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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (March 31, 1905)
W Weißt du wohl? Weißt du wohl, daß du einsam bist? einsam immer bist gewesen, eitdem du weißt. was leben heißt, Seitdem du von dem Nichts genesen? Du gingeft suchend oftmals aus Und fandeft die verwandte Seele, Doch fühltest du, daß zum Verfteh’n So Vieles, ja das Beste fehle. Mein Herz, was deine Tiefe birgt, Kannst du nur mit dir selbst bereden. Laß nicht die Thiir zu lofe geh’n Und nicht hineinschau’n einen jeden. Es wird dich keiner ganz verstehn Niemals sich ganz in dich versenken. Und einfach bleibst du, bis einst Gott « Der Seele wird die«Fliigel schenken. Ihr aniläum. Von A. Gabe r. Fünfundzwanzia Jahre war sie nun im Geschäft thiitig. Heute war ihr Jubeltag Jn dem tnapren schwar zen Tuchkleide mit dein weißen Ein satz, auf dem nur eine kleine Nabel den Kragenschluß schmückte-, mit dem na türlich gestellten, lunstios qeinoteten Haar, machte sie fast den Eindruck ei nes männlichen Buchbalter5. Nur wenn sie die Augen aufschlug, wenn die Leder sich hoben und die dunkelblauen Augensterne so voll verständiger Güte blickten, dann wußte man, daß sie ein Mädchen war, ein echtes Weib. So warm und sonnig strahlten nur Frauen-augen, nur glückliche Frauen augen. ·Bewegt sah sie im Kreise umher aus die zülle der Blumen, die in den ver schie nsten Arrangements ihren Ari beitstisch bedeckten, vom tleinsxen Sträußchen bis zur kunstvoll gewun denen 25 aus Rosen. Und immer neue Gratulanten drängten sirh heran. Arbeits-harte Hände. die des- Mädchens feine Finger drückten, zum Zerbrecken fast; und allen niclte sie glücklich zu. Sie trat sehr beliebt bei den Kollegen und Arbeitern tm ganzen Hause: alle schwörmten für sie, vom kleinsten Lehrling bis zu den Chess hinauf, de ren imposantes Dreiaestirn in leuch tendem Glanze am Grofrstadtbimmel ’erstrahlte. Es war eine der größten Firmen am Platze, in deren Diensten Anna Kühn »im Schreibämel gran« geworden war. Und dann ebbte der Sturm so lang sam ab. Das Röderwert täglich wie derlehrender Pflicht begann. Bald war alles im aewohnten Alltaasaeleifr. Anna mußte die Blumen zusammen binden und auf das Fensterbrett stel len, um ihren Arbeitstisch frei zu ha ben. Aber wenn sie den Blick hob, wanderten die Augen gern mit stillem Gruße hinüber zu den Blumenstrau n. Wie ein hoher Feiertaa lag es heute über ihrem ganzen Wesen. Sie sah sich im Geiste als blutiunges Dingeli chen zur Arbeit hier antreten, den Kon voll von Schulweigheit und mühsam erlernten tausniännischen Formeln und die Hände so unsicher, so ungeschickt in den noch unaewokmten Beschäftigungen Wie hatte sie sich ge tränkt gefühlt, als man ihr die ein fachsten Verrichtungen erklären und vornrachen mußte. Und doch hätte sie das alles nicht getonnt aus sich selbst heraus. Aber dann war sie rasch vor wärts gekommen, sehr rasch. Mit leb haft-rn, immer gesteiaertem Interesse widmete sie sich ihrer Berufgthötigleit, hinter der alles, was außerhalb von ihr lag, zurücktreten mußte. Es war nicht selten, daß Anna ein Familien fest, einen Theaterbesuch ia selbst ein Kan chen versäumte, wenn die sich man mal überhäufenben Arbeiten ein solches Opfer erheischten. Und so war die Zeit dahingegangen. in ibrem sich immer gleich bleibenden Kreislan von einem Jahresabschluß zum anderen. Annas Eltern starben; die Schwester heirathete, eine lleine Rheinstadt wurde ihre neue Heimath Dahin hatte sie den baue-roth itge nommen, der den Mädchen au« dem Elternheiin als Andenken verblieben war. »Du bist ja doch den aanzen Tag nicht da,« hatte die junge Frau ge meint, »Und solch’ ein Hausftand ist eine Last für ein junges Mädchen.« So wohnte Anna jetzt möblirt bei fremden Leuten; und nie war ihr der Gedanke gekommen, daß es anders sein, anders werden könne. Heute, zum erlten Male, itiea ein neuer, fremder Wunsch in ihr aus: es verlangte sie nach einem eigenen Heim. Gedankenvoll blickte sie auf den Hof hinaus. Dort wurden aerade Kisten und Ballen verladen; kräftige Hände rührten sich. Anna kannte die Leute, und auch deren Frauen und Kinder tannte sie. Und jeder von ihnen hatte fein gemiithliches Heim, ein bebagliches Zuhause zum Eigenthum, in das sie freudig zuriickiehrten, wenn der Feier abend gekommen tvar. Anna fühlte-, wie ihr weh um’s Herz wurde. Solch ein Zuhause hatte sie nickt, schon lange nicht mehr. Jhr Beruf mußte ihr al les ersehen. Aber es blieb ibr nicht lanae Zeit zum Nachdenken übrig, und die triiben Gedanken derslogen rasch bei den scher zenden Anrufen, dtie sie jetzt iiber sich ergehen lassen mußte. Die Kolleaen umdriingten sie um mit ihr anzusto ben; es war z rühstiickspatit«. Anna hatte Wein kommen lassen und trank den anderen freudig zu. »Aus nochmals 25 Jahre!« »Um Gottes willen, nein, nur das nichts« wehrte sie scherzend. »Man « Yebkaska Itaatg-3nzeiger Und THMUL J. P. Windolph, Herausgeber-. Grund Island. Nebr» TH. März 1905 ( Zweiter ThciU Jahrgang 25 No. Ext. dars nichts Unmögliches verlangen!« Der Sprecher ließ aber nicht locker. »,,Na, Sie wissen ja iar nich, was sur 25 Jahre ich jemeint habe! ’s ionnen ja Ehejahre sein! Na, da ma chen Sie doch mit, e·’fräulein, nich?« ,,Heirathen soll unser Fräulein Kühn? Nein, das leiden wir nicht. Da würde ja das Haus zusammen stürzen! Nicht wahr, Sie bleiben beim Bau, FräuleinW Anna nickte lachend. Es that ihr so wohl, daß alle ihre Zugehörigteit zur Firma so neidlos anerkannten Sie war eben hier zu Hause; das war ihr Heim, ihres Lebens Inhalt und Freude. Und sie drängte gewaltsam alles andere Wünschen in den hinter sten Herzensscksrein zurück. Der Abend sollte die Kollegen zu ei nem kleinen Festmahl vereinen, das Anna in einem gemiithlichen Lokal in der Nähe bestellt hatte. Darum drängte man bei Geschäftsschluß schnell nach Hause, um den Alltaasrock mit dem Festgewande zu vertauschen. Anna wollte ihr weißes Kleid anziehen, zur Feier des Tages. Daheim harrte ihrer eine Ueberra schung. Sie fand einen Brief oon ihrer Schwester Martha vor, in dem ihr diese schrieb, daß ihr Mann eine Villa getauft und diese ganz modern und neu eingerichtet habe. Nun seien die alten Sachen aus dem Elternhause überflüssig geworden. Ob Anna et was davon gebrauchen tönne? Und weiter schrieb ihr die Schwester: »Wir haben übrigens kürzlich eine alte Be kanntschaft erneuert. Mein Mann fiihrte mir einen Gefchöstsfreund in’g Hans, in dem ich ——— ilnseren guten Werner wiedererlanntr. Du hattest ja damals so ein kleines Faible siir ihn, als er so pünktlich Zur allwöchent licheu Statpartie bei Papa antrat. Ich habe mich immer über ihn geiiri geri, wenn er sich so ohne Widerrede in sein Schicksal ergab und ·stunden lang bei den Karten aushielt. Nun ist er auch schon etwas grauhaarig und hat aroße Unternehmungen bor, denen er sich ebenso intensio zu widmen scheint, wie damals dem Kartenspiel. Es hindert ihn ja auch nichts darau; seine reMnd ist noch immer un beringL Es aeht ihm so wie Dir; Ihr beide seid aneinander vorüberge gangen mit einem fernen Ziel vor Au gen, von dem Jhr das Glück erhofstet; und doch stand es zwischen Euch, zum Zugreifen nah! Werner hat nächstens in Berlin zu thun, wo er übrigens dauernd zu bleiben gedentt. Er er bat sich Deine Adresse; Du tannst ihn also in diesen Tagen erwarten-« Anna saltete den Brief langsam zu sammen. Wie mit einem Schlage schien sich ihr alles verändert zu haben. War denn das noch dieselbeWelt. dr« rh die sie so viele«Jahre lang aescbrit en war? Oder hatte sie nur geträumt und setzte das Leben jetzt da wieder ein, bei jener Zeit, von der Martha in ihrer leichten Weise geschrieben? Franz Werner! Sie sollte ihn wie deUehen, nach so vielen, langen Jah ren! Sein Bild hatte m ihrem Dir zen geruht, und ein Schleier war da rüher gebreitet gewesen, so daß der Alltag nicht daran rühren tot-nir. Und nun war die Hülle entfernt, nnd das Bild strahlte «n unherührtem, sriichem Glanze. Franz Werners lsr wollte zu ihr tommen, und er brachte ihr die Jugend mit. Mit leisem Rufe hob die Uhr an, die achte Stunde zu schlagen. Jhr heller Klang rief Anna in die Wirtlichteit zurück. Hastia deendete sie ihre Toi: lette. Die Kollegen lrsarteten gewiß schon aus sie. " Man sprach noch tagelang nachher im tiantor von dieser Jubiläumaseier. Und alle wJ:en sich einia darüber, Fräulein Kühn hatte hildschön ausge sehen und war so liebenswürdig gewe sen, Ho vdn innerem Gküct durchleuchs tet —4 ein ganz anderer Mensch alg sonst! Und das Fest war aroßartig gewesen, so gemüthlich und doch so sein in jeder Beziehung. Fräulein kühn verstand sich auch eben aus al es. Und dann trasen die lieben alten Möbel aus Anna-J Elternhause ein und weilten in dem vereinsansten Her zen des alternden Mädchens glückliche Kindheitserinnerunaen Sie richtete sich ein eigenes Heim ein, so wie es der stille Wunsch ihrer Seele aewrcen war. Und eines Sonntags hatte sie darin auch den ersten Besuch — Franz Wer ner, der Jugendsreund. Als sie sich beide so Zum Willkom men gegenüberstanden hatte jedes von ihnen zuerst ein eigen betlnnnnenes - Gesühl. Ader es währte nicht lanae, und der Faden war wieder anaetniipst Sie hatten gemeinsame Jnteressemund das warme Gesiihl von einst für-einan der erwachte in ihnen zu neuem Leben. Und dieses Mal übersahen sie das Glück nicht, das da zwischen ihnen bei den schritt. Noch waren die Blumen, die Anna an ihrem Judelseste mit heimgebracht, nicht verweilt, da schenkte man ihr neue: sie war Franz Werners Braut geworden. " »Man soll den Teufel nicht an die Wand malen,« sagte einer der Kol I legen scherzend. »Und ich hatte doch recht mit meinem Wunsch für 25 Ehejahre!« sagte der andere. »Warum die Mädels nur im mer so ärgerlich werden, wenn man vom Heirathen spricht. Wenn’s drauf ankommt, sagt doch keine nein!« — Der Sachverständige Ski2,»;e aus der Tragit des Lebens von W. K r o n e ck e r· Eine vieltöpsige gutgekleidete Men tschenrnengh meist Damen aus der Stadt, drängte gegen die Thiir des Sitzuiigssnate5, als die Strafsache gegen Krüger wegen Beleidigung auf geruicn wurde, und bald war der we nig umfangreich-: Zuschauerrnum bis auf den letzten Platz gefüllt. Kein Wunder! War’s doch diesmal ein richtiger kleiner Sensationsvrozeß, der erwartet wurde, und dernleicben pflegte in der unbedeutenden, noch nicht fünf: zigtausend Einwohner zählenden Stadt selten genug vorzukommen. Inzwischen hatte auch dieAngeklcgte den ihr zugewiesenen, nmgitterten Raum betreten. Eine nicht mehr junge, unschöne Erscheinung, klein, etwas verwachsen sogar, aber mit einem ge wissen weitstädtischen Chit gekleidet! Mit ihren graugriinen stechenden Au gen mufette sie das Auditorium, das sich ihretwegen eingefunden, musterte die !euchtenden,er«wcrrtungsfrohenBlicke rings um sich her. Dann trat plötz iich ein böser, trotziger Ausdruck in ihr Gesicht. i »Nein, nein,« schien er- daraug zu sprechen. »So weit es ier meiner Macht steht, sollt Ihr Euch vergeblich hieher bemüht haben. Vor Euch will mich denn doch nicht erniedrigen.« »Bekennen Sie sich fchuldig?«: fragte nach Erledigung der vorgeschrie- l l«enen Fortnnlitäten der Vorsiyende. Die Angeklagte schüttelte mit dem. fstopfe. · »Ei- handelt sich,« fuhr der Präsi dent fort, »wir Sie ja wissen werden« unt die anonym-en Briefe, die an ver schiedene junge Damen der Stadt ge langt sind, sämtlich Töchter aus Fa milien, in denen der Referendar Dr. Wolf zu verkehren pflegt. Die Ver-— iesung der einzelnen Vriefe kann ich mir ersparen; denn sie lauten überein stimmend: »Hüten Sie sich vor demi Dr. Wolf. Ich kenne ihn. Er meint; es nicht ehrlich mit Jhnen.« Num «zlngetlagte, wenn Sie sich schuldig fühlen, bekennen Sie es lieber frei· Dort auf dem Tische-, bei den Herren Sachverständigen, liegt eine ganze Reihe von Schriftstiicten, die Sie zuge standener Maßen selbst geschrieben ha ben. So dürfte die Handschrifrenver glcichung Sie leicht über-führen tön neu.« ,,Jch hon- die Briese nicht geschrie l-en. Der Herr Doktor Wolf geht mich nicht5«an.« i Jnr Zithörerrauin entstand Bewe gunaj Die Damen steckten die Köpfe zusammen. Man hörte Rufe, wie »Psui. Solche-Personen müßten tin schädlich gemacht werden. So eine Dreistigleit!« — Der Vorsitzende bat sich Ruhe aus und ordnete sodann die Vernehmung des Zeugen an. Sosort wurde es still. Reserendar Dr. Wolf galt als Lebemann und Don Inan, trotzdem er es selbst stets abzu ltreiten versuchte. Würde man heute vielleicht endlich etwa-r Pilantes über seine Vergangenheit aus seinem eige uen Munde erfahren? Der Zeuge, ein hochgewaihsener, im vonierend schönerMann, trat mit leich ter Verbeugung an den Richtertisch. »Sie haben,« so begann der Vor-« sitzende die Vernehmung, »sofort den Verdacht geäußert, daß die Angeklagte die Schreiberin der Briese sei. Wollen Sie uns, bitte, sagen, woraus sich die ser Jhr Verdacht stützt.« »Ich kenne die Angeklagte schon seit langerer Zeit, trotzdem ich nie einWort » mit ihr gewechselt habe. Ich tras siep ais ich noch in Berlin wohnte, merk-— J würdig häufig, und, wenn sieh auch meine Wohnung in der Nähe der ihri gen befand, so hatte ich doch den Ein rncl, als ob diese Begegnungen von der Angeklagten absichtlich herbeige führt würden. Uebrigens hörte ich auch damals schon von anonhnrenBrie sen, die sich mit iener Person beschäf tigten, war aber leider nicht in der Lage, der Sache aus den Grund zn ge hen· Als ich dann hierher Versetzt wurde, war die Angeklagte plötzlich auch hier. Und das frühere Spiel wiederholte sich. Jeh tann keinen Schritt aus die Straße thun, ohne daß sie mir itber den Weg läuft.« »Und welches Motiv könnte die An getlagte für die That gehabt haben?« Der junge Mann erröthete leicht. »Die Angeklagte hat mich in Berlin häufig in Damenbegleitung gesehen Uebrigens-z meist Verwandte von mir! Ich nehme an, daß sich die Angeklagte hierüber aus irgend welchen Gründen geärgert hat· Denn bei einer jeden sol chen Begegnung pflegte sie mir bitter böse Blicke zuznwerfen.« »Nun, Angeklagte, was sagen Sie dazu?« fragte der Vorsitzende. »Es ist alles Einbildung. Jch treffe den Herrn nicht öfter, als andereMen schen, und mit meinem Hierherkommen ist es reiner Zufall. Jch kam her, weil ich hörte, daß tüchtige Putzmacherin nen hier lohnenden Verdienst finden könnten« »Hm --— hm,« meinte der Präsident, »rein, dann müssen wir die Sachver ständigen hören. Sie, Herr Rektor,« damit wandte er sich an einen älteren, schlicht aussehenden Herrn, den Rek tor einer höheren Töchterschule, ,,haben ja bereits in Ihrem Borgutachten be tont, daß die Handschrift der anony men Briefe und die Stripturen, die geständlich von dir Hand derAngeklag ten herrüren, Aehnlichkeit mit einan der aufweisen. Sie bleiben dabei?« ,,Jawohl, Herr Präsident. Trotz dem die Handschrift in den anonynen Brieer entstellt ist, ist die Aehnlichkeit beider Schriftstückgruppen unverkenn-l bar. Sehen Sie zum Beispiel das-» kleine »t«. Hier, wi-: dort, setzt dies Mittelschleife schon im obersten Vier tel des Vuchstabcns an und zieht sich in einemDoppelbogen hinunter, anstatt : daß sie unten, in der Breitseite des» Buchstabean, einsetzt und mit einfachem Bogen hinaustritL Das ist überaus charatteristissh. Jch glaube nicht, daß esmoch einen "ziveite11 Menschen giebt, der von der normalen Schreibart dieses Buchstaben-:- in derselben Weise ab iveicht.« »Das möchte ich doch bezloeifetn,« nahm jetzt der Vertheidiaer der Anges tlagten das Wort. »Ich selbst kenne Menschen« die dass »t« ganz ähnlich, wenn auch nicht genau so, schreiben. Darauf wird es aber nicht weiter an kommen. Nur möchte ich von dem Herrn Sachverständigen eine bündig-: Erklärung, ob er es für ausgeschlossen hält, daß noch Jemand den Buchstaben ebenso schreibt.« »Ich . . . Oh . . . ja----« erwiderte der Angeredete. Zu einer zusammen hängenden Antwort aber kam er nicht. Ihm schwindclte Plötzlich Der kalte Angstschweisz trat ihm ans die Stirn. Hatte er nicht selbst schon einmal dies seltsame »t« gesehen, das. selbe, was er ietzt vor sichs sah? Wie war es blos möglich, daß er daran hatte vergessen können. Und die Zeit wurde wieder lebendig in ihm, diese seltsame Zeit, vor einem halben Jahre war es gewesen, als ans seiner ruhigen, ernsten Tochter urplötz lich ein reizbareg und lannischeg Kind aeirorden war, das abwechselnd lachte nnd weinte, ihre Arbeit dernachliissiate nnd wie eine Tranmwaisdelside am heranra. »Unsere Ottilie ist verliebt,« hatte feine Schwester gesagt, die seit dein Tode der Gattin sein «.f)au5wesen lei tete. Und dann war der Abend aelom men, an dem sein deind bei ihm ansie tlopst und ihn mit einer Stimme, fanneiehelnd und rührend, wie er sie noch nie gehört, gebeten hatte, sie doch nach Berlin zu Bekannten fahren zu lassen. Sie habe eine so schnellt-he Sehnsucht, das neue Theaterstück zu sehen. von de m ihre Freundinnen ihr dnraesrhwärmL » Mit ruhigem Tone hatte er seine tiinwilliaung gegeben: »Du bist erwachsen Schon zwei-· undzmanzig Jahre alt. Warum sollst Tit nicht allein reisen dürfe-IN Ader sie war nicht gereist. Am nächsten Tage war ein Brief ans der Stadt an sie gekommen und als- sie den gelesen, hatte sie sich in ihr· Zimmer einaeschlosseii, wohl zwei Stunden lang. Und war dann mit verwinten Au aen zum Vater geschlichen nnd hatte ihn gebeten, sie doch zum Onkel aufs Land zu bringen. Er hatte eingewilliat, weil er wohl qesehen, das etwas entzwei gegangen war in ihr. Auf dem Lande wars-e dann geiundet und hatte dort auch ihr Glück siir’s Leben gesunden. Seit we nigen Wochen war sie die glückstrahs lende kleine Frau eines braven Doma nenpächters. Und der Brief« den er ain Tage nach ihrer Abreise gesunden, der warnsende Brief« in dem nichts als die Worte«ge standen: ,.Reisen Sie nicht mit ihm nach Berlin. Er wird Sie verderben, wie er schon so viele verdorben hatt« Dieser Brief war von derselben T Hand geschrieben, von der die Schrift ’ stücke waren, die da vor ihm lagen. s Nicht das »t« allein sagte ihm das. Neint Alle, alle Buchstaben! Großer Gott! »So war sie es also, die seinem Kinde Ehre und Seelenfrieden geret e . Und sie sollte sein Gutachtew in’s Gefängniß liefern! Wie wäre das möglich! Vlitzschnell zog er das alles durch seinen Sinn. Dann verließen ihn Plötzlich die Kräfte. Es wurde ihm schwarz vor den Augen. Mit den Fingernägeln versuchte er, sich in die grüne Decke des Tisches einzukrallen Aber vergeblich. Er wankte und schlug mit wuctsiti gen-. Schlage gegen den Boden. »Ein Glas Wasser, schnel!!« befahl der Vorsitzende. Der herbeigerufem Arzt stellte einen schweren Nervenchok fest. Eine Vernehmung sei bis auf weiteres ausgeschlossen - Von zwei Gerichts-boten mehr ge tragen, als geführt, verließ der alte Herr den Saal. Die Verhandlung aber wurde, da noch ein zweiter Sasb verständiger zur-Stelle war, auf über einstimmenden Antrag von Staatsan walt und Vertheidiger zuEnise geführt. Dieser zweite Sachverständige, ein Kanzleibeamter, gab sein Gutachten dahin ab, daß, wenn auch eine gewisse Aehnlichkeit zwischen den beiden Schriftstiiclsigrupren vorhanden sei, man doch nicht bestimmt sagen könne, daß beide von einer Hand herrühren. Tsie Berathung des Gerichts dauerte nur kurze Zeit. »Angeklagte, Sie sind freigespro chen,« so verkündete der Vorsitzende das Urtheil. Die starrt-s erst verfiiindnileos ror sich l,in. Jhr Auge suchte den Platz, an dem der alte Mann zu Boden ge sunken war. Dann ging es wie ein Leuchten über ihre Züge. Es war, alH sei ein Strahl von der hellen Sonne drauf-en in ihr umdu sterteg Gemiith gefallen. Ueber Geldschränke plaudert der «Gauloi5«, indem er die Oeffnung des GeldschrantS von Sude-— ton zum Ausgangspunkt nimmt. Frü her tewahrte man sein Geld auf, in dem man es in der Erde vergrub. Heute geben Iahlreiche Funoe Nachricht von der Sicherheit solch’ netiirlicher Schithtatnmern, die jetzt nach Jahr hunderten erst wieder dem zufällig da rauf stoßenden Spaten oder Pflugc des Landmanng ihr Geld darbieten. llnd die Umgebung bietet unzähliae solclser Geldschränte dar, die Dielen, die Mauern, das Stroh des Beine-, darin versenlten früher die Genie ihr Vermögen. So giebt es auch heute noch Menschen, die ihre Wertbpapiere im Ofen verbergen oder sie unauffällig in eine Vase auf dem Kamin, in eine Uhr, in ein nur ihnen bekanntes Buch ihrer Bibliothet legen. an Allgemei nen aber ist man von dieser Art, das Geld aufzubewahrendoch abgekommen und bedient sich jetzt der sicheren und Zeitaesniißen Mittel, die sich in einem modernen Geldschrant darbieten. Der älteste (Steldfchrant, den man kennt, be findet sich wolil in einer Sakristei der berühmten Kathedrale von Binng tie- ist ein eichenlsesctilagener schwerer Finstern den der Cid verschlossen und iversiegelt den Geldleihern von Bat-rei lona zurückließ, da er mit dem von Hihnen qeborgten Gelde gegen die s Mauren zog. Er wäre, sagte er, voller s Kostbarkeiten So groß war das Ver strauen, das die Geldleiher dem Gib Camoeador entgegenbrachten, daß sie ihm ihr Geld überließen und den Inhalt deg Kastens nicht im tersuchen wollten. Der (sid tam von seinem Zuge zurück, iahlte den Gläubiger-n ihr Geld mit den Zin sen aus und öffnete dann vor ihnen den Kasten; er enthielt nur Lumpen. Schon die Helden Froissarts führten einen ,,langen Koffer ganz aus Eisen« mit sich, in dem sie ihre Schätze gebor gen hielten. Solche frühenGeldschrän le mit prachtvollen gotischen Beschlü gen, von schweren Ketten umschlossen, sind noch erhalten. Bald wurde der Geldschrant ein allgemein bekanntes MöbelstücL La Fontaine prägte das bitterböse Wort, daß der Schüssel zum Geldschrank auch die Herzen öff ne, und Beileau stellte die auch heute noch ebenso wahre Thatsache fest, daß der künftige Schwiegervater seine sszeldschränte entleeren müsse. Zu allen Zeiten hat zwischen Geldsrhrän len und Dieben ein so heißer Kampf aeherrscht, wie zwischen unseren mo dernsien Geschossen nnd dem Panzer der neuen Schlachtschiffe. So bat man auch die Geldschränle mit im mer stärkern Stahlplatien uman zertx wahre Festungen sind entstan den, gegen die die Einbrecher mit al len Mitteln der modernen Technik zu Felde ziehen. Gegen Feuersgefahr werden sie durch eine zwischen diePlat ten gelegte Schicht Asche geschützt; loniplizirte Buchstabenfysteme ermög .licben allein das Ausschließen Elek trische Läutetverte wurden angebracht; gewisse Borrichtungen setzen den Schrank unter Wasser, wenn er ge waktsam geöffnet wird. So ist es also den Dieben jetzt recht schwer ge macht, in die Geldschränke einzudrin aen, und doch versuchen sie es immer wieder, die so sorgfältig verschanzten Schätze zu rauben -- Uralte Bade-Anlage. s Jn Wildbad ist eine historisch sehr interessante Entdeckung gemacht wor den. Bei Grabungen ist man auf eine uralte Badeanlage gestoßen, die lsis in’s früheste Mittelalter zurück reicht. an der Tiefe von vier Metern unter· dem gewachsenen Boden fand man in den Schichten des ,,Rothlie genden«, zwischen Granit und Bunt sandstein, eine rundliche Grube von fünf Meter Weite mit senkrechten Wänden. Als man noch weiter in die Tiefe grub, fand man bankartige Ab sätze. Unter dem zweiten Absatz be ginnt die eigentliche Quellfassung in Gestalt einer weiteren Vertiefung. Bei zwölf Meter Tiefe unter der Straße stieß man dann aus die Sohle der Grube in Granit und den natürli chen Ausfluß der Therme, die mit ei ne: Temperatur von 84 Grad Celsius aus der Grenze zwischen Rothliegen dem und Granit herausspudelt. Die ganze Anlage ist ebenso sorgfältig als zweckmäßig Große Mengen Schutt, Bretter u. s. w. zeigen, daß in der Grube sich ein hölzerner Einbau be fand und daß über dem Bade noch ein hölzerner Bau errichtet war. Die ganze Anlage scheint einmal einem · großen Hochwasser zum Opfer gefal len zu sein. Auf die Zeit dieser Ber nichtung weisen zahlreiche alte Gefäße hin, die auf die Hohenstaufenzeit hin deuten. Eine eiserne Axt hat große Aehnlichkeit mit römischen und ale manisch-sränlischen Stücken. Bisher wurde als älteste, geschichtlich beglau bigte Erwähnung des Bades in Wild bad der von Uhland besungene Ueber fall des Grafen Eberhard (im Jahre ·1367) angesehen, durch diese neuesten Funde hat sich aber herausgestellt, daß die Quelle schon Jahrhunderte vorher zu Badezwecken eingerichtet waren. Eine seltsame Postveförderung An der Küste der großen Hebriden Insel Lewis wurde am 10. Februar ein schaflederner Beutel mit einem klei nen Zettel gefunden, auf dem zu lesen war: »St. Kilda Post, bitte den Post beutel zu öffnen.« Jn dem Beutel fand man fünf Briefe und zwei Postkarten von Bewohnern der Jnsel St. Kilda, die Isach verschieden-en Orten Schott lanos adressirt waren. Der Beutel hatte nur zwei Tage gebraucht, um den über lus) Kilometer langen Seeweg Zur Insel Lemis zurüclzulegen. Vom Postamt in Stornowah, dem Haupt orte der Jusel Leimsi, lourden die Brief-: an ihre Adressaten weiterbeför deri. Einige der Briefe war-en aller dings so ven Seewasser durchnäßt, daß sie kaum zu lesen sind. Die etwa 75 Bewohner der abgelegenen .Iebri: den-"«-11sel St. stilda stehen, wie der T ..Frankf. tha.« aus London geschrie ben wird, nur nsiihsrend dreier Som mermonate in Verbindung mit der Auszenwelt. Um Neujahr pflegen sie darum eine schwimmendeVostsenduna in einein ausgehöhlten Hdlzstiicke dem Meere anzuvertrauen, und der heftige Nordweststurm, welcher am 8. Januar tobte besorgte die schnelle Beförderung der Post der einsamen Menschen. Die Bewohner von St. Kilda nähren sich durch Weben von HViiespun-Tuch,11nd die Briefe waren darum meist an den Glas aower Aaenten für dieses kr ;euai: isz ihrer Haugindustrie aericliiel. Aus alter Zeit. Jsm Alter Von 108 Jahren ist oor einigen Tagen in Kingsion-onThames Fräulein Henrietta Johnson. eine Ge spielin von Jeroine Patterson Bona parte, dein ältesten Sohne des Königs «Jmnierlustie«, gestorben. Sie war 1796 in Bialtiinore geboren, hat also in drei Jahrhunderten gelebt. Als Kind war sie im Hause ihrer Pflege eltern Caton häufig mit dem kleinen Bonaparte zusammen, der aus der Ehe Jerome Bonapartes mit Betsy Patterson entsprungen war. Navoleon versagte dieser Ehe bekanntlich seine Anerkennung nnd zwang seinen Bru der, die Prinzessin Caroline vonWürt temberg zu heirathen. JnAmerita aber galt die erste Ehe Jeromes als gültig, und die Nachkommen seines Sohnes erste-ten sich einer angesehenen Stel lung. Henriette Johsnson kain 1840 nach England als Haiishälterin der Ladh Welleslen, einer der Baltimorer Catons, während zwei andere Schwe stern den Herzog von Leeds und den Lord Strafsord heirathetern Seit ei neni Menschenalter bewohnte sie ganz allein das Häuschen in Kingston, in dem sie jetzt gestorben ist. ——--.- O-—— Es giebt viele Rathe aber nur wenig guten Rath. « Das Lächerliche nimmt man ebenso ernst, wie man das Ernste belacht. Wenn eine Frau schon ein Geheim niß nicht veträth, so muß sie wenig stens sagen, daß sie eins weiß. Hinderniss. « Fremder (enttäuscht): »Ist das die ganze schöne Aussicht?« i Wirth: »O nein; hinter dem Hause ist auch noch ein Stück, aber da steht sgerade Einer vort«