Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (April 7, 1905)
Ver Uhmacher. Wie m Eva-in Pugh. Auto ri- - Uebetfesnng aus dem glian von H. v. Noordern Mein war er und berschrumpfi und kraftlos; vom kahlen Scheitel hing Erliehei Haar verfilzi hinab. Durch s dauernde Tragen der Lupe im linken Au war die ganze Gesichts seiie viel aliiger als die rechte ge worden. Auch der Mundwinkel war Wogen, so daß man es fiir ver fchmihien Scherz halten konnte, wenn er vom Allerirautigsien sprach. Seine einzige Leidenschaft war der Schnupf tabai, fonfi lebte er sparsam. Jn den reiftunden beschäftigte er sich mit It rfindung des ,,Perpetunm mo ·le". Ebenso unansehnlich und klein, wie er selbst war, war auch sein Laden. Nur ein einziger, klarer Fleck befand sich am schmutzigen Fenster. den hatte er von innen sauber gerieben, um hinauszuschauem und die Vorüberge henden hauchien ihn von außen an, um hineinzublicken. Eine lleine Klin gel an der Thür lündigie die Kunden an, aber aus Mangel an Beschäfti gung war sie llanglos geworden. Eine Tochter besaß er, der seine Fanze Liebe galt. Oft redete er von r. Schöner ist sie, als irgend ein Weib aus der ganzen Welt, und viel klüger-. Sie wird eine große Sänge rin werden. Jetzt ist sie zur Ausbil dung in Deutschland, wo die Musik erfunden worden ist. Um ihre Stim me bemühen sich die brühmiesten Pro fessoren der tWelL Und eines Tages wird ne oeruhmr. Um dieser Tochter willen arbeitete der Uhrmacher so hart und lebte so tiir glich. Eines Tages fühlte ich mich zum Richisthun aufgelegt und trat bei ihm ein. Es war ein schöner Sommertag. Der Uhrmacher saß am Fenster und arbeitete. Heller Sonnenschein drang durch das trübe Glas und vergoldete sein weißes Haar. Bei meinem Ein treten hob er das müde Haupt und blickte mich über den schmalen Laden tisch hinweg fragend an: Sind Sie es?« srug er. »Ja, ich bin’s. " »Setzen Sie sich Jch konnte Sie - I nicht gleich erkennen Es ist so dunkel kier und das Wetter so trüb, kaum — dank man Tag und Nacht unterschei »Unsinn«, ries ich. Heut ist doch ein herrlicher Tag. So schön, wie seit Lan gem nicht« Ein betrübter Ausdruck slog über sein Gesicht. .th es wirklich soe« Jch dachte es «"-·1 träte schrecklich finster. Dann wird es wohl in meinen Augen liegen.« »Da muß etwas nicht in Ordnung « sein«, sagte ich. »Sie sollten einen « Arzt sragen.« » »Ach —- das wird wohl das Alter ,- ; sein. Dagegen giebt es nur ein Krani, und dafür brauche ich keinen «»: Doktor.« « J Er lachte heiser. Wie ich ihn rnit « leidig anschaute, sah ich seine Züge sich plötlich verzerren, sein Kinn siel schlaff herab. Er taumelte gegen die Wand, stieß einen Angstschrei aus und « bedeckte sein Antlitz mit den Händen. Mhalten Sie mich'«. stöhnte er. « Ich stüdte ihn. Seine dünnen Fin ;«z.- Rumklannnerten mich trampshasi. Schweiß strömte von seiner . S.tirne z-« »Ich kann nicht sehen«, jammerte er. » »Alles ist so roth, — so wie Nebel — "-’.—— wie — wie purpurne Nacht. Lassen Sie mich irgendwo sitzen, sonst falle ich und verlehe mich.« -««- Nach einem Weilchen blickte er aus M sagte: »Es ist vorüber. Lang e W es nie. Jch habe es schon öfter W« »Warum fragen Sie keinen Arzt?« »Nein, nein — ich glaube doch nicht ein« —- »Aber —« Er schüttelte den Kopf und sagte: , .Jch möchte nicht gerne darüber spre chen. Es hat keinen Zweck. Und , schadet auch nichts. Der Anfall geht s; vorbei und ich bin wieder ganz wol-U « Nach einer Pause fügte er hinzu: »Heute Morgen habe ich einen Brief « von meinem kleinen Mädchen bekom ,- men. Jhr Studium ist nun beinahe ,--', zJu Ende, bald wird sie öffentlich auf ,--"1Mien.« ist«-sann werden Sie es leichter ha «Ja, ich habe nur noch einmal zu « « len; in einem Monat, oder noch werde ich es beisammen haben". rinäckig verweilte er noch lange «k bei dein Gespräch über seine Toch Uli ich mich erhob, sagte ich: »Ich doch, Sie fragten einen Arzt Ihrer Augen« Traurig schüt « et den Ko p.f »Wie Wahrheit ist«, sagte er, »ich » es nicht bestreiten« « v W Sie können blind werden« St schrie entsetzlich auf »Nein, » « dasslauben Sie doch nicht. « « « fes-n sich der Gefahr aus « Me »Was würde denn ein " verhinan etc-ach » Sie«« DIE-« ich essH « II ERNka 4 z sey f nein Hat und wir; fut. Ia ve · mai-im Mitten-J Gern wäre ich mit hineingegangen, aber er wollte es durchaus nicht. Jm Laufe des Tages 'edoch suchte ich den mir befreundeten rzt auf und fragte nach dem Kranken. »Ich habe ihn untersucht«, war die Antwort, «er muß schleunigst seine Beschäftigung ausgeben und längere Zeit aussehenf »Und wenn er es nicht thuti« »Wenn Sie es nicht thun, sagte ich ihm, werden Sie in ein bis zwei Mo naten erblinden. Er sah mich ganz sonderbar an, dankte mir und ging. Er schien sehr betroffen, sagte aber nichts weiter.« Jch suchte den Uhrmacher nochmals auf. Durch den klaren Fleck am Fen ster sah ich ihn an seinem gewohnten Platz, den schneeweißen Kon tief auf die Arbeit gebeugt, die Lupe vor dem Auge. »Was sagt der Arzt?« frug ich. »Ach«, erwiderte er, ,,es ist gar nicht so schlimm. Er gab mir eine Flasche mit irgend einem Zeug. Es ist auch schon viel besser.« Und dabei wandte sich der Alte ab. Jm selben Augenblick aber streckte er die Arme aus, taumelte gegen die Wand und rief: »Halten Sie mich, haltenSie mich!« Wie der Anfall vorüber war, theilte ich ihm mit, was ich vom Arzte er fahren. Unter meinen dürren Worten zuckte er zusammen. »Sie müssen thun, was der Arzt befohlen. Das Geld, das Sie zurück gelegt, müssen Sie für sich benützen.« »Nein«, sagte er abwehrend. »Mein kleines Mädchen braucht es. Jch kann warten.« »Sie kann warten.« »Sie soll nicht warten. Es bräch’ ihr das Herz. Jch muß die letzte Rate zahlen. Sonst ist Alles umsonst.« »Ist denn Niemand, der-Ihnen das Geld leihen könnte?« »Niemand«, sagte er. Und das möch te ich auch nicht. Jch wüßte doch nicht, wie ich es zurückgeben sollte.« »Aber»———« »Warum noch darüber reden ?« jam merte er. »Ich will versuchen, die Zu kunft zu vergessen. Und nun kommen Sie nud quälen Sie mich nicht. Sie rufen die Gespenster wach. Jn diesem kleinen Laden habe ich in den letzten Tagen Alles tausend Mal mit mir durchlebt und durchkämpft. Und es bleibt immer dasselbe.« Er seßte sich wieder auf die kleine Bank und klemmte das Glas ins Auge. »Und trotzdem«, sagte er dann mit freundlichem Ton, »tto2dem danke ich Ihnen, mein Freund.« Bekümmert ging ich fort. Wenn ich in der darauffolgenden Zeit ihn im Vorübergehen bei der Ar beit sitzen sah, wie er, das graueHaupt gebeugt, emsig die kleinen Räder be festigte, that es mir in der Seele weh. Manchmal trat ich ein, aber wir er wähnten Beide nie, was uns am schwersten im Sinne lag. Entweder war er fieberhaft erregt oder unnatür lich schweigsam und abwesend. Eines Tages machte er derZuriickhaltung ein Ende. »Heut’ ist der letzte Tag", sagte er. »Der lehte Tag?« »Ja, ich habe vergangene Woche die letzteRate geschickt. Jetzt habe ich nichts mehr zu zahlen. Etwas Geld habe ich sogar übrig behalten. Nun will ich eine Zeit lang ausruhen, und heut’ soll der lebte Arbeitstag sein.« »Sie hätten früher aufhören sollen.« »Ach ja —- Das haben Jhre Blicke die ganze Zeit über gesagt. Jetzt bin ich auch müde. Fiir immer konnte ich einschlafen, wenn ich nicht vorher noch mein kleines Mädchen wiedersehen möchte . Sie ist so schön, meinFreund. Sie werden es auch sagen. Bald kommt sie nach England, um über ihr heimi sches Nest einen goldenen Schein zu werfen, wie sie schreibt. Jch weiß noch nicht, wann. aber es wird bald so weit sein. Groß und berühmt wird sie werden! Ihnen wird das Herz bei ihrem Anblick schlagen und ihreStim me wird sie berauschen.« Leise lachte er vor sich hin. »Es war all’ der Mühe und Arbeit werth. Jch bin alt, und vielleicht irrt sich der Doktor doch.« Jn seinen Worten verbarg sich ein Doppelsinn. »Mit meinen Augen steht es sehr fchiecht«, fuhr er fort. Der Nebel kommt sehr oft, nur erschrecke ich ni t mehr so. Ich warte ab, und es ge t vorüber.« Die Thürglocke schlug an, und ein Herr-trat ein. Er war klein und ver wachsen, der Kopf, kräftig entwickelt und angenehm, mit dichtem, lockigem Haar bedeckt. Der Alte lehnte sich über denLabeni tifch und schaute den Eintretenden an. »Wer sind Sie? Jch weiß es nicht« »Sie haben mich vergessen?« »Mimbles!« Er streckte ihm zittternd die Hand entgegen. »Mein kleines Mädchen?« stammelte et. «Schnell. reden Sie!« »Gut geht’s ihr, gut gehW ihr-Jst in England. Ein glücklicher Zufall fügt es, daß sie ein vortheilhaftes De lmt machen kann. Wir wollen es wahr nehmen. Vorgefiern find wir herüber gekommen-« Wo ift fixi« Er hatte den hat scheu tu Händen. »Nein, nein«, sagte Mir-blei. »Im her-te tiirmeaSie fre nicht feherh Sie singt heute Abend. Es würde sie artian Und sie muß Ich noch W s m site ckhclcn.« Am »Heut’ Abend singt siei« rief der »Ja, heute Abend. Sie hat die 10. Nummer. Jch bin in einer Plagt-, gung. wann gar nicht denken Gott« wenn sie Mißerfolg hättet« »Miseefolgt?« »Es kann nicht sein, natürlich. Es kann nicht sein. Aber ich sese mit ihr meinen Ruf auf's Spiel. Die beiden legten Jahre habe ich nur ihrer Stim me gelebt.« »Ich muß sie singen hören«, sagte der Ubrmacher. »Darum komme ich ja her«, erwi derte Mimbles. »Hier sind zwei Kot-» ten. Vielleicht wird Jhr Freund-« Der Alte wandte sich an mich. « »Ach ja«, sagte er. »Ich vergaß es; ganz-—Sie verzeihen? Das iit herr; Mimbles. Er hat mein kleines MädT chen entdeckt. « Mimbleö lachte. »Sie wird eine neue Welt des GE- ! sanges bedeuten. Sie werden Sie ja hören. Es ist die entzückendste Stim me. Jhr Singen macht uns lachen und weinen, sterben und wieder aufer stehen. Der Himmel tlingt aus ihrer Stimme und Höllenauai. Sie reißt uns mit sich fort —— wir folgen. Wir können nicht anders. Sie singt wie die Sirenen, die Töchter des Achelons und der Terpsichote gesungen haben, aber arglos —- unbewußt, wie ein Kind.« »Es ist wahr«, sagte der Alte. »Ich muß sort«, rief Mimble3. »Und nachher seben wir uns. Der heutige Abend wird Epoche machen!« Und er ging. Lachend und zitternd stand ver Alte. »Ich hin ganz auseinander-ganz fer tig. Sie kommen doch?« »Natürlich.« »Man wird zwar nicht wissen, wer ich hin. Was für ein sonderbarer, al ter Kerl, wird man sagen. Was kann der hier wollen? Ha, ha—! Oder vielleicht zeigen sie auf mich und sagen: Das ist ihr Vater, der wunderliche, alte Kerl mit dem schiefen Gesicht. Sie werden mich beneiden. Ja — aber ich möchte anständig aussehen, wissen Sie. Einen neuen seidenen Hut muß ich haben und ein neues Hemd und Handschuhe und was so dazu gehört. Früher zog ich mich jeden Abend rich tig an, damals sah ich sehr gut aus. Wirklich, es war so-—!« Er lächelte, als wollte er feine Wor te entschuldigen. Sein Antlitz war sehr bleich, seine Züge bedien. »Kommen Sie mit in die Wohn ftube«, fuhr er fort, »ich will meinen guten Rock anprohiren. Seit Jahren habe ich ihn nicht angehabt. Vielleicht paßt er gar nicht mehr.« Er ging voran in die tleine Hinter siube, ich folgte. Unter dem Bette her vorttzog er eine Schachtel, schlug den Deckel zurück und nahm einen abge tragenen, schwarzen Rock heraus. »Das ist er«, sagte er. »Am linken Aermel ist am Aufschlag ein Fleck, ein Claretfleck. Und auf der Weste ist n Blutfleck. Das Blut eines Polizifte . Vor 30 Jahren habe ich mich mit ihm in der Halbmondftraße herumgeschla gen. Wie mir das Alles wieder tommtt Wollen Sie mir behilflich sein?« Der Rock schlotterte, denn sein Körper war viel dünner geworden. »Friiher spannte er ein wenig un ter den Armen· Wie ist es jetzt? Zieht er teine Faltenks Jch beruhigte ihn nach Möglichteit. »Sie wäre betrübt, wenn sie mich in schädiger Kleidung sähe und würde sich meiner schämen. Das fühlen Sie dochi Und lachen nicht über mich?« Mir waren die Thriinen näher. »He-Ren Sie mir den Spiegel an den Rücken«, fuhr er fort, »daß ich mich von hinten sehen kann. Ach, ich vergaß —- es ist fest immer so dunkel. Jch kann es doch nicht erkennen, be mühen Sie fich nicht.« Seufzend feste er sich nieder. »Jest muß ich ausgehen«, fuhr er fort. »Sie werden sich auch fein ma chenlk s J «Ratiirlich«, erwiderte ich, »das verlangt doch schon die Gelegenheit.« »Danle, danke. Sie werden mit meinem Kinde sprechen. Sie waren immer so gut zu mirs-nie werde ichs vergessen. Und sie wird Ihnen auch danken.« Jn der Dämmerung kam ich zurück. Der Uhrmacher saß am Feuer, mit feinem neuen Staat angethan. Er lud mich ein, mit ihm zu eisen. ",,Sie mässen«, sagte er dringlich. »Wir Beide müssen essen, sonst bre chen wir zusammen.« Jch nahm neben ihm Plan und er drängt mir das Essen auf. »Aber Sie nehmen ja selbst nichts,« sagte ich widerstrebend. »Ich kann nicht —- es macht mich gan traut — Da ist mein neuer Hut. Pa t er nicht ausgezeichnet? Sieht er nicht zu klein aus? Aber es ist jeht Mode. Das habe ich unterwegs ge sehen. Und hier sind die handschuhe Alle seinen herren tragen diese Sorte. Und eine Camelienbliithe habe ich ge tauft und einen Schirm. —- Wir müs sen doch eine Droschte nehmen. — Rnn essen Sie doch noch etwas «Nein, M spat ei schon isn — Reh-»Hu Sie e.« Endlich waren wir unterwegs. Jn der Dean sprang er plöslich aus. Ein Blum-stunk ein Blumen-l dunke —-, I " Jch verstand ihn gar nicht. »Für stet« tagte et« -Jch mut- sitt sie Blumen hat-ein« ; Er war ganz außer sich und ließ an einem der ersten Blumengeschiiste hak ten. Dort tauste er einen grossen Strauß und hielt ihn während der » weiteren Fahrt zärtlich aus den Knien. "Wie wir ausstiegen, zeigte er auf die lange Wagenreihe und ries: »Ich fahre auch in einem Wagen! Aber ich bin auch ihr Vatert« Der Coneertsaal war voll. Viele bedeutende Persönlichkeiten waren an wesend. Sie unterhielten sich- lachten, oder saßen gelangweiit herum. Die Ausführung hatte noch nicht begonnen. Wir sahen uns neugierig um. »hiitte ich doch mein Overnglas mitgebracht«, sliisterte der Alte mir in’s Ohr. »So dumm, es zu vergessen. Es sind zwar teine Linsen mehr drin. Aber das schadet nichts. Man hätte doch aus das Ding gesehen. Das hätte Niemand gemerkt.« Er lachte unnatürlich erregt. Aus seinen gelben Wangen brannte ein dunkler Fleck, seine Augen glänzten. Seine Finger zitterten wie welte Blätter im Winde und zertnirrten das Programm. »Auch hier hinein ist der Nebel ge drungen", sagte er plötzlich. »Es ist mir, als legte er sich über die Gewächse auf dem Podiurn." Jch vermied es, ihn anzusehen. »Wie heiß es hier ist—-das tommt von all’ dem schmorenden Fleisch ——! Und wie iaut!'« Das Orchester stimmte die Instru mente. Bis aus ein leises Summen erstarb das Stimmengewirr. »Werden sie nie anfangen«. brummte der Alte. Da fingen sie an. Ungeduldig aber lauschte er. Unruhig rutschte er arg seinem Stuhl l·in und her und spra leise aus mich ein. Seine verzehrende Unruhe steckte mich gründlich an, lo daß ich froh war, wie die vorzügliche neunte Nummer schloß. »Jetzt," murmelte der Alte, und er beugte sich weit vor, die Hände um den Strauß gepreßt. Es währte noch ein Weilchen Ek schüttelte den Kopf. ich hörte seine Zähne tnirschen. Endlich trat sie ein. Schön war sie, viel schöner, wie ich mir vorgestellt. Das Podium war mit Blumen reich geschmückt, aber ihr Ant Iitz überstrahlte die Blumen. Es war blaß. Jn ihrem Blick lag Güte und Wahrheit. Die behenden Lippen wa ren von einem wundervollen Roth, wie Rubin und Rosen. Jhr dunkles-, sei denweiches Haar siel ihr voll über die Stirn und Nacken. Sie trug ein schleppendes Gewand odn einem zar ten Weiß. Gelde Rosen schmückten den Gürtel und Haar. Ihr Blick suchte den Vater und sie lächelte ihm zärtlich zu. Beglückt lü chelte er sie an. Noch raschelten die Kleider, Programme tnisterten,Stim men schwirrten. Wartend stand die Sängerin, ihr Auge hing an des Vaters Auge, der schlanke, geschmeidige Körper schien unter pochenden herzschlägen leicht zu heben. Noch war leichtes Geräusch zu vernehmen. Der Alte zog die Stirne traus, stand aus und schaute über die Menge. Dann erhob er die rechte-band und machte »Pst,pst!« Noch einmal schwoll das Stimmengesumm an,dann trat Stille ein. Er setzte sich wieder und slüsterte vor sich hin. Eine Pause, ein Augenblick der Spannung. Der Uhrmacher blickte aus, sein Auge suchte der Tochter Ant lis. Sie sang Blumen regneten, wie sie geendet, Beifall rauschte. Wieder und wieder sang sie, wirbelnd hüllten sie die zar ten Blüthen ein, Beisallsdonner rollte durch die heiße Lust. Endlich ver schwand sie und erschien nicht wieder. Noch zwei Nummern sollten folgen. Der Urmacher sasz unbeweglich, mit weit geöffneten itlugem Das Concert schloß mit der Nationalhhmne—noch immer saß er ohne ein Zeichen von Be wegung. Jch redete ihn an und er stüsterte: »Hier will ich warten, bis sie tommt.« hinter ihm drängten sich Damen, betten steckten die Köpfe zusammen und lächelten sich verstohlen zu. Er merkte nichts davon. An der Decke wurden bereits die Lichter ausgelsscht. Noch saß et unbeweglich. Jch wagte sein wunderliches Schweigen nicht zu unterbrechen. Endlich tam Mimbles durch den Saal gestürzt. Er strahlte vergnügt. »Ist lommen Sie nnd sprengen eine la che Seit mit unst« Der Alte lächelte matt und bewegte die Lippen. « »Wi- ift mein lleines Mädchen? Sie soll zu mir loinmen.« « Miknbles warf mir einen besorglen Blick zu und verschwand Bald lehrte er mit der reisenden Sängerin zurück. Sie näherte sich dem Vater und faßte seine Hand. Noch umllammeelen die mageren Finger den Blumenstrauß. «Sind die Blumener mich, Va ter?« frag sie. »Ja — ja«, sagte er, »es war ja Al les für Dich, mein Kind« »Komm, Bater'«. sagte sie in ihrer gläckseligen rzensfreude und be rührte den teauß mit den Lippen. Der alte, blinde Mann erhob sich nnd küßte mit zärtlicher Scheu das ichs-I Untlts, das et nie mehr sehen III-. Difkettung Dumoreske von Anna Julia Wolfs. An unserem Stammtisch ging es wieder einmal stiirmisch her, wie im mer, wenn die hohe Politik den Ge Ospriichsstofs bildete. Die inneren Wir ren hatten tvir bereits glatt erledigt, über den russisch - japanischen Krieg waren wir zur Tagesordnung überge gangen, so bestritt denn augenblicklich der HottentottewAusstand die Kosten der Unterhaltung Ei, wie da die Gei ster auseinander vrallten. Aber moch ten auch die Meinungen noch so ver schiedenartig sein, das kostbare, junge Blut, das da vergossen, erfüllte doch die Brust jedes Einzelnen mit tiefem Weh. Da lvurden wir aus unserer weichen Stimmung etwas unsanst durch den komischen Schmerzensrus eines jungen Luftikus gerissen: »Ach Gott, ach Gott, und die Weiber da drüben!« Das gab nun dem Ge spräch eine unerhoffte Wendung, und allerleiVermuthungen über die Quali täten der schwarzen Damenwelt schwirrten wie Rateten durch die Lust. »Aber da muß uns doch unser Ka pitän Auskunft geben können, der kennt doch zur Genüge diese edle Spe zies.« »Na also, Kapitiinchen, kurz und bündig, was halten Sie von dem Ne gerweibe?'« »Die Krone der Schöpfung ist es,« lam es mit dem Brustion vollster Ue berzeugung von den Lippen des alten Bären, der, nebenbei bemerkt, ein hartnäckiger Junggeselle war. »Wa—a——a——-a——as????« — « «. « .- . »Na Is, Wenn Ullick Gkullo Hal, diesen schwarzen Deibeln ein ehrendes Andenken zu bewahren, so bin ich es. Habe ich doch einer von ihnen sogar das Leben zu verdanten.« »Das Leben? Ach,.«.was Sie sagen, Kapitiinchem hat Sie etwa eine dieser wulstlipvigen Huldinnen aus den Klauen des Löwen gerissen?« »Nein, aus den Klauen des Weibes, und das ist hundertmal, nein tausend mal mehr werth, sage ich Euch-« »Ach, erzählen Sie, Kapitiinchem erzählen Sie,'« ftiirmte es von allen Seiten auf den hartgesottenen alten Junggesellen ein Und der Kapitiin erzählte ,,Jch war in meiner Jugend ein tol ler Bursche. Niemals seßhaft, immer umherschweifend und die abenteuer lichsten Streiche ausheckend Als die Zeit gekommen war, wo es galt, fiir mich einen Beruf zu erwählen, da er lliirte ich mit einer für mein Alter be wundernsweriher Zähigteit: Bringt mich hin, wohin ihr wollt, ich tneife doch überall aus, denn ich will zurSee. Na, da war ja nicht viel zu machen, und als ich mein Versprechen zum viertenmal einlösie und wieder aus der Lehre fortlief, da gab meine Mutter schweren Herzens nach, und ich wurde Seemann. Auf einer meiner vielen Fahrten in aller betten Länder kam ich auch eines Tages in jene Gegend, wo jetzt unsere-, armen Landsleute ihr Blut verspritzern Sagt, Kinder, könnt Jhr es Euch ausmalen, was so ein zi vilifirter Kulturmenfch in dieser Ge gend für ein Leben führt«-» habt Jhr eine Ahnung, wie diese Tropensonne das Blut peitscht und die Sinne in wirbelnde Erregung versetzt? Was einem da in den Weg tommt von der Gattung Weib, man findet es schön. Jch hatte ganz besonderes Glück, denn eine junge Schöne von distinguirter hertunft, die Tochter eines haupt lings, warb um meine Gunst. Ach, mein Gott-, und wie warb sie: Jch sage Euch, von der ungebändigten Wildheit der Gefühle lassen sich unsere kultur beleelten Europäermädels wahrlich nichts träumen. Und als nun unser Schiff wieder in See ging und ich von der Liebsten Abschied nahm, da geber dete fich die Holde wie eine Rasende. Sie klammerte sich verzweifelt an mich und wollte mir partout nach Europa folgen. Na, ich wurde ja die schwarze Gefahr noch glücklich los, und gar bald hatte ich das seltsame Abenteuer ver-« gessen. Dann tam eine Zeit fiir mich, ich tann wohl sagen, es war die schwerste meines Lebens. Bei einein unglückli chen Fall brach ich dasBein und wurde fiir alle eit fiir meinen Beruf un tauglich. indu, das waren Tage — na, lassen wir daz, es liegt ja auch ein Menschenalter dazwischen. Jn meiner heimath ließ ich mich nieder, und wil lig und energielos überließ ich meiner Mutter die Führung auf meinem neu en Lebensweg. So widersetzte ich mich auch nicht sonderlich. als lie mich eines Tages mit einem jungen Mädchen zu sammenfühete, die sie für mich als Braut erloren. Ich hatte zwar schon damals einen gar gewaltigen Horror vor der Ehe und ihren Schrecknissen, aber ich war doch zu schwach und halt los, uin einer ernstlichen Opposition fähig zu fein. » Eines Tages buinmelte ich mit inei ner Zuliinftigen durch die Linden· Als wir beim Panovtituin vorbei lamen, äußerte sie den Wunsch, hinein zu ge hen· Das thaten wir denn auch. Die starren Wachsfiguren hatten wir bald satt,und so war es uns denn eine ganz angenehme Abwechslung, als uns eine verfchlosiene Pforte den Genuß von 12 waschochten Dottentotten verhieß. Bei unserem Eintritt war der Saal schon ziemlich start beseit, so daß Dir in ei ner der hinteren bleiben Posta sassen mußten. Allmiibiich aber riittten wir näher, und bald hatten wir die edlen Schwarzbiiuter dicht vor uns. »Da — metn Lebtag verae ich das nicht — erhedt sich aus den eihen der mangel haft bekleideten Jungfrauen ein iu belnder Schrei, und mit einer Ge schwindigkeit von Null Komma Null hängt die eine der Schönen an meinem Halse. »Mein weißer Massen mein weißer Master,« fzetert sie los, und da bei iiißte sie mich wie toll vor den Au gen meiner Braut und des gesammten — vor Vergnügen wiehernden Publi kums. Jch sage Euch, Kinder, das war eine Szene! Wie es mir schließ lich gelungen ist« die stiirmische Maid von mir abzuschiitteln, ist mir no? heute ein Räthsel,jedensalls leicht mu es nicht gewesen sein« denn mein Hals und meine Arme wiesen noch lange die Spuren der bewegten Schlacht. Erst an derThiir athmete ich wieder aus, ich sah mich nach meiner Braut um ——— sie war verschwunden. Und nun kommt das Beste, so gewissermaßen der Ex tratt von dem Ganzen. Am nächsten Morgen erhielt ich einen Brief von den Eltern meiner Braut. Sie bedauer ten in demselben, aus die Ehre, michin den Schooß ihrer löblichen Familie auszunehmen, verzichten zu müssen, aber ein Mann, der ihre Tochter so schwer compromittire —- na, und so weiter, und so weiter — Was soll ich Euch erzählen? Jhr seht, der Kelch ist noch einmal gnädig an mir vorübergegangen, und ein zweites Mal ließ ich mir das Gespenst der Ehe nicht wieder in meine Nähe kommen-— Na, habe ich Grund, dem Negerweis be dankbar zu sein?« HG Ienzeks Doktor-promotion. Keiner hat Menzels Art seiner ge lennzeichnet als Eduard Zeller gele gentlich der Promovirung des Mei sters zum Ehrendottor der philosophi schen Fakultät der Berliner Universi tät. Menzels Promovirung habe im Schoosze der »Lllrna mater« einen-krieg hervorgerusen, weil jede Fakultät den Meister siir sich beanspruchte: die Na turforscher, weil er so tief wie tein anderer in die Erlenntniß der Natur eingedrungen sei Und sie belauschte,tei ner auch die Wirkungen des Lichts so studirt habe wie er; die Chemiter, weil er ganz ausgezeichnet in der Be reitung der Farbenmischungen bewun dert sei; die Technologen, weil er in seinem «Walzwert« bewiesen habe,dasz er ebenso gut Maschinen bauen und dirigiren könne, als malen; die Histo riter, weil er den Geist derVeraanzem heit so erkannt und die-Geschichte so mit dem Pinsel und Stist zu be schreiben verstehe, wie der größte von ihnen; die Philosophen, weiler so ties in das innerste Wesen des Menschen einzudringen und die Erscheinungs sormen des Geistes so tresslich darzu stellen wisse. Schließlich aber hätten sich alle Fakultäten versöhnt, da sie sich sagen mußten, der Jubilar vereinige, wie die philosophische Fakultät selbst, all dies Wissen und Können in sich, sei dies alles mit einem Male. »U«llensteiu-s Hase-« vor hundert Jahren. Wie man vor hundert ahren das Lagerstiick Schiller·s in erlin zur Belebung des Patriotismus in Szene setzte, daran möge im Gedentjahre des Dichters erinnert werden« m dritten Koalitionstriege (1805) spielte Preu ßen leine sehr heroische Rolle. Nicht daß es nicht theilnahrn, tann ihm um Vorwurse gemacht werden« son rn daß es stets hinüber und herüber schwanlte. Als nach der Einschlieszung Maus bei Ulm die Noth der Alliieten groß geworden war, besuchte der Kai ser Alexander persönlich den König von Preußen, den er zur Konvention vorn s. November zu bewegen wußte, nach welcher Preußen, salls Napoleon die an ihn gestellten Forderun en nicht gewährte, seine Truppen aus n Krie sschauplah zu schicken sich ber pili tete. Der 5. Dezember, der Gedenktag der Schlacht bei Leuthen. war sur den Ausmarsch bestimmt. Ueber den vorheraehenden Abend be richtet nun eine Berliner Korrespon denz In Nr.199 des »Franlsurter Journals«: »Den 4. (Dezember) wurde aus vieles Begehren am Abend vor dem Ausmarsch der zweiten Hälfte der tayseren Berliner Garnison »Wallen s;ein's Lager« mit dem Patriotismus gegeben und ausgenommen. der von jeher die Herzen der Preußen ent stammte, sobald König und Staat das Losungsrvort waren. Das ganze Stück erweckte uns nähere Gefühle des Muthes und der Zuversicht erinnerte an Preußen-«- uniterblichen Friedrich nnd zeiate an der Spitze der Gegen wart Friedrichs uns hinterlassenen fidalina und Stellvertreter, Friedrich Wilhelm ten Dritten.« Soweit der Bericht, der uns die in teressante Thatlache überliefert, daß man in der Stadt, in welcher man später die Ausführung des »Tell« ver brt, doch die hilfe des Dichters nicht verschmähte, wenn es fiir bestimmte « wede nathrvendig erschien. Ueber den ishzantimsmus vom Jahre 1805, wie er in dem Bericht sich tundaiht, brau chen wir uns jetzt, hundert Jahre spä ter, nicht zu wundern. Das tann man heute auch noch fertig bringen« und sm- noch eleganter.