Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 17, 1905, Sweiter Theil., Image 13

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    Steckbriesiich verfolgt. ]
Dummste von Käte Lubowsli.
»Es ist wirklich jammerschade, daß»
du lein Junge ist, Grete,« sagt derj
Amtsgerichtötath Binß zu seiner;
Jüngsten und faltet grimmig das Te- ;
iegramm zusammen, das ihn zur
Aufnahme eines Testamentes in das
nächste Dorf ruft. »Mus; man sich
hier mit lauter fremden Referendaren
Lwärgerm die mehr aufhalten, wie
-"«-«·en —-— mehr fragen, wie ein
Dusend Weltweise im Stande sind,
zu beantworten, und das blos, weil
die eigenen Herren Söhne. die man
sich so sein zu ordentlichen Stützen
heranbilden hätte können, einen an
deren Beruf als den ihres Vaters
wählen. Jst ihnen zu trocken der
juristische, sagen sie. Jst ihnen zu
kzischwietig . . . . verantwortunggreich
" mühsam, sage ich.«
»J . . . Vatetle.«
»Was. willst sie auch noch unter
deinen Schutz nehmen, die Schlingels,
die statt an kranlen, geschwollenen
Alten an tranken Leuten rumdot
tem?«
Grete Binß lächelte schalthaft.
»Wenn ich noch einmal geboren
werden könnte und als Junge, dann
wiirde ich sicherlich Jurist, Vater . . .
mit dem heiligen Streben, Amtsge
richtsrath in Binderstedt zu werden!«
Der alte Herr sah sie mißtrauisch
an. —
»Meinst du das etwa ironisch- Mä
del?«
»Nein, Vaterle, todternst ift’s mir
damit . .«
»Wollt ich dir auch gerathen ha
ben . . . und, na, bei dieser Gelegen
heit will ich gleich noch mal eine Sache
von Wichtigkeit, die mir zum minde
sten so sehr wie die alte Seeschlange
»Weder contra Schipp« im Kopfe ru
mort, mit dir besprechen!«
Sie wird blutroth
»Aha —- du weißt schon Bescheid.
Das freut mich, mein Kind. Kann
mich also kurz fassen: Sage mal, wie
weit hist du mit Hans Hughald?«
»So weit, wie zwei Menschen, die
sich von ganzem Herzen lieb haben und
sich trogdem nicht heirathen sollen,
weil der Dicktopf von Hansens Vater
parrvut ein Landmiidchen als Schwie
gertochter in das Klutenberger Guts
haus haben will, eben fein tönnen.«
»Empörend,« sagte der Gerichtsrath
voll gerechten Zorns und sieht sein
Kind prüfend an. »Und das muß
meiner Tochter passiren. Wenn ich
den jungen Hughald nicht wie einen
Sohn liebte, dann schöbe ich einen
Riegel vor die ganze Geschichte, denn
sie paßt mir schon lange nicht. Wo
sitzt denn dieser alte Wütherich jetzt?«
»Weit vom Schuß, Baterle. Er ad
ministrirt im Littauenschen die Bre
dowschen Güter. Du weißt doch, der
alte Baron ist in den schlechten Jahren
um die Ecke gegangen. Leute und
Boden sollen da gleich schwer zu be
handeln sein . . . . sagt der Hans.
Und weil dem so ist« und die Freifrau
von Bredow, der er die Schuld an dem
Niederlegenmiisfen seines Zepters zu
schiebt, unglücklicherweise die Tochter
eines Juristen . . . also ein Stadttind
war . . . . hat er sich's in den Kopf
gesetzt, daß sein Junge tein solches
heimführen darf. Ein Mädel soll er
nehmen, die auch mal dreinschlagen
kann, wenn das milde Wort nicht
mehr ausreicht. Anders, wie wir es
seiner Meinung nach sind, nicht so
fein, zierlich, faul, unprattisch und
was weiß ich, wie er mich nennt.«
Ein paar dicke Thränen glänzen im
Auge.
»Und was sagt denn dein Hans
dazu, Gretel-«
Der hofft, daß er seinen alten
Herrn mal in aller heimlichteit heran- J
lotfen kann, damit ich ihn vom Ge
gentheil überzeuge.« !
Unten auf der Straße tnalit je-»
Inand in vollster Ungeduld mit der
Peitsche
- »Der Feine-eh das alte Besteck, hat
wieder einmal höllische Eile, ins Freie
zu totsmen,'« brummt der Rath.
«Guck’ mal runter, Grete, ob der Se
tretiir schon da ist.«
Der hlonde Mädchenlopf nickt eif
rig, während ein Zug von Enttäu
schung über das offene, liebliche Ge
sicht gleitet.
»Da darf ich wohl nicht mit, Va
terlei«
»Natürlich darfst du, der Herr Se
tretär mag gefälligst aus dem Bock
Platz nehmen«
Grete Binß ist Feuer und Flamme.
Sie sucht in der Morgenzeitung
herum
,,Du, Vaterte, wenn uns heute erer
iteclbrieflich verfolgte Dieb tn denWeg
tiefes
»Wer ist denn das eigentlich?«
Kann mich beim besten Willen nicht
auf ihn besinnen.«
»Aber, alter Herr, der Juwelen
dieb . . . der . . . na du weißt schon«
auf dessen Ergreier sie daare tausend
Retchsmatt als Belohnung aussetzen.
Vater, dent doch bloß mal an, was
tvir alles davon laufen könnten. Dir
einen neuen Pelz, denn dein alter
Pelz haart eilig, und hundert andere
schöne Sache-W
»Du träumst, Kind. hier in unser
Pommerland lomrnt er nicht. Dir
haben die verflixten Krimtnalgetchtche
ten, die du in der lebten Zeit bande
weise verschlangst, den tiaren Blick ge
trübt.«
Aber sie will das natürlich nicht zu
geben.
»Für alle Fälle nehme ich die Zei
tung mit dem Stecibrief mit« mir,«
sagte sie fröhlich.
Der Rath ist längst mit seinen Ge
danken bei dem vorzunehmenden ern
sten Akt »Protokollbogen, Tinte
und Feder Siegellack und Stem
Pel·. . .« zählt er an den Fingern her.
»So das wäre in Ordnung und nun
marsch, Fräulein Tochter!'·
Grete Bian geht langsamen Schrit
tes durch den stillen, grünen Wald,
Während der Vater mit seiner Ordons
nan; da drinnen bei der Todtkranien
sitzt. Ihr frohes-, bewegliches Gesicht
elen wird ernst und nachdenklich. Das
hier ist ihres Hansens Wald! Lauter
tchlagbares, festes Holz. Fest nnd ker
nig wie ihre Liebe. Eines Tages wird
man es runternehmen und stolze und
lescheidene Häuser daraus bauen . . .
krank-? aber wird aus ihrer Liebe wer
en ————
Drei volle Jahre sind sie fichschon
gut... Sie haben gewartet und ge
hofft . . . aber der alte Hugbald ist ein
Eisentopf Energisch soll seineSchwie
gertochter fein. . . kurz von Entschluß
ein fixes, tapferes Mädel, dabei
nimmt er sich aber nicht die Mühe,
nachzuguclen, ob bei ihr die gewünsch
ten Eigenschaften vorhanden sind.
»Wenn sie auch keinen Pfennig
han« schrieb er seinem Sohn . . . ,,bloß
Schneid soll sie haben und Muth und
Frische. Wo soll das wohl eineStadt
mamsell, die zeitlebens hinter dem
Ofen hockt, herhaben?« «
Sie seufzt und sinnt. Und wie sie
so mit ihren Gedanken in dem Reich
ihrer jungen heißen Liebe sucht, kommt
ein alter, gebückter Mann durch die
geraden, braunen Fichtenstämme ge
schritten.
Weißes Haupthaar, mit dein der
Wind sein Spiel treibt . . helle, scharfe
Augen« einen turzgeschorenen Bart
und eine energische, nicht sonderlich
tleine Nase, auf deren Spiye kühn
eine Warze thront.
Von dieser Warze können ihre-Blicke
nicht log. Sie zittert plötzlich . . . Wie
sieht in dein Steckbrief . . . ?
Greisenhaftes Aussehen . . . Haupt
merlinal: auf derNase ioarzenähnlicher
Auswuchs...
Und nun kommt dieser deutlich Ge
tennzeichnete des Weges daher . . . der
schwere Verbrecher... der Dieb...
Herrgott, das Glück! Und sie triegt die
tausend Mark.« denn dafz er es
auch wirklich ist, steht boinbenfest.
Wenn sie bloß wüßte« wie sie es am
fchlauesten anfinge... Kaum fünfzig
Schritt von ihr hält Fanert mit den
inüden Schreien. Will der Alte Reiß
aus nehmen« ruft sie Fanert herbei·
Enttommen soll er ihr schon nicht«
Sie geht ihm entgegen und stellt fich
ihm niuthig in den Weg.
»Sie sind verhaftet,« sagt sie kurz.
»Der Steckbrief ist in meinem Besitz.
Das darin angegebene Signalenieiit
stimmt mit Jhrein Aussehen genau
überein, wollen Sie mir also freiwillig
folgen?«
»Verrückt,« sagt der alte Herr halb
belustigt... halb wüthend . .. ,,gehen
Sie mir gefälligst aus dem Wege,
Mamfell!«
Grete Bian ist ganz ruhig.
»Faiiert... Fanert -—————— schnell.
Kommen Sie mir zu Hilfe! Rufen
Sie dein Herrn Rath in das Fenster,
»ich hätte ihn!«
Der alte Herr sieht Plötzlich bitter
böse aus. .
»Sie haben einen Klapjx Maiiifell,«
sagt er iinwirsch. »Sind ioohl aus
der Stadt, he?? Da trocknet manch
mal das Normale ein bischen eint«
Sie blitzt ihn zornig an.
»Sie sind ein ganz geriebener, alter
Sünder,« sagt sie eiskalt.
»Und Sie sind toinplett verrückt,
Mamsell..« sagt der Alte und wendet
sich zum Gehen.
»Hierbleiben . .« kommaiidirt Grete
Binß wie ein Feldberr. »Nicht von
der Stelle, sage ich!« .. Sie hängt sich
wie eine Klette an ihn. Er schüttelt
und wehrt sich, aber er bekommt sie
nicht los. Da naht inii eiligenSchrit
ten —— Fanert.
»Der Herr Papa kommen gleich,«
meldet er athemlos vom schnellen
Lauf.
»Es fehlt blos noch die Unterschrift
bei das Ding-«
Da reißt dem alten Herrn die Ge
duld. Er hat Wohlgefallen an der
energischen, festen, kleinen Mamsell..
aber das hier ist ihm denn doch ein
bischen zu bunt.
»Hans .. H . . a . .n . .s" schreit er
in den stillen Wald hinein, »tonim inal
aefälliast ber. Aber bran dir ein paar
ordentliche hanbfeste Knilttel mit. Es
send nämlich irgendiooljer ein paar
entlprunaen!«
lktrete Binß wird treidebleich.
Hans . . hat er gesagt .. ach was -----
M wird eben so ein Scheinnianöver
eben, fein, um freizulommen.
Da bricht jemand im Sturmlchritt
durch das trockene Unterholz.
Grete Binß läßt ihr Opfer plötzlich
log» Haus« ihr Haus« istes, der
di naht.
Der fährt zurück, als er die Gruppe
ceieinanber sieht.
»Veriteh’ mich nicht auf ihr Ge
mälch,« knurrt der alte Herr-. »Red’
du mit ihr Aber geh’ nicht so nah
ran... man lann nie wissen, wasin
lo einer steckt Besprich dich lieber mit
dem Mannsbilb da« Sind wohl ihr
Warten hin? Possen Sie gefälliglt
ern andermal besser anf, daß sie nicht
assctratzt!«
Hans Hicgbald hörte unter Stam
meln und Jammer-i den Zusammen
-»-- , -,-» ,
bang ver sonderbaren Vereinigung.
Die kleine Grete weinte bitterlich.
Als aber der alte Herr, der wahr
haftig der endlich hetbeigeluxte Vater
ist« dem sich die künftige Schwieger
tochter von der besten Seite zeigen
soll, die Wahrheit erfährt . . . lacht er
aus vollem Halse. Dann hebt er mit
der rechten Hand das Kinn der Ver
figeifelten empor und sagt fast zärt
»Na... energisch genug sind Sie
mit . . . vollständig. Und ein schwerer
Verbrecher bin ich vielleicht auch, weil
ich den Hans und Sie so lanqe hab-e
zappeln lassen. Soll nun aber zn End
sein. Und wenn es Ihnen und Ih
rem Vater paßt und der Hans . . .
tras ja lvobl Jhr Herzliebiter ist . . .
hat nichts daaeaen, dann essen Sie ge
sälligst in Klntenberge die Mittags
NOka
Da küßt Grete Binß die Hand des
Alten. Er aber sagt mit schlecht ver
hehlter Rührung:
»J- wat denn . . · mein Döchtina . .
nee . . nee . · lieber einen ordentlichen,
desten aus den Mund, wenn Sie der
ollethuswuchs von Warze nicht ge
nrr .«
Hans Hugbald steht dabei und faltet
die Hände.
Der alte Herrgott hat’s wieder ein
mal am besten gelenkt . . denkt er bei
sich!
———-—-- -.--—-—
Der Pechvogel.
Von Thomas Glahn.
»Ein schönes nnd zu reichen Hoff-l
nungen berechtigendes Talent ist der
leider zu wenig bekannte Maler und
Radirer Franz Otto«, — so hatte es
wörtlich in irgend einer Berliner Zei
tung gestanden. Das »schöne Talent«
hatte trübe dazu genickt.
»Kinder,« sagte es in der Kniistler
tneipe, »redet was Jhr wollt. Wenn
man iein Glück hat« ist die ganze Sache
Essig. Und ich bin eben ein Pechvoaei.
Sozusagen der Typus eines Pechvo
geis. Jch wette. wenn wirklich mal ein
Mensch mit viel »monney« mich be
suchen und wir was ablaufen will, so
vergißt er unterwegs rettungslos inei
nen Namen und stieselt fröhlich, weil
er gerade mal unterwegs ist, in ein
anderes Atelier. Brrr! Na, ich habe
jetztv etwas Neues vor und das wird
gut.·'
Die andern fragten, riethen, aber
Franz Otto schüttelte lächelnd den
Kopf und hüllte sich in Schweigen. Er
verschloß auch stets sorgfältig die
Thür, trenn er an dem »Neuen« ar
beitete. Zwar: wer ließ sich bei ihm
blicken? Aber besser war besser·
Er bewohnte in einem verschlossenen
ruhigen Hause der Bernburaer Straße
zwei Zimmer. Das eine gron nnd hell,
war Atelier. lsmpsangsraum Und
Wohnzimmer. Jm andern schlief er.
Eines Tages sasi er vor der Staffe
len und betrachtete-, wag er vor sich ne
bracht. ,,Bravo," murmelte er. »Wiir
auch ein Kanonenwunder, wenn mir
das nicht glücken sollte.«
Man sah aus der Leinwand in Ums
rissen einen noch innaen Mann in hal
ber Figur. Er Faß wohl und hatte
den Kon in die Hand gestützt. Die
andere Hand lag aus dem Tische. Das
war Alleg.
Aber in der ganzen Haltung und in
dem Ausdruck des Gesichts, soweit man
davon schon reden konnte, lag etwa5,
was halb zum Lächeln, halb zum Mit
leid reiztr. »Der Pechvogel« sollte dag
Bild heißen. Und thatsächlieh war das
big jetzt gut herausgekommen
»Es ist nicht ähnlich.«« brummte
Franz Otto, »aber eigentlich könnt’ ich
Selbstvortriit unterschreiben. Ach Du
himmlische Gitte!«
Und seufzend that er ein Paar
Striche
Plötzlich llingelte es. Dann fiel«
draußen etwas lzur Erde.
Aus den Fußspitzen schlich er über
den Korridor. Gottlolx es- war nur
der Briesträger. Keine Rechnung, lein
Poftaustrag, keine Steuerauittung.
Ein harmloser schmaler Brief lag da
—- mit der Adresse nach unten.
Was war das-? Eine neunzackige
Krone hinten draufs? Hatte sich der
Stetshansjiinger denn verseh’n?
Aber wirtlich: der Brief war an
Herrn Franz Otto, Maler und Radi
rer in Berlin, Bernburger Straße 6
adressirt.
Der Adressat bekam das Zittern.
Er ris; das Couvert auf.
,,Sehr geehrter Herr!
Ich reife auf längere Zeit inis Aus
land, und wenn mein Weg mich dabei
iiber Berlin führt, so möchte ich die Ge
legenheit ergreifen. und mir, wenn Sie
es gestatten, die Arbeiten eines der ta
lentvollsten der jüngeren Künstler, von
dem mir manches Gute zu Ohren inm,
ansehen. Jch bin nur noch morgenVor
mittag hier nnd werd: mir erlauben,
dann an Jhre Thiir zu klopfen. Ich
irijrde gern im Besitz einiger Jhrer Ge-—
mälde und Radirnngen sein.
Mit groszer Hochachtunsi
Friedrich Graf v. Rhyn.«
Franz Otto las diesen Brief einmal,
zweimal. Er sah von neuem nach der
Adresse. Sie stimmte wieder.
Und plöylich erhob er ein schwerli
»ches Freundcngehenl nnd begann einen
wilden Jndinertriegetanz aufzufnhs
ren.
,,Durch!« jauchzte er immer von
neuem und hob die Arme —— »Durch!
Wenn Graf Rhcin erst kauft, lauft er
ordentlich. Er versieht nischt davon,
aber er bezahlt! Und ich bin meine
Schulden los, reis’ nach Italien, mal’,
was ich will —- h.urra!«
Es dauerte geraume Zeit. bis er sich
erholte. Dann schnitt er dem »Rech
vogel auf dem Bilde eine Grimasse.
»Das war ich mal! Nun mag’s so .
unfertig bleiben —- jetzt bin ich aus Der
Pechoogelftimmung ’raus. Schatte ei
gnilich —- wiir' ein gutes Bild gewor
n.«
Er überlegte. Aufräumen! dachte
er. Wenn Seine gräfliche Gnaden
kommt, darf der Spiritusbvenner nicht
auf dem Stuhl stehen und die Apfel
sinenschalen dürfen nicht auf den Tep
Pich liegen!
Mit wahrem F·e-u-er-eifer ging er an’s
Ordnen und Umstellen. Ach, er war ja
noch nie so eilig wei heut!
Da tlingelte es von Neuem. Stolz
wie ein Spanier schritt er zurThsür und
öffnete sic. Davor ein Herr, schwarzer
Gehn-ek, helle Hose, Cylinsder.
,,.H.1be ich die Ehre,Herrn Otto selbst
vor mir zu sehen?«
»Allerdings. Sie wünschen-" ·
»Mir ein-e kurze Unterredung in
Privatangelegenheiten.« ·
Mißtrauisch sah der Maler ihn an.
Aber was follt’ er thun? Er nöthi te
ihn also in’s Atelier, der Fremde saah
vor sich hin, preßte die Lippen zufam
men und nieste mit dem Kopf.
»Ist Jhnen nicht wohl?« s
»O danke. Nur wird es mir schwer
— -—« Er zögerte, seufzte.
»Herr Otto,« sprach er dann und
reckte sich aus, »mein Name ist Berndt.
Max Joachim Berndt. Sie kennen
mich!«
«Bedauere. Jch wüßt nicht. —- —
Was find Sie denn?«
»Ich bin Künstler!«
»O weht«
»»Sie haben Recht, Herr Otto!
Wehe dem Künstler! Der Kam-Mem
pel des Genius ist ihm ausgeprägt
und —— —«
»Meistens hat er kein Geld,« vollen
dete der Maler. »Das ist das
Schlimmste. Jhr berühmtes Kains
mal lass’ ich mir sonst gern gefallen.
Max Joachim Berndt lächelte.
»Wenn Sie es so ausdrücken wol
len, Herr Otto! — Jch bin thatsächlich
in einer außerordentlichen Verlegen
heit. Lange Zeit lag ich im Kranken
haus fest darnieder, ich kann mir kein
rechtes Atelier miethen, habe seit drei
Tagen kein Mittagessen, und ent
schließe mich nun in der ärgsten Noth,
zden schweren Gang zu thun und bei
den Herren Colle-gen vorzusprechen.
» L;s, Herr Otto, ich ———«
i Der Sah erstidte in einem tiefen
l Seufzer.
; Das Gesicht des Malers war immer
stänger geworden. Er kannte diese
»Schnorrer nur zu gut. Sie dachten
garnicht daran, etwas zu thun, und
nettelten bei Pastoren als Pasiotsiöhj
ne, bei Künstlern als Künstler, bei
Acrzten als durch unverschuldetes Un
aliicl herabgelommene Mediziner. Sie
waren Cotliegen von Jedermann und
terzehrten im nächsten Gasthaus den
Thaler, der ihnen ein gutmüthigerEsel
»in die Hand gesteckt.
»Besier Herr,« sprach Franz Otto
also, ,,da sind Sie diesmal wirklich an
die falsche Thür gerathen. Das vor
nehme Haus hat Sie verführt. Aber
ich hab’ wahrhaftig sehlber nichts. An
Geldmangel lonlurir ich mit Ihnen.
Es thut mir leid, aber Sie müssen sich
schon an Reichere wenden.«
Max JoachimBerndt zuckt-: schmerz
hast zusammen. Ein Blick durchs
Atelier mochte ihm zeigen, daß hier
.:««irllich nicht viel zu holen war. Er
änderte also feine Taktil.
»Es ist hart, daß wir Künstler so
darben müssen. Wir geben unser Herz
blut hin und hungern und frieren da
siir. Wie Sie mich hier sehen, Herr
Otto-ich hab’ taum etwas auf dem
Leibe.«
»Aber erlauben Sie mal, Bekehrte
ster! Sie sind jaj eleganter angezogen
ais ich.«
Der »Kollege« wehrte ab.
»Geliehen, Herr Otto, geliehen. Nur
siir diesen Besuch. Mit Verlaub zu
sagen: ich hat-e nichts, teine Stiefel,
keine Hosen, das heißt: wenigstens tei
.-ie, in denen ich mich vor Ihnen blicken
lassen könnte. Und deshalb bitte ich
Sie—so schwer es mir wird—-—: wenn
Sie mir vielleicht einiges zuwenden
wollten, was Sie abgelegt haben, vor
nehmlich Beinileider und Stiefel. Jch
will mich. wenn ich in besseren Ver
hältnissen bin, gern revanchiren.«
»Dann, oante," lachte oer Maler-.
Sagen Sie, Herr Künstler, für Ho
i«n und Stiefel bezahlt wohl der Tröd
lir am meisten — be?«
»Aber, Herr Otto!« rief Max zoa
rk im vorwurfgvoll
»Na ja, schon gut. Das lennt man
in! Aber Sie treffen mich aerade bei
anter Laune« er sah lächelnd nach
Lein Brief mit der neunzacligen Krone
-— da will ich Ihnen alles glauben,
was Sie mir erzählen und noch ein
ganzes Ende darüber. Also es wird
sich schon eine getragene Bux und ein
paar alte Stiefel noch finden. Kom
«-ien Sie morgen oder übermorgen um
dieselbe Zeit wieder da bab’ ich sie
Ihnen ’ransgesucht.«
Tiefgeriihrt dankte der «Kiinstler«
und ging ab.
,,Teufel ja,« brummte Franz Otto,
als er allein war, «es ist ja alles
Schwindel, aber man thut vielleicht
Doch ein gutes Wert. Früher hab’ ich
tiefe Antiquitäten selber verkauft, aber
jetzt, wo ich mit dem Grafen Rhyn in
Unterhandlungen steh-e ——- ,,non!« Das
Eine schließt das Andere aus.«
Er begann von neuem seine Auf
1äumearbeit. Aber bald iiberzeugte
er sich mit einem tiefen Seufzer, daß
er allein nicht recht vorwärts kam So
holte er sich die Portiersfrau herauf.
»Sie können mal ruhia ein bischen
naß aufwischen, Frau Wille Die
Bude verträgt es. Und ich kriege ho
ben Besuch. «
,,Machen wir, Herr Malermeister.
Und morgen sriilfy komme ich noch auf
’ue Stunde ’rau . Da reiben wir die
Fenster ab.« —- —
Am nächsten Morgen blitzte wirklich
alles. Es- war ein ganz ungewsohintes
Geschäft für Franz Otto, in dieser
Peinlich ordentlichen Bude zu hausen.
Er stellte alles auf, was er vor ferti
gen Arbeiten besaß-ach, es war eine
ganz erkleckliche Reihe —- probirte die
Beleuchtung und setzte sich dann zur
wohlverdienten Ruhe auf einen Stuhl.
Plötzlich fiel ihm Max und Joachim
Verndt ein. Der sollte ja heut’ ein
vpaar Stiefel bekommen und die Hose!
Herr des Himmels, das fehlte gerade
? noch, daß der hereinschneite, wennGraf
»Ah-Un da war. Solch-e Leute pumpen
den wildfremdesten Menschen an!
; Er kramte in alten Sachsen. Hier
: tirar ein Stiefelpaar --— na, rissig war
J Das Leder schon. Aber zur Noth gings
E noch. Und die Hose? Hm, sie war ei
gentlich noch weniger schön. Besonders
zser Boden, der Boden!
Ach was, — paßte sie dem Herrn
nicht, so konnt’ er sich eine kaufen!
Er wickelte also die Stiefel in das
Kleidungsstiick mit dem beschädigten
Boden, packte beides in Papier,·schniir
te zu und sagte:
»Wie ist das, Frau Will-II Sahen
Sie gestern den Herrn im Cylinder,
der zu mir ’rauftam?« Ei
»Natürlich, natürlich, Herr Otto,
den Cylinder sah ich durchs Fenster,
hat mich gefragt, wieviel Treppen Sie
wohnen. Ich war gerade beim Ansic
hen und habe ihm durch die Thür Be
Ischeid gesagt. Aber der Chlinder —
; natürlich! So’n schwarzer!«
i »Schön, der Herr wird heute oder
imorgen wiederkommen. Sagen Sie
H ihm nur, ich sei nicht zu Hause, aber
ier fände das Geroqünschte in diesem
Packet.«
»Ist gut, Herr Otto. Na, wie ge
ifällt Ihnen Jhr Zimmer jetzt?«
i ,,Ueber alle Begriffe, Frau Wille.
)Holen Sie sich morgen einen Thaler
dafür.«
Und nun, nachdem die Frau gegan
gen, war er allein und wartete. Von
Bild zu Bild ging er. »Dies lauft er
Isicher,« murmelte er hier. »Vielleicht
nimmt er mir diese Klitsche auch ab.«
brummte er da. Nur den »Pechvogel«
hatte er in’s Schlafzimmer getragen.
Den lonnt’ er ja jetzt doch nicht zu
Nnde malen.
Es schlug zwölf. Der Gras kam
nicht. Nun, große Herren nehmen eö
nicht so genau!
Eins! . . . NervösJ schritt Franz
Otto auf und ab.
Zwei! . . . Und der Graf war
noch immer nicht da. Als Minute
aus Minute verrann, ohne daß die
Klingel sich riihrte, verzweifelte der
Maler.
»Er hat auf dem Wege die Adresse
vergessen — was sag’ ich!!«
Aber Graf Rhyn hatte die Adresse
nicht vergessen. Um vier Uhr tlingelte
eg. Ein Dienstmann brachte einen
Brief nnd ein kleines Backen
Die neunzackige Krone auf dem
Briefe s-— vielleicht kommt er doch
noch! . . . Der Brief lautete:
»Geehrter Herr!
Jch habe Verständniß für Künstler
scherze, muß jedoch bekennen. daß es
diesmal völlig versagt· Da ich nicht
dieAbsicht habe, ein Otto-Museum
anzulegen, so sende ich Ihnen Jhre al
ten ,,inexpressibleg« und die anstan
girten Stiefel wieder zurück.
Jch bedauere, die Pointe des Scher
zes noch immer nicht zu begreifen.
Hochachtungsvoll
Friedrich Graf thn.«
Laut aufstöhnend sank Franz Otto,
der Maler und Radiercr, in einen
Stuhl.
,,Dienstmann!« brüllte er dann.
Zum Glück war der Rothniüizige noch
im Treppenflur. Führen Sie mich
fort zu dem Herrn, der Ihnen den
Brief gegeben hat.«
Verdutzt sah der Mann auf.
»Ja, det is man nn faul. Jct steh’
am Anhalter Bahnhof und der Herr
i is doch mit dem Zug fort.«
T ,,Nach dem Ausland, richtig,«
stöhnte Franz Otto —-— »auch das
noch!«
Dann schleuderte er das unglück
liche Partei in die Ecke
»So-löst wenn manwohlt lmn will,
hat man Pech damit. Allmächtige
Güte, was mag der Gras zu den Ho
sen gesagt haben!«
Resignirt packte er die Bilder fort
und bolte das angesangene aus deni
Sel)laszimmer.
»Es wird doch fertig, mein Jun
ge«, sprach er vor sich hin, —— »und es
wird noch besser als es werden sollte.
Die Stimmung ist wieder da! Komm
her, Pechbogel — vielleicht wirst Du
mein Meisterstück.«
--—-——
Ein schulpflichtiger Ehe-matten
Jni Kanton Appenzell richtete ein
siebzehnjiihriger Bursche, der gesetzlich
noch zum Besuch der Fortbildungs
schulen verpflichtet war, an den Regie
rungsrath ein Gesuch, worin er aus
siihrte, daß er als ein Mann, der seit
zwei Monaten verheirathet sei, nn
möglich noch die Schule besuchen tön
ne, ohne sich den unleidlichsten Scher
zen und Hänseleien auszusetzen Die
eingeleitete Untersuchung ergab die
Richtigkeit der Angaben,- und die Re
gierung bewilligte daraufhin den erbe
tenen Dispcnst »
Aller genau befolgt .
Paulchen hat von seinem Vater vie
strenge Weisung bekommen, nicht Pu
p-» sondern immer Vater zu sagen.
Einmal nun, als Beide den Zur-logis-v
schen Garten besichtigen, ruft Paul
cbsen plötzlich aus: »Ach, Vater, sieh
doch mal da den schönen bunten Va
tcrgei!«
Im ersten Schrecken.
Provinzschauspieler (zur Frau sei
nes Schusters): »Warum haben Sie
kenn bei der gestrigen Ausführung so
geschrieenW —- Schusterint »Ja, wis
sen ’S, in dem Augenblick, als Sie
in den Abgrund stürzten, hab’ ich av
Ihre Rechnung gedacht!«
Auch ein Heirathsgrnnd.
Er: »Du, Emmy, wir können es
nicht mehr weiter hinausschieben —
nächste Woche wird geheirathett« —
Sie: »Ja, was fällt Dir denn ein!
Warum pressirt es denn aus einmal
gar so sehr?« — Er: »Ja, weißt Du,
ich hab’ gar nichts mehr, und mein
Onkel hat mir gestern, als ich ihn wie
der anpumpte, ausdrücklich erklärt, ich
bekäm’ von ihm nur mehr Geld der
besonderer Gelegenheit!«
Monolog eines Junggesellen.
»Ja, putzsiichtig sind alle Mädchen
heutzutage, aber putzen, nee, das wol
len sie wieder nicht. — Ein queriöpsiges
Volk, das Weibervolk, sage ichs«
Zerstrent.
»Aus wen warten Sie denn, Herr
Professor?« —- »Auf meine Frau!« —
»Aber Sie sind ja noch ledig . . . .« —
»So? Hm, dann muß ich vergangene
Nacht lebhaft geträumt haben. Ich
führte sie in diesen Laden, und dann
sagte sie, ich sollte sie heute Abend hies
abholen.«
Problernatischer Werth.
Kaufmann: »Wenn ich Sie als
Kompagnon meines Geschäftes auf
nehmen soll, so könnte ich Jhnen nur
ein Drittel des Reineinkommens be
willigen.« — Herr: »Ja, wieviel be
trägt denn das Reineinkommen über
haupt?« -— Kaufmann: »Vorläusia
gar nichts.«
Er weiß Bescheid.
Feldwebel (zu einem Einjährig
Freiwilligen): »Was werden Sie denn
machen, wenn ich« jetzt »Achiung!« kom
nrandirc hieran sortgehe und erst in
zwei Stunden wieder zurückkomrne?«
s--— Treiwilligen »Bereits in der Kan
tme sitzen und dort auf den Herrv
Feldwebel warten.«
Tcrb gegeben.
Geri: »Wenn ich aus dem Kon stehe,
strömt mir das Blut in den Kopf,
nicht wahr?« —— Dame: »Stimmt!«——
Geri: »Ja, aber warum strömt mir
denn das Blut nicht in die Füße, wenn
ich aus den Füßen stehe?« — Dame;
»Weil Ihre Füße nicht leer sind!«
Wai- er denkt·
Sie: »Was sehen Sie denn fort
während nach der Thirrmuhr?«·——Er:
,.Reiner Zufall! Sie denken doch et
wa unt Hinimelgwillen nicht, daß ich
mich in Ihrer Gesellschaft langweilc?«
Sie: »Das nicht. Ich dachte nur«
Sie hätt-en Jhre Uhr versetzt!«
Unsere Dienstboten.
»Aber ’!luguste, wag haben Sie sich
denn fiir ein schlecht-II Fleisch gehen
lassen, dar- ist voller Stnochen!«
,.Det is et, jnädige Fran, ict tad« noch
jleich dem Schlächter jesugt, wenn’t
rsor .mir wär’, wiird’ iet·t nich neh
men.«
lttliickbringende Aehnlichkeit
Radler: »Ja) fand diesen Moppel
herrenlog aus der Straße, Der gehört
gewiß Jhne11?« — Frau: »Ach gewiß,
mein süßer Moppel —-— aler woher
wußten Sie —---?« — Radler: »Ich
hake mir’s gleich gedacht, als ich Sie
sah. Wissen’5, das Viecherl gleicht
Ihnen gar halt zu sehr!«
Ein guter Sohn.
Studiosns lvom Examen heimkom
mend): »Du hast mir hundert Mark
virsprochen, wenn ich durchtomme,
litapa!« — Vater: »Gewiß! . . .. Nun,
nnd....« — Studiosnst »Sei froh,
Die hab’ ich Dir erspart!«
Im Zweifel.
Alte hinleite: »Mir haben letztes
Jahr drei Zigeunerinnen prophezeit,
daß ich einen Mann kriegen würde!
Das Jahr ist zu Ende und ich habe
noch leinen! . . .. Nun weiß ich nicht,
sind die Zigeunerinnen so unznvey
lässig oder die Männer?«
unlink-lieh
Vater liirgerlich zu seinem Fluaben):
»Las3 mich in Ruhe mit Deinem ewi
kien Fragen und bleibe bei Deinen
Schularbeiten.« -- Fritz: »Er-In we
aen des Aussatzeg wollte ich Doch noch
am etwas fragen, lieber Vater!«
Der Nichtsthuer ist stets in Eile
nnd hat nie Zeit; der angestrengt Ar
beitende hat siir alles Zeit·
Diejenigen, welche alles zu wissen
scheinen, wissen gewöhnlich am wenig
ten· '
Gewöhnc dich, allein zu sein« tann
bist du es nie·
Jeder Mensch begeht eine An ahl
ren Dummheitem aber der Ringe
vslegt sie nicht zu wiederholen.