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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (March 17, 1905)
» ,.—-. ,- , Vie Befreiung. von Otg Wohls-nich I Johanna Gröger war sich so ziem lich Aar darüber, daß es aus der gan- - , Welt nur einen Menschen gab, der T wirklich liebte-—ihren Vater. — Er sa te es ihr nie und zeigte es ihr ( sti o t. Aber seine laute, harte St me klang weichen wenn er mit ihr sprach, und seine wasserblauen, oft roth unterlaufenen Bulldoagaugen be kamen einen steteren Blick, wenn er sie ansah. Fett WilhelmGröger war sehr häß li und sehr traut. Johanna Gröger war auch sehr häßlich, aber sehr ge kirrt-. Der Vater sehnte sich nach dem ode, die Tochter sehnte sich nach dem « Leben. Sie kannte das Leben eberso wenig, wie der Vater den Tod kannte, aber beide waren überzeugt, baß jede Veränderung ihres bisherigen Daseins eine Be reiung sein mußte. Als ater Gröger seine Tochter ein mal in der Dämmerstunde am Fenster sah, mit im Schoße gesalteten Hände-f und tief herabgezogenen Win beln des breiten Mundes, da stellte er sich großspurig vor sie hin. Er wollte das »sentimentale Han nel« auslachen. Aber es ging nicht. Das Lachen kam nicht. Sie saß gar so hilflos da, den großen Kon ans die flache Brust gesenkt, die runden, wos serblauen Augen voller Thränm Das war ihm doch zu dumm. »Hannel, was flennst Du?« schrie er sie an. Sie zuckte zusammen und sprang aus. Der Respekt vor dem Vater lag ihr von Kindesbeinen in den Gliedern. »Na, was giebt’s? Sprich!« Er gab sich Mühe, sanft zu reden, aber seine Stimme tnsarrte nur so wie eine eingerostete Maschine. »Nichts, Vater, ich dachte nur nach« »Und dabei mußt Du heulen? Was fehlt Dir? Jst Dir Dein Kanarien dogel gestorben oder Dein Seiden psinsch, hast Du nicht Kleider genug.·.. na, was ist rede ....« Da er schon ungeduldig wurde und, trie immer bei jeder Erregung, asthrna tisch zu keuchen anfing, rieb sie vor aus steigender Angst die Handfläckden an einander. »Nichts, Vater, wirklich nichts. J war nur so allein....« »Lad’ Dir Gesellschaft ein«-« »Das hilft nicht. Wenn die ande ren dann sortgehen... bin ich ja doch wieder allein. Das füllt mich nicht aus« Gröger klapperte rnit den Augen. »Blöds1nn!« Er wurde dabei erschreckend roth. Aber plötzlich schlug er sich mit der band vor die Stirn und lachte laut aus. Dieser unerwartete Heiterkits ausbruch machte ihr förmlich angst. Sie wagte nicht zu fragen, und er gab sich nicht die Mühe, ihr etwas zu er klären. Er verließ das Zimmer, und Johanna hörte noch lange sein lautes, tguhes Lachen. Sie blieb am Fenster stehen Und blickte auf den Hof hinaus. Drüben sog sich ein länglicher, fchmaler Bau hin, mit breiten, hohen Fenstern. Es waren die Lager- ung Kontorräume des Lederhändlers Gröqer. Ein jun g Mann trat aus dem Haus nnd "pfie seinen Mantel zu. Als er Fräulein Gröger, des Prinzipals-Toch ter, erblickte, zog er höflich den Hut — Johanna grüßte —iibersreundxich, nn chicki. Dann lief sie vorn Fenster .prt und kauerte sich in eine Sosaecke. Wenn Fritz Ende jetzt das Kontor verließ, dann hatte gewiß der Vater ihn rufen lassen. Warum? Wozu? Eghanna hörte den leisen Ringelqu illus- und Zuschließen der Flut thiir nnd gedämpste Schritte, die sich im Gans beim Arbeitszimmer des Ba terö verraten. . . . Und Abends saß Fritz Ende zwi schen Herrn Gröger und seiner Tochter am großen, mit Eßwaaren überlade sen Speisetisch. Herr Gröger nöthigte beständig »Is; nur, Fritz, iß nut. Bin vunn wie ein-e Bohnenstange. Mußt in die Breite gehen, wenn Du importirten willst. Trink, mein Junge, trink ...... daß Du Konrage kriegst, nicht immer dasitzest wise ein zixnpetliches Frauen zimmer-. Sollst ein Mann werden« »Den Gröaer . . . .«« »Mund halten. Jetzt red’ ich. Ill o, Fritz-was warst Du, als ich Dich MS Geschäft nahm? Nichts warst Du. Gar nichts. Und was bist Du, wenn ich Dich ’rausschmseiße? Nichts . .. r nichts. Trinl' nur, mein Junge, r Wein ist gut.« »Den Gröger . . .« »Sc- heiß ich. Aber Fritz ——— Du hist ein anständiger Kerl . .. ich be obachte Dich schon lange. Ein sehr an "ndiger Kerl bist Du. Mit Meisterw ig Thalern monatlich erhältst Du Dieb und Deine Mutter Möcht wis Bth wie Du das machst? Dabei trägst u reine Kraan Fritz, ich achte Disz. ch will, daß es Dir gut geht. Du soll mein Geschäft führen. Ich Un alt und traut —- mir isi’3 zu viel. . Du sollst auch meine Tochter heirathen M geb’ fee Dit. weil ich weiß, daß sie G bei Dir haben wird, wenn sie n keine Schönheit ist . . .« . Redistri« »Ker- Geöger . . .« T skiz. « a, Kinder, springt nicht aus. wie 7 M der Tatantel gestochen Gebt Euch iissese Kuß, nnd die Geschichte ist set ÆFM Ende war todtenblaß, Johan .. Mmh Sie zitterte am ganzen szlm nie-et- dik has-r wie hil «, »F IND W rollte Guts-Mich die ( »Na —- wird’s bald? Rt Dir der Iris etwa nicht schön genug —- auf was fiir einen Prinzen wartesi Du noch? Oder will der junge herr etwa meine Tochter nicht haben? Da sieh einer an! Glaubst Du — ich lasse mir einen Korb von dem Mast geben? Das wär’ doch . . . . Paßt Dir meine Tochter nicht, paßt Du mir auch nicht. Kannst Dich trollen . eins, wei, drei finde zehn andere für ich, zehn, hörst Du? Kannst dann gleich gehen . . . hörst Du .. . gleich! Der junge Mann wurde noch blei cher und sein-e zitternden Finger taste ten über den Tisch. Er fak- das Mäd cken nicht an, das verwirrt ihm gegen über stand, aber ganz leise sagte er: »Wenn Sie mich nehmen wollen,Fräu lein Gröger meine Mutter wird Sie segnen... sie ist eine so arme alte Frau.« Johanna reichte ihm wortlos die Hand. »So lo. Das laß ich mir ge fallen!« Herr Gröger zwang die jungen Leu te, ein Glas Wein zu trinken »zurFeier der Berlobung«, und lachte sehr viel. »Ich bitt' mir’s aus, Fritz, daß Du sie glücklich machst mein Mädel Sonst geht Dir’s schlecht. Mrrk Dir’s!« Johann küßte ihrem Vater die Hand. Dabei weinte sie. Sie war un beschreiblich selig und unbeicireiblich traurig. Sie liebte Fritz Ende seit lange, aber niemals hätte sie gewagt, an eine Verbindung zu glauben. Sie, das reiche k räulein Gröger und er, der arme Buch lter Am anderen Tag ging sie mit ihrem Bräutigam Arm in Arm spazieren. Sie sprachen von allen möglichen Tin gen, nur nicht davon, daß sie sich hei rathen würden. Auf dem Wege trafen sie Betannte.« Man gratulierte ihnen. Fri war immer verlegen dabei. « u mußt jetzt bei Ebenfeld arbei ten lassen,« sagte Johanna. . Sie glaubte, er genirte sich feines lescheidenen Anzuges wegen. »Ich habe nicht die Mittel dazu,'« antwortete er einfach. »Aber jetzt doch ——« rief sie unbe dacht. Dann wurde sie roth und schwieg. Johanne verwendete sich bei ihrem Vater dafür, daß ihr Bräutigam eine andere Stellurg mit größerem Gehalt erhielt. « »Du bist eine eitle Gans,« sagte Herr Gröger; aber einige Tage darauf ernannte er seinen zutünftigenSchwies gersohn zum Prokuristen. Johanna bat ihren Bräutigam, sie mit seiner Mutter bekannt zu machen, aber er wich immer aus. Sie sei lei dend, die Aufregung möchte ihr scha den. Eines Tages erklärte er, sie fort geschiclt zu haben, aufs Land, damit sie sich endlich erhole. Johanna sah ihn ernst und traurig n. »Du willst nicht, daß mich Deine Mutter sieht.« Er suchte eine Ausrede, aber sie fiel ihm mit einer Bewegung in die Rede. »Laß nur . . .« an den ersten Tagen ihrer Verlo bung hatte sie sich manchmal an ihn geschmiegt, aber sein Arm legte sich so lose um ihre Gestalt, und sein Kuß auf ihre Stirn war so frostig. daß sie scheu jede nähere Berührung vermied. Der Jubel der ersten Tage hatte einer bangen Schwermuth Platz gbeernacht Sie konnte jetzt auch un nlang müßig am Fenster sitzen. Aber, was früher Sehnsucht gewesen, war jetzt Kummer. Sie hatte sich nach Jemand gesehnt, der sie befreite —- und ·eht fürchtete sie ihren Befreier, zwei elte att, ob das wirklich ihr Befreier war. Und doch, wer konnte es anders sein? J c Manchmal tchnch ne sich zum Baker hinüber, was sie früher nie gethan hatte Er sprach immer von Fritz — förmlich mit Begeisterung Das war ein Treffen Und so tüchtig im Ge fchäft so verläßlich. Kein Schwieger fnhn konnte ihm lieber fein Dabei wurde er zärtlich, klopfte Johanna auf die Wange, fragte nach der Ausstat tuna und erkundigte sich nach den »ver damrnten« Schneiderinnen. Sie sollte nur nichts sparen, Johanna, nur nichts sparen. Sie sollte sich nur recht schön herausputzem »Diese jun en Leute . . .« Und da lachte er geriiu ch voll und kutschte gutgelaunt auf sei nem Schreibsessel herum. Einmal, wie sie gerade wieder bei ihrem Vater saß, ging die Thür auf, und ein junges blondes Mädchen trat mit einigen Papieren herein. »Siehst Du, Hannel, das ist meine Buchhalterin An Fritzen’s Stelle. Tüchtiges Mädel. Na, was giebt’s?'« Herr Ende schickt mich mit zwei Briefem Johanna sah das Mädchen scharf an. Ein feines, hübsches Gesichtchen, blaß, aber noch nicht ermüdet vom Leben, eine schlanke, biegsame Gestalt, noch nicht gekrümmt von der Arbeit. Sie war tief schwarz gekleidet. Ruhig, furchtlos ftand sie dem gestrengen Lerrn gegenüber, ohne neugierig das ihr noch fremde Zimmer Fu mustern ».hr habt ·eht eine uchhalterin · ontor?« fragte Johanna Abends ihren Bräutigam. »Fa,« antwortete er trocken. »Ich wundere mich, daß ein an än dian Mädchen so unter all die " eht, daß sie si traut. te ist eine Waie —- ohne Vermo gen, aber aus sehr gutem Hans, das ztannft Du mir glaubenk IHTDU hist ja mertmärdig gut orien s Er blickte aus« Mzaschx beinahe EMW - , mit-s weiß HHeXItMMddnrchan ndiser .—.-- »w Mensch ist. Sie hat diese untergeord nete Stellunåzi angenommen· um nicht den Antrag nes reichen Mannes an zunehmen, den sie nicht liebt. « f »Sie vertaust sich eben nicht. re. Aber gleich darauf bereute Johanna diesen leidenschaftlichen Ausdruck - »Sie steht ganz allein,« antwortete er ruhig, so ruhig, daß es beinahe un natürlich klang. Sie hat für Nieman ten zu sorgen, als siir sich. Sie darf hungern fiel« Er aina aus dem Zimmer. Jo hanna blieb wie vernichtet sitzen, das Antlitz in den Händen vergraben Und dann stand sie ihrem Vater ge genüber, leidenschaftlich, erregt, bis sur Bewußtlosigkeit. Sie wollte ihn nicht heirathen, sie wollte ihn nicht sehen. Sie liebe ihn nicht . . . Sie wiederholte es zu ost, zu heiß, zu schmerzlich« Selbst der Vater durch schaute sie. Er schlug mit der Faust aus ben Tisch, daß die Papiere herum flogen. »Ueberspanntes Mädel. Du heira tbest ihn, oder er sliegt. Dann tann er sehen, wo er untertriecht. Seine Mutter ist in einer Nervenanstalt jeyt das kostet Geld. Gönnst’s ihm nicht? Nein? Oder ist er schlecht zu ir. . ja? Jst er schlecht... schlecht zu meinem Kind? Dann fliegt er... dann fliegt er!" Sie wantte aus dem Zimmer. Wenn der Vater sich etwas in den Kopf setzte —da war nichts zu machen... gar nichts. Und doch ——-e5 war wie eine Erlösung sür sie, daß er sie zu der Hei rath zwang. Sie wollte ja gezwun gen sein... Sie liebte ihn.-... Er war höflich und rücksichtsvoll zu ihr, und sie betete ihn an. Er war alles in ihrem armen, kargen Leben. Alle Schönheit tam von ihm, alle Wärme. Er war der Jnhalt ihres ; Daseins selbst. Sie dachte an die Ehe mit ihm, wie an ein ständige-B. beseli I aendes Dienen. Sie würde ihm Kin der schenken, schöne Kinder-, die ihm j ölsneltein und für diese Kinder würde ’ er sie lieb haben, ihr den Zwang ver-« l zeihen, ihr seine Ruhe und das Glück ? seiner Mutter danlen. Und sie würde ganz demüthig, ganz hingebend sein . . wieder sah sie ihren Befreier in ihm, wenn er sie auch viel, viel später . befreien würde, erst wenn er sie ganz I ertannt haben würde . .. ; Diese Demuth und Hingebung gab ihrem Wesen etwas Weicheg, Hatte-: und doch zugleich Sicheres, in sich Ge- ; festigtes· Jhr Vater selbst empfand dies und wurde weichen gütiger mit ihr, voll brummender Zärtlichteit, wie r.n Lustspielpapa· Mit jedem Tag tamen Vater und Tochter sich näher. Sie suchten sich, als fürchteten sie, ein ander bald zu verlieren, und immer inbrünstiger, immer heißer war der Kuß, den Johanna Abends ausihres Baterss Hand drückte. .. »Mir ist nicht gut. hol’ mir den Fritz,« sagte Herr Gröger eines Tages. Johanna warf ein Tuch um und lief über den Hof ins Kontor. Die Söle waren schon leer, nur in den leyten bwei Zimmern brannte noch Licht hne Berechnung, ganz zufällig näherte sich Johanna langsam em er kenchteten Bureauzimmer. Die Buch halterin saß auf ihrem hohen Sitz, den Kopf in die Hand gestützt, mit der anderen die Feder haltend. Fritz Ende stand vor ihr, die Brauen finster zu sammengezogem »Ich kann Sie nicht halten, Fräu lein Weber, vielleicht» . darf ich Sie auch nicht einmal halten. Jch muß Sie nur beneiden, daß Sie so frei sind, über sich verfügen zu tönnen. Nur eines müssen Sie mir verspre chen: machen Sie nie, nie Konzessionen Da, wo Sie alles verlangen dürfen. Begnügen Sie sich nicht mit Halbem. Vertausen Sie Jhre Zeit, Jhre Arbeit . . aber sich selbst verlaufen Sie nie! Hören Sie-—nie! Wenn Sie » · den nicht erringen können, den Sie lieben nnd der . . . der Sie wiederliebt, dann dann haben Sie den Muth, ganz Fu verzichten. Nur der Mann, der Sie liebt und den Sie lieben, wird ein Befreier sein können für Sie, nur der ist ein Befreier —- jeder andere ist ein Sklave oder ein Thrann . . .« ,,Friß, der Pater wünscht Dich zu sprechen . . .« l Der junge Mann zuckte zusammen, I als er die Stimme hörte und in das « todtenblasse grobe Gesicht blickte, aus ; dem ein paar todestraurige Augen ihn s ansahen. T »Ich tomrne ...« l Er raffte die Papier-e usammens nnd schritt, ohne sich umzu eben, aus dem Zimmer. »Sie wollen uns verlassen?« fragte Johanna die Buchbalterin ,,«’ea,« antwortete sie leise. »d; bitte Sie... warten Sie... tlJun Sie’s nicht . . . noch nicht . . .« Sie legte ihre groß-, roblnochige Hand auf den Arm des ädchens, die voller Verwirrung die Augen senkte. Jn derselben Nacht machte ein Schlaaansall dem Leben des rrn Gröger ein Ende. Vor seinem ode hatte er noch einen kurzen lichten Au genblick, und er starb, leampfhaft, Jo lJnnnas Hand haltend. Seine letzten Worte waren —- »Fritz weiß alles . .. Geschäfte . . .« Johanna war wie niedergeschrnet tert. Sie wars sich über die Leiche und überließ sich einem verzweifelte-I Schmerzensausbruch Der einzige Mensch aus der Welt, der sie liebtes war von ihr gegangen. Sie tü te sein kaltes Gesi t, ferne starren Hän e. Sie schickte Fri aus beni immer. Sie wollte allein sein, allein e Nacht am Todtenbett durchmachen Sie fürchtete sich ni t; das waldi btetche Gesicht des To n sah milder aus, als je das geriitbete Anilih des Lebenden. Seine Sehnsucht nach dem Tode» . Sein Befreier war gekom men. Sein Befreier» .War er nicht auch der ihrei Der Tod, der das Leben für den Vater geschlossen-hatte er es für f e nicht geöffneti Sie war. frei« .frei.. ! ! Frei über sich zu verfügen, frei sich zu geben« frei aber auch sich zu neh men. Es schwindelte ihr bei dem Ge danken. Als hält- man ihr kaiserliche » llscikacht verliehen — so war ihr plötz : « -· « Sie erhob sich und verließ das Zim mer. Die Kerzen flatterten auf beim Gehen der Thür. Sie wendete sich nicht um. Jn einem Lehnstuhl im Arbeits zimmer des Vaters lag zurückgelehnt Fritz und schlief. Vor ihm lag ein an aefanaener Brief. Johanna ivarf einen Blick hinein. Sie lag: »Liebfte Mutter! Soeben ist Johan nas Vater gestorben. Wenn Dein Ge firndheitsiustand eg erlaubt, komme sogleich. Das arme Mädchen bedarf eines Zuspruchs-, —- ——-« Johanna strich die Zeilen durchhd fegtzie darunter ein festes, großes » ein« Und dieses »Nein«, dieser erste ent schlossene Protest. war ihre erste Wil lensbethätigung Und sie ging weiter, immer gleich festen Schrittes, wie gehoben von einer inneren Macht· Bis zur Beerdigung ihres Vaters blieb sie unsichtbar für alle — auch siir ihren Verlobten. Wäh rend des Begräbnisses stand sie still, mit hocherhobenem Haupt, ohne eine Thräne zu vergießen, sehr blaß. Frih tagte ihr einige warme Worte, sie nickte ernst, ohne ihm zu antworten. Arn nächsten Tage kam der Haus drener in’s Kontor. »Friiulein Gröger läßt den Herrn Prokuristen zu sich bitten.'« Vesremdet, unruhig eilte Fritz Ende hinüber in’s Wohnhaus. Man wies ihn in das Arbeitszimmer des Verstor benen. Johanna saß auf demselben Platz, von dem aus Herr Gröger sein fis-enges Regiment geführt. Sie begrüßte ihn mit einer ernsten Neigung d-s Kopfes, bot ihm aber nicht Platz an. so daß er vor ihr stehen mußte, wie er früher in geschäftlichen Angelegenheiten vor seinemSchwieaer: bat-er gestanden hatte. Das Blut stieg ihm zu Kopf, und ein heftiges Wort wollte ihm von den Lippen, aber sie bob rnit fester Stimme zu sprechen an: »Ich verreise aus einige Zeit. Der Notar-hat mich iiber meine Vermö censverhältnisie orientirt. Jch weis; ourch ihn, daß ich wohlhabend bin, und weiß Iurch meinen Vater« ——— ihre Stimme tivvte nicht um dabei —- »daß oas Geschäft in den besten Händen ruht. Mein Vater glaubte durch eine ebeliche Verbindung zwischen uns das Wohlergehen des Geschäftes zu .. con solidiren... so sagt man doch, nicht wahr? Jch glaube aber . .. daß es im Interesse des . . . Geschäftes besser ist, einen so vorzüglichen Prokuristen zu haben, als einen Gatten, dem die Ehe nicht alles Glück geben würde, ausdas er ein Anrecht hätte.« »Johanna . . .« Er wollte über den Tisch hinweg ihre Hand ergreifen, aber sie zog sie ruhig zurück. »Nicht Fritz . .. nicht oder besser — Herr Ende-. Zum Tyrannen taugen Sie nicht« zum Sklaven sind Sie mir zu gut. Vleiben Sie mein Geschäfts freund —- dabei kommen wir beide wohl am besten fort. Daraus geben Sie mir Ihre Hand, ja?« »Johanna... ich verehre Sie von ganzem Herzen . . .« »Fräulein Gröger, wenn ich bitten tarf, here Prokurist. Jch bin jetzt Chef der Firma und verlange — Ge borsam.« Sie versuchte zu lächeln und fuhr lann fort: »Ich sehnte mich nach dein Leben und dachtees in Jhnen zu fin den. Das war ein Jrrthum. Jeht das Leben nicht sehen, das offen vor mir lie t —- wäre jedoch ein Verbre chen. Z will mich ein weni in der Welt um chauen. Fiir ein so ··ßtiches Frauenzimmer-, wie ich eines bin — ist das nicht gefährlich. Auf Sie tann ich mich-ja während meiner Abwesenheit verlassen.« »Wie aus ItchselbtU" betheuekte der junge Mann und preßte in heftiger Bewegung seine Lippen aus Johanna-Z Hand. »Wie aus sich selbst,« wieder holte er· »Sie tonnen auf mich bauen tis zu meinem Tode. « Johanna suhr sich mit der Hand leicht über die Augen. Der warme Ton ging ihr doch zu herzen Aber sie bezwang die weiche Regung, und tühl und glatt sagte sie: »Schön, Sie kön nen gehen." So hatte sie es vom Vater ehört. Der junge Mann verneigtereh le tief und ehrerbietig »Mit, noch ein3,« hielt sie ihn rück, —- »ich wünsche nicht, daß « ie vorläufig ohne mein Wissen eingeri smde Aenderungen im Personal vor nehmen. Da ist die Buchhalterin z· B» Fräulein Weher. . mein Vater lobte sie sehr» suchen Sie uns die junge Dame zu erhalten« Fritz Ende stand da wie erstarrt Dann aher —- in spontaner Bewe sugg, stürzte er zurück zum Schreib s L ; »Johanna.. Sie sind ein. F Sie lächelte mit zuckenden Munde. .Ein humaner Chef bin i .tvei ter ni ti. . aher Sie. eien Sie kein p lichtvergessener Ange ellter. nistet-erni gehen Sie an die Art-eitl. .« r Sie aber sehnte den Kops zurück und lchloß die Augen, um die Thrlinen zu THE-alt en. war doch schwer gewesen die Ve Vor Thoresschluß. Erzählung von h. G r a u d o r s. » . . . Was ich auch unternahm, ·ist mir mißgliiekt. Alle meine Plane scheiterten. Wo ich Reichthümer zu er werben hoffte, hinterließ ich nur Schulden. So verzichtete ich auf einen weiteren Kampf mit dem Schicksale, das mich verfolgt, und ich bitte Dich, meine theute Mutter, um Verzeihung, daß ich Dir diesen-letzten —-Kum mer bereite . . .« Der Mann, welcher mit hörbarem Athem diese Zeilen niedergeschrieben hatte-, mochte etwa dreißig Jahre alt fein. Sein blasses Gesicht wurde von dichtem braunem Haar umrahmt. Während des hastigen Schreibens flackerten unstät die dunklen Augen« um nach Beendigung des Schreibens melancholicher Starrheit Platz zu machen. Unwillkiirlich flog sein Blick nach einem mit Flaschem Tiegeln und Retorten besetzten Gestell, und hastig zuckte er zusammen. Seine alte Mutter! Wie schwer wird es sie treffen! Der einzige Sohn, den sie unter vielen Sorgen groß gezogen, dem sie unter Kummer und Entbehrungen den Be such einer höheren Schule ermöglicht hatte! Da hinten in einem kleinen Dorf des Ostens wohnte sie, in ihrem baufälligen Häuschen, bei ihren gerin gen Bedürfnissen von den Erträgen eines kleinen Ackers jahriiber lebend. Nur wenige Festtage tannte sie im Jahr — diejenigen, an welchen ihr Sohn sie besuchte. Und immer war tete sie, daß er endlich kommen würde, als ein Mann in reicher, geachieter i Stellung. Nieger in die Ecke des Sophas und bedeckte das Gesicht mit den HändenJ Aber nur wenige Augenblicke! Dann raffte er sich auf und schrieb weiter: »Geliebte Mutter! Bergieb mir! Jch weiß wohl, welchen Schlag ich Dir zufüge, indem ich freiwillig aus dem Leben scheide. Aber ich vermag die Bürde nicht länger zu tragen· Du weißt ja alles aus meinen früheren Briefen, wenn ich freilich auch that, als tönnte ich alles leicht verwinden Ich wollte Dir teine trübe Stunde be reiten. Lebe wohl, meine gute, theure Mutter Georg« Nun lag der Brief fertig da. Rasch entschlossen trat er an das Gestell, nahm mit sicherem Griff ein tleines Fläschchen herunter und hielt e— gegen das Licht Unheirnlich fun telte die grüne Flüssigkeit in dem Glase. i Er öffnete das Fenster. Voll flu thete der Sonnenschein herein. Zu gleich strömte ein erfrischender Blü thenduft in das Zimmer. Der Lenz begann früh in diesem Jahre. ,,Leb’ wohl, Du herrlicher Früh lingsglanz« Er versuchte den Pfropfen aus dem Fläschchen zu ziehen. Aber der war zu fest eingetortt. Er wandte sich nach einem Messer um, fuhr aber erschreckt zusammen. Vor ihm stand ein Herr in einem gelben Sommeranzuge, einen schwarzen Eylinder in der hand. Sei ne schon ergrauenden Barttoteletten streichend, blickte er Georg ebenso er staunt an, wie dieser ihn· »Wie find Sie hier hereingespru nien, heer Jch hatte doch die Thür verriegelt-« »Muß wohl nicht der Fall gewesen fein,« erwiderte der Gelbe in durchaus sicherer haliung, »denn wie Sie sehen, bin ich hier, und hexen kann ich nicht. Jch hoffe, ich bin zu gelegener Zeit ge tornnien,' fuhr er fort, während er einen Blick nach dem auf dein Tische liegenden Briefe warf; »gestatten Sie mir gesälligft dieses Fläschchen.« Ohne Widerstand ließ sich Georg die Phiole aus der band nehmen« Mit einem spihen Instrument, das der Fremde aus seiner Westentafche holte, hatte er es rasch entlorlt und hielt es f Tief aufstöhnend warf sich Georg« s l an die Rase. ( »Alle Wetterl« ries er, »Aaua Tos sana«; Sie experimeniiren mit gefähr lichen Stossen, Herr Dotior.« »Ich bin Chemiter.« »Ich weiß wohl, aber die Gesicht lichteii Jhrer Experimente scheint Jh-. nen selbst klar genug. Denn ich irre; mich nicht, Sie nehmen eben Abschied-: vom Leben. Sie haben zu laut ge-J dacht, herr Dotior·« i Georg wechselte die Farbe. - »Und,« stagte er unsicher, «mit wem habe ich —?« «Sie sollen sogleich alles ersahren. Wenn Sie gestatten. setze ich mich nieder und trage Jhnen mein Anne gen vor.« Dabei schob er langsam die Phiole aus das Neposiiorium zurück und legte die Hand aus bie Stubllehnr. »Bitte, wenden Sie Jbren Blick von dem gistbringenden Fläschchen, herr Dottor, und hören Sie mich nur ei nige Minuten an. Mein Name ist Hinze F- Co. —- entsmnen Sie sich?« »Mir ist doch so —« sagte Georg unsicher« sich über die Stirn sabrenb. »Nun, das ist ja gleichgültig. Jch habe bre sämmtlichen Schuldscheine und echsel ausgetaust.« «Da bebaure ich Sie, Herr hinzei« »Und Sie werden einsehen, baß mir viel an Jhrem Leben liegi.« »Ich kann Ihnen keinen Psennig bezahlen.« »O bitte, Sie haben schon alles be zahlt.« »Ich verstehe Sie nicht —« »Und außerdem haben Sie noch 5475 Matt zu erhalten, die ich Ihnen sogleich auf den Tisch zahlen will — rorauögeseßt allerdings, daß das Dombaulos No. 349,172 in Ihrem Besih ist« Jeyt sprang Georg lebhabt auf nnd begann lautlos zu suchen, während ver andere ihm gespannt mit den Au gen folgte. »Da —- da ist es —- in der alten Weste; ich hatte es vollständig verges sen — und wenn auch nicht, ich hätte keinen Werth darauf gelegt.«« Der Kolletieuk verglich sorgfältig die Nummern. Dann zog er ohne weiteres seine Brieftafche hervor, legte Wechsel, Quittungen, Tausendmarb scheine auf den Tisch und fügte Gold hinzu. »So! Nun bitte ich gefälligst um Jhre Quittung, Herr Dotior!« Geotg unterschrieb mit zitternder Hand, und während er vor Freude wie ein Unsinniget umhertprang, stand der Kolletteur bereits vor der Thüre und murmelte lächelnd: ; »Ein schönes Geschäft» Blüheudes Alter-. j Das blühende Alter, jene Geistes und Körperfrische,·die sich bei einzel nen Menschen bis in die Greisenjahre erhält und so herzerquickend auf die Umgebung wirtt, ist unbestritten eine köstliche Gottesgabe und zugleich ein Zeichen reinen, frohen Gemüthes, ru higen Gewissens und weise verlebter Jugendjahre. Aerzte nennen die Ju gendfrische alter Leute das deutliche Mertmal lerniger Gesundheit und ge schonter Jugend und selbst die nüch ternften Naturen werden von dem Zauber, den jugendfrohe Greise um sich verbreiten, gewaltsam ers-ißt. Wie anheimelnd traulich wirlen doch ein Paar freundliche, lachende Augen un ter weißem Lockenscheitel, wie wohlig berührt ein heiteres Wort aus gütigem Munde, um den schon in der Runens schrift der Jahre tiefe Falten sich gra ben! Es bleibt unbestritten, dafz die Ju gendfrische des Alters immer das Zei chen eines gesunden Körpers und Gei stes ist, daß reines Blut die Adern durchfließt, Kleidung und Ernährung zweckmäßig sind und im Allgemeinen eine richtige Lebensweise geführt wird. Harmonische Gemiithsstimmung, Liebe zur ""Natur, mäßige Bewegung im Freien und möglichster Gleichmuth bei Sorgen und Leid sind auch wichtige Faktoren zur Erhaltung der Körper und Geistesfrische, was Lord Pal merston schon so hübsch in den Worten andeutet, »die Sorgen am Abend mit den Kleidern abzulegen, weil Sorgen tödten, nicht die Arbeit.« Viel Wah res liegt in diesem Ausspruch, denn ein ruhiger-, sorgloser, ausgiebiger Schlaf ist ein Haupterfordernisz zur Gesundheit, und die Gesundheit wie derum Hauptbedingung zur Erlan gung eines hohen Alters. Durchaus falsch ist aber die Ansicht mancher Leute, die betonen, nur apa tische oder geistesträge Menschen, die teine seelischen Kämpfe ausgefochten hätten, vermöchten es, sich die Jugend frische bis zu späten Jahren zu be wahren. Die vielen Gelehrten, Staats männer, Schriftsteller, Künstler u. s. w., die ein hohes Alter erreichten, die nen als Gegenbeweis dieser irrigen Anschauung: Michelangelo, Frantlim Tizian, Newton, Lord Brougham, Lord Palmerston, Gladstone, Kant, Goethe, L. v. Rante, Moltte etc» lau ter Männer-, die noch in vorgerückten Jahren Bedeutendes leisteten oder noch leisten. Abgesehen von diesen berühm ten Namen aber findet wohl feder, der in seinem Betanntenireise Umschau hält, daß die mit schöner Frische be dachten alten Leute entweder gesund, humorboll, fromm oder mit hohen Geistesgaben ausgestattet sind. Dazu kommt, daß gesunde, kräftige Natu ren alle Schicksalsschläge leichter ertra gen und überwinden, als blutleere, nerbenzerriittete; wer selten und nie schwer erkrankte, wird felbstredend auch die Runen und Falten, die der Schmerz gräbt, nicht an sich tragen. Auch der humor erhält jung, und wer ihn besiht, der trägt leichter Last und Unbill; aber er ist eben auch meistens ein Ausfluß der Gesundheit, und fröh liche Menschen sind gewöhnlich auch gesund. Wenn wir ehrlich sein wollen, müs sen wir fagen, dasz das blühende Alter die Frucht froher Gemüthsstimrnung. die Folge kräftiger-, gesunder Konsti tution, der Austlang eines harmoni schen, mäßigen Lebens ist, eines Le bens maßvoller Arbeit bei reinem. ruhigem Gewissen, oder eines Lebens voll Streben und Forschen ohne Ue bertreibung. E. von Brenner. — Schleste Erfuhr-um Frau (empött): »Letzte Woche, als ich trank war, hast Du mir einen neuen Hut versprochen und heute willst Du nichts mehr davon wissen . . . . . Wart-e, Du kriegst mich nicht noch ein wal mit Vetsptechungen gesund!« Gute- Rath. Elschem »Ach, Martin, ich wün sche, ich hätte 5 Cent5, dann könnte ich mit Chotolade taufen.« —- Martin: »Geh' zu Mama und stelle ein paar recht dumme Fragen an sie; dann ibt sie Di- gewiä einen Meter ism ich los zu werde-Mk »