ« Schüler: »Weil es ihm unten IV heiß ivird.« Aufrichtig. Lebemann (zu seiner jungen Frau): »Ich verstehe Dich nicht, daß Du Dich jetzt iiber meine vielen Gläubiger so moqnirst! Du hast es doch nur ihnen zu verdanken, daß Du die Mei nige geworden bist!« Schöne Gegend-. Der Försier klagt, daß im Walde viel Holz gestohlen wird. Fremder: »Warum verbieten Sie das denn nicht durch Warnunggtafeln?« »So! Daß mir die auch noch gestoh len werden!« Mitten Appetit! Gast lder im Gartenrestaurant ein sehr kleines Schnitzel kriegt): »Das Schnitzel hätte Ihnen doch beinahe der Wind fortgetraaen!« Wirth: »Ach nein! Jch habe » den Finger Nran gehalten!« Feine-ei Geschenk » Tanie: »Also fünf Mark hast Du lvon Deinem Bruder, dem Studiosus, ! geschenit bekommen. 7« Der kleine Armut-: »Ja, Tanie, ? aber ich habe sie ihm schon wieder puins pen inijssen!« Ein kleines Mißvestiittdniß. · . Hans, Paul und Fritz (die sich durch iFolgsamteit nicht gerade auszeichnen): l»Mama, was wünschest Du Dir denn zu Deinem Geburtstag?« Mama: ,,Drei recht artige Jungen!« Hang, Paul und Fritz (unisonn): ,,Hurrah, dann sind wir unferer sechst« Bewieirnc Unschuld. Richter: »Sie sind angeklagt, den Nachtwächter Schlummrig durchgeprü gelt zu haben, als Sie neulich von der Kneipe nach Hause gingen.« Angeklagter: »Es ist ganz unmög lich, daß ich einen Nachtwächter durch aeprügelt haben kann, denn erstens bin ich dazu gar nicht im Stande, wenn1 ich aus der Kneipe komme, und zwei tens ist zu dieser Zeit lein Nachtwäch iier mehr auf der Straße.« Galant. i Ein Herr steigt in ein Coupe ein, Lin dem bereits eine hübsche, junge Dame sitzt. Da er eine Cigarre raucht, fragt er sein vis-a-vis: ,,Genirt Sie das, Fräulein wenn ich rauche?« »Bitte, nicht im gerin«asten,« war die freundliche Antwort· »Ist eigentlich auch sehr natürlich,« ; sagt daraus der Herr, »Engelsköpfchen Lpflegen gewöhnlich von Ranchwolken fumgeben zu sein Schwache Entschuldigung. Hausfr rau (beii.i Abgange des JDieiIstitiädcheng): »Ja, Anna, es thut mir leid, ich kann mein Zeugniß in Ihrem Dicnstduche nicht zurücknehmen. Sehen Sie sich doch den Schmutz dort in der Ecke an.« Dienstmädchen: »Erlau"osen Sie mal, daran bin ich aber nicht schuld Der war schon dort, alg ich vor m ealjr zu Ihnen in den Dienst trat. « l Beatrice-ice Mittel ’ .l.: »Wie haben Sie es angefangen, um in Ihrer schweren Krankheit so wunderbar gepflegt zu werden?« B.: »Ganz en sach’ Als mir nahe-— gelegt wurde, mein T eestani nt zu ma »chen und auch meine Dienstboten die jahrelang bei mir in Stellung, »Mit iLeaaten zu bedenken, setzte ich in Ge Iaeuwart einer Gerichtherion allen TLeuten meiner nächsten Umgebung be Hstimmte Summen ang -——- aber nur »für den Fall, daß ich wieder genesen ; sollte.« Selbstbewußt. ! »Herr Leutnant haben diese Nacht ’dag Zimmer gehabt, in dem Goethe vor hundert Jahren geschslasen!« »So?! Das hätte der sich auch nicht träumen lassen!« Beleidigung. Feldwebel fzu einem Soldaten, der aus Urlaub Ivar): »So ’n)ag ist noch nicht dagewesen! Bringt mir der Kerl einen Blumenstrauß mit vom — Schweineschlachten!« Der erstaunte Heuchler-« Gattin (in der Soiiimersrische): »Wenn mein Mann jetzt noch ein ein ziges Mal schreibt, ich soll zurückberi inen dann tonnne ich aber auch wirtlieh.« Einsacher Grund Richter: »Warum haben Sie denn To viel getrunken, wenn Sie doch wuß ten. daß Sie nicht zahlen konnten?« Zechpreller: »Es hein immer, man soll seine Soran vertrinten, und meine grösste «- porae damals war eben-« daß ich niclit kahlen tonnte.« Kante-reiner Setnsidiirbahn. Reisender »Warum heilt denn ek gentlich der Zug-« Zugsiihker: »Eben ist einer todtsc-( fahren worden — den stets-en wit« gleicht«