Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 14, 1905, Sweiter Theil., Image 10

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    Das Räthfel von Elvershiih.
Roman von Peinhokd Ertmanw
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ITT TTTTTTTTTT
(10. Fortsetzung).
»Viel möglich! Hier aber brauchen
Dir weder Fußstapfen noch abgerissene
Inspsh um den Mörder zu errathen.
Ich kenne ihn, und wenn Sie irgend
wo dem Förster Fabian begeanen soll
ten. s- konnen Sie ihn aus meine
Verantwortung hin ohne weiteres fest
sehrnen lassen.«
Der Obergärtner starrte ihn betrof
fenan. «.f)ol mich dieser und jener,
wen-n das nicht mein erster Gedanke
ewesen ist. —- Aber —- genau be
rachtet —- der Mann hatte doch ei
gentlich gar keine Ursache ——«
»Ob er Ursache hatt-e oder nicht,
kann ich Ihnen jetzt nicht auseinan
dersehem Redlich! Aber ich wieder
hole: wenn Sie ihn finden, so sperren
Sie ihn ein! Jch fürchte freilich nur,
daß Sie ihn hier auf Elverghöh ver
gebens suchen werden«
Er ließ den Obergiirtner stehen,
Irr-d ans seinen Wink traten die Leute
Herz-h urn den Körper des Geschosse
nen auf die Bahre zu legen. Der Jn
speltor breitete ein Taschntuch über
bei Todten blutbesudeltes Antlitz und
sagte halblaut: »Nu: schnell vor
wärts, damit wir ihn im Schlosse un
ter-gebracht haben, bevor die Damen
etwas erfahren." »
Aber man hatte schon u lange ge- s
Man Irgend ein übereiskigekDimst- l
e war spornstreichs nach dem ;
Schlößchen gerannt, um als erster die !
große Renigkeit zu überbringen, und s
ein unglücklich-r Zufall hatte es ge-;
wollt, daß ihm Editha in der Thür
entgegenkam Wohl hatte der Mensch
snf ihre Fragen nach den Ursachen
seiner Athernlosiakeit und seines auf
gten Aussehens erst allerlei Aus
iichtte versuchen wollen; aber ein her
rischer Befehl hatte ihn gezwungen, die
Wahrheit zu sagen-, und innerhalb
weniger Minuten war die Baronesse
von allem unterrichtet gewesen.
Sie war todtenbleich geworden und
hatte ein Paar Sekunden lang die
Hand über die Augen gelegt wie je
nennt-, der plötzlich vom Schwindel be
fallen wird· Aber wenn dies wirklich
eine Anwandlung von Schwäche gewe
sen war, so war sie erstaunlich schnell
vorübergeaarvgen
»Ich mache Sie dafür verantwort
lich. daß meine Mutter und mein
Bruder zunächst nichts davon ersah
ven,« hatte sie gesagt und war dann
sit besliigelden Schritten der Un
glscksstiitte zugoeilt. Der traurige Zug
war eben in den Hauptweg eingebo
aen, als man der Baronesse ansichtig
wurde.
«Zu spät!« murmelte der Oberin
spettve bestürzt, und dann besabl er
mit gdiimvster Stimme: »Setzt die
Bahre nieder! Außer den Trägern soll
met noch eines von den Mädchen da
bleibem unt dem Fräulein beizustehen,
wenn es nothwendig werden sollte.
Ihr anderen gebt Eurer Wege und
sorgt, daß das Schlaszimrner des Ba
tans zu seiner Ausnahme bereit ist.«
Auch di e Neugierigsten leisteten
diesmal dem Befehl, der sie sortschickie,
bereitwillig Folge, denn es verlangte
H Zeuge dieses traurigen Wie
r eäns zu werden.
Mit abgezogen-ern Hut ging der
Dberinspektvr Editba um einige
Schritte entgegen. »Ein furchtbares-(
Unglück ———« wollte er beginnen; doch ?
sc winkte abtvehrend mit der Hand
. »Es-Zier —- spiitku Erst will ich!
. ihn few-s —
.Gnadigite Baronesse sollten daraus
verzichten, den Entschlafenen jetzt zu
set-IX sagte der Beamte in wohlmei
«s-sender Bitte. »Der Eindruck würde
«Sie zu se r erschüttern Nachher,
Denn gewi e Spuren beseitigt sind.«
» ’W Editha stand schon neben der .
M, nnd aus ihren beseblenden
M zoget das Taschentuch von dem
M des Todten.
Ein krampfhaftes Zittern ging über
« en Leib, aber ihre Augen blieben
decken, und kein Wort kam über ihre
Lippen- Tas Mädchen, dem der Jn
spekior vorher geheißen hatte, zu blei
ben, Ibnr an ihre Seite getreten; doch
Editba bedurfte des Beistandes nicht.
Sie beugte sich nieder, hauchte einen
leichten Kuß auf die bleiche, eiskalte
Stirn, richtete sich dann wieder auf,
die Hilfe der Dienerin stumm zurück
seisenix und sagte hart: »Man hat
ihn ermordet —- nicht wahr?«
Befahend neigte der Jnspettor den
Kopf. »Da irgend ein unglücklicher
Zuscll nach Lage der Dinge völlig
eseblossen scheint ——"
s it durchdringendem Blick hefteten
I Spithas Augen auf sein Gesicht
» d de; Minder-? Haben Sie einen
»Mehr als einen bloßen Verdacht,
esse-sei Jch habe die volle Gewiß
» ,dns es derFörster Fabian war,
. diesen menchlerischen Schus abge
M but Und bis an mein ebens
z Ade werde ich mir die bittersten Vor
— IItfe machen, daß ich gestern dem Be
seit des Verm Folge leistete und den
W Kerl unbehelligt laufen
tiefer Athemzug—gleich dem
: eines von schwerer Last
« « - —- baite Odithai BrustseT
» sobald Ursaspeitor ten
Mir-in M
--v--s-·v"s-·s--I--I--s-·s"s·-v"vsvs
Ausdruck höchster Spannung an sei
nein Munde.
»Was ift geftern geschehenE Erzäh
len Sie! Jch weiß von nichtsk
Fabian war im Arbeitszirnmer des
Herrn Barons, während ich im Neben
gemach wartete, bis die Reihe an mich
kommen würde. Mit einem Male
hört-e ich, wie der herr Baron heftig
auf den Förster einschrie, und gleich
nachher gab es drinnen ein so fon
derbares Gepolter und Gestöhn, als
ob zweiMenschen auf Tod und Leben
mit einander rängen. Do stürzte ich
hinein und tarn gerade noch zurecht,
um den Herrn Baron aus den Händen
des Rasenden zu befreien, der ihn an
der Kehle gepackt hielt und ihn augen
scheinlich allen Ernstes erwürgen
wollte. Wäre es auf miJZ angetan
inen so hätte ich den s ordgesellen
natürlich gleich sestnehmen und durch
den Gendarinen abholen lassen Aber
es wurde rnir ausdrücklich verboten,
und der Förfter durfte unaufgehalten
seines We s gehen Nun hat der
arme Herrsaron seine unzeitigeGroß
muth mit dein Leben bezahlt. «
»Und die Ursache des Streite-IT «
herr v. Linderode hat Jhnen nichts
darüber gesagt?«
»Nein Wort! Jch sollten nur Sor
tragen, daß Fabian sich heute ni t
mehr auf Elvershöh betreffen ließe.
dich habe denn auch schon in aller
Frühe den Jnspettor Siebert nach der
Försterei hinubergeschickt um den
Menschen, wenn es Noth thate, mit
Gewalt zu entfernen. Fabian ioar aber
nicht da, und die beiden Gehilfen er- ;
Mitten, er habe schon fett gestern
Abend das Haus nicht mehr betreten! ’
—Natiirlich! Er wird sich schnell ge l
nug aus dem Staude gemacht haoen, ;
nachdem er feine verfluchte That be- T
Zangen. Dadurch, daß zu allem Un- j
alIck Niemand den Schuß gehört hat, ;
konnte er obendrein noch einen Vor- l
sprung iiber feine Flucht gewinnen«
Editha erschauerte wie im Fieber.
Irgend eine fürchterliche Vorstellung
mußte bei den letzten Worten des Jn
jpettors vor ihrer Seele aufgetaucht
fein.
nKalten Sie es denn für möglich.
daß mein —— daß der Baron noch hätte
gerettet werden tönnen, wenn ihm
sogleich Hilfe zutheil geworden wäre?«
»Den-über kann ich nicht urtheilen.
Aber ich glaube, er hat teinen langen
T eslarnpf zu heftehen gehabt. Sein
Geicht ist ja so ruhig. Und dann
war er doch auch, als wir ihn fanden,
schon ganz steif und kalt-«
» Editha wandte sich ab und drückte
Ihr Tuch an die Augen, aber als sie
dem ehrerbietig wartenden Gutsbe
amten nach einer kleinen Weile ihr
Gesicht wieder zutehrte, fah er, daß sie
auch jetzt nicht geweint hatte.
«Lassen Sie den Baron in feinem
Schlafzimmer aufbahrent Und ordnen
Sie nach eigenem Ermessen alles- an,
was Sie in Bezug auf eine Benach
richtigung der Behörden und vielleicht
auch in Bezug auf eine sofortige Ver
folgung des Mörders fiir nothwendig
halten. Jch weiß, daß wir uns ganz
auf Jhre Umsicht und Treue verlassen
dürfen. Sobald ich meine Mutter
und meinen Bruder von dem Entsetz
li n unterrichtet habe, tornme ich
se ft nach dem herrenhause hinüber.'«
«Gniidigfte Baronesse können sicher
sein, daß ich alles thun werde, was
in meinen Kräften steht. Auch ift der
Doktor aus Eichfelde inzwischen hof- l
ftntlichjereits auf dem Schlosse ein- (
getroffen.« l
Er winkte den Männern, welche die 4
Bahre wieder aufnahrnen, um lang-;
fam ihren traurian Weg fortzufehen l
Starr wie ein Mrmorbildwert lah
ihnen Editha aus thriinenleeren Augen
nach, bit sie mit ihrer lehlofen Last
Kniee Bufch und Gesträuch verschwan
n.
Zwölftes Kapitel.
Dreimal hatte Editha an die ver
schlossene Tbür von ihres Bruders
Zimmer klopfen und ihm mit dem
sdtingenden Begehren um Einlaß ihren
Namen nennen müssen, ehe von drin
en eine Antwort hörbar wurde. Sie
bestand in einem undeutlichen Gemm
mel, dem alsbald das Geräusch müder
. schleppender Schritte folgte. Der
Schlüssel drehte sich, und völlig ange
Htleidet stand Prosper seiner Schmster
gegenüber
.,Guten Morgen, Editbat Entschul
dige, wenn ich Dich warten ließ. Jch
glaube fast, daß ich noch einmal em
feschgasm war. Jst es denn schon so
päk «
Es hatte ganz den Anschein, als ob
er seit gestern Abend noch gar nicht
aus seinem Anzug herausgekommen
sei· Alles sah so unprdentlich und
zettnittert aus« als ob er sich in den
Kleidern aus dem Bette herumgewälzt
habe; das Haar hing ihm wire in die
Stirn, und die blau umränderten
Augen waren trüb und entzündet.
Hastig und überstiirzt hatte er die Be
ariißun äworte herwkgestvßem mit
einem . ucken r Lippen. das wohl
den Versuch e« es Lächelns darstellte,
sein Blick aber ru e dabei nicht Er
eine Seinnde au dem Gesicht r
Schwester-, sondern irrte unablässig
von einer Ecke des Zimmer- tn die
niese- «
s Nein, Prospek, es nach nicht
spat! Aber etwas Entfet ichei hats-ich
zugetrag en.«
s Er strich sich das haar arti der
tirn, undes war, alsober etwas
Isagen wollte Aber seine Lip Zenbewe
ten sich lautlos, und er ni te nur ein
paar Mal mit dem Kopfe-. Mit wach
sender Besargniß betrachtete Edtiha
seine verfallene Gestalt.
. hKomm setze Dich zu mir!« bat sie
ihn trotz seines fühlbaren Sträubens
jneben sich auf das tleine Sopha nie
Iderziehend »Und zeige mir, daß Du
tapfer sein kannst Es wird Dich nicht
Inmbringen denn den Mann, der von
stem Entsetzlichen betroffen wurde,
Ihaft Du immer fiir Deinen Feind ge
Hale
; Heftig hatte Prosper seine Hand
! befreit und war wieder aufgefprungew
»Nein, das ist nicht wahr. Und wer
Imich fiir feinen Feind ausg: bt, der ist
Ycin Lügner. Meinetwegen hätte er
noch hundert Jahre leben können!«
Editha glaubte ihren Ohren nicht
Ttrauen zu dürfen. »Wie? Du weißt
also schon, was geschehen ist? Man
hat es Dir bereits erzählti«
’ »Ich? Jtein — nicht doch! Was
sollte ich wissen? Aber Du selbst —
hast Du es mir denn nicht soeben e
sagt —--— oder doch angedeutet? Z
weißt, trante Menschen haben zuwei
len einen sehr feinen Instinkt. Und
wenn es nicht Erwin ist, von dem Du
sprichst —« ,
»Er ist es, Prospek! Gestern
»Ah-end, hier iin Parl. fast unter unse
IrenAfgensterw hat man ihn erinordet.«
s«
» Er war an ein Tischchen etreten.
auf dem sich eine Wasserfla che und
mehrere Gläser befanden. Es war
seine Absicht, eins von diesen zu til
len, aber seine Hand zitterte so tig,
daß die Gläser hörbar gegeneinander
klirrten under sein Vorhaben wieder
aufgeben mußte.
»Und weil —- weil ich sein Feind
gewesen fein soll —- daruni meint Jbr
»O, ich meine durchaus nicht, Pros
der, daß Du deshalb Genugthuung
empfinden sollst über seinen Tod. Sei
rnir nicht böse, wenn ich in der Aus ;
reaung meine Worte ungeschickt ge-«
wählt habe. Daß Du die ruchloseThat J
des Meuchelmörders aus tiefstem Her j
zen verdammen wiirdes —— wie hatte ;
ich es bezweifeln dürfen!«
»Und seidzzhr so sicher, daß es ein ’
Meuchelmörder gewesen ists Wißt Ihr ri
denn, wer es gethan hat? Und wißt 4
gehe auch, wie es sich zugetragen hat?«
»Ja. Der Förfter Fahian hat Er (
win aufgeiauert, als er sich von hiers
nach dem Herrenhause zurückhegehen
wollte, und hat ihn aus dein Hinter ;
halt niedergeschossen wie jenen un ;
gtlüctlichen Wilderer, von dessen Er- i
mordung ihn ein mit Blindheit ge
schlagener Gerichtshof sreisprechen ?
konnte. Es war der Schuß. den ich von
meinem Fenster aus vernahm. Ach.
daß ich doch meiner ersten Eingebung
gefolgt und auf der Stelle hinabgeeilt
n—äre!«
Prosper rührte sich nicht· Er hatte
die Landsliicten aegeneinander aeprestt
und die Augen halb geschlossen. Alle
seine Sinne schienen sich in dem des
Echörs zu tonzentiriren.
»Ja —- ohne Zweifel —- so war ess«
murmelte er. »Und der Förster hat
die That gestanden?«
»Man iit seiner noch nicht habhaft
geworden. Allem Anschein nach hat er
sein Heil in der Flucht gesucht. Aber
der geringe Vorsprung wird ihm we
nig nützen, sobald der Telegraph hin
ier ihm zu spielen beginnt. Und sein
Entweichen ist gleichkdeutend mit
einem Geständniß·«
«Gewiß——da5 ist sonnentlar. daß
Förster Fabian die Unthat vollbracht
hat,« bestätigte Prosper eifrig. »Aber
sage mir doch, Editha, warum hat er
ihn wohl erschossen?«
»Weil Erwin ihm aus meinen
Wunsch den Dienst gekündigt hatte,«l
ertliirte ihm die Schwester. «Schonj
bei dieser Kündigung wäre es ja bei- »
nahe zu einem Morde kommen.««
Und sie wiederholte, was te aus dern
Munde des Jnspettors über den
Kampf zwischen den beiden Mermle
ersahren hatte. s
- Prosver lauschte mit spannter
Aufmerksamkeit, und als se geendet
nickte er wie in lebhaft-er Zustimmung
: «Der Schuß tanr von ihm, das liegt
»tlar zu Tage Es wäre Wahnwih
nach einem anderen Thäter zu suchen.
Und weißt Du, was ich wünschte,
Edithali«
«Run?«
»F wünsche, daß man ihn nicht
eraris e, daß man ihn überhaupt nicht
verfolge, sondern ihn ei träg den Qua
len seines Gewissen- ii rließr. Es
wäre die hätteste Strafe die allerhä
teste— Dndartst ei mir glauben!«
»Ein feltsarner Wunsch, Prospek,
den ich nicht theile« und der auch
schwerli? in Ersiilluna wird.
kif
Ich bin bei-seufztL vergessen-,t INer
er ten , e e we
Mal her-d sentear i z
Mach ehe ets at Abend
worden ist« wiederhatte er mechanifh
»und dann wird naturnap aues da
ran ankommen, ob er sich zu der That
belennt.«
»Man wird nicht viel nach feinem
Geständniß fragen, wenn er durch
hondgreifliche Beweise überführt wer
oden kann. Aber das mag die Sorge
ter Gerichte, sein« nicht die unserigr.
Wir haben wohl zunächst andere und
dringender-e Pflichten zu erfüllen·
Fühlst Du Dich start genug, Prospet,
mich gleich jetzt nach detn Hurenhaqu
zu be leiten?«
ti abweist-end als hätte man
das Wdernatiikli e von ihm ver
langt, hoher beide nde empor. »Ich
s
sollte ihn sehen? Rein — niemnllt
orvert lieher gleich mein Leben, wenn
. lir meint, daß inir sein Anblick nicht
erspart werden durf.u Und dann touts
er sich in einen Se et und jammerte:
.Svrge, daß ich hn nicht Fu segn
brauche, Edithal Nur das ii cht.
hin Ja so lranl—fo tutan
S e stri liebevoll iiher sein ivirres
Haar und agte in senein milden, fast
iniitierlichcn Ton, der schon in man
cher Stunde lindernd aii seine traute
Seele gewirkt hatte: » a. Du bist
lrant, armer Prospek, und ehe Du
nicht völlig genesen hist, soll Dir mit
meiner Zustimmung nichts zugemuthet
werden, was Deine Nerven noch mehr
angreifen lönnte. Jch weiß ja, daß
iingeftörte Ruhe das beste Heilmittel
ist siir Deine Krankheit.«
»Ja, Ruhe! Ach, wes mir Ruhe
geben könnte, Edithal »- ber wie gut
Du gegen mich hist -— und ivie ich
mich Deiner Güte schäme! Du tannst
ja freilich nicht ahnen, daß ich sie so
wenig verdiene.«
»Ich glaube wohl, daß Du gestern
sehr wenig freundliche Gedanken in
Bezug auf mich gehegt hast, aber ich
bin Dir darum nicht böse. Das alles
ist ja nun auch vergessen und ab e
than — nicht wahr-? Jeßt darfst u
an nichts als an die Kräftigung Dei
ner Gesundheit denten. Sie muß Dir
nach dein schrecklichen Erei niß dieser
Nacht noch hundertmal l tbarer sein
»als zuvor, denn es find ernste und
Z tierantwortungsvolleAufgaben, die in
Jfolge diese-Z lFreignisses Deiner war
s ten. Wie liefDu auch die That dieses ;
s unseligen Försters verabscheuen magst,
sDu darfst doch nicht vergessen, daß
«Tich sein meuchlerischer Schuß zum
Zikajoratsherrn auf Elverghöh gemacht
at.'«
Prosper erhob den Kopi; ein unsiig
licher Schmerz spiegelte sich sin seinem
bleichen Gesicht. »Sprich nicht davon,
iiditha! Wenn Du Mitleid mit mir
hast, so erinnere mich nicht daran!
Ich will nichts wissen von dein Majo
:at, nichts von dem verfluchten Gelde.
Mag es nehmen, wer Lust hat —- ich
würde es doch niemals anrühren tön
nen.«
»Und Deine humanenPläne? Willst
Du zum Verräther werden an Deiner
großen Idee gerade in dem Augen
biicke. wo das Schicksal Dir die Macht
in die Hand gibt, sie wenigstens zum
Theil der Verwirklichung näherzu
bringen?«
Er machte eine düster verneinende
Gebärde. »Ich habe teine Pläne me
nnd keine Ideen. Jn meinem Kop e
ist alles leer und wirr. Jch möchte
mich hinlegen und sterben. wenn es
nur leicht unb schnell ginge.«
»Du wirst Dich solcher unmännli
then Reden schämen, wenn Du diese
cugenblicktiche Schwäche und Verstim-«
munq überwunden hast. Prospekt Und
en einen Verzicht aus das Maiorat
wäre ja auch nicht zu denken. Du hast
heilige Pflichten egen Deine Mutter
und Deine Schwe er zu erfüllen. Uns
zu Liebe, wenn nicht um Deiner selbst
willen, mußt Du iiber diesen neuen
Krantheitganfall Herr werden wie
iiber die stüheren.«
»Ja, Du hast recht,« sagte er mit
matter Stimme und niedergeschlage
nen Augen. »Ich darf nicht an mich
benten, und ich darf noch nicht sterben.
Du mußt herrin bleiben aukalverk
höh. wie Du es an Erst-ins Seite ge
wesen wärest. Darum allein muß ich
noch leben.«
»Nicht darum allein. Denn auch Du
sollft in Deinem großen Wirtun s
treife froh und glücklich werden. A r
wir wollen jent nicht länger von Din
esen sprechen, die Dich so furchtbar
aufregen. Jch rathe Dir dringend,
Dich ins Bett zu legen. denn ich
glaube fast, Du bist während der an
Mgiacht is. Deinen Kleidern ge lie
»Ich konnte keinen Schlaf finden,
Editha! Aber ich will jetzt alles thun,
was Du von mir vertanait, wenn Du
mir nur txtsprichit, daß sie mich in
Ruhe lassen werden, und daß ich nicht
hinüber muß zu« -zu dem Todten«
Die Baronesse erhob sich um zu
gehen. »Ich verspreche es Dir Prospert
s lind wenn ich jetzt den Arzt drüben nn s
Schlosse finde s-— willst Du, daß ich !
ibn Dir sende?«
»Nein nein! Er würde mich nur
auiilen statt rnir zu helfen Und ich
Ziege-hie am liebsten teinen Menschen
e n
! »Mich ausgenommen wie ich hoffe
Wenn es dort nichts mehr für mich zu
thsun gibt, lornme ich wieder zu Dir.«
Er äußerte leine Freude uber dies »
Versprechen, aber er erhob auch teinen
Einwand. Irgend etwas, das auszu
sprechen ibm der Muth oder die Worte
fehlten, schien ibn zu beschäftigen,
denn er itrich sich ein paar Mal über
die Stirn nnd itarrte wie suchend vor
sich nieder.
Editha wartete einige Minuten lang
vergebens, dann sa te sie: «hast Du
mir noch einen Au trag zu ertheilen,
Prosperi Kann ich etwas iiir Dich
thun?«
»O, Du wirft wieder zornig anz:
fahren wenn ich— wenn ich von i
spreche. Du tannst ei ja nicht einmal
vertragen, nur ihrenNatnen zu hören."
Er warf einen scheuen Seitenblick
auf ihr Gesicht, aber es blieb unver
ändert freundlich, und fie ichiittette
den Ko pf.
»Du vmeinst die Nichte des Ober
LKeiner-, nicht wabri Sei unbelor t!
ienn Du nicht etwa von neuem e
Alsicht haben solltest, sie zu Deiner
Gattin zu machen, habe ich seinen
Grund, mich über sieu bueeieiferMM
«Rein, nein Aber sagteitJia
Bei-die —Freundin des Zeiteri ie
n man ibn ieit fiir Schuldis
»wes halt wird man Ia nicht dieses-«
—
auch sie belästigen-sie mit ssien
Blicken ansehen oder durch halågi
Worte tränteni Jch tann Dir n
schildern. Editha» wie mich dieser Ge
danke peinigt Wenn Du Dich ihrer
ern kein weni annehmen —- wenn
Du sie unter einen Schutz stellen
wolltest ——«
Sie sah an dein Zacken in seinem
Gesicht, wie schwer er sich diese Bitte
abgerungen hatte, und von welcher Be
deutung sie siir ihn war. Eine hoch
miithig abwejsende Antwort wie sie
sie unter anderen Umständen sicherlich
ertheilt hätte, wäre ohne Zweifel von
verhängnißvoller Einwirtung auf sei
nen Zustand gewesen, und so antwor
teiesie: »Es ist bei meiner Gesinnung
siir dies Mädchen nichts Geringes
was Du von mir erwartest, Prospekt
Wenn es aber nöthig werden sollte, sie
gegen ein unverdientes Mißgeschick zu
schützen ——- wohl, so werde ich ihr die
sen Schutz zu theil werden lassen um
Deinetwillen. Doch nur unter einer
Bedingung!«
Er forderte sie durch eine stumme
»Gebiirde aus, sie zu nennen.
; »Du wirst mir Dein Ehrenwort
Hdasiir verosiinden, daß Du der Person
tnicht weiter nachstellen, daß Du ihr
Zwenigstens niemals einen Heirathsans
Mag machen wirst. «
Ein Lachen war seine Antwort ein
heiseres, verztveiseites Lachen das zu
hören weh that, weil es wie der Aus
schrei eines todtwunden Herzens klang.
»Ernen Heirathsantrag —- ich? Ah, es
ist erfreulich, daß Du in all’ Deinem
Kummer noch Neigung verspürst Dich
iiber mich triftig zu machen. Wenn es
aber Dein Ernst sein sollte —--— und
Dein Gesicht laßt michs beinahe glau
den ——--, nun, so verspreche ich Dir bei
meiner Ehre und bei allem, was mir
sonst noch werth und heilig ist. daß ich
ihr nie ——- nie einen Heirathsantrag
machen werde."
»Ich bin zufrieden, Vrosper, und
hoffe, auch Du wirst mit mir zufrie
den sein. — Aber rixs ist hohe Zeit, daß
ich gehe- Jch hoffe, Dich ruhig und ge
tröstigt zu finden, wenn ich wieder
tomme.«'
Sie verließ ihn, und als sie die
Treppe hinabstieg, hörte sie, wie sich
hinter ihr der Schlüssel dre« e undder
Riegel voraeschohen wurde
»Er ist in Wahrheit sehr trank,«
dachte sie nrit schwerem Herzen. »Und
wenn er nun sterben sollte —-- was
dann. was dann?'«
Ihre Aammerjungser. bleich und
verstört, tvie es an diesem unglückseli
aen Morgen ein jeder auf Elvershöh
zu sein schien, erwartete sie unten und
bat sehr dringend, das gnädige Fräu
lein möge doch nach der Baronin sehen,
die das Unglück ganz unvermittelt er
fahren habe und noch völlig außer
Fassung sei.
.Auch das noch!'« sagte Edit
stirnrunzelnd vor sich hin: aber te
verleugnete doch ihre töchterlichen
Pflichten nicht und trat in das Schlaf
ztmmer der Mutter ein.
Frau v. Linderode ruhte halb an
aetleidet aus der Chaiselongue, das
thriinennasse Taschentuch vor dem Ge
sicht und von Schluchzen geschüttelt.
Als Editha sie anredete, hob sie den
Kopf, und es war ihren gramvollen,
acalkrten Zügen anzusehen, daß ihr
Schmerz diesmal aufrichtig war, nicht
eine Komödie wie beim Tode ihres
Schwiegervaters.
»O meine armen Kinder!« klagte sie.
»Ihr und ich —«— wir sind vom Schick
sal geschla en! Warum hat es nicht
mich betro sen statt seiner? Was soll
ich denn hier auf der Welt, wenn der
Fluch der Armuth doch niemals von
mir genommen wird Z«
Es war »ein Verhängnisz, gegen das
sich Edithavöllig machtlos siihlte, daß
ihr Herz sich niemals hartnäckiger
verschloß, als toenn die Wehklagen
ihrer Mutter einen Wiederhall darin
suchten. Sie war in der Absicht ein
getreten, sie zu trösten, aber schon
diese Worte aus dem Munde der jam
mernden Frau reichten hin, sie zu ei
ner harten Entgegnungszu reizen.
»Wenn es nur das ist, was Dir
am Herzen liegt, so lann ich das
Ueberrnasz Deines Kummers kaum
verstehen. Oder hast Du in Deinem
Schmerz gar noch gar nicht daran ge
dacht, daß das Majorat mit Erwins
Tode aus Prosper übergegangen ist?
Er wird, wie ich denke, als Besitzer
von Elberöhöh seine Mutter nicht ver
hungern lassen.«
Es war ein häßliches Wort, aber
Frau v. Linderode fühlte den Sta
chel gar nicht, der sich garin verbarg
»Nein! Aber wie lange wird es
denn lein? Erwin hätte mich nach dem
natürlichen Laus der Dinge um viele
Jahrzehnte überlebt —- dieser arme,
hinfällige Junge aber, der sicherlich
noch bor mir in’s Grab steigen wird,
ohne seinen Namen auf ein neues Ge
schlecht übertragen zu haben —«
; Editha fühlte, wie ihr eine Empfin
Jdung des Elels heiß bis zum halse
iemporstieg und ihre Empörung riß
Hauch die lebte schwache Schranke der
sauerzogenen kindlichen Ehrfurcht nie
; de
r.
- »So also sehen die heiligen Gefühle
eines Mutterherzeni aust« unterbrach
ssre die Klagende mit eisigem Hohn.
!,,Weil du stir deine siiße Bequemlich
teit und deine Vergnügungsreisen
fürchtest, bejammerst du mit eine
iMale das hossnungslose Siechthurn
eines Sohnes, der dir bis dahin herz
lich gleichgültig war! Das Geld, das
Geld, —- und immer nur das Geld!
Ah, wie erbärmlich das ist —- roie un
säglich widerwärtigi — Aber ishrin
die etwas zu deinem Troste sagen in
biete-n ungeheuren Schwer-n hätte
—
nicht die That eines Meuchelrtcdederi
den Mann niedergestreett, um den
deine heißen Ideänen fließen, so witt
den wir heute ali Bettler fortgezogen
sein mission-holt Denn das dues
weiß: ich war Erwins Verlobte nicht
mehr, als er starb. Er hatte mich hier
unter dem Dache dieses hanses mit
einem anderen Manne überrascht —
mit dem Manne, den ich liebe. Und
es war alles aus zwischen uns —
ganz aus! Jch würde dir nicht mehr
gestattet haben. auch nur ein Sttick
Brod oder einen Trunk Wasser von
seiner Großmutd anzunehmen. Wir
hätten künftig für unseren Unterdalt
arbeiten müssen. wie es den hinter
bliebenen eines Soielers geziemt! —
So! Vielleicht gelingt es dir, dich an
dieser Vorstellung aufzurichten aus
deiner grenzenletim Verzweiflung«
Und während ihr Frau v. Linde
rode, teines Wortes mächtig, mit gei
sterhaft großen Augen nachstarrtr.
ging sie hinaus-. die Thiir geräuschlos
hinter sich zuwersend und mit so dü
sterem Gesicht, daß die draußen har
rende Jungfer nicht den Muth hatte,
eine Frage an sie zu richten.
DreizehntesKapiteL
Jn Erwins Antleidezimmer, durch
dessen geöffnete Thiir man den hinge
streckten Körper des unglücklichen jun
gen Majoratslferrn auf dem Todten
bette erblicken konnte, stand Doltor
Harmsen, der bejadrte Eichselder Arzt,
der Braut des Ermordeten Rede aus
ihre Fragen· Anfangs hatte er aller
lei Trostlicheg und Philosophischeö
vorzubringen gesucht, wie es einem
von so zermalmendemSchicksalsschlage
getroffenen weiblichen Wesen gegen
über ain Platze schien. Ader Editdas
dewunderungswiitdige Fassung hatte
ihn dieser peinlichen Ausgabe bald
über-hoben. Sie trug dasFiirchterliche
mit einer so tadseren Ruhe, wie sie dem
Arzte in seiner langgen Erfahrung je
denfalls selten vorgekommen war.
sFortseyung folgt-)
W«.-—-—
cktn interesanter Stern.
Der »wunderbare« Stern im Wal
fisch lMira Ceti), der älteste Verän
derliche, der arn himmel bereits vor
der Entdeckung des Fernrohres als
stolcher ertannt wurde. tam Ende Fe
Ibruar in fein diesjährigeö Maximum
fund tonnte mit unbewassnetem Auge
saufgesucht werden. Aus den Stern
Itarten führt er den griechischen Buch
staben o und ist tveni Grade süd
oitlich von dem Haupt tern der Fische
verzeichnen Die Bezeichnung »der
Wunderbare« sie ist ibm von
Junge, der ihn 1647 in hambur be
iobachtete. beigelegt worden —- Führt
der Stern mit Recht. Sein Licht
toechsel umfaßt acht bis neun Größen
tlassen, und während er im Minimum
in einem mittelstarlen Fernrohre ge
rade noch sichtbar ist, stammt er zu
weilen innerhalb weniger Wochen bis
zur zweiten oder nahezu ersten Größe
auf, sodaß er dann zu den hellsten
Fixsternen zählt.
Ein derartiges helles Maximum
trat zum Beispiel anfangs November
1779 ein, too er nahezu die helligteit
des Aldebaran irn Stier erreichte. Ein
besonderes schtoachei Maximum war
iin November 1868 zu ver eichnen,
während im Durchschnitt das Dicht der
Mira nur bis zur dritten Größe eur
vorsteigt, in der man sie auch diesmal
em himmel vorfand·
Der interessante Stern ist am 13
August 1596 von David Fabricius
zuerst gesehen worden. Seitdem hat
man ihm. besonders nach der Ent
deckung des Fernrohres eine dauernde
Aufmertsamteit geschentt, ohne daß
es gelungen wäre, den Lichttoechsel
und vor allen Dingen die zahlreichen
Unregelmäßialeiten der Heilige-ite
schivatitungen einivandsreF zu «erilä
ren. Jedenfalls sind es vhysische
Vorgänge, die sich da in Perioden
von rund 332 Tagen regelmäßig wie
derholen. Ob m der an egebenen
Zeit, wie es Klinterfues in öttin en
annahm, ein unsichtbarer Begleiter
um den Stern einen Umlauf voflendet
und dabei durch Gezeitenwirtung das
stiissige, feurige Magma des bereits
ertaltenden Gestirne wieder auf dessen
Oberfläche treibt? Wer will es wis
sin? Das umfangreiche, durch Mit
wirtuna talentirter Liebhaberastronos
nien aufgebaute Beobachtungsmaterial
von drei Jahrhunderten ist noch nicht
groß genug. um die Frage der Ent
scheidugn näher zu bringen; denn in
der Entwickelungsgeschichte eines
Welttörvers sind Jahrhunderte nur
iurzen Augenblicken gleich.
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Die Aerzte einer französischen Stedi
gingen türzlich an den Streit und
verweigerten jede ärztliche Hülfe, be
vor die alten Dotiorrechnungen bezahlt
wären. Seither toll sich der Gesund
heits ustand der Stadt ganz bedeutend
gebe ert haben.
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Du wirft nie erfahren, wie klein ein
roPer Mann ist« ausgenommen, Du
itet ihn urn eine Gesalligteii.
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Ein englisches Gericht hat mischte
den, daß 81.80· enug ist tiir einen
neuen Otterhut s r eine Frau. Sollte
ein anderttanischei Gericht eine solche
Entscheidung tresten, würde eine fürch
terliche Revolution entstehen.
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Weniger auf die Anzahl der Freien-«
de, als aus die Anzahl der Feinde soll
te men solt lein.