Herrenloses »Gut. Roman von Oäkie Beknbäde (24. Fortsetzung) hätte hanna ihm freilich nicht ge fallen. wäre sie ihm unsympathisch ge wesen, dann, das mußte er sich ehrlich gestehen, wäve diese »Sühneheirath« sicher nnterblieben. Wie die Dinge jehi aber standen, sagte er sich innerlich ost, tvenn er sie in all ihrer Lieblichkeit und schranlenlosen Hingebung betrach tete: »Ich habe, wenn auch absichtslos dazu beigetragen, daß du verwaist im Leben dastehst, daß du als herrenloses Gut in die Welt geworfen bist —- in direkt trifft mich die Schuld, daß du Eltern und Geschwister, mithin einen ganzen großen Schatz an Liebe und Zärtlichkeit verloren hast dasiir habe ich dir mich selbst gegeben . . . den Mann, »den du über alles liebst, der dir hundertmal mehr ist, als dir Vater und Mutter, Brüder und Schwestern jemals sein könnten, wie du mit oft gesagt hast« « , So spannten die Gedanken der ber den Eheleute sich ähnlich — und doch wie unendlich verschieden —- zueinan der hinüber, während die junge Frau regungslos saß und Willsried Cotta sie als Pfhche modellitte. « Während in dem nach der warten seite gelegenen Atelier derartig ge " schafft wurde, öffnete der Portier auf ein gegebenes Glockenzeichen die schwie ren Thürfliigel des Vowerhaufes für einen Gast. Das junge Ehepaar hatte s »einfttveilen« ein elegantes Quartieri in der Richard Wagner - Straße bezo- » gen, einige Zimmer »provisorisch« msblirt und die Hinterräume als Ate- T lier herrichten lassen, weil Cotta das Wobtren im Hotel unerträglich fand.. Wenn man früher oder später nach Rom übersiedelte, konnte man ja die besten Stücke, fowie die Ateliereinrich tung nachkommen lassen, das übrige» in Mund-en verfteigern oder verschen- « ten... völlig nutzlos, sich dieser-halb jetzt schon den Kopf zu zerbrechen! Auf die paarhundert Thaler, die möglicher- » weise dabei verloren gingen, tam es doch wahrhaftig nicht an. Frau Dora . Piotrowsty hatte nachträglich ihrens Willen bekommen und Möbel, Tep« piche uns Leinmzeug anschaffen tön nen —- reilich alles nach Cottas An gaben, er wollte in einer Umgebung hausen, die den Stempel seines eigen ften Geschmacks trug —- die sogenann ten «ftilvollen Einrichtungen«, die man überall antraf, waren ihm ein Greuel. ; Der Gast, dem der Portier das i Haus öffnete, war eine dunkelgetlei l dete weibliche Gestatt, teine Frau aus dem Polt, aber auch teine Dame der großen Welt. Sie schritt zögernden Fußes, wie jemand, der zum erstenmal ern haus betritt und nicht weiß, wo- » hin er sich wenden foll, über die dicken, » roth und weißgeblümten Sammtdecken J der imposanten Doppeltreppe und » fuchte mit ungewissemBlick bald rechts, ; bald links, bis sie die kleine Kupfer vlatte mit der Aufschrift W. Cotta entdeckte. Noch stand fie, ohne den Knan der elektrischen Glocke zu berühren, athem fchöpfend still. als der Hausdiener etnem zwetthesuch das Thor öffnete. Dreimal war es unverkennbar eine Dame der besten Gesellschaft, die rasch nnd nnbetummert die Treppe empor schrttt Sie war in einem Wagen e ntw, trug ein etwas extravagan es » « aller sehr kostbare-Z Frühjahrstoftüm, einen gewagten, himmelstiirmenden Hut aller-neuester Mode und in der - Hand ern Bubett lose zusammen-Maß tee auserlesener Rosen, champagner farbig, «·th«auperlend, eben berlüht, einen tostlrchen, frischen Duft aus-J Wir » Ein weni verwundert überflogen die dunkeln , der eleganten Dame Ue fchwar leidete Frauengestall s sehen der T r. Wie eine Bittftellerin : sah die da nicht aus« durchaus nicht! -·-aber konnte fie zum Umganthreife ? WANT-Ums oder feiner jungen E Foc- gehorent s Wieviel-Sie schont« fragte die i thjeßt hoflrch« mit etwas fremdem ; -.«- s ,.nc-em «- nocn nrcor —Icy yaoe — --— ich bin soeben erst gekommen!« »Es ist nicht nöthig, mich anzumu den, ich werde erwartet!« Damit rauschte die elegante Dame ohne wei teres an dem össnenden Bedienten vorüber; kaum behielt dieser Zeit,ihr mchzustiirzen und die Thiir zu dem zunächstliegenden Zimmer sür ste aus zureißen »Sie wünschen?« wandte er sich dann mit fühlet Herablassung an die Frau in Tranertleidung. »Ich wünsche, Herrn Professor Eos-ten oder seine Frau Gemahlin, oder beide zu sprechen —es ist gleich falls unnük mich anzumelden!« Alte-irre rdmccnn, die angesichts der Unwissenden Bedientenmiene ihre Ruhe nnd Fassung sofort wiederge « starben hatte,« folgte der vorangegan M Dorne m das geöffnete Zimmer M, Akt müßte es so sein. users-XIan mit der gegess- Llioxee · W zogenen ite m Js» edel-it gekämmten l kratzen or ji w ganz verblüfft Z fiel km « dieser —- vieser —Person ein? Konnte Be W warten, bis er ordnungs tmäßig ein Verhör mit ist angestellt Thattse und wußte, was e eigentlich ! von den Herrschaften wolltest Lange dauerte seine Berblüsfung aber nicht. Er diente nicht umsonst schon seit acht Jahren in hochherr schastlichen Häusernt —- Auf leisen Sohlen ging er den beiden Besucherin nen in das von ihm geöffnete Zimmer nach, zog sacht die Thiir hinter sich zu und büstelte disiret und vorbereitend. »Es ist nur... ich muß sehr be dauern . .. die Herrschaften sind süsz erste noch nicht zu.sprechen.. . beide nicht! Herr Professor arbeiten drüben im Atelier, gnädige Frau sind eben falls drüben, und ich habe strengsten Befehl, niemanden vorzulassen, auch niemanden zu melden!« Selbstredend richtete der Gescheitelte seine woblaesetzien Worte nur an die legante Dame, die »zweite Sorte« exi stirte für ihn nicht. — Die Angeredeite zog für einen Augenblick hochmüthig und erstaunt die Brauen empor, dann ging ein flüchtiges Lächeln über ihre Züge. Das war wieder einmal Will fried Cotta, wie er im Buch stand, selbstherrlich, egoistisch, unbekümmert Lud sich Besuch ein, saß zur gegebenen Stunde im Atelier und modellirte, er ließ strenges Verbot jemanden zu mel den oder vorzulafsen und· überließ den Besuch einstweilen seinem Schicksal. So hatte er es mit ihr ——-Cilly von Sczolobiedsta —- so hatte er es mit Ungezählten in Rom hundertmal ge macht; tpateren Vorwurfem Anna gen, entriifteten Bemerkungen ftand er vollkommen verftiindnileos gegenüber: wie konnte man ihm fo etwas übel nehmen-s- ES war doch kein Vergnü gen, was ihn zurückhieltt Er arbeitete ja, und die Arbeit ging doch allem vor! Wer das nicht verstand, wer ihm das ernstlich iibelnahm«. gut, der war eben nicht sein Freund, der liebte ihn nicht, der mochte fern bleiben! Jetzt freilich hatte er eine ·unge Frau, die ihn vertreten, ihn entschul digen ionnte! Wenn er sie aber zu feiner Arbeit nöthig hatte, ließ er sie nicht los... und er hatte sie nöthig —wollte er sie doch modelliren! Heiß und ftiirmifch wallte es in der Gröfin auf. Ach, sie kannte sie so gut, die köstlichen Stunden in feinem römischen Atelier, wenn er fo selbst vergessen schaffte und sie ihm selbst rcrgeffen faß, keine Müdigkeit, keine Erschöpfung kennend . . . diente sie doch ihm und feiner Knnftt Ob sie es zehnmal wußte, daß er seit Jahren nichts mehr in ihr fah, als die ver ftlsindnßvocle Freundin. den treuen Kameraden . . . immer wieder hatte sie in diesen verfchwiegenem stundenlan aen Sitzungen die fortglimmenoen Funken ihrer Leidenschaft angefacht mit vagen Hoffnu «en, mit Zweifeln, mit kühnen Phanta ten . . . ach, es war doch Glück gewesen —- doch Glück! Und jetzt! Wie aus den giimmenden Funken die helle Flamme schlug und gierig um sich fraß und loderte in aliihender Eifersucht! Da drinnen bei ihm saß fth feine junge, reizende Frau. . . nnd sie, die ehemalige al ternde Geliebte, hatte draußen zu stehen und zu warten, bis die Sitzung beendet war! Es trampfte Kch etwas in ihr zusammen . . . neben r ersten Flamme schoß eine zweite in ihr empor in dunkler trüber Lohe —- das war der baß gegen die Nebenbuhlerim Jhr Blick senkte sich auf die Roer in ihrer Hand, die hand ballte sich um die Stiele zufannnen... daß der süße, fchmeichelnde Rosendnft zu Gift wer den möchte . · . zu Gift, das rasch töd tete . . . auf der Stelle! »Es ift ant!« Mit einem hochmüthi gen Kopfnicken entließ fie den Bedien ten. «Jch werde warten! bin eine Ante sfreundin des Herrn ofessorst« »He wohl! Und-und Sie?« , Der Gefcheitelte wandte sich voll Fitgdeert höflichieit an die Schwarzac et e. »Auch ich bin eine sehr alte Freun din des Herrn Professor-Z und gedenke zu warten!« Der hochberrschaftliche Bediente biitte ihr gern eine vernichtende Ant wort gegeben, aber die andere, die vor nehme Dame gen-im ihn, der sprühten die Augen so eigentbümlich, der konnte man zumuthen, daß sie womöglich die ,.Person« ihm gegenüber in Schutz nahm! Außerdem — so tin-wahrschein lich ihm die Freundschaft seines rrn mit dieser alten schwarzgetlei eten Frau erschien . . . solche Künstler sind unberechenbar J- die holen sich An hang aus allen Schichten der ell scvast, das war Thatsachet Mo ten sich denn diese beiden ungleichen ,,Freundinnen« mit einader zurecht iinden, wie sie wollten! Er, der Ge scheitelte, wusch seine hände in Un schuld! Mit einer devoten Verbeugung « huschte er aus dem Zimmer « Zunächst herrschte Stille zwischen den beiden zurückgebliebenen rauen· HDie Griisin hatte gez nachlassig in Feinen Sessel beim k ster geworfen i und starrte unter zusammen ezvgenen Brauen finster vor sich hin. rau Al l tmne»Erdmann ging leisen Schrittes jdie eine immerwan entlang, fehtdie zweite; betrachtete mit verwunder ten und interesfrten Blicken die son derbar geschwe ten in roth und kriin gehaltenen Möbel, die mit hochstie igen w Blumen dekorirten Tapeten und Fen stervarhänge, die in schmate griingob dene Rahmen gefaßten Bilder an den Wänden. Also das war modern! Das war der neue Stil, von dem auch sie schon soviel hatte sprechen hören, kein Zweifel! Ploslich stieß sie einen leisen Ruf des S aunens aus. Hier, an der zweiten Längswand des Zimmers, in einer Ecke stand ein in roth und griin gehaltenes, mit feinenGoldornamenten gefchmiicktes Posiament und darauf eine zart gelblich getönte Büfte, ein Mädchentopf». und das war... ja, wer war das? Hanna oder Hildegard? Die Gräfin am Fenster hatte den nberrafchten Ausruf gehört, sie war aus ihrem Brüten aufgefahren sund fah nun die alte Frau wie gebannt vor der Bufte stehen. Und da, mit einem Mal fiel ihr eine Aeußerung Hannas ein, die sie vor wenigen Ta »en in Nyinphenburg gethan. Sie, die Gräfin, hatte die junge Frau gefra«t, cl) sie ihre Eltern häufig sehe, ob sie mit ihrem Gatten viele Besuche mache. Die Antwort, die sie bekam, hatte sie erwartet: Willfried wären Besuche feine Last, er selbst mache gar leine, Ischicke sie, Hanna, zuweilen zu den Eltern und bringe sie auch verhältniß Zniäßia selten zu seinem Bruder; er ; sehe es lieber, wenn Richard und Kitty ldes Abends zu ihm kämen. F »Einer Ausnahme muß ich freilich ; erwähnen!« hatte Hanna lächelnd hin szugefügn »Hier in München lebt feit kurzer Zeit eine alte Freundin Wills, set kennt sie noch aus feinen Jüng jlingsjahrem sie ist eine sehr liebe alte tFrau, die mich mit einer wahrhaft s riihrenden Zärtlichkeit empfangen hat. »Die haben wir schon ein Paarmal auf aesucht, obgleich sie ziemlich weit s draußen m Schwaving 1vohnt:" ; Diestr Ausspruch Hannas tvar da smals von der Gräfin nicht sonderlich ; beachtet worden, jetzt fiel er ihr Wort i für Wort ein. s Sie erhob sich und tam in ihren :raschelnden Seidengewändern an die ? alte Frau heran J »Das ift frappani ähnlich. nicht znjahr?« fragte sie, mit einer leichten ;ttopfbewegung nach der Büfte hin. I »Sprechend ähnlich —- zum Erstau 2nen, zum —- Weinen!« Frau Attri Hnens Stimme zitterte, es granzte ihr s feucht aus den Augen. »Ach Gott, ich sbin förmlich erschrocken, das hier zu ssinden, und doch ist es am Ende so snatürlich, oh es nun die eine ist oder jdie andere... Gnädige Frau haben Isich eine gute Freundin von Herrn « Professor qenannt . . .?« »Ganz recht! Die hin ich auch! Gräfin Sczolohiedsta!« .,DenNamen tenn’ ich!« Voll naiver Neugier betrachtete die Frau diefe vor nehme Dame, von der man ihr so in teressante Dinge erzählte. »Darf ich ;:nir denn auch erlauben, mich vorzu j stellen? Alwine Erdmann, Wittwe Al swine Erdmann —— ich weiß nicht, oh sVerr Professor Cotta vielleicht einmal » von rnir gesprochen hat!« « «Oft! Jch weiß ganz genau Be scheid!« rsickte die Gräfin lächelnd. »Sie sind seine älteste Freundin, er kennt sie noch von feinen Jünglings jahren her!« » »Das hat er zu Frau Gräsin ge jsath Das sieht ihm ähnlich! Ja, ja, sein treues goldenes Gemüth hat er, jund teine Spur von Hochmutht JZ zhab’ ja erst allmählich, erst türle Ectfahrem was er fiir ein großer, be , rühmterKiinstler ist und daß die hoch ften Herrschaften es sich zu einer Ehre Ffchähem von ihm modellirt zu werden soder sitr theures Geld ein Wert von Ihm zu tausen! Damals, wie ich ihn tannte, da war noch teine Rede von !Beriihmtheit... in aller heimlichteit hat er hn und wieder etwas geformt fund geknetet; sein Vater roar ja so »ein entsetzlich strenger Herr, der wollte ;von Künstlern und Bildhauer-n nichts s ;vifsen. Aber ein he abter und ein in teressanter junger ann ist er schon lin seinen Jünglingsjahren gewesen, Hund ich habe mich gar nicht gewun ; deri, daß Hildegard . . . Frau Gräsin i wissen doch von ihri« »Alle« Jch habe te nicht gekannt, aber ich bin von a m unterri iet War denn die Aehnltchteit wirtli so groß?« »O, Frau Gräfin machen sich teinen Begriff davon! J hab« mich do seht eben, in diesem ugenbtick ge ragt, und ich frag’ mich »Bist das nun '-ildegard oder ift das una, diehier ht? Er hat das hast ein wenig verändert — hildegard trug es a ders, und Hanna trägt ei auch ni i so—aher die « Use-und der Aus druet... ich ha es ja nie site »J Eich gehalten, das- ztbet Schwestern, e doch keine willi sind, einander so täuschend ähnlich ein tönneni« Ja,« sagte die Gräsin, wie aus tiefe- Gedanken heran-, »wer, wie Sie, den Berateich Ziehen kann. wer in glänBerhsltn sse e agetoeiht ist« gleich J u... « »Wie sollt’ ich nicht, wo ich doch durch lange Jahre im Elternhaus der beiden Kinder gelebt hab’?« unterbrach Frau Alwine die Redner-in lebhaft. »seiner lann das alles besser wissen, wie ich! Ein schönes und ein vorneh mes Haus ist’s gewesen, und Frau Gräfin dürfen um Gottes willen nicht schlecht von meiner armen herr schast denken, weil öpäter alles so schrecklich gekommen i ! Frau Direk tor war eben eine adlige Dame und sehr oertoiihni, sie hat rch nicht ei u richten verstanden, un i re Kin hat sie sehr geliebt -——die ollten eben so sein erzogen werden, wie sie selbst, es durfte ihnen an nichts sehlent Wean es dann —-—« Frau Alwine unterbrach sich und horchte angstvoll nach dem Korridor lzin. Auf den Fußspipen zur Thür schleichend, öffnete sie diese handbreit und lauschte hinaus. »Was haben Sie denn?" fragte die Gräsin. »Ach, es war mir nur so, als ob jemand käme, und Frau Gräsin wis sen doch, daß die junge Frau keine Ahnung hat, auch keine haben soll, woher sie stammt und aus welche Weise ihre An ehörigen zugrunde ge acngen sind! Zerr Willfried — Pro scssor Coita meine ich! —- hat mir’s immer wieder brieslich und mündlich auf die Seele gebunden, sie dürfte nichts merken, sie griibelt ohnehin schon darüber soviel, daß sie ein an acnommenes Kind ist —-—- das ist alles, was sie weiß! Armes, liebes Herzchem ·sich darüber schon aufzuregen! Wenn sie je die Wahrheit erführe —— ich glaube, das ertriige sie gar nicht! — Auch Frau Piotrowsln hat mir schon ein vaarmal geschrieben und mich be sclsworen ich soll die junge Frau nichts merlen lassen, sie ist immer in Blnast, ich lönnte etwas verrathen! Da kann sie aber ruhig sein —- jetzt, wo ichHanna schon mehrmals gesehen habe —-—er hat sie«mir ja bereitgein paar mai georachtx —- oa yaoe ich schon er- » was Selbstbeberrschunn gelernt; aber das erste Mal, als ich sie zu sehen be- ; lam, da hab’ ich selbst gezittert und; gebebt, daß ich in Thränen ausbrechen müßte. Wie sie fort war, bekam ich solchen Weintramvf, und die ganze folgende Nacht hab’ ich kein Auge zu tbun können. Dann. natürlich, so unvernünftia es scheinen mag, ich hab’ mir nicht helfen tönnen — denselben ««lbend noch hab' ich mir die Bilder und die Briefe, die ich noch besitze, und den ;teitungsbericht, den mir eine Freun tin damals verwahrt hatte, hervor aeholt und habe alles betrachtet und gelesen!« Die Gräfin legte der Sprechenden mit einer lebhaften Gebärde die Hand auf den Arm »Das müssen Sie mir einmal ge legentlich anzusehen erlauben, ja — bitte-— wollenSie? Sie glauben nicht, wie mich dies alles interessirt —- er spricht so ungern davon, trotzdem er mir seinerzeit alles anvertraut hatt« »Ja, ja!·' nickte Frau Alwine ge dankenvoll. »Er mag nicht darii r reden, und wer könnte es ihm verdeu len, wie die Sachen einmal liegen? Sein Vater hätte helfen können, wenn er, der Sohn, ihn nicht gerade damals dies unmenschlich vieles Geld gekostet hatte-— ich weiß, der Professor hat sich Jahrelang Vorwürfe gemacht —- und mer kann sagen, ob —« »Ob wass« forschte die Grösin. »O —- ich ——— ich weiß nicht! Es war vielleicht ein ganz dummer Gedanke! Wenn aber Frau Gräfin einen Ein blick haben möchten... mir ist es zwar jedesmal ein neuer Schmerz, diese traurigen Andenken hervorzu skichen, aber andrerseits spreche ich auch gern von den schönen, vergange nen Zeiten -«-— und zu wem darf ich das hier? Frau Piotrowskn hat mich in ihrem irtzten Brief gebeten, ich solle sie lieber nicht mehr aufsuchen, sie sei zu trank, um meinen Besuch zu er tragen, der Professor will auch nichts von der Vergangenheit hören, ich seh’ rlcn ja auch nie ohne seine junge Frau, und wenn eine Dame wie Frau Grö sin diese Theilnahme haben —« »Können Sie zweifeln? Alles, was n:it dem Schicksal meines —- meines Freundes zusammenhöngt, was be deutsam in sein Leben eingegrifsen hat, ist vom höchsten Interesse iir mich. Wollen Sie mir Jhre Wohnun nennen und eine Reit angeben, da its Sie daheim antresfe?« »Frau Gröfin wollen sich in Person zu mir bemühen? Jch könnte ja auch . . .« »Jn einem hotel bespricht und be trachtet man dergleichen nicht gern Dies ist Jhre Adresse? So! Jch danke anen.« Sie standen beide eine tleine Weite stumm neben dem Postament rnit der Miste «Ob sie —- i meine seine Frau — nicht ahnt, tven ses Kunstwerk dar stellt?« fragte die Gröfin leise. ,,Ach, wie soll sie, wo ich es nicht einmal genau sagen kanni« Frau Alwine fah von neuem mit bewun derndem Kopfschütteln zu der Büste empor. »Ich weiß nicht, wann er dies geschaffen hat, mir hat er nichts da von gesagr... wenn die junge Frau vielleicht irgend etwas befremdet, braucht er ihr ja nur zu erzählen, er habe den Kopf aus dem Gedächtnisz gemacht. Ach nein, sie ahnt nichts, meine süße Hanna, Gott sei Lob und Dant, ich hab’ es aus verschiedenen Aeußerungrn, die sie gethan hat« ent- E i-«ommn. Ich werde nur immer nog « verlegen, wenn sie mich bittet, ihr do recht viel und recht ausführlich aus ihres Mannes Jugendjahren zu er Ziihlen —- das geht doch natürlich nicht --—— ich muß immer bloß allgemeine Redensarten machen und darf leinen Namen nennen... jedes Wort will bedacht sein, und das stillt mir schwer.« «Run, mir gegenüber haben Sie das nicht nöthigt« Die Gräsin lächelte freundlich, und es lag ni ts herab lassendes weder in ihren ugen, noch in ihrer Stimme. »Wenn ich zu Ih nen komme, sollen Sie mir recht aus führlich voRallem erzählen —- meines Mitgesühls önnen Sie sicher sein.« »Und rn will ich das thun, Frau Gräsiin ehr gern!« Froii Alwine odesaß ziemli viel Jiliiabhcingigleitssinm die große nie imponirte ihr durch-aus nicht deshalb, weil sie Titel, Adel nnd Reichthiiin soesoß»aber ein wen schmei lte es doch » ihrem Selbst ühl, da eine Grasin sie besuchen und ihren Erzäh W Ilungen aus früherer Zeit so aufmerks sani lauschen wollte. «Sehen Frau Gräsin, chon aus dem Grunde, damit eine me wie Sie meine lieben, verstorbenen Herr schaften richtig beurtheilt und keinen Stein aus sie wirft; denn das darf man nicht thun, das ni t! Sie sind nicht ohne Schuld geween und sehr. sehr unglücklich, aber nicht schlecht! llnd ihre Schuld, die haben sie schwer »aebiißt, denn was siir Qualen müssen sie ausgestanden haben, ehe sie ich dazu entschließen tonntenl'« »Sti« machte die Gräsin, den Fin ger leicht an die Lippen hebend. »Ich höre ein Geräusch aus dem Korridor, l Hmöglicherweise sind sie das!« Sie waren es. Cotta in seiners Bronnen Samrntjoppe, Hanna, eilig und erregt, in einem weich nieder siießenden Kleide von elfenbeinsarbe rem Wollstosf, bis zur Knieehöhe mit schlank ausstrebenden Jrisblüthen ge stickt. Das Haar war geblieben, wie sie es als Pshche gehabt, ihr Gesicht r.«ar blaß, die Lippen tiefroth, die Au gen verrätherisch leuchtend; mehr denn je traf heute Ellh Rodes Ausspruch zu: »Hanna sieht ost aus, ols ob sie das Fieber hat!« »Ah, zwei gute Freundinnen auf e«;nnal!" Cotta ries es im heitersien Ton, er streckte seine beiden Hände aus und« lachte fröhlich. ,,Vorstellung unnöthig, nicht wahr? Wie ich Sie beide kenne, haben Sie längst Bekanntschaft mit einander gemacht —- also richtig? Jch dachte mir’s!" »Bitte. Frau Gräsin, wollen Sie uns giitigst entschuldigen, daß wir nicht rechtzeitig zur Stelle waren,« be eilte sich Hanna, einzuwersen »Sie sind unserer Einladung so pünktlich nachgetonimen, und wir, die Gast aeber, haben auf uns warten lassen, das sieht sehr ungezogen aus . . .« Mortsetzung solgt.) Die Frau in der Musik. Wenn man das Glück hat, als An gehöriger des schönen Geschlechte-s ge boren zu fein, hat man auch die Pflicht, das köstliche Geschenk der mit geborenen Grazie und Anmuth in al len Lebenslagen und unter allen Ber hältnissen bis zur Vollendung auszu bilden und auf die möglich höchste Stufe zu bringen. Diese Pflicht setzt sich in der Wirklichteit zu keiner be sonders schwierigen Arbeit um, denn den Frauen fällt es im allgemeinen leicht, vorhandene Anlagen anszunü sen, sre in die richtige Bahn u lenten. Der Schick, mit dem sich die Frauen in fast jede ihnen entgegentretende Aufgabe zu sinden verstehen, hilft ih nen über so manche Fährlichkeit hin weg, über die die Männer straucheln. So unzweifelhaft richtig aber diese Erkenntnis ist, so muß andererseits hervorgehoben werden« daß den Frau en doch nicht immer die Aufgaben klar sind, deren Erfüllung sie ihrer eigenen Natur und Art näher bringen tann, durch deren Lösung sie zur ästhetischen Selbstzucht sehr wesentlich beizutra gen imstande sind. Frauenschänheit und Anmuth ver tragen sich sehr gut auch mit den Be griffen, die wir uns im Laufe der Jahre von der modernen Frau gebil det haben. Auch die Frau, die nicht nur auf den Mann wartet, der sie »er löst«, muß schön sein in dem Sinne, daß ihre Bewegungen, ihr ganzes äu ßerlicheö Thun mit den weiblichen Ei genschaften der Zartheit und Grazie im Einklang stehen. Die Frauenfrage hat gottlob einen wesentlichen Punkt nicht aus der Welt-ordnung gestrichen: die ewige Wahrheit, daß die Frau das Prinzip des Schönen im Leben verkürpert, daß ihr Einfluß aus die Geschicke des Einzelnen und der Fa milie nicht zum geringsten Theile sich auf den von ihr ausgehenden Zauber gründet. Dieser Zauber wirkt auch unter der Hülle von Gelehrsamkeit fort, er schafft Wunder auch ioahrend der gewissenhaften Erfüllung einesBe rufes, er wird fortbestehen, auch wenn das soziale Verhältniß der beiden Ge schlechter dereinst vielleicht eine gründ liche Veränderung erfahren sollte. Auf Selbstzucht beruht die letzte Wirkung der weiblichen Anmuth Die Selbstzucht ist bei vielen Frauen viel leicht eine angeborene Gabe, im gan zen und großen jedoch bedarf es einer sicheren Schulung und Uebung, um die natürlichen Anlagen zu stets sicher wirtender Aeußetung zu vervoll lonimnen. Nicht der Unnatur sei das Wort geredet, wenn man derlangt, daß die Frau sich Rechenschaft geben könne iiber ihr äußeres Auftreten. Zu ihren vornehmsten Aufgaben gehört eben die Pflicht, als körperlicher Aus druck der feelifchen Ausgeglichenheit zu erscheinen, durch ihre Persönlichkeit allein schon die wohlige Atmosphäre feelischen Gleichtlanges zu schaffen. . Die Frau in der Musik wirst na « tiirlich in erster Linie durch ihre lii ft jlerischen Eigenschaften, je nach er äFertigleit und dem liinstlerischen Er kkenntniß die sie auf dem betreffenden Sondergebiet zu bethätigen imstande ist« Wie viel aber die äußeren For men, unter denen sich die künstlerische Bethätigung der Frauen abspielt, zur Erzielung eines erfreulichen Ergebnis feö beitragen, das wird leider immer noch shiiufig unterfchätzt. Unsere Mu siklehrer konzentriren ihre Aufmerk samieit beim Unterricht naturgemäß auf den hauptzioech auf die Erzie hung zur möglichst hohen Kunstw stiing. Und doch ließe sich mit dem ei «gmtncheu unt-nicht auch vie Antei tung dazu verbinden, in welcher Weist das SchönPHthesiihl mit der eigent lichen Kun tleistung tn Einklang ge bracht werden muß. Es ist für ästhe tisch empfindende Menschen nicht gleichgültig, ob sie beispielsweise ein weibliches Wesen am Klavier erbli cken, das, vornilbergebeugt, mit aus wärtsstehendenEllenbogen, imSchwei ße seines Angesichtes den Flügel be arbeitet, oder ob eine Sängerin vor uns steht, die den Mund übermäßig öffnet und nur mit Hervorbringung häßlicher Mundverzerrungen den Ton produzirt. Die echte Künstler-in wird es auch immer verstehen, nicht mehr von den unerläßlichen äußeren Bewe gungsmitteln anzuwenden, als der Zweck der Kunftijbung wirklich erfor dert. Das künstlerische Gleichmasz er streckt sich eben auch aus das Aeuszere der musizirenden Frau. Selbst in den Augenblicken höchsten künstlerischen Asfektes wird eine weiseZurückhaltung angewendet werden müssen, wenn nicht die letzte ästhetische Wirkung zerstört werden soll· Unsere großen Bühnen tiinstlerinnen haben es im Lanse ihrer Tbätigkeit gelernt, auch die krassesten Mittel aus der Bühne noch mit dem Schimmer des Schönen zu verklären. Eine schreiende Briinhilde in der To dentlage um Siegsried ist ebenso un denkbar wie eine unbändig kreischende Leonore in ihrem Schmerze um den geliebten Gatten, eine Ortrud darf niemals, selbst in den Momenten des keidenschaftkichen Hasses die Schön heitskinie überschreiten. Und im Kon zertsaal, wo der musikalische Ausdruck in den einzelnen Gesängen so häufig wechselt, ist die wohlerwogene Zurück haltung gewiß noch in erhöhterem Maße erforderlich. Wenn Lilli Leh mann in ihrem weitgespannten Pro gramme alle Stufen des menschlichen Empfindens im Gesange veranschaus licht, so verlangt diese Mannigfaltig teit eine fast ebenso große Kunst, wie die technische Durchführung der Ge sänge selbst· Teresa Carenno, deren leidenschastdurchgliihtes Klavierspiel mitteißt und in Spannung erhält, läßt sich niemals zu unschönen Bewe gungen verleiten; sie weißes gut, daß gerade die äußere Ruhe iin Gegensatz zu dem geistigen Gehalt der Stücke, die sie interpretirt, mit die größteWir tung ihres Spiels hervorbringt. Alle großen Pianistinnen unserer Zeit be wegen sich in dem Rahmen abgestimni ter und ästhetisch schön wirkender Hak tung am Klavierr. Sie unterscheiden sich hierin erfreulich von ihren männ lichen Berussgenossen, deren Mehrzahl ohne wallende Haarmähne und häßli che Grimassen ihre künstlerische Aus gabe nicht beivältigen zu können glaubt. Auch die tkassischen Gei - rinnen streben nach thunlichster Arzt aus dem Podium. Ein ebenmä ig geformtes Bild der Abgetlärtheit lie fert era Saenger-Sethe, wenn sie, technisch und seelisch über ihrem Jn strumente stehend, den Bogen ansetzt. Die Unrast des Körpers beeinflußt die künstlerische Wirkung bei den re produzirenden Künstlern oft in so be denklicher Weise, daß in vielen Fällen der Schritt vom Erhabenen zum Lä cherlichen in nur zu beilagenswerth greifbarer Weise in die Erscheinung tritt. Das Haus und die Schule muß in dieser Beziehung rechtzeitig das Amt des Hüters vor Sorgkosigteit undVers flachung übernehmen. Der Gemen tarlehrer in der Musik muß den ästhe tischen Sinn in die Unterrichtsstunde mitbringen, der ihn befähigt, schon in den ersten Stadien des Musikanten richtes sein Augenmeri auf die sich etwa einschleichenden üblentzlngewohm heiten seines Zöglings zu richten. Das Geradesitzen vor dem Klaviere allein thut es nicht. Die Elastizität des Körpers muß soweit ausgebildet wer den, daß er davor bewahrt werde, alle technischen Schwierigkeiten unwillkür lich gewissermaßen durch unschiine Be wegungen anzudeuten. Und das Gleiche gilt vom GesangunterrichL Das verzerrte Antlih bei der singen den Frau ist immer die Folgeerschei nung einer vernachlässigten Lehrdiss ziplin, ein Beweis für den Unverstand des Lehrers, der beim Unterricht nur sein Ohr, nicht aber auch sein Auge arbeiten ließ, und einem wichtigean ment der Kunstiibung nicht die erfor derliche Aufmerksamkeit zugewendet hat. Die musitalische Massenerzies hung, wie sie heute im Schwung ist, übersieht neben vielen anderen wichti gen Anforderungen auch die Ausbil dung des Schönheitssinnes hinsichtlich der Körperhaltung während derikunst übung. Sie vergißt, daß derjenige. der Schönes hervorbringen soll, in er ster Linie sich selbst bemühen muß, schön in ästhetischem Sinne szu erschei nen. An den Frauen mit ihrem leb haft ausgeprägten Gesiihl für das Schöne-auch in seinen letzten Aeuszei rungen, ist es, in ihrem Rahmen zur Erreichung dieses erftrebenswerthen Zieles beizutragen Wenn sie irn Hause die musikalische Kunst pflegen, so sol len sie immer dessen eingedenk sein, dasz die schöne äußere Stille dem We sen der Kunst nicht so unentbehrlich ist, wie sie in ihrem an sich so lodernd werthen Jdealijmus filr die Kunst anzunehmen gewillt sind. J. C. Lußtig. Wh Der Diamant iit einer der gefähr lichste- Don Inans.