.«il-lerre»nloses Gut. Roman von Mkie Bernhard. th. Fortsetzung) »Mein Gott -- sind Frau Gräfin nicht wol?« fraate sie bestürzt. - »Arie«-es ist nichts Schlimmes! Nur das Gewitter, das sicher herauf zseht und Las mir die Nerven verstört .;.ch spüre es immcr schon lange zuvor Im ganzen Körper —- Sie fanden ja gleich« alå ich zu Jhnen ins Zimmer trat, daß ich angegriffen aussehe! Wenn Sie mir nur ein Glas frisches Wasser verschaffen könnten, so kaltes irgend sein kann -—« »Mit tausend Freuden! Aber darf ich nicht lieber Wein . . . ich habe guten alten Portwein im Hause, nichts ge fälschtes —« »Um Gottes willen! Wein wäre Gift fiir mich in meiner Verfassung und bei dieser Hitze! Nein. nein, Sie dürfen sich nicht um mich ängstigen — « ich kenne das an mir, es geht vor über! Nur ein Glas Wasser, bitte!« " »Dars ich nicht wenigstens ein wenig Himbeersaft dazuthunts Ich habe so schönen draußen in meinem kleinen Eisschrant, im Nu ist er da! Das gibt mit Wasser zusammen solch einen ans genehmem erfrischenden Geschmack —·' »Das nehme ich mit Danl an! Sie find sehr gut zu mir — wirklich, Sie dürfen sich nicht ängstigen!« — Frau Alwine Erdmann ging rasch in ihre kleine, am hinteren Ende des Hausslurs gelegene Küche, sie drehte ten Hahn der Wasserleitung auf und ließ tüchtig Wasser ablaufen,s«amit es gehtrig kalt werde. Aus dem Küchen schrant holte sie einen schönen, allwo dischen Glashecher mit Täubchen und Blumenranten, er wurde aus einerr tleinen Teller aeftellt. der Himbeersaft ; und ein silberner Theelössel herbeige z« bracht —- halt, vielleicht wunschte die s Gräfin noch etwas seinen Zucker da zu! Hier warwoch noch welcher in der kleinen Porzellandose gewesen — oder hatte sie ihn dort in dem Glasbehäk ter? Mein Gott, das hielt sie nun ; cklles so aus, und der armen Gräfin s" war so schlecht, sie wartete gewiß schon sehnsüchtig auf das kühlende Geträntt Nun endlich! Hier war der seine » Zucker — da das kalte Wasser —— sie hatte alles beisammen! Als sie wieder ins Zimmer trat, das Tablett mit der Limonade vorsichtig in den Händen, saß die Gräsin in der selben Stellung, in der sie sie verlas . sen. am Tisch, den Kon in die Linie E gestützt, die rechte Hand mit dem Sp.tzentitrhlein gegen Stirn und Au gen drückend. Seitwärts aus dem Tisch lag das flache Papierpartet, mit dem rothen Band umwunden. Aber vor der Gräsin am Fußboden saß Schusterle, der kluge Pudel, mit unruhig suntelnden Augen, wedeln dem Schweif und hoch erhobenem ; Kopf. Er wittert in die Lust, er war offenbar aufgeregt und stieß kurze, winselnde Laute aus. Und die Gräfin tranl ihre Himbeer limotiade, bedankte sich immer wieder und fuhr davon, noch ehe das am Himmel drohende Gewitter zum Aus bruch kam. —- Frau Alwine hatte sorgfältig ihr kleines Packet verwahrt, alle gebrauchten Teller und Gläser .sortaeräumt und wiederholt Schuf terte beschwichtng der fortfuhr zu - winsetn und in die Lust zu wittern, als spüre er da Unheil. . »Was hast du denn, Schusterle? »Was ist dir nur?« « Aber Schusterle konnte, so klug er war, keine Auskunft darüber geben, was ihm war —und auch nicht über das, was er gesehen hatte. 21. E Frau Dora Pioirowgkn war gestor: i ben, nach langem, schwerem Leiden, nach hartem Kampf. Ihr war die Ruhe zu gönnen —— sie hatte jahrelang die schwere Krankheit mit sich herum-« geschleppt, und sie hatte es gewußt, daß dieselbe hoffnungslos war. Ledig lieh ihrem Mann und Hanna zuliebe, die sie im Verein beschworen hatten, einen berühmten Spezialisten sitr herzleiden zu befragen, hatte Frau Dorn sieh dazu verstanden; der große Mann gab ihr dieselben Verhaltung5: « maßregeln, die ihr langjährigetHaugs arzt ihr anempsohlenx äußerste Ruhe ! —gleichcnäßiaes Leben --— leichte E Diiit —- nicht die kleinste Gemüths - bewegunqk Um die Patientin ein we: kein zu beruhigen, hatte die Koryphäe der Wissenschaft noch eine neue Medi zin ausgeschrieben und gemeint, die werde ächer gute Dienste thun. Aber die kranle Frau war nicht mehr zu täuschen, sie bedurfte auch keiner Be ruhigung, denn der Tod hatte keine M süt sie. Wohl wurde ihr M Scheiben von ihrem Gatten, von Hans-n schwer — aber in alle; Stille J M sie sieh lange schon daraus vor bereitet. und ihr Leiden war so groß, MS- pst das Ende herbeigesehnt W Poch-te es denn sein! »O Haus war schon seit ehren Mi. » Sie tte mit dem atien — Un ihrem ode gesprochen —sein - » bei solchen Gesprächen hatte W nnd weh zugleich gethan nnd Wo n bal »Mas W eint i, das »p! II M sie nie hergesen, p« IM ·Ienocd, und W Oe Meebe auch nim, » -,-;-. «H-»...-.»-.« - .. da Hanna verheirathet war, sehr ein sam sein... sehr einsam — An ihre alte Mutter, Frau Ursula Graditzer, die in Breslau lebte und zu hinfällig war, um die weite Reise zu ihrer einzigen Tochter wagen zu tonnen, schrieb Frau Dora einige Wochen vor ihrem Tode einen langen, ausführlichen Brief —- schrieb ihn in verschiedenen Absätzen und schrieb ihn heimlich, denn der Brief griff sie an und regte sie aus, und doch fühlte sie sich gedrungen, ihn zu versassen. Sie nahm Abschied von der alten Mutter, sie dankte ihr für alle Liebe und Treue, die sie ihr erwiesen. und legte ihr den Gatten nnd das Pslegetind, das sie wie ihre eigene Tochter liebte, warm ans Herz. Hanna sei freilich verheirathet, glänzend verheirathetso gar, und liebe ihren Mann abgöttisch Fallein man könne doch nicht wis en . . . An ihren Gatten und Hanna schrieb Frau Dorn nur wenige liebevolle Zei len. Die beiden waren immer nm sie gewesen, die wußten Bescheid in ihr, da bedurfte es nicht vieler Worte. Auch an Willsried Cotta nnd Attvine Erdmann hatte sie noch schreiben müs sen-ja müssen! Es hatte ihr teine Ruhe gelassen. erner schon, seit Jahren, hatte sie der Gedanke ver folgt, was werden solle, wenn Hanna durch irgend einen unglücklichen n sall das tragische Schicksal ihrer milie erfahren würde. Seit Alwine Etdmanns Besuch und gar, seitdem sie wußte, daß diese mit Hannas Gat ten non früherer Zeit her-in«srennd Icharmchen Beziehungen nano, war tiefe Furcht in ihr fast zur sixen dee geworden. Frau Dora sagte sich ies selbst, war aber zu schwach, zu traut, ung ernstlich dagegen an utämpfen. Sowie Hanna zu ihr zum such kam, sowie sie nur ins Zimmer trat, sah die arme Frau. ihr angstvoll, mit ge beimem Zittern, ins Gesicht: weiß sie auch noch nichts? Ahnt sie auch noch nichts? Sobald Hanna gesprächss neise Atwine Erdmanns Namen er wähnte, zuckte Frau Piotrowsty zu sammen, und ihr Herzschlag setzte aus, in dem Gedanken: jetzt hat die alte Frau mit ihr gesprochen. jetzt hat sie ihr alles gesagt. Mit einer behenden Hand, die taum die Feder noch zu re gieren vermochte, hatte sie an den Schwiegersohn, an Alwine Erdmann wenige Zeilen geschrieben und die bei den beschworen, Hanna um Gottes willen in Unwissenheit ihrer hertunst Du lassen, sie kenne das unter äußer lichem Gleichmaß schlummernde heiße und bis zur Exaltation leidenschaft liche Temperament ihres Pslegetindes Zur Genüge, und sie könne fiir die Folgen, die eine solche Eröffnung siir Hanna haben dürfte, in teiner Weise einstehen· Nun war sie abberusen worden, ohne das aesürchtete Ereigniß erlebt zu haben drothin abberufen, wo Angst und Zittern ein Ende hat« wo alle it dische Noth und Sorge von uns ab fällt wie leerer Tand. Sie ruhte aus ihrem letzten Lager, weißgetleidet wie eine Lilie, die Hände friedlich ineinan dergesaltet, unter Blumen gebettet, die lieben blauen Augen müde ge schlossen. «Mein Dorchen, mein gutes. gelieb tes Dorchen!« Arnald Piotronzsth hatte sein er grautes Haupt aus die eistalten Hände der Todten herabgebeugh er weinte wie ein Kind. Es ergingihm, wie es Tausenden vor ihm ergangen ist, Tausenden nach ihm er ehen wird: er hatte geglaubt. dur die lange und schwere Krankheit auf die sen Tod vorbereitet zu sein, er hatte ihn sogar zuweilen für seine arme Dulderin herbeigewiinscht . .. je t, da er gekommen war, fand er den anu hilflos, sanunggtog, gebrochen. Still nnd ernst ging Hanna in ih ren schwarzen, langschleppenden Trauergeivändern hin und her im Hause, alles ordnend, alles bedeutend, jede Pflicht und jede Last auf sich neh mend, als etwas Selbstverständliches. Sie war für eine kurze Zeit gan in das Trauerhaug übergesiedeit, sie tte eingesehen, das mußte sein! Hier war si jetzt nothwendig, sie konnte ihren Dank für alle Liebe und Güte« die ihr die Todte erwiesen, nicht besser abtra gen, als indem sie dem Pflegevater in diesen schweren Tagen zur Seite stand. Sie war seine einzige Stütze, er war völlig haltlos ohne sie. »Dan na, wie machen wir das?« «Bestimme du das, mein Kind, wie du es stir gut hältst!" »Hast du auch dies angeord net ——und dies?« So hieß es zehn mal, zwanzigmal während eines Ta ges —er ging der jungen Frau nach von Zimmer zu Zimmer-, er bat sie, wie ein Kind bittet: ,,Bleib’ bei mir, neh’ nicht forts« Und wie bei einem Kinde zitterte ihm die Stimme, zuckte es ihm von mühsam zurückgehaltene-n Weinen beständig um Augen und Lip pen. Auch Willfried Cotta sah es ein, da seine junge Frau sieh der Liebes pfl eht gegen das PiottMWseheHaUH sent nicht entziehen könne -— Dann-I hätte ei nicht nöthig-gehabt erst an sein gutes her- zu appelliren. Er hatte die Verstorbene an richtig gern habt und Wsehiiitx onders hatte er es ehe engeren-net daß sie Free richtig düntte; sie hatte tein unwissen des Gänschen aus ihr gemacht, mit dem man tein vernünftiges Wort re den. dein man keine Kenntni e und teine Interessen zutrauen urste Ebensowenig war Hanna eine selbst bewußte emanzipiete Frnuenrechtlerm geworden, die die Männer in die Schranken fordert und jedes weibliche Empfinden abgestreift hat -— eine Spielart, die Cotta noch antipathi scher war, als die des stereotypens Gänschens War auch Hannas aus- - grsprochene Eigenart schwer ins Ge- i wicht gefallen, um sie zu dem zu ma chen, was sie war, so hätte immerhin Frau Dvra durch Verbieten und Wi s derstreben viel verderben können, nnds daß sie dies nicht gethan war ein nicht zu unterschätzendes Verdienst ( Indessen, man kann eine Sache sehr ! wohl mit dem Verstande einsehen, sie auch gut heißen und doch im tiefsten Innern damit nicht einverstanden sein. So erging es Willsried Cotta bei dieser Gelegenheit Hanna sollte bei Piotrowsty bleiben, gewiß, ihm helfen. ihn stützen, alle Pflichten einer liebevollen Tochter erfüllen. Aber zu gleich widerstrebte es ihm, dasz dieser Todesfall ihm gerade in die Fütter wochen fiel, daß er Hanna nbthigte, von ihm fortzugehen, sieh tnit so trau rigen Dingen, wie Leichenseierlichteit und Begräbniß es waren abzugeben, ihre jungen, blühenden Glieder in tiessehwarze Kleider zu hüllen statt der schönen malerischen Gefzvändeh die er mit so großer Sorgsal für sie ausgesucht hatte, in denen er sie so gern sah. Zudem. .Willsried Cotta ging vollständig aus in seiner Kunst sie war ihm Lebensluft und Sonnen schein, sie war ihm einsach alles! Nie war ihm wohler, als wenn er fühlte, daß er in schaffenssreudiger Stim niung war, daß seine Arbeit ihm ge lang! Die Schöpfertrast, die ihn in solcher Zeit durchdrang, machte ihn zum glücklichen Menschen, sie machte ihn warm. weich, mittheilsam; dann gerade so erzog-en hatte wie es ihn s i ging von feinem Wesen jener Zauber aus, der ihm mühelos die Her en ge wann, der es vollbrachte, da man ihm Dinge verzieh, die man andern schwer verdacht hätte Und gerade jetzt war sie da, diese Zeit des mühe lesen, freudigen Schaffens der geho benen Stimmung —- seine Pfhche »wurde«, das fah, das fühlte er, das ließ sein Herz freudiger klopfen, ließ ihn unermüdlich sein. Es tonnte ihm nicht mehr begegnen, daß ihm, dem berühmten, geübten Meister, eine Arbeit mißlang —- daß aber die eine ihm lieber war, besser glückte als die andere-— dies Loos theilte er mit jedem anderen schaffenden Künstler Es lag etwas süß Geheimnißvolles über dieser Pshche, ein zarter. poeti scher Hauch. Cotta empfand, während er sie schuf, einen eigenthümlichen Reiz —- laum jemals zuvor hatte ihn in feiner langen, ruhmvollen Künstler loufbahn derProzeß des Werdens der artig interessirt. Er dachte fort und fort an sein neues Wert, er zitterte vor Ungeduld, daran zu arbeiten. und jetzt, gerade jetzt ging Hanna auf mehrere Tage von ihm fort War er auch nicht der Künstler, der ängstlich an feinem Modell klebte, dem dasselbe zu einem Schafer unerläßlich war ---— diesmal schien es ihm, er tönnees kaum entbehren. Umsonst sagte er sich, es sei jetzt gerade Zeit und Gele genheit da, die Nebendinge an der Figur, die doch schließlich auch gethan werden mußten. Gewandung, Falten wurs und dergleichen,«in Angriff zu nehmen —es wollte damit nichts wer den. Unaufhörlich sprach er es sich vor, daß es ein Jammer sei, in sol cher Schaffensstimmung nicht das herstellen zu tännen, was dem Wert die Weihe gab. Halbe Stunden lang konnte er im Atelier stehen, die Hände auf dem Rücken verschränkt, halb zor nig, halb bewundernd die Tonfigur anstarrend, die ihm innerlich soviel zu schaffen machte. Aber das war es nicht allein. Jhm fehlte nicht nur das Modell zu seiner Pshche — ihm fehlte auch merkwürdi gerweise seine junge Frau. Sie fehlte ihm viel mehr, als er dies selbst für möglich gehalten hatte. Schon, daß sie viele störende Elemente, die das L,eben die Außenwelt mit sich brachte, stillschwigend von ihm abwehrte, Be suche entgegennahm die sich durch den Diener nicht abfertigen ließen. uner läßliche Briefe an die Kunsthändler und Zeitungsreporter schrieb. aus dringliche Bewunderer und Verehre rtnnen von ihm fernzuhalten wußte —dies alles s on, was ihm bezahlte Leute nie geleitet hatten und auch n cht leisten tonntem hatte er als eine Wohlthat empfunden. 65 freute ihn l auch, sie um sich zu haben, sie flehen und gehen zu sehen. sie reden zu hö ren. Sein außerordentlich fein aus gebildetes ästhetiscer Gefühl wurde niemals durch Hannag Akt verletzt — im Gegentheil, es wurde fehr häufig durch sie gehoben nnd gesteigert. That fächlich laufchie ja die junge Frau auf feinen leisesten Wint; fein Wohl- ; befinden, feine künstlerische Stim- f mung war ihr einziges Sinnen unds Trachten, dies aber tam fiir Cotta taurn zur Pereeption, er fühlte sich» frei und unbeobachtet, hannas Für sorge fiel ihm niemals unbequem aufs die Nerven, weil sie nie im geringste aufdringlich war. Sie erwartete und verlangte nichts fiir sich felbft, alles « nur für ihn. Er hatte geglaubt, ein besseres Leben wie« als Junggeer könne es für ihn nicht geben —- fett fah er, daß fein Leben an der Seite einer Frau —eben dieser feiner Frau! —- noch un leich anfaehrner war. Die Ehe war f r ihn n cht, wie er immer in der Stille gefürchtet hatte, zur Fes WUW ) sel geworden, fee gab ihm, sowie11 nna war, Freiheit vollaus, und er I ar gerecht genug, sich zu sagen, dass es nicht viele Frauen geren durfte, die » ihn diese Freiheit so unumschränkt ge niegen lassen würden. o kam es, daIz er sie vermißte, täglich, stündlich — mehr unmuthig und ungeduldig allerdings, als gerade zärtlich oder schmerzlich --—— aber doch verniisztei Alles. was durch ihre Ver mittlung gegangen war, was ihre sorgsame Hand von ihm seritgehalten hatte, kam jetzt wieder dirett an ihn. Die Dienstboten, noch neu in ihren Pflichten, und gewöhnt, bei der ge ringsten Kleinigkeit sich an die gnä dige Frau zu wenden, fragten zehn mal am Tage zur Unzeit, wie Herr Professor dies oder jenes wünsche, ob er ausgehen und wann er wiedertom nien werde ——— ob er diesen Herrn em pfangen und jene Dame sprechen wolle —ob man das Mittagssen um zwei vier um drei Uhr austragen solle— ob ein Souver gewünscht werde und« ob talt oder warm — welche Wein sorte, oder vielleicht lieber echtes Bier... »Es ist einfach um verrückt zu wer den —verriiclt zu werden!« Willsried Eotta unterbrach seine stiirmische Pro menade durch das Wohnzimmer seiner Schwägerin, blieb vor ihr stehen und fuhr sich ergrimmt mit der Rechten in sein volles, buschigeg Haar. »Gar nicht, als ob man’«g mit vernunstbes achten Wesen zu thun hat! Drei Trottel, drei Jdioten —- Köchin und Diener und ZimmerinLideL alle u sammen! Reinen eigenen Gedan en, tein Atom von Ueberlegung —- und wenn es mal danach aussieht, kommt erst recht der helle Blödsinn zutage! Soll man es glauben? Jeht eben erst haben diese Bestjen mich derartig ra biat gemacht, daß ich ihnen die Thüren vor der Nase zugelnallt habe urs- hier bergerannt bin, bloß um meine Ruh zu haben!« Frau Kittn sah mit einem unter-. drifickten Lächeln von ihrer Handarbeit au . " »Was haben sie denn ausgestellt?« »Ach —schiclen mir ohne weiteres ein verdrehtes Frauenzimmer ins Ate lier, so eine, weißt du, die es mit der Kunstraserei hat! Versteht natürlich tein Jota, nicht den blauen Dunst! Hat aber Geld, ist srisch von Amerika hierher importirt und dentt nun, sie nzußtdoch den Münchenerstunstschwiw tel mitmachen und den Leuten zeigen, daß sie ’n paar Millionen hatt Wenn es nicht immer so ’ne Unzahl Esel aäbe, die vor dem Mammon bäuch linas aus der Erde liegen, dann käm! es nicht vor. das-, solch’ goldene Gans denkt, die Kunst ließe sich einhandeln, wie ’n Sack mit Haselniissen. und die tiinstler wären blosz dazu aus der Welt, um ihr ödes wäsch anzuhören und womöglichst ernt zu nehmen. Na, an mir hat dies iiberseeische Exemplar teine Freude gehabt —- binnen siins Minuten h t sie sich meine Atelierthiir von drauszt anschauen tönnent'« »Kann ich mir lebhaft vorstellen.« Frau Kittn sah den erzürnten Schwa qer an und lachte »Du hast aut lachen! Wenn Hanna dagewesen wäre, hätt’ so etwas nicht vortommen können, einsach nicht vor tomment Die nahm mir das alles ab tsnd erzählte mir später bei eTisch die Geschichte so humoristisch, daß wir noch beide unseren Spaß daran hat ten. Jetzt aber —- Stimmung zum Teufel, Arbeitslast zum Teusel, Hu mor zum Teufel —und das soll noch überhaupt ein Leben genannt werden!« »Ja, lieber Will, du thust rnir aus richtig leid —- aber sreuen thut's mich Zäh, was du an hanna eigentlich t.« »Endlich merkst? Erlaube mal, Kitty —« »Ja, endlich!« Sie hob die Stimme und sprach unbeirrt weiter. »Du hast gedacht, wunder was gethan u haben, als du so gnädig warst, i r deine Hand aniubieten —- und sie, blind lings verliebt wie sie ist, armes, jun aes Geschöpfchen, thut ja auch, als sei Vater Zeus in Person vom Olymp gestiegen, um sich zu einer armen Sterblichen Wabzulassen —« »Wa, nor mat, Vater Zeug ist aber start! Ueherhaupt diese ganze mythoi logische Parallele —« »Ach was-! Ich bin froh. mich mal aussprechen zu lönnen ———da soll ich wohl auch noch meine Worte und Ver aleiche sorgfältig überdenlenl Dann hat sie dich wie einen Pascha ver wohnt, nnd du hast dir das wiederum in Gnaden gefallen lassen, ohne zuj bedenten, was für ’nen kolossalen Ge- » winn du ans der Lehenslotterie ge zogen hattest, ohne dir dessen bewußt zu fein, was siir ein süßes, reizendes Wesen deine hanna ist! HundertmaL wenn ich euch beide zusammen gefehen habe, hat«-s mich innerlich gegiftet, wenn ich es mit anschauen mußte, wie sie keinen anderen Gedanken gehabt hat, als dich -—— und wie du . . .« »Aber Kittnl Sieh zu deinen Wor ten! Da thust fa gerade so, als hätt’ ich meine Mauii schlecht behandelt!« »Das nicht -——nein! Das hab’ ich nicht lagen wollen! Du bist ut und nett zu ihr gewesen, hast sie schenkt mit allerlei schönen Dingen und r ausaeputzt —- freilich auch mehr, il es dir Freude machte, sie so zu sehen, als um ihr einen besonderm Gefallen »Hu thun! Aber was du gethan hast, Jund was ich dir alt Frau nicht ver jzeihen kann: Du hast sie nebenher be shandeltl Sie war einmal da —- du lhatteii si- nthekrathet —- wenn dir das einsiel, bist du liebt-nd freundlich ge gen sie gewesen, als hättest du ein Kein-ei Schwesterchen vor dir! So aber, mein lieber Mill, benimmt man sich nicht gegen seine junge Frau! Die "dars einem eben desheiratheten Mann niemals .,einsallen« —an die darf er sich nicht ers« von Zeit zu Zeit »denn nen«' Iniissen.« »Ein Mädchen wie Hanna ds- war" —so fuhr Frau Kitty fort —— »ein Mädchen wie Hanna, die einem über alles geliebten Mann ihr ganzes rei nes großes Selbst schenkt, ohne Vor behalt, ohne Zögern —- die darf ers warten, daß sie ihm die Krone der ganzen Schöpfung ist, unentbehrlich, immer gegenwärtig —- der Pol, um den sich für ihn alles dreht! So ist Richard egen mich gewesen, als er niich zu einer Frau gemacht hat — Hnicht er ist zu mir herabgestiegen... J knieend und» ehrfiirchtig hat er hinge nommen, was meine Li be ihm ge "schenlt hat ——und noch heute, trotz unserer jahrelangen Ehe, trotz unserer Kinder, bin ich ihm das Höchste, das Liebste auf der Welt . .. das weiß ich und daute es ihm, obgleich ich es nur in der Ordnung findet Du aber, trotz isem du älter hist als Richard-— du schienst mir fiit die Ehe noch nicht reif zu sein, nach der Art und Wei e zu schließen —— in der du deine srnu tehandelteftl Die Ehe, mein lieber Will, wie ich sie auffasse und wie sie aufgefaßt werden muß, ist etwaHseht anstes und Heiliges, und ich habe mich, wenn ich dich mit Hanna sah, unzählige Male gefragt: warum ei gentlich hat er sie geheirathet? Ebenso, wie ich es Richard gefragt hat-el« »Nun? Und wag hat dir Richard daraus geantwortet?« · Cotta war neben seiner Schwägerin, die ihre Handarbeit längst unbea tet in den Schooß hatte sinken la en, stehen geblieben und sah ihr mit selt fam gespanntem Blick ins Gesicht. lFortsehung folgt.) SO Ein Ufhcitckpckb Unter den vielen großartigen Schöpfungen, welche die englische Großindustrie iin Interesse der Arbei terwelt ins Leben gerufen, um dem Wohnungselend derMassen zu steuern, ist vielleicht die großartigste, jeden salls die bestdurchdachte, das Arbeiter dorsBournville, die Schöpfung George Cadburv5. Bournville liegt vier eng-« . lische Meilen südwestlich von Bir mingham, der größten Metallwerl stätte und der nächst Manchester größ ten Fabritstadt England5, die weit über eine halbe Million Einwohners zählt, die, zumal in der Altstadt mit ihren engen Gassen und qualrnenden Schomsteinem in geradezu erbärmli-:« chen Behausungen wohnen. Mit weis nigen Häusern begann der Bau von Bournville schon im Jahre 1879. All rniihlich weitete sich dasDors mehr und mehr und die Thätigteii der Pfleg schast, der George Cadburh, nachdem er sein Arbeiterdors einige Jahre selbst ? geleitet, dessen Verwaltung übertrug, ist heute noch nicht beendet. Ja dem Dotument, mit dein dieser llebertra gungsatt vollzogen wurde, legte Ge orge Cadbury Ziel und Zweck seinegz Arbeiterdorses also dar: »Der Grün- T der wünscht die Uebel zu mindern, die ’ aus der u gesunden und unznreichen-» den Behau ung weiter Kreise der ar- ; beitenden Bevölkerung entstehen und den Fabrilarbeitern einige der Vor theile des Dorslebens vor den Thoren und zugleich die Gelegenheit zu natur gemäßer und gesunder Beschäftigung beim Bebauen ihres Bodens zu geben« Und um die Sache aus eine breite Un- I terlage zu—stel1en, siigte George Cad burv bei: »Es handelt sich sür mich um eine Besserung der Lage der arbei tenden Klassen in und umBirmingharn und anderweit in Großbritannien durch Beschaffung geeigneter Häuser mit Garten und ossenen Räumen da zwischen-« Jn der That ein großes Programm fast zu groß sür die Kraft eines Man nes. Aber George Cadbury war für sein Programm außerordentlich vorbereitet, er hatte das Elend in sei ner Vaterstadt Birmingham gründlich lrnnen gelernt. Ueber vierzig Jahre hindurch hatte er in seinen weiten Be trieben nicht allein ein Arbeiterheer von 4000 Arbeitern geführt, er hatte Iutt edentolange seine Bibelllatse des Sonntags gehalten George Cadbury besaß das Gut Bourndille. Er bestimmte, daß es ein« Arbeiter-darf werden sollte. Und die Art, wie er die Gründung einleitete, zeugte sür das tieie Verständnisz, mit dem er an die Sache prattisch heran-— trat zu einer Zeit, wo anderweit erst die theoretische Erörterung der Woh nungssrage begann. Da sollte weder das Land mit Häuschen, noch die Häuschen mit Menschen iibersiillt wer: den· Jedes Häuschen sdllte einen gut bemessenen Garten haben derart, daß der Bau von dem Grund und Boden, aus dem er errichtet wurde, nicht meer »als ungesäbr ein Viertel in Anspruch Hnahm Die Straßen sollten breit und ; niit Bäumen zur Seite bepslanzt sein. sungesähr ein Zehntel alles bebauten TLandes, Straßen und Gärten einge trechneh sollte siir Paris und Erho lungsitätten reservirt bleiben. Nach diesen gesunden Jdeen wurden schon int ersten Jahre 200 häutet errichtet. Jn Uebereiniiimmung mit den Plänen, die Geer e Cadbury ausgestellt, wur den die user nicht nur den Angestell ten dei Hauses Cadbury, sondern auch anderen Arbeitern überlassen. Gera de darin zeichnet sich diese Gründung vor vielen anderen aus. die, indem iie stets nur au die Arbeiter der ei enen Betriebe er reden, an innerem asia iein Werth verlieren, so bedeutungs voll sie ionit sein mögen. Da Birming ham, der gewalti e Arbeitsplat, leicht und billig von ourndille durch Ei » w »sp- » » senbabn, elektrische Strahenbohn und Fahrrad zu erreichen ist, so füllten sich die Häuschen bald mit Eigenthümer-h Pächtern und Mietherm « Aber Georae Cadburv kannte auch den inneren Zufammenhang der Kunst und der Moral. So wollte er mit fei nem Arbeiterdorf nicht allein in sittli cher und fanitärer Hinsicht, er wollte auch in öfthetifcher Hinsicht erzieherifch wirten. Er gewann einen der ersten Londouer Architektur, W. A. Harveth siir den Bau feines Arbeiterdorfes. Harvey sollte tleine Doppelbiiufer oder Biocls von vier Häusern erbauen, lange, monotone Straßenziige vermei den, und durch große Mannigfaltig keit in der Behandlung der Formen wirken. Man lann nun sagen, Har ven hat seine Aufgabe glänzend und i mii den einfachften Mitteln gelöst i Jedes der Häuschen von Bournville ist jein kleines Kunstwerk- Ein großer jSchornsteim ein überragendes Dach, »ein flacher Erler, grüne Fensterrah smen, rothe Wertsteine, das sind die sMitteL mit denen Horden die trauli -ehen Heime fchuf,die dem Besucher so » freundlich entgegeublicken. Die Mehr zahl der Häuschen bat zwei Wobnzim mer, eine Kochftube, drei Schlafzim smer und die üblichen Zubebörriiume. ; Einige größere haben noch ein weiteres ; Schlafzimmer nnd eine Badeftube mit Ebeißem und taltem Waffen Jn den iletzten Jahren, seit 1.901, baut man Häuser von anderem Typus. Sie ha j ben an Stelle der früheren zwei kleinen ? Wohnzimmer ein großesWohnzimmer, i eine Kochftube mit im Boden eingelas fenem Bade, um Raum zu sparen, drei Schlafzimmer und bisweilen ein Oberstiibchen. Auch Häuschen mit knur zwei Schlafzimmern baut man Tfiir kleinere Familien. Die Mietben stellen sich aus 1 bis 3 Dollar die Wo che, d. i. 860 bis 8150 das Jahr. Bournville ist mit Gas, Wasser und Canalisation ausgestattet. Die Gärten bei den Häusern sind , geräumig genug, sie haben iiber 550 Quadratmeter Fläche. Sie werden gleich mit dem Hausbau eingerichtet, der Miether findet sie also in gutem Zustande vor, und es bedarf nur auf merksamer Pflege seinerseits, urn sie darin zu erhalten. Darüber hinaus lann jedermann vor dern Dorfe Land nach Belieben hinzupachten und die fiir das ganze Dorf angestellten Gärt ner belehren die Colonisten unentgelt lich über alles, was dem Dorfe und dem Lande noth thut. Nachdem George Cadbury so sein Arbeiterdorf geschaffen, war feine Oauptsorge, es zu erhalten und aus zudehnen in den Bahnen, die er fiir richtig hielt. Dazu übergab er das Dorf einer Anzahl von Vormiindern, einer Pslegschast, die genau nach Cad burn’s, Gründungsalte Dorf und Grund verwaltet. Es war keine ge ringe Schenlung, die George Cadbury damit der englischen Nation machte, 18,5 Hettar Landes« und das Dorf Bournville, ein Werth von etwa einer Million Dollars. Alles-, was diefer Besitz einbringt, eignet der Pflegfchaft. Sie muß aber die gesammten Einnah men, den Unterhalt des vorhandenen Besitzes abgerechnet, verwenden, um neue Häuser zu bauen, neuen Grund und Boden am Lande zu erwerben. Sie lann dabei ihre Thiitigteit a ganz Großbritannien ausdehnen. S e tann Land verpachten,. vermiethen, taufen und vertausen, lann Land aufschließen und zur Bebauung vorbe reiten, Geld leihen, Eapitalien investi ren. Land hergeben oder Gebäude bauen fiir Gotteshäuser, hospitäler, Schulen, technische Institute, Biblio theten, Turnpliihr. Waschanstalten, Bäder und andere Dinge. Aber über all muß der Einfluß von Sectirern ausgeschlossen und sectirerische Eifer fucht ferngehalten werden. Weiter wird der Vertan und Vertrieb von Branntwein untersagt und alle poli tischen und religiösen Sonderbeftre bunaen sind verboten. Seitdem die Pslegichast am 14. De cember 1900 die Stiftung übernom men, ist genau nach diesen Grundsä tzen verfahren worden. Zur Zeit gehö-, ren der Pslegschast 314 Häuser. Da zu kommen 143 Häuser, die Käufer gesunden haben, 23 hausen die den Gebrüdern Cadburh gehören, nnd 38 weitere, die Richard Cadbury als Ar menhäuser erbaut hat, so daß das Ar beiterdors Bournoille 518 Häuser mit iiber 2000 Bewohnern umfaßt. Jedes Haus ist besetzt. Wird eins leer, sin det sich sosort ein Bewerber. Die Gärten wie die Landlose stehen hoch in der Cultur und im Ertrag. Der Ertrag eines Gartens wird nach verschiedenen Stichproben aus etwa 50 Cents per Woche berechnet. Das Land ergiebt heute sechsmal so hohe Beträge als sriiher und steuert zum Wohlstand nicht unerheblich bei. Wel chen Einfluß Bournoille aus die Ge sundheit ausübt, zeigen zwei Ziffern. In Birmingham starben 1901 aus 1000 Menschen 19,9, in Bournvilie 8,8. Das ist eine selten erreichte "Sterblichteitszisser. Jn Berlin, einer der gesundesten Städte atn Continent. ist sie genau doppelt so hoch. Sie be : trug IM: 17,11. Und was das Ar - beiterdors Beurnville mit seinen Schu « len, Erholungs- und Spielpliihem Schwimmbiidern und Turnhallen sür das Lebens liick seiner Bewohner lei stet, das lii t sich zwar errathen, aber nicht bezissem Jedensalli ist Bontu oille das vornehmste Beispiel siir alle. die dein Wohnungselend in wirksamer Weise abhelsen wollen. heinz Krieges I