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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (April 7, 1905)
J Revrenloses Gut. Roman icn Oäkie Bernhard. Eis-I · H (27. Fortsetzung) T -- Achi« Sie hob voller Unmut die J Jänner-n und warf beleidigt den jsapf zurück. »Das ist es ja eben, des mich so kränkt und was mich ge n dich so in Harnisch bringt ——das ißt —- es trägt mit dazu bei! Du, Un deinem wunderlichen Verhalten wen Hanna und deiner überstiirz « ten Verlobung und Heirat — du bist schuld daran, daß zum erstenmal wahr-end unserer Ehe etwas Fremdes zwischen mich und Dickie getreten ist! Er sagt mir sonst alles —- und das soll er auch —- das muß so sein —— wosiir ist er sonst ein glücklich verhei rateter Manns Hier aber verschweigt et mir etwas, das fühle ich, und wenn er mir noch so oft das Gean teil beteuertl Er tut es jetzt schon « nicht mehr, er hat es ausgegeben, weil er sieht, es hilft ihm doch nichts-! Jch kenne sein Gesicht zu genau —- Gott fei Dank bat er es in der Verstellungs Dunst noch nicht so weit gebracht, sei ner rau dreist ins Gesicht zu lügen!« » s ist sehr recht von ihm, aber ebenso richtig ist’s auch, daß er dir nicht Angelegenheiten vertraut, die nicht ihm gehören!« »Ja der Ehe gibt es kein Mein und Dein, mein lieber Will! Alles, was dem einen-gehört, hat er mit dem an dern zu teilen!« « ch behaupte aber eben, daß Ri chard dies nicht gehört!« «Unsinn! Formulieren wir den Satz Meinethalben so: was der eine Teil weiss. gehört auch dem anderen!« . »Diese Auffassung kann ich nicht teilen!« »Natürlich nicht, weil du vom rich - tigen Wesen der Ehe noch teineAhnung hast, möglicherweise auch nie eine be kommen wirst!« »Seht verbunden für deine gute Meinung! Aber auch dein Dickie, dieser musterhafte Ehemann, ist in diesem Punkt meiner Ansichi!« «Lieider! Das war so schön und ideal in unserer Ehe, daß wir alles gemeinsam hatten — damit ist es nun vorbei! Nie bin ich bis jetzt auf irgend jemanden eiferfüchtig gewesen, Tickies wegen . . . nicht auf die schön sie Frau, nicht auf das schönste Mäd chen, und ich bin überzeugt« ich werde das auch nicht nötig haben, aber auf dich und dies Geheimnis, das sich zwi schen mich und meinen herzliebsten geschoben hat, ja, da bin ich eiser siichiig!« Frau Kitths Stimme war etwas unsicher und tonlos geworden. Mit verdächtiger Hast griff sie ihre Hand arbeit wieder auf und begann mit srrosser Emsigteit zu nähen. An ih ren Wimpern blinkte es feucht. Cotta bliitte eine ganzeWeile stumm auf sie nieder. Offenbar dachte er « über das nach, was sie soeben von ihm und hanna gesagt hatte. Es war sonst ieineswegs sein Fall, besonderes Gewicht auf weibliche Beobachtungen zu legen, und gar die Ausspiiche der »netten, kleinen Kitty« waren bisher stets als etwas gänzlich Belangloses von ihm betrachtet worden. Er hörte sie gern plaudern, aber es fiel ihm nie ein, sie ernst zu nehmen, auch wenn sie « ihm eine «Sache von Wichtigkeit« vertrug Jeät aber! Etwas von dem, was sie ii r die Ehe geäußert, hatte ihn ckt, er konnte es nicht leugnen. , Ausspruch, er habe seine junge Fran. diezu ihm aussehe wie zu einem « Gott, »nebenher« behandelt, sich dann nnd wann ihrer »erinnert« und nie die mindeste Rücksicht oder Dankbar keit-Mr sie an den Tag gelegt . . . der Ausspruch hatte ihn getroffen —- er M hatte. seit Hannas Abwesenheit, Wien schon Aehnliches gedacht! Mc Sache mit dem »Gehermnjs" und mit Kittys Kummer darüber machte ihm weit weniger zu schaffen. Es war Richards Pflicht und Schul digteit, zu schweigen, es war einfach susiindig von ihm. Wozu mußten bfche kleine Frauen alles wissen? I war durchaus nicht notwendig, Ins Eheleute alles miteinander teil ten! Die Frau konnte ja mit allem, was sie erlebt hatte und was sie sonst ; Miich beschäftigte. zu ihrem Mann sie-men, wenn ihr das Spaß machte —- aber er! Du lieber Gott — wenn er selbst, Will Cotta, seiner jungen Gattin über alle seine Erlebnisse, Lie besabenteuer und so weiter, hätte Be tst erstatten sollen . . . was bei einer Mk Beichte wohl für sie beide her se chauen würde? . . . : »Ur-, Kitty, kleine Schwiigerin«—— f et M sich und zog der eifrig Nahm Iss die Arbeit unter den Händen weg , k- «sei . t und tu’ deinen hellen Ver s en ein hissel auf, ja? Dein "-"’ Hört dir mit Leib und Seel’ J M im Punkt der Liebe kann ich nicht M.Msten mit dir bei ihm ton Wi Wenn er mir fein gegebe III t hält, so ist das eben nur « nnd hat mit der ehelichen « Ksreudnikgtt efin Jota zu » » a m o neugierig ass- si berl du! Und wegen Ihringen sollte, bei meinem Herrn »gen. Mich soll’s freuen, wenn es «Hanna zugute kommt! Du, Will, Zwann kommt sie eigentlich zu dir zu schsen seines smokings und begann «Der Alte soll sich zusammennehmen ; trank, wie die arme Frau war! Denkt « lang bei ihm herumsitzt und mit ihmL dem andern, was du mit anzuhören gegeben haft —- wegen hanna mein’ ich . . . hm! «s gibt solch einen engli schen Ausspwch: never to late to mend —- und wenn du ohnehin meinst, ich sei noch nicht reif für die Ehe, so ist bei dieser meiner Jugend eine Aenderung noch keineswegs aus gefchlofsen!« Die junge Fkau lächelte schon wie der ein wenig »Wenn ich das Kunststück zustande Schwager, dem berühmten und berücks tigten Professor Cotta, durch mein Re den etwas zu erreichen, dann wird mein Selbstbewußtsein turmhoch stei rück?« »Weiß ich’s?« Cotta runzelte die starken Brauen, vergrub beide Hände in die tiefen Ta neuerdings mit heftigen Schritten im Zimmer hin und her zu gehen. »Sie schickt mir ja jeden Tag Nachricht — fo ’n Wisch mit vier, fünf Zeilen, wie es dem alten Pietrowsly geht —.— und was noch alles im Hause zu tun wäre —- und wie leid es ihr täte, dafz sie immer noch nicht kommen lönnt’! Jst’s nicht ein Unsinn? Sie ist zu gut, die Mausi. das ist das Ganze! und nicht Trost und Hilfe bei meiner kleinen Hanna suchen! Sterben müs sen wir schließlich alle, und hier ifi der Tod ein Erlöser gewesen, hoffnunglos dieser gute Pietrowsth denn, ich hab' geheiratet damit meine Frau wochen jammert? Meine Häuslichleit ist un gemütlich zum Erbarmen die Leute kriegen ja auch ihre Jnstrultionen, ’s ist förmlich rührend. wie die Mausi sie von weitem dirigieren möchte — aber das geht eben nicht, weil sich hun dert unvorhergesehene Dinge nicht zum voraus bestimmen lassen und weil die drei halt Spatzentöpf sind und nicht den Schimmer haben, was das heißt, bei einem Künstler im Dienst sein! Die tun’s vielleicht bei so ’nem Lehrer, wo alles nach dem Glockenschlag geht und womöglich fiir jeden Wochentag bestimmte Gerichte aufgetragen wer den . . . nicht aber bei ’nem Menschen wie ich, der von seiner Stimmung ab .hängt!« «Sie empfindet sicher die Trennung zehnmal schwerer als du —- sie wird sich ja fürchterlich sehnen!« »Weiß ich nicht! Schreibt sie nicht!« »Nein, schreiben wird sie es nicht« dafür lenn’ ich Hanna zur Genüge! Aber das weißt du ebensogut, wie ichs nicht eine Minute bleibt sie dort län ger als sie muß!·' »Hm! Soll mir lieb sein! Mir fehlt sie an allen Ecken und Enden!« -»«Kiimmert sich denn deine Gräsin gar nicht um dich?« - »Meine Gräfini Ach so, die Cin ; meinst du damit! Ja, die kommt - wohl oft aus eine halbe oder eine ganze ; Stunde zu mir ins Atelier . . . aber : daß sie mir damit Behagen fiir meine ! wüste Häuslichkeit verschafft, hab’ ich bis jetzt noch nicht gespürt.« »Ob Hanna nicht doch zuweilen ein bißchen eisersiichtig gewesen ist?« »Auf wen denn? Auf die Cilly? Rundscun ? »Nicht auf die Gräfin als Frau! ’ Aber wenn du dich stundenlang mit ihr über Slulptur und Aesthetil und Archäologie, und weiß Gott sonst noch was alles, unterhälst, und hanna sitzt daneben, ohne daß einer von euch nur einmal das Wort an sie richtet, wie ich das neulich bei dir erlebt habe-« »Das hätte ich —« ’ »Ja —das hättest du, mein lieber , Will! Tut mir außerordentlich wohl, idir auch hierüber Ungescheut meine Meinung zu sagen! Jch hab’ es recht gut gesehen, und Richard ebenso, wie es manchmal leise um Hannas Mund geznckt hat und wie sie schwermiitige I Augen bekam. Und wenn sie noch isolch ein Schaf wäre wie ich, die ich svon diesen Dingen so gut wie nichts s verstehe! Sie ist doch aber von Natur sllug und bat so eisrige Studien ge ! trieben ——« s »Hat sie auch! Gewiß! Aber , schau, Kitty —- die Hanna steckt eben noch mitten drin im Studium, hat auch noch gar zu wenig im Leben ge sehen und verglichen —- sie kennt ja bloß München! Und Münchens Sammlungen in allen Ehren — aber mit dein, was in ganz Italien. speziell in Rom, ausgespeichert ist, kann sich’s wirklich nicht vergleichen. Das alles aber hat die Cilly am Schnürchen ——« «Natiirlich! Laß du Hanna erst so alt werden-und so viel reisen, da sollst dn’s erleben. wie sie es auch am Schnürchen haben wird! Deine Grä sin, die ist ja mehr wie noch mal so alt, als deine junge Frau —- und äu ßerlichlvergiichew da ist sie ’ne Vogel lchmche argen M« »Wa, nat« »«Vogelschenche!« wiederholte Kitty mit starker Betonung. »Ich bitte dich, sieh dir die zwei doch mal gefäl ligst genau an und vergleich’ sie mit ander, wenn sie beisammensiyewi Hannas Jugendfchmelz, ihr blüten wcißet Teint, das reiche dunkle haar, die schönen blauen Augen, die feinen, vornehmen Linien ihrer schlanken Ge stalt, und diese gleitend-ern gtaziöfen Bewegungen ——« Cotta nickte lebhaft und bejfällts »O ja —- o ja! Sie sieht sich gut an, meine Maass! Denkst du denn, ich wüßte das nicht alles? Das war es ja eben, was mich so totossal an —« »Nun'i« »Ach, nix!« Er zog eine tleine ver drießliche Grimasse und wandte sich lsrüst ab, um sein ruheloses Wandern von neuem aufzunehmen. »Dagegen diese.Grüfin-—geschminlt, gemalt, gepudert, mit Runzeln an den Schläfem Fältchen um den Mund, Säcken unter den Augen —« »An-ne Cillyt Die kommt schlecht weg bei dir! Das foll Gott wissen, kein Urteil fällt erbarmungsloser aus, als wenn ein Weib sich über das an dere hermacht! Und doch tann ich dir sagen: hätteft die vor fiebzehn, vor vierzehn —noch vor zwölf Jahren se hen sollen . . . du würdest Augen ge macht haben! Um die haben mich die Wiener Ariftolraten nicht schlecht be neidet!« »Wenn du mit Hanna nach Wien ging-est würden sie dich wieder benei en.« »Schon möglich! Aber da geh’ ich nicht wieder hin! Die Leut' in Rom wissen auch, was schön ift!« Hier tat sich die Tür auf, und Ri chard Cotta, der so lange auf seinem Bureuau beschäftigt gewesen war, trat ins Zimmer. — »hallo!« rief er erfreut und schüt telte dem Bruder herzhaft die Hand. »hat man dich auch wieder mal da, Strohwitwer? Wie ift’5, bleibst du heute bei uns zum Abendessen?« Der Professor zuckte melancholisch die Schultern. »Was soll ich machen? Wenn ihr mich da behaltet, bleib’ ich schon gern! Was soll ich daheim? Mir schmeckt nix —- mich freut nix —- mir gefällt nixi Bin ich bei euch, lomm’ ich doch wenigstens auf andere Gedanken! Da sind ja die Bubist Kommt her, ihr Unträuter, bersucht’s mal, ob ihr den Onkel Will noch zum Lachen bringen tünnt!« »Du,« flüsterte Richard feiner Frau zu, während fein Bruder die beiden ju belnden Bübchen abwechselnd hoch in die Luft fchwentte, »ich glaube, dieKur schlägt dem Will ganz gut an. Er be ginnt zu merken, was er an seiner Frau gehabt hat. Wenn sie zu ihm zurücktommt, wird er sie wohl anders gehavndelm wie sein kleines Schwester n.« Frau Kitty öffnete den Mund zu einer verweiienden Antwort, aber ihr Gatte kam ihr zuvor, er küßte sie ihr hit ienfach von denLippen weg. »Geh’ heim, Hanna-Weibchen, klei nes! Geh’ heim, ich bitte dich!« Arnald Piotrowsty sagte es mit weicher Stimme. Er faßte das dunkle Köpfchen der Pflegetochter behutsam in seine beiden großen Hände und küßte sie zärtlich auf die Wange· »Wenn ich nur wüßte, ob ich dich ietzt schon mit gutem Gewissen allein lassen kanns« »Jetzt schon! Bist ja länger wie acht Tage bei mir geblieben und hast wäh rend der ganzen Zeit deinen Mann kaum drei-, viermal flüchtig gesehen! Jch verdenk’ es ihm auch nicht, daß er nicht häufiger kommt. Was soll er hier? Ein Trauerhaus ist nicht je dermannsGeschmack —- zumal nicht bei ’nem Künstler, der sich die Stimmung frei und heiter erhalten muß, damit er hier ist, kann er von dem nicht reden, was ihn beschäftigt —- und bei dem, was wir sprechen, kann er auch nicht mithalten, denn er hat mein seliges Dorchen sehr wenig gekannt und hat fie nur als kranke, hinfällige Frau ge fchen —- nicht so, wie ich sie in der Erinnerung habe, als junge, glück ttrahlende Braut und als mein kleines, reizendes Weib —« Die Stimme wurde dem Mann rauh —- er räusperte sich und brach ab. Es blieb still im Zimmer. Hanna streichelte leise die hand, die auf der Lehne des Sessels lag «Drum also,« fuhr Piotrowikh nach einem schwerem Aufatmen fort, «da er nicht herkommen mag, so mußt du dorthin zurückkehren, wohin du ge hörst — in deine häuslichkeit, zu deinem Mann. Er wird sich ja doch sehr nach dir sehnen!« «Meinft du?« »Aber natürlich» hanna - Weibchen —- natiirlicht Wie sich das zwischen Mann und rou gehört! Gott, wenn ich denke, we mir das schrecklich war, wenn meine Dorn mal verreiste! Es Exil-ja lägäpseltelngylaber friåheä ge es ma a —-wei t u-— wie du noch klein warst und wir das Fäulein im hause hattet-, das immer "kelte? Da war meine Dora noch gesund, da be uchte sie zuweilen ihre Mutter in retlau —- arme, alte Frau. die nun die einzige Tochter hat ingeben miissen und möchte gewiß gern für sie gestorben setnt Du ent nnft ch der Gekos-Untier nur wenig· au , M »Se» nie-ist Mutti na( m. nur ein enthei Mal mit Mr artig per-IN kom- tpötet W sie mer at . « »Ja —- das tat sie aus Rücksicht für mich, damit ich mich nicht so entfeslich bangen sollte —- da ließ sie mit mein Damm-Weibchen zurück! Jch saß aber doch da und zählte die Tage, bis sie wiederkam! Wie lange ich wohl jetzt sitzen kann und zählen, bis wir wie dcr beisammen sind?" -Liebek autek Vava!« Jhrn tropften die schweren Tränen von den Wimpern —- sie fielen in Hannas dunkles Haar, denn sie war ihm ganz nahe gerückt und hatte ih ren Kopf an seine Brust gelegt. »Ja, ja, Kind —- Eheleute gehören zusammen! Du wirst dich ja auch nach deinem Mann sehnen, meine ich.«· Hanna blieb stumm, es lief nur ein leichtes Zittern durch ihren zarten Körper. Ob sie sich sehnte! Guter Gott! Oft hatte sie das Gefühl, die Sehn sucht müßte sie töten! Und es half nichts« mit Vernunftgriinden dagegen anzulämpfcn, sich zu sagen, die Tren nung sei ja bald überwunden, und er empfinde sie sicher nicht annähernd so tief. wie sie. Daß er sich unbehaglich fühlte ohne sie, daß sie ihm fehlte, das hatte sie empfunden und schon dies Empfinden hatte sie beglückt. Was aber toollte dies bedeuten, mit der Sehnsucht verglichen, die sie fühlte! Sie unterdrückte sie sorgfältig dem Pflegevater gegenüber, und auch Cotta hatte bei seinen Besuchen nichts ge-. merkt. Es war Hanna ohnehin nicht» gegeben, viel von ihrem JnnenlebenJ zu verraten, selten nur tam es bei ihrs zum Durchbruch —- hier nun gar, dal sie es wußte, wie riesengroß ihre Liebel zu dem Gatten war, gegen fein Ge-! fühl siir sie gehalten, verschloß sie doppelt sorgsam jede Kundgebung derselben in sich. Ietzt aber fiel ihr dies je länger de o schwerer. Als Willfried das letzte Mal bei ihr gewe sen tvar und sie beim Abschied in seine Arme genommen und getüszt hatte, da war es ihr gewesen, als müsse ihr Herz in Stücke gehen, da hatte sie ge waltsam an sich halten müssen, sich nicht an ihn zu tlammern und ihn zu bittten, flehentlich zu bitten: »Nimm niich mit dir! Geh’ nicht fort! Jch tann nicht leben ohne dich! Sei wie du willst, aber laß mich den Ton dei ner Stimme hören, dein Gesicht se hen, deine Gegenwart fühlen —- dir leben —— für dich da sein!« Sie hatte es nicht getan —- hatte sich bezwungen und war allein zurück geschlichen in ihr ehemaliges trauli ches Mädchenstiibchen. Dort hatte sie sich mit wantenden Knieen niederge setzt und war in siiirmisches Weinen ausgebrochen, gepackt und geichiittelt von dem elemtaren Ausbruch ihrer leidenschaftlichen Liebe siir diesen Mann. »Hat er dich gar nicht gebeten. bald zu ihm zurückzukommen?« fragte Pio trowstys Stimme in das eingetretene Schweigen hinein. »N——ein2« erwiderte die junge Frau F zögernd. »Ich glaubn-' setzte sie nach einer kurzen Pause hinzu, »daß Will das überhaupt nicht tun wird. Er wartet wohl ab, daß ich von selbst komme.« »Dann tu’ es, mein Saum-Weib Echen! Tu’ es noch heute!« ) »Heute?« Sie zudte wie im Schre ? cken empor. »So plötzlich! Er —- er zweiß ja dann gar nicht, daß ich schon : so bald heimkommen wills« s »Ist das denn nötig bei zwei Ehe s leuten?« Ein schivaches, kümmerli lohes Lächeln ging über des Mannes vergrämtes Gesicht. »Es ist doch deine Häuslichkeit so gut wie seine! Du kommst —- und du bist da . . . was braucht es da weiterer Anmeldungeni Findest du deinen Herzlibsten daheim —- gut und schön! Findest du ihn nicht, so wartest du eben aus ihn, bis er kommt; desto größer ist seine Freude, dich zu finden. Solche Ueber raschungen zwischen Liebesleutem die kob’ ich mir, die haben wir uns oft bereitet, mein Dorchen und ich — und was siir ein Glück war das dann jedesmal!« Er nickte schwermiitig vor sich hin »Aber du? Was soll aus dir wer den, wenn von dir gehei« fragte Hanna zaghaft. »Aus mir? Ja, Kind, einmal wird es doch sein müssen, ob nun] heute oder in drei, vier Tagen, das ists wirklich ein und dasselbe! Und soj verlassen, wie du denken magst, bini ich gar nicht. Wie ich heute damit-J tag aus eine Stunde in der Fabrits war. bloß, um mich dort eben mal zui Zetgem denn arbeiten sollte und wollte; ch ja noch gar nicht —- da kam hell-i dors, der Chef, du weißt, und wars wirklich sehr, sehr ut und teilneh-s mend zu mir. Se ne Frau und dies Töchter mag ich nicht leiden, und ich’ konnte es meinem Dorchen nicht ver-: denken, daß sie siir sich und für dich nichts von ihnen wissen wollte . . .. das war Umgang für euch. Aber er» Delldors. ist wirklich ein guter Mensch, - und wir haben immer Sympathies siireinander gehabt. Die andern Kot-s regen kamen auch noch dazu, und iies bestürmten mich mit Bitten, ich solle mich nicht so isolieren, ich miisse mit ihnen zusammen sein; sie wollten jaJ nicht mit mir springen und tanzen nnd Wise retszen — bloß beieinanderif Gen und dies und das besprechen: litit und Fachwissenschastlichet,. M Institutser uindichwsächsonsft der; . , a au Inst bete Gedanken käme. Sie meinen, wen ich We zu hause sähe in der der des Zimmer.sc jedes Itsck sbelz mich an sie erinnert. es rna jaj sein, daß si recht haben, daß asj nicht gut ists iir mich. Nun also, Helldors und iniler, das ist der vom technischen Bureau, weißt du —- die wollen mich abholen nach unserem al ten Stammlokal dern Augustiner bräu, und da soll ich mit ihnen zusam men bleiben, so »,lange wie ichs eben aushalten tann.« »Heute schon, Papa?« »Ja, heute schon!« Piotrowsiy sah nach seiner Uhr· »Ja einer guten bal ben Stunde tönnen sie hier sein — und nun sei du mein iluges braves ! Oanncsp Weibchen, geh’ aus dein Zim » mer und pact’ deine Siebensachen zu sammen, aus daß du dahin tommsi, ; wo du von Gottes und Rechts wegen » hingebörst.« « Er hatte in leichtem Ton sprechen wollen, aber die Worte sioctten ibm in der Kehle, er mußte ein paarmal schlucken und die Augen wurden ihm feucht, wie er die schlanke, schwarzge tieidete Frauengestalt in seine Arme nahm. »Was du mir in diesen schweren, traurigen Tagen gewesen bist, Kind, und was ich dir danke, das kann ich dir niemals vergessen —-'« »Ach, lieber, liebster Vater, ich bitte s dich, sprich nicht so! Und meine Liebe, und mein Dank. s Sie hielten einander fest umschlun- « gen und weinten. Es war gegen Abend, als die junges Frau an dem eleganten Hause in ders Richard Wagnerstraße vorsubr und, ! ihr Handlösserchen in der Rechten, die ! breite Treppe in der imposanten Vor halle emporstieg s Gortsetzung folgt.) Was das Leben kostet. Trotz ihres großen Wandels ist die Kauftrast des Geldes bei Lebensmit teln, auch wenn man weit auseinan der liegende Epochen vergleicht, nicht von gar so ungebeurer Verschieden heit, wie man gemeinhin annimmi.’ So kostete als Moses seinem Volte Gesetze gab, ein Widder anch nn serem Gelde schon einen Dol lar, und der Preis hatte sich bis ur Glanzzeit der Athener, also nach sasi einem Jahrtausend, nur auf etwa zwei Dollar erhöht. Damals zahlte man auch siir einen Mastochsen bereits den fiattlichen Preis von sle Aber in jenen Zeiten gehörte das Fleisch nicht in dem Maße zur Tagestost wie heute. So hat ein niazedonischer Hauptmann in iigyptischen Diensten nach den aus einein Stück Papyrus entdeckten Aus zeichnungen seines Burschen in els Tagen niir siir 5 Cents Fleisch ver zehrt, wiewohl seine tägliche Ausgabe siir die nothwendigen Lebensbediirs nisse 25 Cents betrug. Auch siir die damali en Lohnver hältnisse gibt es intere ante Belege, Zu Christi Lebzeiten verdiente ein Taglöhner in Jerusalem täglich 15 Cent3, und wenn ihn die Bratengier heimsuchte, so konnte er sie immerhin befriedigen, denn siit einen Cent ab’s zwei Sperlinga und siir zwei ents sogar siins. zu tonnte er sich auch einen Schoppen Wein gönnen, von dem nach unserem Maß ein Quart einen halben Cent tosete. Milch mußte er sreilich mit UT- Cents bezahlen und ebenso Radieöchen. dagegen war eine sehr ansehnliche Portion Knoblauch schon sür einen Gent lzu ben. Da zumal war der Knob au im ganzen Orient ein allgemein beliebtes Ge niiisr. von dein auch der mazedoni ch aghptische Hauptmann nach den us zeichnungen seines Burschen ein be merkenswertheö Quantum oertilgte. Jn Athen waren aber die Arbeiter nicht so gut gestellt, die tlassischen Griechen waren schlechtere Zahler als die alten Juden, sie gaben einem freien Feldarbeiter täglich nur 13 Cents. Da war es schon schwerer, sich einen guten Tag zu machen, zumal die besseren Bissen ziemlich theuer wa ren. Eine Gans tostete bis zu einen Dollar. Jni allgemeinen dars man nach den Berechnungen von Zeinrich Brugsch siir die nothwendigen ebens mittel nach Ablau von wei Jahr tausenden heute eine Erhö ung der Preise aus das Zwei- bis reisache des damaligen Werthes annehmen. Unter unseren Vorfahren suchten die besseren Klassen gleich den wohl- . habenden Herrschaften des Altertbumg ! das Leben von der besten Seite zu ! nehmen, wobei sie — wenigstens in der s sitt-km Zeit-nicht so sehr auf viel Qualität ais aus die Quantität sahen. Wie in ganz Deutschland, so war man insbesondere in Berlin aus viel Essen und Trinlen erpicht. « u den großen s Gastereien lud man chon aus den sriiben Vormittag ein, man setzte sich km bn Uhr zu Tisch und stand erst um Ichs Uhr Abends aus, wobei 54 Gerichte verzehrt wurden. Der Anas burger Patrizier Philipp Haineoser bemerkt dazu in seinem Reisetage uch: »Es ist der Brauch, daß mann dan gantz raynen Tisch machet und das Trinken erst recht ansänget.« Daraus sind ost die grimmigsten Feindschasten entstanden, was nicht zu verwundern ist. Man denke sich doch nur unter den gleichen Bedingun en heute einen 1«our sixe oder sioe o'c ock tea oder Empfang, oder wie man es sonst nennen mag: nichts zu essen be tomrnen, gebt noch an; aber zusehen müssen, wie andere lieben— das gebt iiber den Spaß. Die Frauen lten unter Feste ab, die man M r derben Aus ucksi weise jener t ohne NUMBER i sticht ifu Iwane-· nannte- lee helft »Die nach der anderen In rn Inland agzldses wennei der ras we rn z her, n zwölfen zu fre en tbt unperunahc auf jede Man re Mteferseh at thut. « Da gab e biefeinsten bisienx aber den Männern, die nicht dabei sein durften, Lchickten die uin schineckerlnnen nur raut und nach hause. Der Theilnehmertnu die an der Reihe war, das nächste geben, wurde ein Kran au geegt, daher der Name Kran ma , aus dem sich später die auch ute noch nicht ausgestoroenen Ka feetränzchen ent wickelten. Allmählich wurde auchden Männern der Zutritt gestattet, aber sie durften nur dann mitessen, wenn ih nen etwas gereicht wurde, was zu gleich als Aufforderung galt, den Damen den Hof zu machen. m an deren Falle mußte sich der oft im Hintergrunde halten. Die Staatsgewalt kümmert sich in Deutschland allerdings auch heute um die Lebenslosten, aber in einem ganz anderen Sinne. Das Reichs-gesund heitsamt läßt sich die Mühe nicht ver drießen, anzugeben, wieviel der Mensch täglich im Mindestmafz Nah rungsmittel braucht, und wieviel die Beschaffung dieses Mindestmafzes to stet. Nach dem von dieser Behörde herausgegebenen Gefundbeitsbiichlein ist die Grenze fiir den mindesten Con sum an täglicher Nahrung insge sammt auf nahezu 2000 Gramm be messen und der Preis dafür auf 60 Ps. berechnet, wag wohl eher zu nie drig als zu hoch angenommen ist. Aber nicht nur durch theoretische Rathschlä ge, auch durch praktische Maßnahmen wird die Lebenshaltung in einer Weise erleichtert, wie es noch niemals vorher in der Weltgeschichte geschehen ist. Durch die staatliche Arbeiterversiche Jung, mit deren Einführung Deutsch land in der Welt voranging, sind bei uns über 13 Millionen Menschen ge gen Invalidität und Altersnoth, über 17 Millionen gegen Unfall und über ? Millionen gegen Krankheit ver sichert. Jeden Arbeitstag tommt na hezu eine Million Mart an jährlich rund 4 Millionen Personen als Ent schädigung zur Auszahlung Jn ei nem Zeitraum von 15 Jahren wurden in 40 Millionen Fällen über 2 Milli arden, also über 2000 Millionen Mark ausgezahlt An der Aufbringung die ser Summe waren die Versicherten selbst mit etwa 1 Milliarde betheiligt, sie haben demnach über eine Milliatde mehr empfangen, als beigetragen. Jn derselben Zeit haben sich aber auch die Einkommen der Gesammtbevölterung vermehrt, und zwar auch in den dürs tigeren Klassen. Man schätzt die Er höhung des Gesammteinlommens in Preußen von 9,9 aus 10,7 Milliarden Mark, so daß auch dadurch eine bessere Lebenshaltung ermöglicht ist. Gleich wohl haben die Deutschen noch lange nicht alle ein huhn im Topf. Nimmt man als Voltswohlstand einen Zu stand an. wo die rationelle physische Erhaltung durchweg nicht mehr als 80 v. H. des Einlommenä erfordert, während die übrigen 20 v. V. als sreies Eintommen verwendet werden lönnen, so dürfte es noch geraume Zeit dauern, bis man sich in allen Kreisen so günstiger Verhältnisse wird er freuen tönnen. Es ist also zu be fürchten, daß die jetzige Generation das goldene Zeitalter nicht erleben wird. « Unter solchen Umständen ist es tun so wichtiger, zu erfahren, was der Mensch lostet, bis er so weit gebracht wird, sich seinen Lebensunterhalt selbsl verdienen zu können. Der berühmte Statistitet Ernst Engel hat zu diesem Zweck den Kostenwerth des Menschen berechnet. Er scheint aber zunächst ge gen diese Arbeit Bedenken gehabt zu haben, denn in seiner Schrift über den Werth des Menschen bemertt er, man tönnte viellicht Anstoß daran nehmen« vom materiellen Geldwerth des Men schen zu sprechen, und er hat mit dieser Bemerkung nicht unrecht. Man braucht sich ja nur das Dichterwort »Jn dei nen Augen liegt mein unermeßlich Reich« zu vergegenwärtigen, und man wird einsehen, daß unter diesem Ge sichtspunkt selbst das größte Kapital nur ein Lumpengeld ist. Indessen, ein Statistiter ist nun einmal ein un verbesserlicher Realisi. und daher liest sich Engel von seinem Vorhaben nicht abhalten. Er tam dabei zu dem Er gebniß, daß der Kostenwerth eines Knaben nach niederer Bildung am En de seiner Lernperiode im erfüllten 15. Lebensjahre 3738 M. 16 Ps» eines Jünglingo mittlerer Bildung am En de seiner Lernperiode im erfüllten 2(). Lebensjahre 12,137 M. 56 Ps» eines jungen Mannes hoher Bildung im 25. Lebensjahr 27,550 M. 28 Ps» eines Mädchens niederer Bildung im 15. Jahr 3563 M. 19 Pf. und eines Mäd chens höherer Bildung im 20. Le bensjahre 10,655 M. 30 Pf. beträgt. Jn diesen Berechnungen des von Engel sogenannten »Kostenwerthes« ist auch der Sterblichkeits- und Zin senzuschlag enthalten, d. h. die Kosten der gestorbenen Kinder sind aus die über-lebenden übertragen und die Zin sen des bis zum Beginn der Arbeitss periode ausgewandten Kapitals hinzu gerechnet, diese aber bei Mädchen we gen deren Mitarbeit im Haushalt nur bis zum zehnten Lebensjahr. Nun soll man also nicht bloß die weiteren Lebenilostem sondern auch die ferne ren Zinsen der bisherigen Aufwendun dun oder womöglich diese selbst oerd enen —- tpenn nicht noch mehr. Die Sache wird immer schwimme- .