Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 24, 1905, Sweiter Theil., Image 9

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    Nebraska
staats- Anzejger Und Yerold
z» szpspyH Mk « qu acht-: »Mehr« 24 Maczi905·(Zthh1)-fJuhgqapg«2.-)No.:-3()«
W
Fahrwka
O Alinatuy noch einmal mHk ich
wi est r
Jtn holden Frühlinglschmuel dich
Her-an genghen
Noch einmal möcht’ ichL pbei der iiglein
Jm Lenz durch bliittergriine Daine
ge.hen
Und streust du Blütheng dann auf mich
hernieder
Beim leisen, wonnigsiißelidien Frühlings
we
Dannschließ ich selig meine Augen
lider
Vor all« den Wundern, die im Lenz ge
schehen.
Glück.
Novelletie von Susanne Lindenau.
»So, liebe Frau Schönseld, alle
zwei Stunden einen Eßliissei. Abends
komme ich wieder; dann werden die
Schmerzen wohl nachgelassen haben,
und nun, Kopf hoch! Der alte Herr
gott verläßt Sie nicht und Fräulein
Eise ich meine Fräulein Mein
hardt, wird auch noch so gütig
sein und ....«
»Ach ja, Herr Doktor,« unterbrach
die alte tveißhaarige Frau den jungen
Arzt, »das liebe Fräulein ist unser gu
ter Engel; wenn wir die nicht hätten
und Sie, Herr Doktor!« Sie grifs nach
keiner Hand und wischte mit ihrer
Schürze die Thränen ab, während Je-·
ner heraustrat.
War es nur das Sonnenlicht, das
Doktor Hans Wilburg so blendete,
oder schimmerte auch in seinen Augen
eine Thriine, als er leise siir sich hin
sprach
,,Ein guter Engel, ja wahrhaftig
das ist sie; und ich war ein Narr daß
ich es bis jeht noch nicht gesehen habe.
Doch hin zu ihr, daß sie auch mein
Engel werde! Sie ist arm. aber ich
bin jung und start, und ich glaube, sie
versiehts einem das Leben angenehm
zu machen!«
Doch nein, zuerst die Patientiu besu
chen! Nun war es geschel,en, und Dot
tor Hans Wilbura stand in dem ein
fach eingerichteten Privatziminer vor
seinem Kleiderschrante und hielt Mu
sterung. Da den schwarzen Anzug
wollte er anlegen, in dem hatte er Eise
meist gesehen bei ?lintgrichters. Rasch
griss er darnach, da ilingelte ec- ftiir
mksch
Ausseuszend ging er dem Mädchen
entgegen. Ein Arbeiter war verun
glückt. Schleunige Hülfe that noth.
»Ich komme schon!« sagte Wilburg
fest und ohne eine Spur von Augen
nahm seine Utensilien und eilte nach
der Holzschneidemiihle, wo der Ver
letzte seiner wartete
Stunden waren vergangen, als er
wieder srei war. Sollte er sich nun
noch umkleiden? Nein. warum noch
Zeit verlieren, so wie jetzt hatte ihn
Else am Krantenbette getroffen, so
sollte sie ihm sagen, ob sie ihn hinneh
men wollte für’5; ganze Leben.
Wie elastisch der junge Arzt durch
die Straßen der mittelgroßen Stadt
schritt, hierhin und dorthin grüßend.
Nun stand er vor dem Hause, in wel
chem Frau Meinhardt, die Wittwe
eines Oberlehrers, mit ihrer Tochter
wohnte. Rasch eilte er eine Treppe
hinan.
Eine Weile zögerte Wilburg, dann
ilingelte er. Ein leichter Schritt er
klang, die Thiir ging aus, und leuch
tend siel die Sonne aus ein blondes,
zierliches Mädchenhaupi.
»Herr Doktor, wie freundlich! Sie
haben gewiß schon gehört und kommen
mir gratuliren zu meinem Glückl«
Strahlend streckte das junge Menschen
kind ihm die Hände entgegen.
»Gratuliren Jhnenl" Hans Wilburg
stammelte es sassungslos. Ja, wie
war ihm denn? Jhr Geburtstag siel
doch in den herbst, und nun war’s
Mai, oder sollte sie .....
»Nun ja doch, und dabei machenSie
eine Miene. als ob Sie tondoliren sol
len. So treten Sie doch näher. Sie
sind ja ganz versteinert!«
Mechanisch nur folgte er ihr in das
trauliche Empfangszimmer, mit den
altmodischen, geschweisten Mahagoni
Möbeln und nahm aus einem rothen
Pliiichsessel Platz.
»Wenn Sie nur die Giite hätten,
mir zu sagen ich tomnie eben von
meinen Patienten, und weiß wirllich
nicht« wozu ich gratuliren sollt«
»Nun und ich dachte, bei einigen
Patienten könnte man mitunter Eini
aei er ahren,« lachte sie schalthast.
Nun ag’ ich’s doch nicht. Rathen
Sie!«
»O, ich siirchte, das kann ich nicht.«
»Aber so sehen Sie mich doch an!«
Eisestalt legte es sich aus Doktor
Will-mag herz. Sie hatte ihr Glück
arsunden, und er ging leer aus; es
war ilar! Rasch war er ausgestanden
Putz ungewöhnlich ernst llang t, als er
ag e:
«Also meineGmtulation, mein gnä
dicres Fräulein. Seien Sie überzeugt,
daß Niemand, Niemand reinere Freu
de an Jhrem Glücke bat, als ich!«
Eise Meinhardt lachte silberhell, wie
es ihn quälte, dieses Lachen.
»Ich denke gar, here Doktor .....
ia was qlauben Sie denn von mir,
doch nicht etwa. daß ich.
Glitt-endet Noth senkte sich aus die
seine Stirn des Mädchens und auch
re seinige erschien wie in Purpur ge
taucht.
»So, haben Sie sich nicht verlobt?«
Einen Augenblick sank ElsensHaupi
tiefer. Dann lachte sie hell auf.
»Verlobt, i, wo werde ich denn!
dtonnen Sie aber schlecht rathen. Das
wäre mir nie im Trauine eingefallenk
»Nun so ist Ihnen eine gute Stelle
vorgeschlagen worden«
,,,O iiber dies Glück, in vornehmeni
Hause fünftes Rad arnWagen zu sein.
Nein, mein Herr. ich bleibe bei meinem
Mütterchen, und sollte ich bis an s
L-bensende Klavier- Unterricht a 50
Pfennige die Stunde geben und in
zwei Stuben wohnen müssen. Doch
das ist nun nicht nöthig: denn daß
ich’ S Jhnen nur sage, ich bin reich, ich
labe in der Lotterie gewonnen!«
,,Jn der Lotterie genionnen!«, lang-—
snm fielen die Worte von des Doktors
Lippem »und wie viel?«
»150,00i) Mart in der preußischen
Agapssenlotteriel Bin ich nicht glück
li ,.-«
»15().000 Mari, das ist ja ein Ver
mögen," wiederholte Wilburg klang
los,« Fräulein Meinhardt ich gratu
like.«
»Und sehen dazu aug, als atte ich
ein Berbannungsuriheil nach ibirien
Erhalten und Sie sprachen mir Jht
Veileid ans Ja, sreuen Sie sich denn
gar nicht! Oder siirchten Sie etwa die
verderblichen Folgen des bösen Mam
mons?«
I
)
»Fräulein Else, ich bitte Sie! Jch
bin überzeugt, Sie werden von Jshreni
Reichthum nur den allerbesten Ge
brauch machen und, wie Sie bis jeyt
von dem Wenigen, was Sie hatten,
den Armen gaben, nun erst recht die
Noth der Leidenden zu stillen suchen."
»O, Herr Doktor, so ganz selbstlog
iit meine Freude gar nicht; ach, Sie
ivissen’s vielleicht nicht, was es heißt.
arm zu sein. Meine gute Mutter hat
sich solange mühen müssen!«
Auch das, noch! Hans Wilbura
hatte ausstöhnen mögen. Jhre Worte
trafen ihn wie mit Dolchspitzen, und
er konnte es nicht einmal zeigen. Stark
sein! Froh sein, alter Junge, denn sie
; ist ja glücklich!
»Und welcher Nummer verdanken
ESie Jhk Mücke-«
»82,703, ich glaube, die werde ich
!.ie vergessen! Jst’s mir doch, als sähe
ich sie überall; doch da tommt meine
Muttert«
Else Meinhardt eilte hinaus-, um zu
issnen und der Doktor blieb allein. Er
war ausgestanden und trat an das
JFenster. Die Sonne schien hell und
die Staate pfiffen lustig: dazu lag ein
so trauter Frieden über dem altmodi
schen Zimmer; doch in ihm war alles
.finster und öde. Konnte er nun um
das reiche Mädchen werben, das er in
»seiner Armuth übersehen hatte. Wür
den die Menschen, würden sie es ihm
glauben, Daß er allein die Perle be
gehrte ohne die goldene Einfassung.
Nie, nie, es war Alles aus. Al.l’ das
? beiße Glücks-gefühl, das ihn heute
: durchströmte, war nur ein Traum ge
z wesen, und Träume sind Schaume ·
» Hans faßte sich an die iieoernoe
!Stirn. Er wollte, er wäre draußen;
! er wollte, er tönnte erst wieder seinem
; Berufe nachaeben! Nun tanien die
i Damen, nun begann die Komödie Von
. Neuem. .
»Wer-ehrte FrauObertehrer, ich freue
mich so herzlich-«
»Halt, halt, lieber Herr Doktor, das
lassen Sie nur lieber hübsch bleiben!
Else, ich glaube wahrhaftig, Du
weinstt«
»Ach, Mutterchen, bist Du denn aar
nicht ein bischen traurig, ach ich hatte
mir eg so herrlich gedacht, und nun ist
alles aus!'«
»Alleg aus!« Fast wie Jubel tlana
es von Wilbnrgs Lippen. »Wie soll
ich das verstehen? Hat denn Jhr Loos
nicht gewonnen?«
»Nein, lieber Herr Doktor, die
Freude war ein bischen zu Iriiix 82.
705 ist die Glücksnuintner. Jn unserer
Zeitung, pvo die Gewinnliste veröffent
licht wurde, hat der Druckfehlertobold
gewaltet· Behiit’ Dich Gott, es wär’
so schön qewesen, bebiit’ Dich Gott . . .
Doch ich rede, als ob es sich nin unsere
Seligkeit handelt. Wie geht es dem
alten Schönseld?«
»Besser, dant der Pflege Jhres
Fräulein Tochter.«
»O, die ist nicht der Rede werth. Du
wolltest noch einmal hingeben, ,Else!«
»Ja, Mama, ich habe nur auf Dich
gewartet. ich gebe schont«
»So gestatten Sie, daß ich Sie be
gleitet« Wilburg fragte es hastig.
»Bitte, in drei Minuten bin ich
fertigt«
Die Sonne war untergegangen.
Süß dufiete der Flieder. Zwei hohe
Gestalten schritten Seite an Seite die
Allee hinab. Tiefer Ernst thronte auf
der Stirn des Mädchens. helles Glück
schiminerte in des Mannes Augen.
Tränlein Else,« bekann er weich;
»sin Sie sehr traurig «
»Seht gerade nicht« aber doch et
was; wiewohl es schlecht von mir ist,
daß ich Anderen den Gewinn nicht
gonnet«
»Wir lsnnen teine Engel sein, und
Sie hätten der-Geld brauchen Warten-«
»Hm Donau Mein Gott, was’
lxabe ich nur vorhin gesprochen! Wa
rum nur?«
»Friiulein Else, weinen Sie nicht!
Jch habe cinen neuen lleinen Einblick
in Ihr goldenes Herz get n, das ich
schon ein wenig kannte. hut Jhnen
das leid?«
Tiefe-r sank ihr reizendes Köpfchen
herab.
Fräulein Else, Sie antworten
nicht; Sie sehen mich nicht einmal an,
o, und Sie glauben nicht, wie glücklich
mich dieser Druckfehler gemacht hat.
iSie können mich nicht verstehen? So
Jmill ich Jhnen meine Worte erklären.
« Darf ich?«
Eise nickte; und nun beugte sich der
’ hohe Mann hinab, und nun strömte es
Von seinen Lippen, all’ das, was er so
gark zurückgedrägt hatte den ganzen
- ag.
»Sieh, heuteVorrnittag schon wußte
ich, daß ich Dich liebe, daß Du der
Stern meines Lebens bist; doch als ich
um Dich werben wollte, da warst Du
mir plötzlich entrückt in weite Ferne.
Nie, nie hätte ich die Hand nach dem
Goldsisch ausstrecken können. Doch
nun, da die goldne Hülle fällt, da darf
ich die edlePerle fassen, da darj ich
Dich fragen, kannst Du mich lieben
und mein befcheidenes Loos theilen?«
Länast hatte er ihre Hand ergriffen.
Wortlos blickte sie ihm in die feuchten
Augen.
Drob-en un Busch schlug eine Nach
tigall und nun qina der Mond auf.
Da schmiegte sich Else sester an
hren Beglei ter.
·f ;,O Hans, nun weiß ich, wag Glück
i t.«
Staatsanwalt Grimanlt.
Humorcsle von A u g u st i n u S.
Nur in zwei Zimmern der Präfel
tur brannte noch Licht. Jm Macht
lotal, einer unendlichen weißen Stube,
die den ausgegrifsenen Strolchen und
I-nen armen Geschöpfen, deren Zu
kunft in der Vergangenheit ertrunlen
ist, zum interimistischen Aufenthalt
dient, und im Dienstzimmer des Er
sten Staatsanwalts. Herr Grimault
war einer der tüchtigsten Beamten der
Präfettur, denn er hatte gute Prokl
tion, verfügte über Untergebene, die
nie etwas vergaßen, und besaß über
lich die allerbeste Meinung. Wenn
Staatsanwalt Grimault also drei
Stunden länger, als die Arbeitsstuns
den lseiner Beamten!) dauerten, im
Bureau blieb, so konnte das nur
zweierlei bedeuten: entweder es hatte
Ibn der Schlag gerührt oder es gab
einen ,,s all«. Das erste Ereigniß
war nicht eingetreten, denn er hatte
noch vor taum fünf Minuten einen
Kognal zu sich genommen. Also traf
—was übrigens schon aus dieser
nützlichen Thätigleit hervorgeht
das zweite zu: eg gab einen Fall!
Im Wachtlotal saßen ein alter Un
teroffizier von der National-Gard-:
kttevublicaine und ein Stadtsoldat, der
Die Eingelieferten einzuschreiben hatte.
Der Alte qualmte aus einer kurzen
Pfeife, deren Jnhalt nach verbrannten
Hindusrauen dustete ler hatte die Un
verschämtheit, zu behaupten, es sei
Tabak!), und fragte, mit dem Dau
men nach oben deutend, in tlasfrschem
Laionigmug: ,,Jacobsen?« Woraus
sein junger Kamerad einen Augenblick
aus seinem Register aufschaute und
mit dem gravitätischen Ernste eines
Gerichtsvräsidenten liedeutumgsvoll
erwiderte: ,,Jarobsen«.
Inzwischen saß Staatsanwalt Gri
mault vor seinem Arbeitslosigkeit-Es
tische und las wohl zum zwanzigsten
Male eine Annonce, die den amtlichen
Theil des »Gaulois« schmückte. Diese
fesselde Lettüre lautete:
1(),()t)() Franks Belohnung.
Am Donnerstag, den 17. November
1898, wurde am Kassenschalter der
Bank von Frankreich ein auf den Be
trag von l()0,00() Franks lautender
Chect des Credit Lyonnais präsentirt
und der als Empfänger mit dem No
men
» Anton Jacobfen
brieichneten Person ausbezahlt. Dieser
Check war, tro dem er avisirt war,
qesälscht. Das irettoriuni der Bank
von Frankreich bestimmt eine
Belohnung von 10,000Frans in Bank
demjenigen, der über die Person deg
Jerbrecbers Ausschlüsse zu geben ver-:
man, die seine Ergreisung möglich
machen. Alle Mittheilungen sind an
den Ersten Staatsanwalt« bei der
Präfeltur zu richten, in dessen Hände
obige Belohnung niedergelegt wurde.
Dem Anzeiger wird strengste Geheim
haltnng zugesichert
Paris, Dezember 1898.
Der Erste Staatsanwalt:
gez. Grimault.
So versunken war here Grimault
in die Lettiire dieses stilistischen Mei
Isterwerlez daßer das Klopsen an der
; Jbiie vollständig überhörte. Sie öff
inete sich leise und ohne zu Inneren —
Lganz so. wie es sich siir eine Justiz
palastthiire gehört —- und ließ in th
"rcm Rahmen die hohe, elegante Gestalt
einesHerrn erscheinen. Der Fremde .
warf noch einen Blick nach rückwärts ’
ans den Korridor, lächelte mit dem
lkissisanten Lächeln eines Angehörigen ;
der ,,oberen3ehntau—send« und trat ein.
,,Zehntausend Francs in baar«,
murmelte der Staatsanwalt vor sich
hin. Und etwas lauter fügte er hin
Zu: ,,Wird keiner so dumm sein!«
»Vielleicht doch, Herr Staatsan
walt!«
Erschrocken fuhr Grimault in die
Lohe. Er glaubte nicht an Geister, dsa
fein eigener ihm noch niemals lästig
gefallen war. Diesmal aber —- der
Schreck trat ihm ordentlich in die
Augen und. dehnte sich in den wässeri
gen Papillen
Der Fremde nahm seinen Chlinder
ab und ließ einen tadellosen, leichter
krauten Scheitel sehen. Das be
ruhigte den Staatsanwalt, denn er
hielt sich für einen großen Menschen
t:nner. Darum theilte er die Männer
in solche mit ,,Wuscheliöpsen« und in
sorgfältig Gescheitelte ein. Die erste
ren, das waren oder wurden Verbre
:her, Leute, welche die Natur dazu
bestimmt hatte, die Bande der Sitte
nnd die Kette der Kriminalparagrm
phen zu zerreißen. Ein Scheitel aber,
das war das Symbol der staatlichen
Ordnung; die ihn trugen, zeigten
durch die Spiegelglätte der Frisur,
daf; ihnen alles Widerhaarige ein
Greuel war. Das war die Philosophie
Herrn Griniaults, und darum be
ruhigte ihn der Scheitel des fremden
Herrn.
Der Fremde stellte seinen Cylinders
hist auf ein Tischchen, verbengte sich
leicht und begann:
»Ich habe die Ehre, den Herrn
Ersten Staatsanwalt bei der Präfet
iur vor mir zu sehen?«
Grimault hatte bei den Worten des
ilnbelannken, die von größtem Respekt
getragen waren, seine Fassung wieder
aetvonnen Er legte alfo um seine
Mundwintel jenen herben Zug der
Unnahbarkeit, den er durch jahrelange
Uebung vor dem Spiegel sich angeeig
net hatte, und entgegnete:
»Es dürfte Ihnen wohl nicht be
kannt sein, mein Herr, daß die Dienst
stunden der Präfeltur um sechs Uhr
fes Abends ihr Ende erreichen?«
Der Fremde verzog keine Miene.
»Doch, »Herr Staatsanwalt, das
alles ist mir bekannt. Und« —- sijgte s
er mit einem feinen Lächeln hinzu —
,,und darum bin ich jetzt da.«
Ohne eine Aufforderung des
Staatsanwaltg abzuwarten, setzte er
sich neben den Schreibtisch und fuhr
in seiner Belehrung fort:
»Sie suchen Jacobfenkk Anton Ja
cobfen? Wie?«
Als hätte der Blitz neben ihm ein
geschlagen, so sprang Grimault in
die Höhe. Der Unbekannte blieb
ruhig sitzen.
»Ich bin gekommen, mir die zehn
tausend Francg zu verdienen, die die
Bank von Frankreich offenbar zu viel
hat.«
Hastig mit bebender Stimme, un
terbrach ihn der Staatsanwalt:
»Wie, mein Herr . .. Sie wüßten?
Sie kennen JacobsenZ Sprechen
Sie schnell, wo wo ist er?«
Der Fremde erhob sich, ging zur
Thür, öffnete sie. Dann fragte er:
»Ist es sicher, Herr Staatsanwalt,
daß wir allein sind? Sie müssen
wissen, daß mir in meiner Stellung«
— -— er wies hierbei auf die rothe Nio
sette der Ehrenlegion in seinem
Knopfloch ,,alles daran gelegen ist,
daß Niemand erfährt ensin, nicht
wahr, man hat dem Anzeiger -—— es
ist das ein lehr häßliche-J Wort —-—
dem Anzeiger peinlichste Distretion
,iugesagt?«·
»Aber natiirlich, mein Herr,« warf
der Staatsanwalt ungeduldig ein,
ich begreife, in Ihrer Stellung ist es
fatal, den Zeugen machen zu niiissen.
Seien Sie ganz unbesorgt, was Sie
mir anvertrauen, bleibt in den vier
Wänden dieses Zinimer5.«
»Aber Wände,« entgegnete der
Fremde mit feinem Lächeln der oberen
Zehtnausend, ,,sind manchmal weniger
dislret, als man ahnt. Dort die Thür
zum Beispiel, die ins Nebenzimmer
führt?«
Der Staatsanwalt versuchte das
Lächeln seines Besucherg nachzuah
men. Es gefiel ihm, und er beschloß,
es zu Hause vor dem Spiegel zu üben.
Dann, als er mit dem Grinsen fertig
war, sagte er:
,,Bedenlen Sie doch, mein Herr,
es ist neun Uhr. Da ist doch letn Esel
mehr auf der Präfettur — ich natür
lich ausgenommen«
»Gut. Jch glaube Ihnen. Doch.
ehe ich spreche. noch eine Frage: Nicht
wahr, die Bank, das heißt Sie zahlen
diese zehntausend Franks ohne
Schwierigkeiten . . . .«
»Aber ich bitte Sie, mein Her-y« —
fiel Grimault ein —- ,.Sie zweifeln
noch?« Und eine kleine Schublade
seines Schreibtisches öffnend, ergriff
er ein braunes Leinencouvert, das un
ter einem schöngezirlelten »Zehntau
send Franks« die Ausschrift »Jacob
sen« zeigte. »Das hier gehört in fünf
Minuten Jhnen, wenn Sie uns Ja
cobsen finden helfen. Sie werden gute
Tage haben. Und schließlich, was
kümmert es Sie, wenn Jacobsen Jhre
Freuden bezahlt. «
»Da haben Sie ganz Recht, Herr
Staatsanwalt. Aber
»Aber? Noch ein Aber? Grimault
begann ängstlich zu werden, daß der
Fremde mit der Denunziation zurück
halten könnte. Darum ermunterte er
ihn zum Reden, indem er das Couvert
mit der Belohnung hin- und her
schwenkte. Und dann fragte er noch
mals wegwerfend: »Was geht Sie
Jacobsen an?«
»Was mich Jacobsen angeht? Das
sagen Sie so, Herr Grimault, weil
Sie’s nicht wissen. Jacobsen ist.
mein bester Freund
»Ihr Freund?« zwinkerte Grimault
mit den Augen. »Sie täuschen sich,
mein Herr. Ein Mann wie Sie, mit
einem solchen Scheitel —- und der
Freund dieses Schwindlers?- A bah!«
Dieses ,,A bah« war ein Meiestr
stück, dessen Wirkung Grimault schon
öfter vor den Geschworenen probirt
hatte.
»Nun denn,« entgegnete der Fremde
mit einem schweren Seufzer der Ent
schließung, sei's darum.« Mit ra
schem Griffe faßte er sin seine Rock
tasche, der er ein Porträt entnahm.
Einen Moment sah er das Bild«an,
mit einem Blicke voll Rührung. »Er
nimmt Abschied vom Freunde,« so
dachte sich Grimault. Es schien ihm,
als sehe er eine Thräne im Auge des
Unbekannten... Wortlos reichte ihm
der Fremde das Bild
Staatsanwalt Grimault warf ei
nen Blick auf das Porträt. Dann
brach er in ein wieherndes Lachen aus.
»Das ist ja ausgezeichnet! Das ist
brillant!««
»Was giebt es zu lachen, Herr
Staatsantvalt?« fragte der Fremde
in beinahe beleidigendem Tone·
»Bei-zähen Sie, mein Bester. Aber
das ist zu komisch, dieser Jrrthum.
Sie haben mir ja Jhr Bild
gegeben. Und er wieherte von Neuem
los.
Als der Staatsanwalt mit dem
Lachen zu Ende war, verbeugte sich
der Unbekannte und sagte:
»Mein Name ist Jacobsen, Anton
Jacobsen, Herr Gsrimault.«
»Ich verbitte mir solche Scherze,
mein Herr,« prustete der Staatsan
walt. »Meine Zeit ist für solche
Scherze zu kostbar. Jch werde klin
geln und Sie hinaus-führen lassen.«
»Man wird Sie nicht hören, Herr
Grimault, denn es ist neun Uhr. Und
um diese Zeit ist — wie Sie ja selbst
sagen, kein Esel mehr auf der Prä
sektur -——- pardon, außer Jhnen
Jch darf wohl das Geld, die Be
lohnung haben?« Ohne die Antwort
Grimaults abzuwarten, steckte er das
Coudert in dieselbe Tasche, der er
kurz vorher das Porträt entnommen
hatte.
Der Staatsanwalt sah ihn starr
an. Er wollte um Hilfe rufen, aber
eH kam nur ein Stöhnen aus seiner
Kehle. Fast tonloCJ lallte er: »Ein
Mann mit einein Scheitel!«
Der Fremde nahm seinen Cvlinder.
Verbeuate sich leicht und sagte: »Ich
bitte Sie, dem Direktorium der Bank
meinen Dank auszurichten. Jch werde
ihr meine Kundschast auch in Zukunft
erhalten-« Jrn nächsten Augenblick
war er verschwunden. Der Schlüssel
schnappte im Schloß· Zusammengu
knickt wie eine aesottene Wurst, saß
der Herr Erste Staatsanwalt in sei
nem Schreibstuhl und bemühte sich
einen Gedanken zu fassen. Das aber
gelang ihm auch diesmal nicht.
se si- se
Der FallJ Facobsen wurde niemals
aufgeklärt Die Bank von Frank
reich mußte die Belohnung wieder in
ihre Tresors legen. Der Erste
Staatsanwalt Grimault war um
zehntausend Franc-Z ärmer geworden.
Eine Nacht in den Vatmenwäl
vern Paraguays.
Mancher, so wird aus Annuncion
in Paraguay geschrieben, der in
Deutschland in einem Palmenhause
wandelte, oder an der italienischen
Küste, denkt noch lange Zeit an diese
herrlichen Stunden zurück. Verfasser
dieses denkt aber nur mit Unbehagen
an eine Nacht, die er unter Palmen
verbrachte, zurück. Von Annuncion
aus hatte ich mit einem Freunde einen
mehrtägigen Ritt. in den par. Chaco
unternommen. Arn zweiten Abend
bereits fanden wir uns in einer doll
ständigen Wildniß, resp. in einem
W-» .-.««. « «-».-.-.·--«-·.-—- ·-»-··«.-.» .«
lPalmenwalda Wir satteiien unsere
Pferde ab, und nach einem kurzen
Abendessen banden wir unsere Tige
matten an einige Palmen. r er
schraken nicht wenig, als im Palm
blätter - Gebüsch sich eine mächtige
Klapperschlange zeigte, der wir dann
bald den Garaus machten. Endlich
lagen wir in den hängemattem aber
von Schlaf war keine Rede, denn Wol
ken von Mücken und sogenannten
Pserdefliegen übersielen uns, und zwar
allergrößte Cxemplare. Kaum hatten
wir diese durch kolossales Rauchen ver
trieben, als wir von Neuem überall
gestochen wurden. Es waren Ameisen,
die durch die Stricke an den Bäumen
zu uns herankamen. Jede einzelne ge
tödtete Ameise hinterließ einen besti
lenzartigen Geruch. Nachdem wir glü
hende Asche an die Palmen gestreut
hatten, hörte es auf. Müde legten wir
uns in dieHängetnatte, doch bald fielen
von oben herab auf uns Skorpionen,
Tausendsiißler (Würmer mit Füßen),
die giftig wie Schlangen sind, und
Garapatas lhaselnuszgroße Wanzen),
die das Blut von Menschen und Vieh
saugen. Auch kroch langsam die
;Hängematte entlang eine Vogelspinne.
; An den Beinen fühlten wir ein äußerst
Istarkes Jucken. Es waren Sandslöshe,
»die sich in das Innere des Fleisches
einbeißen und Dann Eier legen; der
Eiersack nimmt nach und nach die
Größe einer Erbse an. Endlich über
fiel uns ein tvohlthsuender Schlaf, doch
bald weckte mich mein Kamerad, denn
ganz in der Nähe brüllte ein Tiger.
Also ausgestanden, Feuer angemacht
war ein Augenblick und mußten wir
die Nacht am Feuer verbringen. Am
anderen Morgen wurden die Pferde
gesattelt und dem unwirthlichen Pal
menwald der Rücken gelehrt.
Maxim Gatti.
Um den abenteuerlichen Lebenslauf
Maxim Gorki’s zu veranschaulichen,
stellt das Neue Wiener Tageblatt die
einzelnen Phaer darin in folgender
Uebersicht zufammen: Gorki. mit sei
nem eigentlichen Namen Alexei Maxi
mowitza Pjeschkow, geb. am 14. März
1862 in Nifchni-Nowgorod, wurde:
1878: Laufjunge in einer Schuh
waarenhandlung;
1879: Lehrling bei einem Zeichner;
1880: Küchenjunge auf einem
Dompfschiffx
1883z Arbeiter in einer Bretzel
bäckerei;
1884: Holzfäger, Laftträger;
1885: trqt er in einen Bäckerladen;
1886: wurde er Chorift in- einer
Operngesellschaft;
1887: Aepfelverkäufer;
1888: machte er einen Selbsimord
versuch;
1889: wurde er Bahnwärtex;
1.89(): Bahnftationsauffeher, Abdo
katenfchreiber;
1891; Vagabund und Salinen-Ar
beiterx
1892: schrieb er seine erste Erzäh
lung »Mark Tschudra«;
MOIR wurde er ein weltberühmier
Schriftsteller.
Wh
Der Arzt in Frankreich.
Jn keinem Lande der Welt gibt es
so viele Aerzte in sozial hervorragen
cen und einslußreichen Stellungen wie
in Frankreich. So sitzen dort im Se
nat unls in der Kammer nicht weniger
als 60 Aeskukapsjiinrger. Auch die ber
schiedenen Ministerien besitzen eine
Reihe von Aerzten, das Arbeitstribu
sierium 7, das Finanzministerium 6,
das Ministerium des Jnnern 4-— wo-:
bei der MiuifterpräfidentConibes nicht
einbegriffen ist -—-—, das Ministerium
dies Aeuszeren ebenfalls 4, das Unter-:
richtgministerium 2 Aerzte und die
Justiz foaar einen Chirurgen. Jm
Staatssekretariate der Post und Te
lcgraphen sitzen im ganzen 27 Aerzte,
Z Chirurgen und 5 Aerztinnen.
W
Sprüche und Anwendungen.
»Das ist unbeschreiblich!« —— schrieb
Karlchem da sollte er über die Schön
heit eines Berges einen Aussatz ferti
gen und fand keinen Gedanken.
»Ich bin auf alles gefaßt!« —- sag
te der Student, da war eine alte Tan
te gestorben, die er allein zu beerben
ksdffth
»Die Waare hat reißenden Absatz!«
-— sagte bestätigend der Wollwaaren
händler, da beschwerten sich Käufer
über die Strümpfe, welche schon nach
einmaligem Gebrauch Löcher in den
Fersen zeigten.
»Doran muß man nichts geben!«
sagte Meister Knieriin, da wollte
feine Frau dem Lehrjungen Wurst
aufs Brod legen·
»Schwamm drüber!« ——— sagte der
Barbier Schauinschläger, da hatte er
seinen Kunden geschnitten.
Alte Gaststättem
Zu den ältesten GaststättenDeutsch
lands gehört auch der Rathsteller in
sBergen auf Rügen. Er kann aus eine
»Geschichte von 700 Jahren zurückbli
! cien; er hat, da Rügen häufig zwischen
tDänen und Schweden Und auch zwi
i schen diesen und Preußen ein Streit
gegenftand war, auch einen Theil aus
der Geschichte der Jnsel miterlebt. Ein
altes Gasthaus ist weiter noch die
,,Gliising« an der Elbe, gegenüber von
Artienburg (im Lünburgischen); die
fes Gasthauö ift überdies laut den
beim Lauenburger Amtigericht liegen
den Atten seht bereits volle 600.Jahre
im ununterbrochenen Besite der Fa
milie Ohle.