Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 24, 1905, Sweiter Theil., Image 13

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    Frautein vpapa
Clizze aus dem Bergmannsleben Nach
dem Englischen von W. Thal.
Jeden Morgen, wenn die Bergleute
sich am Eingang der »Berard-Grube"
sur Einfahrt versammelten, erschien
zuleht ein großer, heiterer Mensch, der
ein kleines Mädchen von 7——8 Jahren
an der band führte. Es war Michel
Perron und seine Tochter: Bevor er
den Fuß in die Benne setzte, um in die
Grube hinunterzusteigen, hob er das
Kind in den Armen hoch, drückte einen
Kuß auf jede Wange und feste es wie
der nieder. Das Kind rief: ,jAuf
Wiedersehen, Papa!" Wenn die Glocke
ertönte und damit das Zeichen zum
Abstieg gegeben wurde, legte sie die
kleinen Finger zusammen, saltete die
hände und wiederholte immer und
immer wieder das Wort »Papa«, bis
der Papa sie nicht mehr hören tonnte
und sie nach der Schule ging, um
dort den Tag zu verbringen.
Sobald der Abend gekommen war,
stand sie als erste am Eingang zur
Grube, aus der Michel Perron immer
zuerst auftauchte. Dann hob er sein
Kind in die Höhe; sie schmiegte sich
zärtlich an ihn und rief fröhlich: »Pa
pai« während alle Heiterleit ihrer klei
nen Seele aus ihrem Lächeln und ih
ren Blicken strahlte. Die Bergleute
hatten sie diese beiden Silben so oft
wiederholen hören, und die seltsame
Leidenschaft, die sie bewußt hinein
legte, war ihnen so aufgefallen, daß
sie sie »Friiulein Papa« genannt hat
ten.
Und dieser Name paßte auch vor
züglich fiir sie. Jhr Vater lebte nur
fiir das Kind, die Mutter war lange,
lange todt. Sie hatte sie taum ge
kannt. Jn den Erinnerungen ihrer
frühesten Kindheit sah sie immer nur
ihn, nur ihn vor sich. Für sie wurden
seine rauhen Hände weich, fiir sie war
sein Gesicht stets heiter und fröhlich;
und für sie war der Mann gleichzeitig
zum Weib und zum Kind geworden-.
Ach, wie sehr liebte sie aber auch ihren
Vater, wie änglichst war sie jeden
Morgen, wenn sie ihn in das göhnende
Loch hinuntersteigen sah, dessen Endes
sie nicht zu erblicken vermochte.
Ein Bergmann hatte sich eines Ta
ges den Spaß gemacht, sie ganz dicht
an den Rand der Grube zu halten«
doch fje war von dem finsteren Loch!
mit einem Schreckensschrei zurückge-’
sprungen. — »Papa steigt dort hin-s
unter," dachte sie, »wenn er nun nicht
mehr herauftocntnt?«
Und an diesem Tage schmiegte sie
sich« als Michel Perron sie zum Ab
schiedsgruß in die Arme genommen.
inniger an ihn an und sagte zitternd
unter halblautem Flüstern:
»Du wirst doch wieder kommen,
nicht wahr?«
»Aber gewiß, Kleine, wie ininier!«
»Ist auch teine Gefahr dabei?'·
Sprich Papa!«
»Natürlich nicht, mein Herzchen!«
»Könnte niemand —--— lönnteft Du
nicht dort unten fterben?-«
»Sei unbesorgt,« versetzte Michel
lächelnd, »ich werde nicht sterben, ohne
es Dir vorher zu fagen.«
»Dann auf Widersehen, Papa!« ;
Sie glaubte an diefe Worte des?
Vaters wie an das Evangelium undI
ging wieder beruhigt nach der»
Schule. Doch die Erinnerung an das;
schwarze Loch, in das sie geblictt, war’
nicht ganz verschwunden, und von jetzt ’
ab fürchtete sie sich jeden Morgen undt
zitterte jeden Abend. Sie fürchtete(
stets, ihr Vater würde aus der TiefeJ
in die sie ihn hatte fteigen sehen, nicht
mehr auftauchen.
Eines Tages verbreitete sich plötz
lich das Gerücht, es hätte fich eine Mi
nenexplosion ereignet. Jn tiirzerer
Zeit, als man braucht, um es zu er
zählen, war der Eingang zur Verord
Grube von einer dichten Menschenmen
ge umlagert. Aufgeregte Menschen
kamen von allen Richtungen herbei.
Ob man von all den Bergleuten da
unten wohl viele lebend wiedersah?
Michels eTochter lief mit aufgelöttem
Haar inmitten der aus der Grube ge
förderten Leichen umher und rief»-Pa
pa! Papa!«
Allerdings liefen noch andere um
her und schrien: »Papa, Papa!", doch
niemand mit solchem Ton der Ber
zweiflung. —- Die andern wurden
fortgefchiclt. Das arme Kind lief von
einer Leiche zur andern und blieb
manchmal nachdenklich stehen, um in
den entftellten Zügen das Gesicht des
Mannes herauszufindem den sie
suchte. Doch ihr Vater war nicht nn
ter den Todten. Das Vertrauen lehr
te zurück. Sie ward ruhiger und such
te ihn unter den Lebenden. Niemand
hatte ihren Vater gesehen.
Von den 60 Bergleuten, die am
Morgen in die Grube hinabgestiegen
waren, waren 45 zurückgelehrt; 14
waren todt. Einer fehlte und das
war Michel. Das alles ertliirte man
ihr. ie verstand es und nickte mit
dem opse, als wenn sie ihr gesagt
hätten: »Du wirst ihn wiedersehen.«
Sie erwartete ihn auch wirklich jeden
Augenblick Plötzlich erinnerte sie sich,
daß ihr Vater ihr eines Morgens ge
sagt hatte: »Ich werde nicht sterben,
ohne es Dir vorher zu iagen.«
Jn vierzig Stunden hatten die
Bergleute alle Mittel der Rettung
erschöpft. Allerdings lag in diesem
Perschwinden etwas Merkwürdiges.
Lebend oder todt hätten sie ihren Ka
meraden Michel finden müssen, doch
das war nicht der Fall gewesen; Mit
den Plänen in der Hand, hatte der
Chefingenieur selbst die Nachfor
schungen geleitet. Sorgfältig hatten
sie sogar den kleinsten Winkel der
Galeeien durchsucht. Es war die
Ansicht aller, der unglückliche Berg
mann wäre bei der lötzlichen Explo
sion in die Luft ge logen, ohne daß
man sich ertlären konnte, wohin er
gekommen.
Achtundvierzig Stunden hatte
»Fräulein Papa« in fieberhafter
Ana« doch ohne müde zu werden, ge
wartet. Bei jeder menschlichen Gestalt,
die am Eingang der Grube auftauchte,
fuhr sie zusammen, doch wenn sie den
nicht erkannte, den sie erwartete, setzte
sie sich wieder mit einem tiefen Seuf
zer nieder. Man versuchte, sie wegzu
lningen, doch sie weinte so bitterlich,
daß man sie schließlich da lie . Man
glaubte, die Müdigkeit würde te über
wältigen. ·
Am dritten Tag saß das Kind noch
am Eingang der Grube.
»Wir müssen der Sache ein Ende
machen," sagte der Chefingenieur,
näherte sich ihr und meinte:
»Sei vernünftig, Kleine!«
»Papa! Sucht Papa!«
»Er ist leider todt!«
»Nein!«
Sie stieß dieses »Nein« mit solcher
Heftigkeit aus, daß der Jngrnieur
davon betroffen wurde.
»Warum nicht?« fragte er·
»Er hätte es mir gesagt!«
»Armes Kind!« murmelte der Jn
genieur und gab ein Zeichen, man
solle sie fortbringen. Doch sie klam
merte sich verzweifelt an ihn und
schrie:
»Papa ist nicht todt; ich will hinun
tergehen. Jch werde ihn finden!«
Sie brachten sie fort und schickten
sie unter guter Obhut in die Schule.
iiine Stunde später war sie wieder an
der ,,Berard-Grube«, klammerte sich
an den Jngenieur nnd wiederholte:
»Ich will hinunter! Ich werde ihn
finden!«
Der Jngrnieur war ein menschen
freundlicher Herr. Er hatte Mitleid
mit ihr. Er nahm sie in die Arme
setzte sie in die Benne und gab das
Zeichen zur Niederfahrt.
Sie fchauderte und der Jngenieur
fühlte, wie die kleinen Hände in der
seinen zitterten, der blondesiopf preßte
sich fester cn den seinen, und Thränen
beneßten seine Wange. Als sie unten
waren, machte sie sich los, lief umher
und rief: »Papa! Papa!«
Der Ingenieur, der selbst Vater
war, folgte ihr mit großer Miihe und !
suchte ihr klar zumachen, wag er ihr
schon zwanzigmal gezeigt, wie die Er
plosion vor sich gegangen war, wo sie
stattgefunden und wie man die Opfer
aufgefunden hatte. Das Kind fragte
trotzdem weiter und wiederholte noch
immer: »Er lebt! Suchen Sie ihn!«
Wie am Eingang der Grube wäre
iie auch hier drei Tage geblieben, hätte
er sie nicht mit Gewalt fortgebracht »
und wäre mit ihr hinaufgestiegen. :
Der Jngenieur hatte den Befehl ge- !
geben sie iollte wieder nach demSchulJ
hause zurückgebracht und dort festge !
halten werden; auch sollte man ihrl
nicht gestatten, wieder in die Mines
hinabzusteigen, wenn sie am Eingang ;
der Berardgrube erschien. Alle seine
Anweisuncen wurden getreulich be- !
folgt, doch am nächsten Tage, als ers
gar nicht an sie dachte und die Mine
inspizirte, fühlte er sich plötzlich von
hinten am Rock gezogen. Es war
Fräulein Papa. Sie war zum zwei
tenmal aus der Schule fortgelaufen.
Da man sie fortwies, und niemand
sich ihretwegen einer Strafe aussetzen
wollte, so war sie in einen leeren För
dertarren getrochen und so in die
Mine hinabgestiegen Sie erzählte
das gleich und erhielt dafür Verzeih
ung Fiinf Minuten später begann sie
ihreNachsotschungen. Mit leidenschaft
lichem Eifer untersuchte sie wie am
vorigen Abend die Kohlenwände, ging
wohl zwanzigmal an der nämlichen
Stelle vorüber, ohne zu verzweifeln,
ohne zu ermüden. Die Leute achteten
nicht mehr aus sie. Sie sahen sie nur
mit einem Blick des Mitleids an, zuck
ten die Achseln und sagten: »Armes
Versuche-IF
Doch »Papachen« suchte noch immer.
Plötzlich sah man sie ängstlich, ver
stört, mit blossem Gesicht umherlaufen.
«Popa!« siei sie, »Pap0!«
,,,Wo wo?« fragte ein Bergmann.
JSeine Bluset«
IWo denn?«
Von den sämmtlichen Leuten beglei
tet, kehrte sie um, zögerte, blieb stehen
und tehrte wieder um.
Sie konnte die Stelle nicht wieder
finden. Alle Kohlenblöae sahen gleich
aus, alle Löcher waren ähnlich, und
alle Gallerien erschienen genau gleich.
Und doch war sie ganz sicher, dieses
ileine Stückchen blaues Tuch gesehen
Zu haben. Wo seine Bluse war, da
mußte auch er sein«-— zweifellos le
bend, — doch sie konnte sie nicht wie
derfinden. i
Einer nach dem andern lehrten die
Männer an ihre Arbeit zurück; sie
waren sest überzeugt, die-kleine hätte
sich von ihrem Kummer täuschen la -
ten, und hielten jede weitere Suche siir
aussichtslos-. Doch tauni hatten sie
Zeit, die Schaufel oder den Karst aus
zunehmen, als ein verztveiselter Schrei
sie zurückrief.
Das tleine Mädchen stand zitternd,
init starren Augen und tveitaufgerissei
nen Lippen an die Wand gelehnt und
tchtiet »Ich habe ihn! Jch habe ihv!«
Sie zogen sie beiseite und blickten
bin. Ja! Es war ein Stück Tuch,
blaues Tuch! Es war eine Blase. Lag
dort ein Mann? Sie machten si an
die Arbeit und schauselten, was ert
zeug und Hände nur leisten wollten!
Jm Nu war die Wand niedergerissen
und in einer tiefen Höhlung sa n sie
einen Mann liegen. Es war ichel
Perrom Er hatte dort drei Tage und
drei Nächte gelegen.
Verworrenes Geschrei aus allen
Seiten Und durchdringender als alle
andern, ertönte ein Schrei von den
Lippen des kleinen Mädchens. Sie
wars sich über den Körper, umschlang
ihn mit beiden Armen und rief wie
von Sinnen immer und immer wieder
»Papa! Papa!« s— Es stand sehr
schlecht mit dem armen Michel. Durch
dteEntziehung von Luft und Nahrung
im höchsten Grade geschwächt, kam er
nur zu sich, um gleich wieder in Ohn
macht zu fallen; doch blieb er am Le
ben. Fräulein Papa hatte die Wahr
heit gesprochen. Der Gedanke an die,
die er zurückgelassen, hatte seine Kräfte
verzehnfacht.
Einen Monat später war er wieder
auf dem Posten, mager, aber gesund,
und wohl imstande, seine Arbeit wie
der auszunehmen. — Am Abend vor
dem Tage, da er wieder in die Mine
hinuntersteigen sollte, veranstalteten
die Bergleute Fräulein Papa« zu
Ehren ein großes Fest-naht Sie saß
ans dem Ehrenplatz. Ein jubelnd-es
Hnsbaeschrei und Beisallsllatschen er
hob sich bei ihrem Eintritt. Alle um
armten und küßten sie, und noch so
manches Hoch wurde der kleinen Ret
terin zu Ehren im Laufe des Abends
ausgebracht. So mancher brave Bur
sche, der das Weinen längst verlernt
hatte, wischte sich bei dieser Gelegen
heit die Augen mit dem Rockärmei.
Hans im Glück. «
Eine Kleinsten-Gesichte von Th.
E b n e r.
Herr Hans Fischer, wohlbestallter
und einziger Redakteur an dem Kreis
blatt in Asselfingen, machte einmal
wieder Kassenstnrz
Jn den sriiheren Jahren hatte er
das des öfteren gethan, allein, da das
Resultat dieser Arbeit immer das
gleiche blieb, einige linpserniclel und
Un österreichischer Heller, der ihm ein
mal von einem Ausflua an die Gestade
des Bodensees übrig geblieben war,
hatte er nach und nach sataliftische
Anschauun en bekommen und sich da
mit beanilg , in den letzt-en acht Tagen
von kleinen Pumpereien zu leben, bis
ihm sein Herr und Verleaer in der
letzten Stunde des letzten Tages die
sauer erworbenen Groschen aus das
Schreibpull zählte.
Na und heute wieder einmal so eine
Anwandlung von Neugierde nach dem
Inhalt seiner Börse! Heiliger Brahma
im siebennndsiebenzigsten Himmel —
gab es denn noch Wunder ——— oder war
es Trug, schnöder Trug und Blend-:
rverk der Hölle? Es war ja nicht die
Möglichkeit, heute, ausgerechnet am
letzten des Monats noch ein effektiver s
Baarbestand von 7 Mark 50 Pfen
nigenl
Jawohl, es gab alto noch Wunder-!
Solche Erlenntniß überwiiltigte Hans
gerade-qui Aber er war ein kindlich und
harmlos Gemiitl7. under hieltes süri
Sünde, deg Schicksals dunklem Wal- i
ten lange nach-zugriibeln. Das Geldt
war vorhanden und das genügte.
Bei dieschelegenheit reiste in Han
fens Seele ein großartiger Plan!
Großstadtluft wollte er einmal wieder
achtnen, Leute sehen, sich fühlen als
tiulturmensch schwelgen in stillen Ge
niifsen.
Einen Augenblick lang tvar’s ihm
ganz schumrig vor den Augen in Er
wartung fclcher Genüsse. So ein Du
sel—— einmal wieder hinaus aus die
sem Kerker, hinein in’H volle Mens-«
schenleben »Machen wir,« sagte er
mit plötzlichem Entschluß, und drehte
sich mit einer Wucht aus feinem
Schraubensesfel herum, daß es quiette,
als ob 70 Ferteln auf einmal auf die
rosenrothen Schwänzchen getreten
würde.
»Ich werde heute Nachmittag mal
nach der Residenz fahren,« erklärte er
mit der Haltung eines- Helden seinem
Verleger nnd Nährvater.
Der sah ihn mit einem verstöndniß
losen Blicke an: »Dottor, Dottorl«
»Sind Sie des Teufels!« wollen
Sie vielleicht frei nach Heine zitiren,«
vollendete Here Hans feine Rede.
»Nein, nein, mein Verehrtester, ich bin
völlig bei Sinnen, weiß, daß Sie eine
solche Heldenthat am letzten des Mo
nats nicht von mir erwarten, gestatte
Ihnen, meine Gelder bis morgen zins
tragend anzulegen, da ich heute groß
miithig auf den schnöden Mammon
verzichte, theile Ihnen mit, daß das
Blatt fix und fertig ist, wünsche Jlnen
vergnügten Nachmittag und gute Ge
schäfte und...'«
Weg war er.
Is- C
Das mußte man ihm lassen-»Ur
und adrett hatte sich Herr Hans her-—
tuggemachi. Aber merkwürdig und be
trübsam ist es, zu lonstatiren -- sein
Eintressen in der Residenz, das mit
fahrplanmiißiger Verspätung geschah
---erregte dort keinerlei Aufsehen,
Herr Hans tauchte spurlos unter im
Strom der Großitadt. Aber was
tiimrnerte das Hans im Glück. Stolz
und aufrecht schritt er dahin, seinem
Ziele zu. Um ihn sluthete und hastete
das Leben-vor sich saher nur die
lange Hauptstraße und an ihrem Ende
ties unten im dunklen Rathsieller
dachte er heute sein Quartier auszu
schlagen.
Und Herr Hans saß dort n einer
kühlen und stillen Ecke, iran und
träumte. Wohlig und weh ward ihm
ums herz, da er so ein Schöpplein
ums andere hinter die Binde goß, und
mit der lächelan Schenimaid koste.
—- —
Der Erinnerungen gar viele kamen zu
ihm, Kindheit und Jugend lockte und
winkte-— altes Herz, verstaubt und
vertrocknet im Gram und Einerlei des
Alltags, wirst Du noch einmal jung,
hörst du’s singen und klingen: · «
»Loose, taasen Se Loose, gnädiger
Herr, das letzte Loos am letzten Tag
ver der Zieh.ung, Se müssen gewinnen,
glädiger Herr, kaasen Se, skaasen
e —«
Etwas mühselig hob HerrHans sein
Haupt.
Da stand einer vor ihm-ja, ja,
damals auf der Hochschule, da war
dann und wann ihm auch so eine Ge
stalt auf die Bude gerückt, und hatte
mit ihm geseilscht um allerlei alten
Kram für etliche lumpige Groschen.
Herr Hans lachte laut aus: Das
letzte Loos am letzten Tag des Monats
und dasiir den letzten Thaler, den er
sein eigen nannte. Gab es solchem
Schicksalswini gegenüber ein langes
Zaudern? Sollte er dem Glück es ver
bieten, wenn es nun gerade heute zu
ihm kam
Langsam und beinahe andächtig
entnahm er den letzten Thaler seiner
Börse und steckte das Loos zu sich.
Nun trug er ein Vermögen bei sich,
und stolz und aufrecht, wenn auch nicht
mehr ganz sicher auf den Füßen,
schritt er dem Bahnhos zu. —
-t- st- L
Natiirlich war ihm der Zug vor der
Nase 1veggesahren. Zwei weitereStun
den Aufenthalt waren für Herrn
Hans sicher. —— Ein rundes Fünszigerl
nannte er noch sein eigen —
«Was nun beginnen? —- Na bei
einem Glas Bier ließ sich die Sache ja
überlegen. Bummeln? Nein, die
Pedale waren doch nicht mehr sicher
genug.
Also warien. Herr Hans war müde
—- es war ihm so eigen zu Muthe, so
leicht und lustig, wenn’s ihm auch
schien, als läge rings um ihn grauer
Nebel, und als schwankte und wankte
alles um ihn her.
Und dann spiirte er, wie er ganz
sachte und langsam hinabglitt ins
Dunkle. Vor ihm schwebte etwas in
leuchtendem Glanze, er haschte dar
nach, es glitt ihm aus den Händen —
und an sein Ohr tlangs wie helles
Lachen:
»Na sieh mal einer den Doktor,«
hörte er eine lustige Stimme, »ja
Freunderl, wo kommen Sie denn her?«
Herr Hans rieb sich die Augen. —
Was nur der von ihm wollte — er
kannte das Gesicht ja gar nicht —- so
eine FrechheiL —
Aber der Unbekannte lachte nur noch
lauter: »Ach so. Sie kennen mich wohl
nicht mehr. Silber Doktor — etwas
start gekneipt?«
»Erinnern Sie sich doch —— im vori
gen Sommer, Riniera, Donna Mar
guerita — na, dämmert-s Jhnen im-’
mer noch nicht?«
,,Riviera —- Donna Marguerita?«
Herr Hans sah blöde drein. — »Jn
der That, nein,« stammelte er, »ich
erinnere mich nicht«
,,Köstlich, töstlich,« lachte der an
dere, »aber macht nichts, das Wieder
sehen musz gefeiert werden — Kellner, !
eine Flasche Selt, rasch ——« .
»Aber erlauben Sie,« wagte Herr;
Hans.
»Später, später,« wehrte der andere.
ab. »Erst mal augtrinten «-— Prost -——i
Doktor! Eviva Margnerita —« !
Jn Herrn HansenS Kopf sah’s wüst ?
aus. Träumte oder wach-te er? WerJ
war denn dieser Herr, der da mit ihm ’
immer wieder ausrief-« der --— ——« «
Ach was, dummes Zeug er war ja
gar nicht da, tein Mensch saß ihm
gegenüber. —--- Also ein Traum?
Herr Hans wollte lachen, da fiel
fein Blick auf die leere Seltflasche
und zwei Gläser. —- - Das qehörte doch
nicht zum Traum. — tha, wag gings
ihn an. —
Matt und miide erhob er sich ’5
war ja wohl Zeit für den Heimgang
— Was nur der Kellner um ihn her
umzuschleichen hatte - —- sein Glas Bier
war bezahlt, sogar ein Trinkgeld hatte
er gereicht, also en avantt
,,Darf ich bitten, mein Herr, eine
Flasche Selt, macht zehn Markt«
Herr Hans starrte den Befrackteni
an wie ein Gespenst. !
»Wie meinen Sie?« fragte er harm- t
log
»Eine Flasche Selt, die Ihr Freund
fiir Jhre Rechnung bestellt,« wieder
holte er nachdriicklich.
»Mein Freund?«
»Nun ja, der Herr, der vor einer
halben Stunde bei Ihnen faß. Darf
ich bitten, mein Herr, das Lokal wird
gefchlossen,« wiederholte der Gantnned
sehr scharf und ernst.
Nun wurde Herrn Hang die Ge
schichte zu dumm. »Was wollen Sie
von mir? Habe ich den Seit bestellt?
Wer war der Herr? Jch kenne ihn
nicht. Also lassen Sie mich in Ruhe,
oder —«
,,Oder?« klang des Kellners Stim
me zuriick. »Na, na, mein Herr, ent
weder Sie bezahlen, oder ich rufe die
Polizei, Sie, Sie —-— Zechfchwind
ler ——«
»Was sagen Sie,« schrie Hans-,
»Herr, wissen Sie, wer ich bin?«
»Ist mir egal,« replizirte der Be
frackte, ,,wollen Sie bezahlen?«
»Nein,« donnerte Hans, und mit
einem kräftigen Ruck such-te er sich
los-zureißen
Aber der Kellner hielt ihn fest.
Hans war niedergefchmettert. Nette
Sache —- einem Schwindler in die
hände gefallen —- was thun?
Plöhlich kam ihm ein rettender Ge
dante. ,,Lieber Freund,« wandte er
sich an den Kellner, »hal)en Sie Nach
sicht. Ich bin elend betrogen. —- Wis
sen Sie was, nehmen Sie dieses Looö
als Pfand — Ziehung ist morgen,
Gewinn absolut sicher —- Also nicht
wahr — Sie gestatten — mein Name
it —- guten Abend . . .«
Einen Blick nur warf der Kellner
aus das Loos. — Herr Hans faßte
neuen Muth —- schon wandte er sich
der Thür zu — da fühlte er sich von
neuem gepackt. —- —
,,Schwindler —- Gauner —- Poli
zei«, tönte es an sein Ohr, »will mir
der Kerl ein Loos vom.vorigen Jahre
aushängen — nein, nein, mein Sohn,
nun ist’s genug.«
Hans war zerschmettert. Also zwei
sach betrogen, freventlich genarrt vom
Glück —— so sank er gebrochen in einen
Stuhl — es war alles aus —- Flucht
war unmöglich — schon nahte das
Auge des Gesetzes —- die Schande —
die Schande. ——
Il- Ik Il
Herr Hans mußte sich erst besinnen,
wo erwar, als er erwachte. Ein kahler
Raum, eine harte Bettstelle, ein vergit
tertes Fenster. — Allmählich dämmerte
ihm die Erinnerung. Also ein
Schwindler -—— ein Betrüger —- und
zu allem ein Narr des Glücks-. —
,,Aufstehen —- mitkommen, unter
brach ihn eine rauhe Stimme. Was
konnte er thun, als gehorchen.
Gesenkten Hauptes schritt er durch
die Gänge, willenlos ließ er sich zu ei
ner Thür hineinschieben, stumm, ohne
den Blick zu heben, stand ervor seinem
Richter·
»Sie heißen?« fragte dieser.
Herr Hans sah beim Klang dieser
Stimme aus, und der Herr am Pult
that desgleichen. —
Ume bange Stille ——- dann em lau
tes Lachens «-Hans, alter Freund« —
»Ja, ich bins,« klangs resignirt zu
rück, und auch das Lachen seines ein
stigen Leibsuchsen und nun wohlbe
stallten Amtsmanns verstummte in
Mitleid beim Anblick der geknickten
Gestalt·
»Na komm und erzähle,« meinte er
endlich und geleitete ihn zu einem
Stuhle. ,,Rommel,« lommandirte er
dem Diener-, der ob solcher Dinge von
einer Verwunderung in die andere
fiel, ,,eine Flasche Wein, dann abtre
ten.«
s- e- se
Herr Hans hat seinem Leibfuchisen
alles erzählt. Als er des Mittags der
Heimath zufuhr, nicht ohne dem ob
solchen Geschehnissen blöde dreinschau
enden Kcllner zuvor noch seine Schuld
bezahlt zu haben, war er ruhig und
gefaßt. Aber den Schwur that er sich
in der Stille, keinen Bund mehr zu
flechten mit des Geschicke-) Mächten.
·Und er hat diesen Schwur gehalten
bis zu seinem sanstseliaen Ende in
Asselfingent
——-—-.-.-—-—
Ein aufregcnder Kampf mit
' einer Schlange.
Ein Europäer, der auf Besuch nach
Indien gekommen war, saß eines Ta
ges auf der Veranda der von ihm ge
miethcten Villa beim Dessert, als er
ein kleine-J Thierchen mit spitzer Nase
und glattem, seidenartigem Pelz, einen
sogen. Mongoose wahrscheinlich eine
Art Jclxneunion) beobachtete. Er warf
ihm Bananen und Bisluits zu, und
das Thierchen that sich wacker giitlich
daran. Täglich kam das Thier und
es wurde allmählich so zahm, daß es
die Leckerbissen ohne Furcht aus der
Hand fraß. Eines Tages lag nun der
betreffende Herr traut zu Bett. Er
hatte die Diener weggeschickt, da er
schlafen wollte. Weit standen die Fen
ster und die Berandathiir offen, um
frische Luft in das Zimmer hereinzu
lafsen. Eben, als der Flranle die Au
gen schließen wollte, fah er, wie von
der Veranda herein durch die Thür
eine große Schlange kroch. Langsam,
mit hocherhobenem Kopfe, als suche es
etwas, lam der Reptil, das über 2
Meter maß, und so dick war wie der
Arm eines Mannes-, dem Bett näher.
Der Mann war zuerst vor Schrecken
sprachlos, dann versuchte er zu schreien,
aber seine Kehle war wie zugeschniirt.
Unterdessen hatte die Schlange das
Fußende des Bettes erreicht, und
schickte sich eben an, sich zu ihremOpfer
hinaufzuwinden, als der Mann ein
Kratzen ans dem Fußboden hörte, ge
rade so, wie wenn eine Ratte durch
das Zimmer liefe. Es war der Mon
goose, den er täglich gefijttert hatte.
Und nun spielte sich etwas ab, das dem
Mann wohl immer im Gedächtniß
bleiben wird. Der Mongoose, der in
Indien als der größte und gefährlichste
Feind der Schlangen bekannt ist, und
deshalb dort gehegt wird, sprang blitz
schnell gegen den Kopf der Schlange
und brachte ihr einen Biß bei, daß das
Blut herausquoll. Die Schlange such
te ihren Gegner zu fassen, aber der
wich ihr stets geschickt aus, wobei et
seine Angrisfe immer wiederholte, bis
die Kräfte der Schlange abnahmen und
es dem Thierchen gelang, ihr durch eis
nen letzten Bisz den Rest zu geben. Es
war ein verzweiselter Kampf, und der
Mann im Bette verfolgte ihn mit um
so größerer Aufregung, als ja er ge
wissermaßen der Preis dieses Kam
pfes war. Die Schlange hatte bei dem
Kampfe durch das Schlagen mit dem
Schwanze einige Gläser, die auf dem
Tische standen, herunter-geschlagen Jn
folge des Lärms tam dann ein Diener
in das Zimmer,»der sofort keinem halb
ohnmächtigen Herrn beisprang.
Ich mve ists me srkedtiw
(Wonneseifzer ännes vielfeidigen FI
milienvadersch.) "
Ich how-we änne Gaddin,
’Ne Berle von ’ner Frau;
Beztoeifelt’s ooch de Millern,
Jch weeß es gans genau.
Bloß eenen kleenen Mangel,
Aen ennf’gen hat se nur:
Se is ä bißchen lebhaft,
Se redt eener Dour.
Ooch fietven Dechsder hawi’ ich,
Die gleichfalls Berlen fin;
Will wer mir widersprechen?
Dem zeig’ ich, wer ich bin!
Die Bilden nach der Mudder
Jn heechsten Grade fich;
Aen Rofemnund hat jede,
Bloß holden gann se’n nich.
Un jede von den siewen
Hat ooch en lleenen Hund;
Gommt denen was derqueke,
Gleich effnen se den Mund. «
De erschie bat ’ne Wachtel,
De zweet’ än Babagei,
Zwee Dechider schlagen FliegeL
Un dreie sing’ derbei. "
So haw’ ich sibzehn Weer
Jn meiner Heislichgeii.
Barforsch um unermiedlich
Vertreim se mir de Zeit.
Un ich, ich lie-b’ se alle,
Un alle liem se mich;
Ich lewe still un friedlich-,
Bloß nur gereischlos nich.
Eine 72stünvige Spielpartie.
Jn dem Orte Raysselede-Doomkecke
bei Brügge wurde unlängst eine origi
nelle Wette abgeschlossen. VierBauern
waren zusammengetreten mit der Ab
sicht, 72 Stunden hintereinander Kar
ten zu spielen, Derjenige, welcher die
vorgeschriebene Zeit am Kartentisch
ausharre, sollte 1000 Franken erhal
ten. Ruhepausen durften nicht gemacht
werden, es wurden nur am Tage we
nige Minuten zur Einnahme der
Mahlzeiten freiaegeben. Die ersten bei
den Tage und Nächte ging Alles gut,
und die vier Spieler hielten sich, ohne
Müdigkeit zu bekunden, sehr tapfer. In
der dritten Nacht jedoch wurde der eine
der Bauern von Müdigkeit übermannt,
sank vom Stuhle und verfiel bald in
einen tiefen Schlaf Er hatte also die
Wette verloren und die 1000 Franken
wurden unter die »Sieger« vertheilt.
Karzer Bescheid
Examinator: »Was können Sie mir
vom Nitroglycerin sagen?«
Exarninand: »Nitrogtycerin ist ein-e
Flüssigkeit, die unter Umständen sehr
ungemiithlich werden kann.«
Protest
Arzt: »Gegen dieses veraltete Ler
den kann man schwer ankämpsen.«
«Patientin: »Pardon, Herr Doktor,
von einem veralteten Leiden kann bef
mir doch nicht gesprochen werden« »
,.
Je nachdan
Heirathsvermittlen »Sie haben nun-·
das Fräulein Krautmaier gesehen, wie
gefällt sie Jhnen?«
Heirathskandidat: »Ja, wie soll ich
das wissen, ich kenn ja noch nicht ihre
Vermögensverljältnisse.«
Ein Geriebeucr.
Autler: »Was, 20 Mark berechnen
Sie mir für die todtgesabreneHenne,
das ist entschieden zu viel.«
Bauer: ,,.Fioa Spur, da hab’ i eben
a no d’ Eier mitgerechnet, die s’ ,no
g’legt hätt!«
Ueber-minwa
»Ich habe jetzt in der Officie riesig
zu arbeiten. Vor neun Uhr komme ich
nie zum Abendesseu!«
»Das ist noch gar nichts-! Bei uns
ist jetzt so viel Arbeit, daß wir alle täg
lich erst 24 Stunden später zum Essen
kommen!«
Spartamteitssinin
Elsa: »Ich habe meinem Mann das
Rauchen bereits abgewöhnt.«
Bertha: »Warum, Du rauchst ja
selbe-ex
Elsa: »Nun, gerade deshalb, das
lostet ja zu viel Geld, wenn wir beide
raucheu.«
Rat-vorn
»Na, tvat is nu mit dem Pallisaden
Justav?«
»Sie haben ihm tvejen Mord zum
Dode verknaxt un wejen der anderen
Sache, —— na rathe Inall!«
,,Jsewiß finf Jahre Zuchthausl«
«Nee. blos- dreieinhalb.«
»Na, denn is er ja noch mit’rn
blauen Ooge davonjetommen!«
Dem Undautbaren sind empfangene
Wohlthaten nur eine unangenehme Er
inneruug.
Wer mehr Glück hat als Unglück, der
ist immer noch glücklich zu nennen.
Ein älterer Hosorganist in einem
thüringischen Duodezstaate wird von
einer jungen Sängerin gefragt, ob er
ihr dies und das moderne Lied am
Klavier begleiten wolle. »Ach nee,
mein verehrtes Freilein, das is Sie
ja nischt mit der modernen Musik.
Gaum hat mer den eenen Aggord ge
funden, da gommt scho widder e an
deutl«