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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (March 24, 1905)
Rerrenloses Gut. Roman m- marte Bernhard. (25. Fortsetzung.) »Nun laß doch all die Redensarten, du höfliches Thierchen dul« rief Cotta belustigt. «Der Cilly gegenüber darfst dich nimmer so strapeziren, die ist das gewöhnt an mir-gelt, CillyZ Wer wird denn die G’schicht’ so feierlich nehmen? Die Hauptsach ist doch: ich ixab’ eben arbeiten können!« Ohne wei teres zog er Altoine Erdmanng Arm durch den seinigen. »Komm-en Sie, Beschükerin meiner Jugend, Sie sol len un ere Behausung ansehen, sind ja heute zum erstenmal in unseren vier Wänden! Was ihnen etwa noch fehlt, das denken Sie sich gefalligst einstwei len dazu —- wenn Sie uns später mal in Rom besuchen, soll die Sach’ schon anders herausschauen —- was-, Mauer - Er zupste Hanna neckend am Ohr rnd trat dann, seine alte Freundin am Arm« von den beiden Damen gefolgt, den Rundgang durch die Wohnung an. Im Speisezimmer waren auf einem kleinen Tisch ein Paar Karassen mit hellfarbigem und dunklem Wein aus gestellt. daneben zierliche Schüsseln mit allerlei süßen und pikanten Dingen. .Zulangen, meine Damen, immer zulangen und nicht aufs Bitten war ten; ich hab’ rechtschsaffenen Hunger, wach allem Tonlneten!« Der Professor war in munterster Laune, er goß seinen Damen die Glä ser voll, animirte zum Austrinten, legte seiner Frau eigenhändig Hum mersalat anf den Teller und schnitt ihr ein Weißbrödchen zurecht. »Ich muß sie dissel bedienen und füttern, die Mausi!« bemerkte er lä chelnd. »Sie- sorgt immer fiir andere, denkt nie an sich, ißt sich kaum halb satt. Haft du denn aesehen, Hawa WeiberL die wunderbaren Rosen hat die Eile fiir dich gebracht —- so, komm daher, wollen dich schön machen. Drei aelxsiiren hier links in den Gürtel, und zwei gehören hier oben rechts her — iv.« Er bog sich ein wenig zurück und neusterte das liebreizende Bild der er rnihenden jungen Frau in dem male- » rifchen Gewande, mit den köstlichen Rosen geschmückt, beisälligen und liebevollen Blicks. Das Bewußtsein, heute mit Eifer und Erfolg bei der Arbeit gewesen zu fein, der perlende Wein, die Gäste, Hannas Anblick — alles zusammen hatte ihn in die ge hobenste Stimmung versetzt Jst sie nicht süß in dem Irng wan derl meine Frau? wandte er sich lä Grind an seine beiden Freundinnen. »Und ich sag Ihnen, Cilly, sie sitzt musterhast, versteht meine ntentionen, gibt ihnen nach — mindetens so gut wie Sie. Ja, ja, wetd’ du nur roth « . komm, laß dich küssen —- sach, Unsinn! Zwei fo alte Freundinnen, wie die Cilly und die Frau Alwine, alle beide wissen sie, wieis thut, alle beiN wissen sie auch, da es Pflicht für junge Eheleute ist, einan der zu küssenk Mit rascher leichter Hand bog er Hannas widerstrebendes Köpfchen hin teniiber und preßte seine Lippen aus die ihrigen, in seinem lachenden Trotz länger und demonftrativec als er es wohl ursprünglich beabsichtigt hatte. ,,,Sp das hin wohlgethan Und jetzt doch die Gläser! Was wir lieben!« Die drei Frauen thaten ihm Be scheid, jede aus ihre Weise. . . Hanna halb erschreckt, halb beglückt durch fein Lob, feine Zärtlichkeit —- Alwine Erd mann voll mütterlich-en Wohlwollens-, voll Wehmuth auch, da sie einer an dern gedachte, der einst dieses Mannes Liebe gehört hatte, und die nun seit langen Jahren schon den Todesschlaf schlief —- die Gräfin mit unstet flack ernden Augen —- die kaum emporge Keimte Saat eines schlimmen Ent fchlnffes en ihrer Seele jählings zur» Reife ge beacht! 20. In Allvine Erdmanns Wohnung sah es sehr ausgeräumt und festlich aus. Frische Gardinen im besten Zimmer aufgesteckt, eine neue Samm decke auf dem runden Tisch, daraus auserlesene Erdbeeren und frühe Kir schen it einem Körbchen; die Möbel blitzblant von neuer Poliiur und über all Blumen: Syringen, weiße Und blaue, Maiglöckchen, Narzissen, Gold regen und was sonst noch der Früh ling hergab —- der schöne, dustende, verschwenoerische Frühling! Schustekle wurde ermahnt, sehr brav zu sein, sich bescheiden zu betra gen und sein frischgekämmtes geträu seltes Fell nicht wieder gleich durch Rollen auf dem Teppich und planloses Umhertvben in garstige schwetze Zot teln zu Verm-anbela- Eine leuchtend wthe Seidenschleise schmückte Schus terles Halöband, sie genirte ihn augen scheinlich sehr aber die Gebieterin kannte kein Erbarmen. .heute mußte ases bei ihr ersten Ranges sein! Das Ist keine Kleinigkitt Alle Tage er Mte man nicht eine Greisin als Ost-Was denkst denn SchufterleX be äzneäseau Alleine eines ihrer Selbst wä htmd sie an der Tis e nnd im dem euch-Ube , »wir wollen ein lett beide, wenn eine rssiu. - , meine vom ältesten politischen liebeste mndia m mei ,. ; IesINm me besuchen kommt. IEine richtige vornehme Dame —- dir tei nichts von Uebermuth oder Herab i lassungl Hat mir ehe gefallen! Muß früher mächtig chön gewesen sein! Und die Toiletgtel Paß du bloß auf, Schufterle, das knistert dir alles von Seide und blitzt von Brillanten. Aber die Hauptsache bleibt immer das We sen, das Herz. Und sie hat eines, diese Gräfin... warum würde sie sonst beklommen, mich alte Frau auf fuchen und sich von mir alte Erinne rungen auglramen lassen wollean Und ich thu’ das, thu’ es herzlich gern, denn oft will es mir rein das Herz abdrucken daß ich all das mit mir allein hernrntragen muß, und half keine Seele, der ich davon erzählen kann. Ja, ja, Schufterle, du siehst mich an und wedelft mit deinem Endchen Schwanz. Du meinst, ich hab’ drch dich, und ich bin dir auch gut, mein altes, lieb-es Thier! Schließlich aker bist du doch bloß eine Hunde seele, wenn auch eine sehr tluge... und antworten kannst du mir lein Sterbenswort, und wenn ich hier bis morgen sitze und dir allerlei vorer zähle!« Schufterle riimpfte unwillig die Nase und nieste. Dann hob er sich auf die Hinterbeine empor legte die schwarzen Vorderpfoten aus das Knie seiner Herrin und schüttelte wie zur Abwehr den Kopf, daß der schwarze Bchang der langen Ohren nur so tanzte. »hast du mich verstanden, mein PudelchenZ Es sieht beinahe so aus. Du bist ja auch mächtig klug, ich weiß, dir fehlt bloß das Reden, dann wärst du ein Mensch. Jn dir liegt soviel richtiges Gefühl auf der Stelle weißt du, ob es einer mit uns bei-ven, 'mit mir und mit dir ehrlich meint, und benimmst dich danach! Meine sijiy Hanna, die haft du gleich beim ersten Mal liebgewonnen, und mit dem Pro fessor warst du auch sofort gutFreund Mußt auch zur Frau Gräfin recht liebenswürdig sein ——— was?« Räderrollen und P itschentnallen machten Frau Alwinens Konversation mit dem rierbeinigen Gefährten ein rasches Ende. Vor dem lleinen Hause hielt ein eleganter Hotelwagem die Gräfin, ganz in eine Wolke gelblicher Seide und Spitzen gehüllt. stiea lang sam aus, von den auf der Straße um hersvielenven Kindern wie ein Wunder atmeitarrt. Es dauerte eine Weile, bis der vor nehme Gast ins Zimmer trat. Es war ein sehr heißer Frühlingstag, bxaugraues Gewölk baute sich am Himmel auf, die Sonne stach. Die Gräfin sah erschöpft aus, die Augen lagen ihr tief in den Höhlen, die kahle Gesichtsfarbe war durch Puder und Karmin zu erkennen. »Ich bin noch immer von meiner schweren Firantheit nicht ganz berge ftellt,« entgegnete die Dame auf Frau Alwinens theilnehmende Fragen, »zu dem drückt die Hitze und die Gewitter luft auf meine Nerven — aber das rbut nichts, ich kenne den Zustand hin länglich genau. Wie hübsch und ge miitblich Sie es hier haben!« »Ja —- Hanna findet das auch! Die Einrichtung ift noch von meiner feli gen Schwester, ich möchte da nichts rühren, ich muß ja dankbar sein, daß ich so gut und sorglos zu leben habe in meinen alten Tagen. Bitte, seyen sich Frau Gräfin nur hierher, da it’5 am bequemsten. Ich darf doch ein paar Früchte anbieten?« «Gern!« Die Gräfin kam eben vom Mittagsmahl und hatte gar keinen Appetit, es kam ihr aber darauf an, ihre Gastgeberin bei guter Stimmung zu erhalten; sie war außerordentlich liebenswürdig und erklärte, so herr liche Crdbeeren hier in München bis her noch nicht gegessen zu haben. «Einen Hun haben Sie auch? Das ist recht!'Etwas Lebendes muß der einsame Mensch um sich haben. Ein hübscher Pudel! Und wie klug er auffiel-P »Ist er auch, Frau Grafin, ist er auch! Er hat ebenfalls der Schwester zum Eigenthum gehört, ich hab’ ihn mit allem andern übernommen. Komm, Schufterle, sag’ schön guten Tagt« Aber Schufterle that das nicht. Er war weder durch Locken mit einem Stückchen Zucker, noch durch die Droh ung, einen Rlaps zu erhalten, zum Nähertommen zu bewegen, viel weni qer noch dazu, zu »bitten« oder eine Pfote zu geben. Dicht an Frau Al winens Kleid gedrückt, zei te er eine auffallende Reserve, zwin erte unbe haglich mit den umzottelten Augen und ließ, als die schöne, von kostbaren Ringen funkelnde Hand der Gräsin ihn streichelte, eins bedrohliches Knur ten hören. »Ich weiß ar nicht, was heute in den Hund ge ahren ist!« rief Frau Erdmann bestürzt. »Eben habe ich ihn noch gelobt und seine Menschen kenntniß bewundert, und nun macht er meiner CFI iehung solche Schande! Schäw di , Schuster-le, marsch elf satt, ich will nichts von dir wi en! Frau Gräfin hätten nur sehen so , wie er meiner nna s «chelt hat, gleich, wie das ers- al bei «p.-tr wart Wie nuti er auf ie, nnd vom dem essot läßt er ich Im geduldig an den Ohren san en LFind macht keine Hesien Kunstßiise siirJ »Es hat ia nichts zu sagen! Stra fen« Sie ihn nicht! Haben Sie Herrn und Frau Professor Cotta« —- wie seltsam es der Gräsin erschien, von einer »Frau Professor Coiia« reden zu müssen und welche Uebertoindung sie das jedesmal kostete! —- «seitdem wir zuletzt dort zusammentrafen, wie dergesehen?« »Einmal hab’ ich zufälli meine Hanna auf der Straße getro sen Sie irae sehr eilig und wollte sich gerade in einen Wagen setzen, um zu ihrer Mutter — zu ihrer Pflegemutter. meine ich. Frau Piotrowsky — zu sah ren, die bedenklich erkrankt war. Frau Grösin werden das ·a wissen, Sie selxen doch die Hirscha ten sehr häufig. nicht wahr?« »Beinahe alle Tage. Wir machen meistens Ausfliige zu Wagen mitein ander - Professor Cotta behauptet, sie thäten mir so außerordentlich gut« — ein eiqenthümlicheg Lächeln erschien aus dem Antlitz der Gräfin — »Frau Pioirorvsty ist sehr krank, man fürch tet für ihr Leben!« »Ach,« machte Frau Alwine er: schreckt und mitleidig. »Ich kenne sie gar nicht. habe sie nie gesehen! Jst sie eine sympathisches Frau-s« ,,Eine sehr gute, liedeDamh Frau Gröfin, soweit ich das nach unserem einmaligen Beisammensein bcuriheilen kann. . Irer eben lränklich und ner vös, immer in Angst, Hannachen lönnie irgend etwas entdecken . . . da isor zitlert die arme Frau Piolrowgln geradezu, und es wär’ ja auch schreck lich, ich weiß auch nicht, wie Hanna das ertragen sollte . . .« »Es erträgt sich vieles im Leben, was einem unüberwindlich dünlte!« sagte die Gräfin mit besonderer Bein-— nusng. »Das schon, Frau Gräfin —- das schont Aber ich sollte meinen, ein sol ches Schicksal —- die Letzte zu fein einer so angliiellichen Familie —zum Tode bestimmt, wie alle andern, und nur gewissermaßen fo vorn Schicksal vergessen . . . dazu Hannas Wesen . . .'· . Ein inneres Zittern übertam die Zithörerirn sie brannte vor Neugier und Antheilnahme. Hundert Fragen lagen ihr aus der Zunge. aber es galt, vorsichtig zu fein, in der harmlosen - Frau nicht den leisesten Argwohn zu meckern Sie athmete tief auf nnd spielte mit unruhigen, zuckenden Fin aern an ten Spitzen ihres Kleides· »Sage-r Sie, Frau Erdmann, ist die fgune Frau immer so still und zu riickhaltend, wie ich sie bis jetzt tenne?« fragte die Gräsin dann irn leichten T Konversationston ’ ; »Ach! Finden Frau» Gröfin sie wirt- H lich so?« Die Frau war ehrlich er- ; staunt. »Ich weiß nicht, wenn die! Herrschaften hier bei mir waren, ist . Hannachen eigentlich immer recht leb- - haft gewesen« so kindlich unbefangen, ich hab« so meine Freude an ihr qe- . hat-» Aus-s- hat sie wissen wollen« für alles hat sie sich interessirt, sie hat rnir Bücher gebracht und Photographien vcn ihres Mannes Werten; sie ist ja mächtig stolz auf ihn, und das mit Recht! Sehr tlug ist sie auch, sie hat ja ein großes, schweres Examen — als Oberlebrerin glaub’ ich, früher aab es so etwas nicht, da lonnten bloß die Männer Oberlehrer werden! s-— mit Glanz bestanden. Sie hat enorm viel gelernt und auch Stunden aegeben, und in Kunstgeschichte weiß sie sehr viel! Sie ift hier einmal miti Herrn Gotta so ins Gespräch aelorn- « ineii über die Antiten und über Simp- z titren überhaupt . . . ich versichere Frau z Gräfin, ich lonrite nur immer Mund ; nnd Ohren aufsperren und ziihören!; So jung sie ist... sie steht ihren T Mann! Und Herr Professor hat das . auch gesundem er bat sie gelobt und « hat gesagt. sie verdiente auch darin « ein Zeugnifz Nummer ein-s«!« Die Grasin hatte die Brauen hoch c«e«,oacn, die Augen gesenkt —- ihre fcine Fußfpitze klopfte tattintißig auf den Luntgeblijniten Teppich. Hanrias Lob aus deni Munde der ehrlichen einfachen Frau that ihr weh, sie hätte so gern in Cottas Gattin das hübsche, unbedeutende Gänschen gesehen, das er aus voreiliger und übertriebener Gewissenhaftigkeit, die ihm sonst wahrlich fern genug lag, geheirathet hatte Sie sollte teine kluge, an ziehende Frau sein« .sie sollte genau so fein ivie sie ihr, der Gräfin, bis ber erschienen war: indifferent und unbegabt, in keiner Hinsicht passend zur Lebensgefiihrtin des Mannes, dessen berühmten Namen sie trug! »Mir-h wundert es nun gar nicht, daß Hanna so geworden ist!« fuhr Al wine Erdmann eifrig fort —es lag ihr viel daran, diese vornehme Dame, die ihr nitch recht Glauben zu schenken schien, von der Begabung ihres Lieb liiigs zu überzeugen. »Sie waren alle miteinander gut beanlagt, die Kinder! hilde ard war ein sehr tlu es Mäd chen, ie wollte gern ihr Le minnen exanien machen, aber ihre Mania, die ja von Geburt eine hochadlig e Dame war, erlaubte es ihr nicht; die beiden Söhne waren für ihre jungen sehr weit in den Wissenschaften, iex tamen immer glänzende eu nis ean dem Gymnazinum undo t riinrien. Einer von i en herbert, der älteste, hatte viel Zei talent —Hannachen rann jato auche üFsch zeichnen — sehe-is sich Frau Gräfm nur nial ihre an, sie t mir mal ein paar Blätter zum irsehen mite eb.raiht Zgizdiese kleine Irida war ein gabtes mußte zuweilen die Schule verf? unmi, darin thun gotd sie zu Von-e unten-i Sie warf se r Wangen ihr-eM kleinen UM Wette W eine prächtine junge Mutter geworden! Wie hat sie sich mit dauna herumge schleppt — Derr Cotka hat einmal Pganz schnell mit Bleisiist ein Bildchen von den beiden gemacht, bloß so flüch tig hingeworfen, aber doch sehr ähn lich, das hab’ ich noch!« «Dars ich es sehen« Die Griicxin fragte es ohne be ondere Hast oder «r regung, nur voller Antherlnahrne. »Gern!« Bereitwillig erhob sich die Frau und ging zu der gesehn-eis ten Kommode am Fenster, deren un tersten Schub sie auszog. Behutsarn, rnit sast liebevoll zu nennenden Bewe gungen nahm sie das flache, in starkes weißes Papier gewickelte Partei her aus, wand langsam das rothe Seiden band darum los und breitete den Jn halt des Vackets aus den Tisch vor der Gräsin aus· Zuerst die Photographien Ein Bild des Ehepaar-i —— die Frau stolz und vornehm, in einer Toilette, die vor mehr als zwanzig Jahren siir elegaut und modern gegolten hatte; die Grä sin entsann sich dieses Ztleiderschnittes, dieser Art der Spitzengarnirung noch teutlich genug. Das seine Gesicht der iDame lächelte freundlich, zugleich aber sein wenig hochmüthig und überlegen, Iman glaubte ihr den Abkömmling keines alten, seudalen Adelsgeschlechtes »aus den ersten Blick. Der Mann ne »ken ibr War ein stattlicher, intelligent aussehender Herr, ungezwungen in der Haltung, lebhaft im Blick, besonders sympathisch im Ausdruck Die beiden Knaben, die das nächste Bild zeigte, Arm in Arm, in der steifen zurecht gemachten Positur. wie sie halb:viichsis aen Jungen eigen ist, glichen dem Vater auffallend ---— ietzt ein lachen dekk, traustöpsiges kleines Mädchen .. und nun . . . »Das ist sie ——— meine Hildegardl Hier allein... und dies ist die kleine Stizze, von der ich eben sprach. Herr Professor hat sicher teine Ahnung da von, daß ich die besitze —- dasz sie überhaupt noch exisiirt. Er weiß wahrscheinlich gar nicht mehr, daß er sie jemals gemacht ha:!« »Schon möglich!« » Es klang zerstreut -—— obenhin! Der ’ brennende Blick der Gröfin haftete auf » dem vergilbten Blättchen mit einer ; Art von Gier. Das also-das also war sie —- seine erste Liebe —— seine Jungltngsleidentchastt Dies schlank junge Geschöpf, das da ftand mit aliicklich lachendein Gesicht, in beiden; Armen das Kindcherz hoch einborhali tend! Es lachte gleichfalls-, das ah nunaslose tleine Wesen. Flüchtig hinaestrichelt, wie die Gruppe war, zertnittert, wie das Papier sich zeigte ein reizender Anblick war dies Ge sitkwifterpaar dennoch! »Das wurde gemacht, lurze Zeit be vor ich nach München zu meiner tran ten Schwester fahren mußte!« Alwine Crdrnann trocknete sich die feuchten Augen. »Gott, Gott -— wer hätte denken sollen, dafz über taum zwei Monate sie alle, alle in der lalten Erde schlafen würden, und nur dies lachende Kindchen hier sollt-: durch einen Zufall leben bleiben! Ich sehe all dies-« —- sie deutete mit der Hand auf den iiber den Tisch hingestreuten Jnhalt des flachen Packets —- »nur selten an—ich tann es eben nicht! Es greift mich jedesmal so an, daß ich weinen muß, so viele Jahre auch nun schon darüber vergangen find! Nein, nein... Frau Gräfin diirfen sich keinen Vorwurf machen, mich um die Biler gebeten u haben — so war es nicht gemeint! « ch had’ es ja ver sprochen gehabt, und, so wehmiithig niir’s auchift . . . ich thu’ es doch wie der gern, denn, nächst den kurzen Jah ren meiner Ehe, war es doch die schönste und aliictlichste Zeit meines ganzen Lebens, die ich bei meinen lie- : ten Herrschaften verbracht habe, unds die Kinder hab’ ich wahr und wahr- j hastig geliebt, wie meine eigenen!« » «—Die Gräfin hielt immer noch die» Zeichnung in der Hand und blickte an- i scheinend unverwandt darauf nieder.1 Aber unter den gesenkten Lidern irrte l ter Blick seitwärts ab aus das zusam- ! mengefaltete Zeitungsblatt, das neben den Photographien lag. Sie tonnte,; bei ihrer Kurzsichtigteit. nur einxlne s Worte erkennen —- «ungeheureö us- H sehen —.alte Kreise der Bevölkerung » in Mitleidenschast gezoan — bisher hocheachtete Beamtensamilie —- lebens ;t;oll-e, begabte Kinder —- volles Ein zverständniß—— unausbieiblicheSchande ;tes Gatten und Vaters —« . i Mehr ließ sich von der nach oben ;acwendeten Seite des viersach gefalte- ; sten Blatteö nicht entziffern. . Mit einem Seufzer ließ die Gräsin endlich die kleine Stizze aus der hand gleiten. »Ich dante Jhnen von Versen siir das Opfer, das Sie mir gebracht ha ben. aber Sie dürfen versichert sein, daß. nächst nen, wohl niemand aus der Welten «eser Traqsdie mehr An theil nimmtI als ich!« Das will ich Ihnen alauben, Frau Gräsint Die alte , beste Freundin vom Herrn Profe or, der er selbst alles metaet lt hat-—- da versteht sich tie Theian von selbst!« »Nicht wahr? Aber-, bitte, sagen Sie Herrn Cotia nichts davon, das-, ich bei Jhnen wor, daß Sie mir diese Bilder und Andenken zeigten —- er liebt es nicht, daran erinnert zu wer den ——-seit Jahren habe i es ni i wagen dürfen, mit ihm über die e trourigen Dinge u reden . . .« «Da können Israu Gröfin schon ganz ruhig sein! Wie werd’ ich denn jetzi, wo er endlich glücklich geworden ist nnd hat die Vergangenheit soweit virgessen... wie werd« i denn fest ihm damit totnmen und a die f te - lichen Eindrücke wieder aufwii len? Er ist ja ein so prächtiger Herr — nich wiii blaß immer wieder wiins»ehen, er lernt seine junge Frau, die doch keinen anderen Gedanten hat, als ihn, auch noch immer mehr lieben wie soll ich sagen... er hat·sie natürlich lieb, sonst hätte er sie nicht aefreit... aber so sollt« es ein — so wie er die Hildegard geliebt hatt Das mein' ich!« »Sie denken auch, seine Liebe zu Hanna ist nicht die rechte?« » »O, nicht doch, Frau GräsinZ Wie dürfte ich mir das erlauben! Jch will nur sagen: ich hab’ ihn doch gekannt und hab' es mit angesehen, wie er früher war und wie die Leidenschaft ihn gefaßt gehabt hat! Jst er verliebt gewesen in die Hildegardt Hat er sich argestellt mit ihr! Nun freilich, es sind fast zwanzig Jahre seitdem ver gangen, er hat viel erlebt, er ist ein großer Künstler, er wird so manche-s ichöne Mädchen seitdem getiißt und ach-Itzt haben! Aber gar so alt ist er doch noch nicht, und ich denke eben weil er ein großer Künstler ist, hat er sich ein heißes Herz bewahrt, kenn ge rade die Kunst solt doch die Menschen jung erhalten! Er ist ja rührend gut zu Hanna und verwöhnt sie und schmiiett sie, wie eine Prinzessin — aber das allein thut es nicht, das fiihl’ ich schon heraus-» um wieviel mehr wird sie es thun!« Die gesenlten Augenlider der Zu hörerin zitterten, um ihre Lippen znctte es. Aber der blitzartige Iriumpbblicl nnd das Lächeln gesät tiater Schadensreude war glücklich un terdriirtt. Die alte Frau hatte während ihrer eisrigen Rede die Photographien,das Zeitungsblati, die kleine Stizze sowie ihre Briefe wieder methodisch zusam mengelegt, den Umschiaa darum ge than und das Ganze dedächiig mit dem rothen Seidenband umwunden. Aus blickend qewahrte sie jetzt, daß die Gräfin am Tisch saß, den Kopf aus die linke Hand gestützt, während sie» init der rechten wiederholt ihr feines. oustendes Spitzentuchelchen gegen Stirn und Augen preßte. Fortsetzung solgt.) Von den Schmerzen eines » Landes. ; Der Ausländer, der als Touristt unser norwegisches Land besucht, sei( es im Winter, wo Schnee nnd Eis im matten Schein der nördlichen Sonne den Bergen und Wäldchen ih ren Zauber verleihen, sei es im Som mer im Schmncktleide der sammtenen Tannen und hellen Bitten, der blumi genWiesen, der schäumendenFIiisse, der mächtigen Wasserfälle, in der Pracht see Mitternachtsonne, dkv. Millionen weißer Seeviigel —- er wird sagen: Wie schön ist dies Land! Wie müßt Ihr es lieben! Und durchkreuzt unser Land ein Mann praktischen Sinnes, ( wird er sagen: Wie reich ist Euer Land! Und Jhr nennt es immer »un ser armes Norwegen«. Aber ste wissen beide nichts von Not-wegen; dem »Land, das man liebt, in dem man aber nicht leben tann«. Gewiß, wir lieben es. Nicht um die Pracht und den Glanz einer Na tur, nein. weil wir das Erben und Schicksal derer kennen, die zwischen den grauen Felsen der Küste wohnen, in den engen Thalern am Fuße der steilen Berge, die ihr tägliches Brod im Kampse mit den Elementen erwer ben, den Tod vor Augen, nnd denen nach unendlicher Mith- und Arbeit nichts bleibt, als das Bündel zu schnit ten und gualvollen rzens eine fremde, große Welt zu nchen, wo sie Geld gewinnen, aber teine Freude, wo sie in jedem Frühling sich nach der tleinen hätte im hohen, reinen Norden tehnen wie das Kind nach der Mutter. Und was hilft es uns, dasz die Berge voller Metalle sind, daß unsere Wasserfälle unermeßliche Kräfte ha den er holt sie heraus, wer fetzt sse um's Sollen wir alles dem Anstän der geben, damit wir eineKolonie einer · rer großen Mächte werden? Sollen; wir auf den Norwe er warten, der in Amerita durch nerationen sein · Blut mit Gelb vertauscht halt Wer s lost die Kräfte aus und hält uns Nor- ; wegen echt und rein? Also lassen ivir s dem Auslander die Hoffnung auf; Reichthum« lassen ivir ihm die Liebe zu I der Schönheit unserer Natur. Wir j lieben unser Land in seiner Armuth; ·—- weil wir es lieben. Wir lieben den i Norweger, der seinen Vater ertriulen s ’sieht und dennoch Fischer bleibt, der s icin Haus wieder ausbaut, das vom z lBergsturz mitgerissen wurde. ; Was sagt der Anständen der den l Loensee gesehen hatt »Wunderlchöii! I «—— Oiiite lite Lago di Corno!« Aber I tennt er den gefährlichen Bringgglet- ; Tscher? Hat er den »Naben« gesehen, den 6350 s uß hohen Berg init dein drohend erausspringenden Felsen, weiß er vom Schneesturz iin Winter? trennt er den jähen, gewaltigen-Sturm der dein Arzt seinen Besuch sast un möglich macht? Fünf Leute ruderten ihn im Sturm hinüber. Es war zur Weihnachtszeit. Drei Wochen spater waren sie alle todt. Wer tennt das alles und traut sich noch dort zu woh nen, wp Steiusturz und Lawine so oft Leben und Habe bedrohen? Vor einigen Jahren gin im Lo ihale ein Bergsturz nieder. Brei junge Leute, die ihre Wiesen wählen, wur den todtet, ein Mann zum Krüppel qesch agen. Und keinen Schuß gibt es vor diesen unberechenbaren Mäch teii. Wir wissen. daß die Bewohner vor einer drohenden Lan-tue jeden Abend ans ihren bät-seen slltchtetem und daß dann dteLaiotne gerade an der Stelle nieder eite, wo sie Schuß gesucht hatten. Jahre 1868 ta , z. Las-PH l"men durch Latoinen niesr a 130 Meniigettr umk. Zän isnddxgvdöiw vern ee en nz r nee trrz in einer Breite von Dælksuß viele Menschenleben Man wird sich des Erdbebens erin nern, das am 23. Oktober des vorigen cJahres über Standinadien hinging. · es mag in Verbindung mit dem großen Unglück am Loenfee stehen wo tor wenigen Wochen sechzig Menschen getödtet wurden und elf Gehii te ver nichtet mit allem, was dazu ge örtr. Als das Unglück geschah, weilte ich in Deutschland Nun ich, Wochen danach, heimtehrte, sprach man noch immte davon: so tief hatte diese ans der Natur Norweg-Ins gebotene Kata scrophe auf seine Menschen gewirlt. Wie sieht es heute an der Unglücks stätte aus? Was erzählen die Ueber lebenden? Der See ist vom »Raben« bis zum gegenüberliegenden Ufer 300 bis 400 Meter breit und soll sehr tief sein. Am Fuße des ,,Raben« lagen unge lieure Steinmasfm Die nördliche Seite des Berges hatte immer gefahr orobeiid ausgeiehem und man fürchtete lange von dort einen Sturz. Und doch sollte das Unglück von der öitlichen Wand kommen, die steil und fest in die Höhe ragt. Es war am Abend zwi icksen 11 und12 Uhr, als ein gewalti aerstrach die fchlafenden Bewohner zu dem unheilvollen Anblick erweckte: lWasserfluthen bis zu einer Höhe von »so Meter lrachen herein und vernich Jteten in weniger als einer Minute den ; aanzem idnllisch gelegenen kleinen Ort. lNiemand ahnte, was vorging, da in zder Nähe kein Fluß war, von dem eine I Ueberschwemmung erwartet werden :lc-nnie. Der »Naben« war es, der ’seine Felsenmassen in den See ge isebleudert hatte, die schräg bitte-mich Hnenden Steinmassen ani Ufer unter ifich in die Tiefe gedrückt und so eine Riesenwogeerhodem die sich an der hervorspringenden Spitze des gegen J iiberliegenden Users getheilt hatte, eine Welle nach links gesandt, die eine an saebaute Strecke von 700 Meter Länge und 40 Meter Breite mit den darauf liegenden Häusern mit sich sortspülte, und eine andere Welle nach rechts, die 500 Meter in die Bucht hinausstiirzte isnd alles zerinalmte, noch 200 Meter ins Land hineinlobte und im Zurück sinten alles aufsaugte, was noch da war an Häusern, Menschen und Thie ren· ,Der roin Bergsturze und Sturm isufgeriibsrte He war von Bartholz, Hausgeräth, Stroh und Heu erfüllt; dem Arzt, der durch das Telephon ge rufen wurde, begegneten ein ganzes sctkwimmendes Haus, Scheunen, Kisten und Thiere. Nur zwei Häuser stan den noch. Sie waren von Leichnamen und von verstümmelten, stöhnenden Mensch-en übersiilli, die herumlagem roo es nur einen Pla zum liegen gab. Aus den Trümmer ufen ertönten Hilferuse der unter Balten und Stei nen begrabenen Menschen und Gebrüll der vielen Thiere, denen man . der Finsterniß und im Sturm wenig zu Hilfe tonimen konnte. Nach stunden langer Arbeit wurden einige heraus ixegrabem lebend, aber so zugerichtet, daß sie kurz darauf arben. »Hier," erzählte ein kleiner Junge, der gerettet wurde, »holten sie Vater und Mutter heraus. Jch habe noch ein paar Worte mit ihnen gesprochen, elssp sie drinlagenlj Bie uvrcgen ueverteoenoen nno wie durch ein Wunder gerettet ·worden. Nackt fand man sie in der fürchterli assen Kälte weit von ihren Wohnungen durch die Fluthen hingeschleuderi. Nur junge Leute sind am Leben ge blieben. Umsonst ist die Mühe gen-e sen, die Verunglüctten alle aufzufin den. Sie werden mit Stein und ErR in der Tiefe des Sees begraben lie gen. Auch die Versuche der Tauchet iind vergeblich gewesen. Und doch war der Zug der Särge, die sich zum Friedhof bewegte, ein traurig großer. Die Leichname der Thiere werden in großen Haufen verbrannt. »Daß Du es wagst, herzulonnnen!« sagte ein junges Mädchen, die einzi e lieberlebende von einer großen Fami lie, zu einer Dame, die zur Hilfe hin gereist war. Noch immer lösten sich Steine vorn »Naben« und rollten don t.crnd in den See. Ungefähr in 500 Meter Hohe hatten sich die Blöete heraus-gelöst und eine Höhlung von 50 Quadratmetern hinterlassen.« Der stei nerne Abhang am Ufer ist verschwun den. Die Kraft der Welle war unge heuer-. Ungefähr 40 Miter hochiiber der Seeftiiche auf einer mit Bäumen erwachsene-i Ebene lag ein flacher Stein« zwei Quadratmeter groß, tief. n- die gefrorene Erde eingebohrt. Da hinaus war die Welle g-:lanat, hatte Lnn losgerissen und über zehn Meter trcit geschleudert, als- nsäre es ein leichter Riesel. Große Bäume lagen r:mgerisscn, einen großen lttlntnpen eisiger Erbe an der Wurzel. Der am Ufer fiir ten Winter hinaufgedrachte Dampser war zerschmettern das Schlevpboot verschwunden Die Boote der Bewohner, 70 bis 80 an der Zahl, sind alle vernichtet Ihrer ganzen Habe beraubt stehen sie armen Bewohner da. Hilfe mus: ihnen von außerhalb gebracht werden, damit sie ihre häuser aufbauen tön nen. Wohl werd-n sie einen Bnuplatz tiefer ins Thal hinein suchen, aber sie sbleibenx bleiben in der heimatb mit Ihrem Schnee und ihren Bergttiirzem -mit dein aufgerührten See und den schrecklichen Erinnerungem .. Thra Bentlon Quinte-he Depeichm bereiten die Welt auf eine Ueberraschun vor, die in 14 Sinken eintreten weise Man sann lich t Befürchtung nicht ent l . d « ges a es verekelt-. selber die Ueber-IN