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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (March 17, 1905)
Das Räthfel von Elvershöh. Roman von Fieinhocd Ertmanw (6. Fortsetzung) Käthe hatte von einem ähnlichen Un Jall erzählt, der sie vor Kurzem bei einein von Sorrent aus unternomme nen Ausfluge nach der Fnsel Capri betreffend und es hatte fast von selbst ergeben, daß sie im Ans luß daran über ihren Au enthalt in ta lien zu sprechen begann und über alle die Herrlichkeiten, die sie dort gesehen. Mit Bewunderung lauschte Prosper ihren Schilderungen, die nicht nur eine außerordentliche Beweglichkeit des Geistes, sondern auch weit über das Durchschnittsmaß hinaus-gehende Kenntnis-se verriethen. Nie zuvor glaubte er ein gleich anmuthiges und liebenswürdiges Geplauder gehört zu haben, und obwohl et seine ganze Willenslraft aufbieten mußte, um mit den geringen Kräften, über die seine ichwiichliche Konstitution verng te, den einmal übernommenen Ritterdienst zu Ende zu führen, hätte er doch ge- " wünscht, daß der Weg bis zum Gärt- » nerbause noch viel länger gewesen ’ wärt » »zu- vag einfache wevaude endlich vor ihnen auftauchte, blieb Käthe aber mals stehen. »Das lleine Stück muß ich nun wohl ohne Jhre Hilfe zurück legen. Jch möchte nicht, daß die Gärt nerburfchen sehen, wie freundlich Sie sich meiner angenommen haben. Es : wird hier auf Elvershöh selbst über die harmloseften Dinge soviel geredet, » und es wäre ein schlechter Lohn für. Ihre Güte, wenn Jhr Name obendrein für das Geschwätz der Leute herholten müßte.« Prosper hatt-e nie daran gedacht, daß man seinePerson mit irgend einem interessanten Abenteuer in Verbindung bringen könne. Jnfolge der hypochon drischen Vorstellung, die er selbst von seiner Kränklichkeil hatte, war er sich immer wie ein Ausgestoßener vorge kommen, der weit abseits stand von allen Freuden der Glücklichen und Ge sunden. Zum erstenmal durfte er die Wahrnehmung machen, daß diese me lanchvlische Auffassung nicht — wie er bisher geglaubt hatte — auch die aller anderen war. Und es- rvar nicht bloß ihörichte Eitelkeit, die feine Brust bei dieser Wahrnehmung mit einem un aussprechlichen Glücksgefiihl erfüllte. Denn die freudige Ueberraschung war ibm aus dem Munde des holdesten und liebenswürdigsten Geschöpfes gekom men, dem er bisher auf feinem freu bcnarmen Lebensjvege hatte begegnen diirfenx und daß er nicht auch in ihren Augen ein armseliger Kranter war, den schon seine Gebrechlichkeit vor Cller Nachrede schätzte -—— das weckte in seinem Herzen eine Reihe von berau schenden Vorstellungen und Bildern. Shien doch ihr dankbaren leuchtender Blick noch viel, viel mehr zu sagen als ihre Lippen, und jagte doch der warme Druck ihrer and einen Gluthstrom durch seine A rn! »Aber Sie werden mir nicht verbie ben, daß ich mich morgen nach Ihrem Zefinden erkundige,« sagte er mit einer Kühnheit die für ihn selbst etwas bei nahe Verbliiffendes hatte. Und mit einem schelmischen Lächeln, das sich a " m blassen, traurigen Geicht nug ausnahm, fügte er in könnte doch sein, daß ich zu aö sehr Wichtiges mitJhrem - besprechen wüßte« Mithe gab ihm das Lächeln zurück, und er glaubte wahrzunehmen, daß ihre rosigen Wangen sich dunkler Ia en. «Fveili.ch- wenn das der Fall ist, habe ich selbstverständlich kein Recht, MS gegen Ihren Besuch einzuwen «Aus Wiederseherh also, Fräulein Redlichk« »Auf Wiedersehen, Herr Baron! Und noch einmal tausend Dank fiir Ihre Güte!« Er blickte ihr nach, wie sie zwischen ( den Blumenbeeien und Glashäusern oer Gärtnerrvohnung zuschritt, und es erhob sie als ein bewunderunggwiir biger Beweis von Selbstiiberwindung s in seinen Augen nur noch mehr, daß ihr Gang jeht trotz des schmerzenden 7 ußes leicht, beinahe elastisch war. »aß sie ihm gegenüber Komödie ge spielt haben gönn-, kam ihm nicht einen ! Au enblick in den Sinn, ja, er würde ! ers-a rsrheinlich in heftigstem Zorn aus- i gefahren sein, wenn ein anderer es ges . wagt hätte, angesichts der überraschend piöklichen Besserung einen solchen Argwohn zu äußern. Nein, alles, was " sie thei, war für ihn nur noch der Be weis einer neuen Tugend, einer anbe inngsswiirdigen Eigenschaft wie nur sie in einein bis dahin unberührten Herzen ausflammende erste Liebe sie mit naives Uebersehivenglichieii dein vergöiierten Wesen anzudichien ver W Or wartete, bis sieh die Thür des »Hm-sei hinter ihr geschlossen hatte, M es machte ihn ii rgliicklich, daß M sie von der kleinen Treppe aus K Inn-at nach jener Richtung zu se chnui ite, wo sie ihn vermu ihm mußte · wares nur m lieh, M er bisher an diesem herr ehen M hatte vor-übergehen können, I ihr mehr secchinn zu s nken der Kommeriuräier · r utter Idee als einer ver ägde vom Wirth ,MHe! So greifbare nahe war - "rl;m das Glück gewesen, daß er nur sseine Hände danach auszustrecken Tbrauchte, und doch war er blind und taub daran vorbeigestreift, oft genug vielleicht mit einem Herzen voll hoff nungsloser Verzweiflung und düsterer Borsätzr. Denn es war viel mehr als erne bloße Redensart oder als die flüchtige Eingebung eines Augenblicks gewesen, wenn et neulich feiner Schwe sler gegenüber geäußert hatte, es dünlte ihm jämmerlich und närrisch. dies armselige Dasein zwecklos weiter zuschleppem Jn den traurigen Näch len, da seine tranken, uberreizten Ner ven ihm nicht eine einzige Viertel stunde erquickenden Schlummers ver gonnten, an den dunklen Tagen, wo der Schmerz mit Geiertrallen in fei ricm Gehirn wühlte und er die Schat :en des Wahnsinns bereits um sich herabsinken zu sehen vermeinte, in der Einsamkeit seines Zimmers, das nie ein Besucher betrat, wie in der Gesell schaft der Starten und Gesunden, wo er die Last eines siechen Körpers nur noch schmerzlicher fiihlte ——— immer waren sie auf’s neue an ihn herange krochen, die lockenden Selbstmordge danken. Er hatte sich gern mit ihnen beschäftigt, hatte sich zu ihnen gefliich tei, wenn es keine andere Zuflucht usehr fiir ihn gab, und die Gewißheit, daß er selber den Termin beftimmenT werde für- das Ende seiner Leiden,4 trar zuletzt die einzige Quelle gewesen, aus der er seinen Muth geschöpft. Nun aber war das alles von ihm abgethan wie ein häßlicher, vom hellen Tageslicht bis auf ein blasses Erin nern ausgelöschter Traum. Das Da sein erschien ihm plötzlich wonnig und tebenswerth! Welch ein thörichtes Verlangen, diesem goldenen Sonnen schein zu entfliehen, dies-er prangenden Fülle von Schönheit, Duft und Glanz, die sich bei jedem Schritt in neuer, unerschöpflicher Mannigfaltigkeit of fenbatte! EinSchleier mußte bis heut-: vor seinen Augen gelegen haben, denn nie zuvor hatte er die Weit gesehen, toie er sie heute fah. Höher und leuchtender wölbte sich der Himmel iiber seinem Haupte, linder und wei cher umschmeichelte die würzige Som merluft seine heißen Wangen, süßer und lieblicher zwitscherten die tleinen Bö el in Busch und Baum. Fa, das Leben war schön, und nir gends auf der weiten Erde war es schöner als hier auf Eloershöh. Er selber nur hatte sich-s verbittert mit trübseliger Kopfhängerei und tleinli chem Haß. Mit dem einen tvie mit Lein anderen war es nun auf immer vorbei. Er haßte niemanden mehr auch nicht den gliicilichen, gesunden Vetter, der doch, genau betrachtet, fo llutwenig von ihm voraus hatte· Wenn jener ihn durch fein aninaßen des, ja brutales Benehmen früher zu nseilen getränkt hatte —- war das kenn ein ausreichender Grund, ihm Zeitlebens zu grollen? Nein, essollte fortan fiir ihn leinen Mißton mehr geben in dieser schönen, harmonischen Welt. Er wollte mit jedermann in Frieden und Freundschaft leben. »Was hast Du, Prospek? Deine Augen liinzen so sonderbar. Jst Dir etwas ußergewöhnliches be egnet?« Vor dem Schlößchen tra er mit Cditha zusammen, die offenbar wil lens war, ins Hurenhaus zu gehen, und so ungestüm drückte er ihr die hand, daß sie ihn befremdet an ah. Er nickte bedeutsam und lachte leise in sich hinein. »Etwas ganz Außer-ge wöhnliches-. Jch bin dahinter getom men, daß ich bis heute ein Narr gewe fen bin ——-ein rechter Narr! Aber Du tarfft niemandem weitererziihlen, daß ich Dir’s ein estanden habe.« »Du bist Feltsaun Ja solcher Stim Fizrng habe ich Dich ja noch nie ge e en.« »Will’s wohl lauben. Unter dem Siegel der Bersegwiegenheit sollst Du auch erfahren, wie das Wunder e schah. Ich bin im Walde einer begegnet mit goldenen Haaren und smaragdenen Augen. Die hat mich mit ihrem Zaubers-taki berührt, und da wurde ich an Ler und Seele gesund. Eieb acht. Schwesterchen ich werde auf Deiner Hochzeit zchließtich n der slotteste von allen anzern sein Um Edithas Lippen zuckte es, und die kleine herrifche lte zwis n ihren s Brauen wurde tie er. »Es oll mich· —- Deinettvill t« te IM« Mk sich-« « M si« Profper war ein wenig betroffen, denn er hätte fv gern von feinem klei nen Abenteuer erzählt, under begriff nicht« womit er die unfreundliche Ab sertigung verdient haben könne. Aber sr war viel zu glücklich, als daß Feine rosige Laune dadurch hätte ernttich beeinträchtigt werden tönnen, und es vermochte feine junge Seligkeit auch Tnicht zu verfcheuchen, als fein Blick Heim Betreten des fchmucklofen Stu dirftiibchens auf die halbgeleerten Arzneifliischchen und Pulverfchachieln fiel-, deren verhaßtes Dasein ihn fv oft daran gemahnt hatte, daß ein grau samei Berhängniß ihn ausgeschlossen aus der Gemeinschaft der allein zu Gliicl und Genuß berufenen Gefunyen Siebentez Kapitel. Hätte Prasper die Fähigleit befef len, in Evilhas Seele zu lesen, fp wiirde er ihre Mitewahrlich nicht als Laune oder Lieblosigteit empfunden haben. Sie befand sich seit einer Woche in einem Zustande der guälendsien Ungewißheit, dem selbst eine starke Natur wie die i rige auf die Dauer unmöglich gen-ach en sein konnte. I Ein einziges al noch hatte Erik hallagee aus München geschrieben » einen kurzen aufgeregten Brief, den sie kam Morgen des Beisenungstages er ikyilten und vierund wanzig Stunden ’ lang uneröffnet bei ich getragen hatte, weil es ihr an Muth gebrach, ihn zu » lesen. Er wußte nichts von dem Tode ihres Großvaters und von den Ver ·n berungem die dadurch auf Elvers "h xherbeigefiihrt worden waren; denn er Thatte es ja einzig durch sie erfahren .tönnen, und sie hatte ihm noch nicht Egeschrieben Aber er selber hatte ne ben einer Todtenbahre gesessen, wäh rend er die hastigen Zeilen hingewor fen, aus deren jeder seine tiefe Bewe aung sprach. Wohl hatte er den alten notwegischen Maler, den er fast wie einen Vater verehrte, noch lebend an getroffen, wohl hatte er an ihm die letzten Liebesdienste erweisen dürfen, indem er sich drei Tage und Nächte hindurch mit der greifen Schwester in die Pflege des Typhuskranken theilte; aber alle seine Liebe und Opferwillig keit hatten den Ton nicht aufhalten sonnen Erit hatte zu seinem Kummer ncch die fchmerzliche Aufgabe, die ver zweifelte Schwester zu trösten, die dem furchtbaren Ereigniß vollkommen fas snngslos gegenüberstand « « or schrien das er vie Utchr.weiche nach einem letzten Wunsche Thormuds « in heimischer Erde ruhen solle. nach Not-wegen geleiten werde, und daß er ; darum nicht vor Ablauf einer Woche wieder in Eichfelde eintreffen könne. »Wenn ich minder fröhlich zu Dir zurückkehre, mein Lieb, als ich mich bei unserem tetzten trauten Stelldichein von Dir getrennt habe, so wirst Du nir darum nicht zürnen· Jch habe so schwere Stunden durchlebt, und meine Stimmung ist so trübe, daß ich nicht einmal einen Abstecher zu meiner ge liebten Mutter machen werde, wie nahe mich auch die Erfüllung meiner trau rian Pflicht ihrem Wohnort dringt. Einzig von Deiner beglückendrn Ge sellschofL von dem troftreichen Klang Deiner süßen Stimme, eittoffe ich Er tbsung aus dem Bann dieser liihtnen den Niedergeschlagenheit, die meiner Natur sonst so fremd ist, und deren ich umsonst Herr zu werden versuche. Jst es doch neteii der Trauer um den aeschiedeneii Freund vor allem die Trennung von Dir, die fast mit dem Druck einer körperlichen Krankheit auf mir lastet. Jch muß wieder den Wald Von Elvershöh um mich tauschen hören und dabei ties in Dei ne Augen sehen, inn zu genesen.« Das waren die Schlußworteseines Brieer gewesen, und daraus hatte sie ihm antworten müssen, da er nie mehr kommen dürfe, weil sie ihm aus cxvig verloren sei. Sie hatte sich nicht b-niiil)t, ihre Handlungsweise Du be schönigen und eine rührende Geschichte zu ers-unen, die ihren Truhen-h in inilderem Lichte erscheinen lassen sollte. Rückhaltslos hatte sie ihm bekannt, daß sie die Verlobte eines anderen ge nesen sei, während sie seine Küsse ge duldet und erwideit hatte, mit un barmherziger Offenheit hatte sie ihm erklärt, daß der sonnige Frühlings traum zu Ende sein müsse, jetzt, wo der andere gekommen sei, uni zu for dern, was ihm kraft seines älteren Rechtes qebiihre Seiner vollen Ver achtung hatte sie sich preis egeben, in Osem sie ihm gestand, das er sich in der Opfersiihigteit ihrerLiebe getäuscht tade, daß sie nicht start genu sei. aus ein Leben voll Glanz und eichthum und Macht zu verzichten, nur um den holden Traum nochioeiter zu träumen, aus dem es früher oder später ja doch für ihn wie fiir sie ein erniichterndes Erwachen hätte geben müssen. Sobald er den Brief gelesen hatte, würde er sie als eine Unwiirdi e auf - geben dessen war sie gewiß. A rdasz ne ihm nicht einmal einer Antwort ircrth sein sollte daran vermochte sie nicht zu glauben. Und sie harrte Stunde uni Stunde auf diese Ant wori, die noch immer nicht tain, oh aleich er sich nun schon seit siins Ta en im Besis ihres Schreibens besin n mußte. Die vergebliche Erwartung kostete sie den Schlummer ihrer Nächte. Sie wich den Begegnungen mit Erwin ; aus, weil ihr feine Lieber-warte uner- » triialich waren, so lange der andere sie » noch nicht ausdrücklich freiaegeben hatte, und io lange sie in qualvoller Herzensangft darauf aefafzt fein muß te, daß er plötzlich leibhaftig vor ihr ftehe, Um den Treubruch zu rächen. Als sie auch heute unter den Post sachrn vergebens nach einer Runde von Crit aeforfcht hatte, war es ihr zur Erwifzheit geworden, daß fie diesen Zustand ohnmiichtigen Wartenö und Furchtens nicht länger mehr ertragen tönen. Und sie war zu einem Ent tchluß gekommen, mit dessen Ausfüh lruna fie ungesäumt beginnen wollte. Ihre Mutter war drüben im men haufe, und Editha wu daß te auch trrwin um diefeStunde ort antreffen werde. Es entsprach nur ihren Wün fri,en, daß sie beide bei einer lebhaften Erörterun über den Termin der he - zeit antra , die Erwin trotz feiner ot betonten Pietiit für den kaum Ent fchlafenen durchaus noch vor Ablan des Trauerjahres stattfinden lassen wollte. Man hatte es bisher vermie den,’Editha gerade um ihre Meinung zu befragen; jeht aber be hrte Erwin ;nit Ungestümihre Entf iduna. »Wir werden ja au alles laute Fettgepränge verzichten müssen. wenn wir untere Vermittelung etwa fchan mit dem Eintritt des Winters feiern.« fügte er seiner Bitte hinzu, »aber was bedeutet diese ringfrigige Cntsagung neben dem Gl« et, da wir uns endlich aanz angehören diir en. Zu fröhlichen Festen giebt es ja auch später noch Gelegenheit genug, und meine junge Frau soll an meiner Seite über Man gel an Zerstreuung wahrhaftig nicht I tlagen dürfen.« »Ich lege kein Gewicht aus eine rau schende Hochzeitsfeier,« erwiderte Edi tha ruhig. »Aber wir werden das Mkßfällige Urtheil der Welt heraus sordern, wenn wir nicht einmal den Ablauf des Traueriahres abwarten. Willst Du es daraus ankommen lassen, so sollten wir wenigstens jetzt behut sam alles vermeiden, was den Leuten tcjjtosts zu überslüssigem Gerede geben onn e." Die Zustimmung, die er aus ihren Worten heraushörte, machte Erwin glücklich. »Natürlich müssen wir das," tiefer eifrig. »Ich wüßte zwar nicht, wie wir unser Verhalten noch vorsich tiger einzurichten vermö ten; aber irenn Du der Meinung bi t, daß wir es in irgend etwas versehen haben—« »Ja. Jch halte es nicht für richtig, als Deine Braut hier auf Elvershdh Izu bleiben. Es giebt ohne Zweifel « Leute, die daran Anstoß nehmen, und ich möchte gerade für diejenigen, die unser Vertöbnisz ohnedies nicht mit freundlichen Augen ansehen, nicht gern einen Gegenstand hämischer Betrach tungen abgeben.« Auf eine solche Erklärung war Er win nicht vorbereitet, und es ließ sich von seinem Gesicht lesen, wie unange nehm sie ihn überraschte. »Aber ist es denn nicht genug, daß Du Dich hier unter dem Schutze Dei ner Mutter befindest? Hältft Du es im Ernst für dentbar, daß irgend je mand wagen könne —" »Für boshafte Klatschsucht ist tein Wagniß ungeheuerlich Und der Ge tante an die bloße Möglichkeit reicht icdenfalls hin, mich zu beunruhi en. Ich möchte Elvershöh auf einige Zeit vtrlassem so bald als möglich, am liebsten schon morgen oder übermor gin.« »Das ist eine sehr unerfreuliche Neuigkeit,'« meinte er betrübt. »Wie ade müßte es hier für mich werden ohne Dich! Und zu solcher Ueber-stür iung wenigstens. haben wir doch wohl feinen Grund. Man müßte doch auch erst über die Wahl eine-J passenden Aufenthalts ins Reine tommen.« »O, was das anbetrifit,« mischte sich Frau v. Linderode, die insgeheim nor Angst zitterte, dafz sie von der in Aussicht stehenden Vergnügungåreise unter irgend einem Vorwandc ausge schlossen werden tiinne, in das Ge spräch, »so wäre die Auswahl jetzt in i der guten Jahreszeit wohl nicht allzu ; schwer-. Wir tönntstn ja zunächst nach ? Baden-Baden oder nach Hdmburg l gehen, und nichts würde Dich hindern, . lieber Erwin, uns recht häufig dort zu ; besuchen. Daß der jetzige Zustand j sucht ganz angemessen i t, hat auch mir iiu stillen schon manche -orge bereitet.« Da er sah, dasz er bei weiteren Ein wendungen beide Damen gegen sich hsben werde, und da er namentlich zeine Tante hinlänglich tannte, um zu wissen, daß sie sich jetzt unter leinen Umständen mehr um die erhosfte Zer streuung würde bringen lassen, gab( Erwin seufzend allen weiteren Wider . sprach aus. Frau v. Linderode strahlte » vor Freude und bemächtigte sich mit ! einein wahren Feuereifer der neuen Idee. Vor allem besann sie sich fo- z gleich, daß weder ihre Toiletten noch . dreienigen ihrer Tochter für den Be- « Tuch eines eleganten Badeortes aus reichend seien. Auch in die eintönige Farbe der Trauer erklärte sie. tönne man sich mit Schick und Geschmack tleiden, und da die Modiftin·«aus der Kreisstadt für beides leider nur sehr geringes Verständnis zu besitzen scheine, werde wohl nichts anderes isbrig bleiben, als einige Kostiime aus Berlin kommen zu lassen. So sehr lag ihr diese wichtige Angelegenheit am herzur, daß sie nach eingen Minu ten aufgeregt das Zimmer verließ. um unverzüglich die nöthigen Bestellungen tu bewirken. « »Wir müssen meiner Mutter ihre ileinen Schwächen wobl zu gute hal ten," sagte Editha mit einem gering schätzigen Achselzucken »Es ist die lange Entbehrung, die sich jetzt auf folche Weise rächt. Natürlich werden wir weder nach Homburg noch nach Baden-Baden gehen, sondern in ir gend eine ruhige, wenig besuchte Som merfrifche, wo wir ganz still und zu rückgezogen leben lönnen.« »Und muß es denn wirklich fein. liebste Editha? Offen gestanden, hege ich in einem Winkel meines Herzens roch immer die Hoffnung, es werde T sich irgend ein anderer, für mich weni fier betrübender Ausweg finden laf en.« »Ich wüßte leinen. Und außerdem sehne ich mich wirklich fort.« «Wie?« fragteer betroffen· »Fortm von mir? Und von der Scho e, auf ter Du doch Dein anzes tünftigeö Leben zubringen folltjizW »Deshalb gerade möchte ich sie auf eine Weile verlassen. ch werde dann okelleicht schneller die atalen Erinne rungen los werden, die für mich mit tiefer meiner zweiten heimat vorder band leider noch verknüpft sin . Uebri aenö, da wir einmal auf dies Thema gekommen find —- wann wird der neue Förfter hier eintreffen?« Erwin drehte verle en an feinem blonden Schwert-ein« dithas Frage war ihm offenbar nicht fehr bequem. »Tai-be Fabian noch nicht getün diat. r Mann ftand bei dem Groß vater in besonderer Gunst, und auch ich halte ihn für gewissenhaft and tüch txh Liegt Dir nn fo viel an feiner Masan «Jch empfinde seine Anwesenheit nie eine persönliche Kränkung Aber wenn Dir die Pietiit gegen den Groß vater höher steht als die Rücksicht aus meine Wünsche —« »Nicht doch,« lenkte et artig ein. »Du hast mein Berspr n, und das werde ich unter allen Um tänden halten. Nur hin ich, ehrlich gesa t, um einen Vor wand siir die Entla ung des Försters verlegen.« »Bedarsst Du Deinem Angestellten gegenüber erst eines VorwandeSZ Und ist die Thatsache, daß ihn hier «eder mann als einen Mörder verab cheut, nichtGrund genug, ihn wegzuschicke11?« »Vergieb, wenn ich gerade in diesem Punkte Deine Auffassung nicht zu der meinigen machen tann. Oh es hier Leute giebt, die Fabian trotz seiner Freisprechung für einen Verbrecher halten, weiß ich nicht. Jch aber habe dazu die qeringste Veranlassung; ob sich nun die Erschießung des Wild diebes hätte vermeiden lassen oder nicht, jedenfalls dars ich nicht verges sen, daß es unser Eigenthum war, bei vessen Vertheidigung Fabian jenen verhängnißvollen Schuß abgegeben hat. Wenn ich den Mann jetzt ohne seien einleuchtenden Grund brodlos MADE- so werde ich bei den Außen stehenden schwerlich dem Verdacht einer schnöden llndantbarieit entered-ein« i l l »Allerdings ein schrecklicher Ge danke! «Danehen will es in der That wenig bedeuten, daß mich der Anblick Les unheimlichen Gesellen jedesmal aufs Neue beunruhigt und erschreckt. Ich brauche ja auch am Ende künftig nur aus meine Proinenaden und Spa- « zierritte zu verzichten.« »Das sollst Du gewiß nicht, Editha! Alles, was ich von Dir erbitte, ist. daß Tu mit der Kündigung Zeit iehst, bis ich einen anderen geeigneten osten sür Fabian gesunden habe. Jch tönnte ihn sreilich schon jetzt bei einem meiner ehemaligen Negimentstameraden un terhringen, der einen Förster sür seine Waldungen in Litauen sucht. Ader es tväre hinsichtlich des Einkommens sür Fabian teine Verbesserung, und das Leben in der wilden Einsamkeit jener Gegend bedeutet außerdem geradezu eine Verbannung aus der zivilifirten Welt. Jch zweisle nicht, daß er ein so wenig verlockendes Anerbieten ableh nen würde.« ,·Thäte er’s, so hätte er jedenfalls dag Recht verwirkl, Dich des Undanks anzutlagen Läßt Dein Gewissen Dir aber gar teine Ruhe-, so kannst Du ihm ja seine Heldenthat gegen den un glücklich-en Wilderer durch ein nach trägliches Geldgeschent lohnen. Mit einigen Kassenscheinen lassen sich die Leute dieses Schlages noch über ganz andere Dinge trösten als über einen Wechsel ihrer Stellung.« Ihre wachsende Crregung setzte Er !—-in mehr und mehr in Staunen. »Du beurtheilst den Mann zu hart, Edi tha,« suchte er zu beschwichtigen »Ich cis-be ja zu, daß fein Aeuszeres nicht ionderlich sympathisch ist« und aug mir wöre es lieber, er hätte sich na der satalen Geschichte mit dem erschaf senen Arbeiter einen anderen Wir tungstreis gesucht. Da er« aber mit seinem stillen, menschensetxeuen Wesen niemandem zu nahe tritt, und da Du mit der Absicht umgehst, Elverghöh auf einige Zeit zu verlassen —·« »So hältst Du es nicht erst sür nö thig, mir diesen kleinen Beweis liebe voller Rücksichtnahme zu gehen. Ich tann also nur bedauern, Dich über haupt darum geketen zu haben. Laß uns nicht weiter davon reden-« Sie warf mit einer stolzen Bewe gung den Kopf zurück und stand aus, um sich Ei entfernen. Gan-; erschrocken Ertrat r junge Guts-here ihr den «- eg. »Das ist ein Mißverständniß, mein Liebling! Ich hätte nicht die erin sie Einwendung gemacht, wenn i gea nt hätte, daß Du die Sache so tragisch nimmst. Natürlich werde ich die An gele enheit noch heute ordnen. Du sollt wahrlich nicht länger an meiner Bereitwilligkeit zweifeln, jeden Deiner Wünsche zu ersiillen.« Sie wandte sich ihm zu, und ein sliichtiges Lächeln glitt über ihr kaltes Gesicht. »Und in der Stille Deine-s Herzchens hältst Du mich dabei natür lich für schrecklich launenhast und ei gensinnig, nicht wahr?« Sie sah in diesem Augenblick wieder so bezaubernd aus, daß seine einzige Antwort darin bestand, sie stürmisch isii seine Brust zu ziehen und mit tei denschastlichein Ungestüm ihren stolzen Mund zu tiissen. Mit geschlossenen Augen duldete tfditha ein paar Selunden lang die Lieblosungen, dann fragte sie leise, in lem sie sich sanst aus seinen Atmen befreite: »Und Du sorgst dafür, daß Fabian sort ist, noch ehe wir unsere Reise antreten? Später —nach un serer Hochzeit —— werde ich Dir erzäh len, warum mir so viel daran lag.'« s Die blo e Erwähnung jenes be- s glückenden ages, nach deni er sich mit so heißer anrunst segne, reichte hin, auch das letzte kleine edenten in sei nem Gewissen zu erstiaen. »Als-) es steckt noch etwas anderes t hinter?« scherzte er. »Jrgend ein ttt chterliches Geheimniszi Ja, Liebste, warum hast Du niir das nicht gleich aesagtt Der Mann hatte dann natür lich längst aussetzt-en Dich durch seine Reihe zu beunruhigem Noch ute soll er daran geben« seine Siebe achen zu packen, ob er sich nun entschliesz den Posten anzunehmen oder nicht. »Ich danke Ditt« slitsterte sie bei nahe zärtlich. »Und nun laß mich sort. Meien Mutter wäre sonst tin Stande, eine ganze Wagenladung von Trauer tqstitinen zu verschreiben.« ; »Mag sie doch!« rtes der junge Ma ioratsherr übermütbig, indem er Edi Ikha den Arm reichte, Um sie zu geleiten Nachher fchicketßwir das ug an ir gend einen WohlthätigkeissBereia zur Vertheilung an arme Witwen. Denn hier auf Elvershöh wird sickk wie ich hoffe, nicht sobald ein Anla zu neuer Trauer finden.« Der Ausgang ihres Gespräches hatte ihn in die glücklichste Laune ver setzt, und auch Editha athmete freier, ietzt, da es ihr endlich gelungen war, den gefährlichen Menschen zu entfer nen, den sie haßte und fürchtete, seit dem er am Ufer des Waldsees ein Zeuaei Mes- heimlichen Treubruchs ge worden war. AchtesKapiteL Nur wenige Stunden hatte es Pro sder Oder Stille seines Zimmers ge s duldet. DieBücher, die so oft sein Trost Hund seine Zuflucht gewesen waren, vermochten ihn heute nicht zu fesseln und die fröhliche Unruhe seines Her zens trieb ihn von einer Beschäftigun zur anderen, ohne daß er darüber aus tiur minuienlang das holde Abenteuer dieses Mor ·enö hätte vergessen können. Von dem ittagessen, das ihm auf sein Zimmer gebracht wurde, aß er, wie immer, nur sehr weni ; aber er trank ganz gegen seine ähwohnheit mehrere Gläser Wein, und der feurige Rebensaft steigerte das beglückende Gefühl von Kraft und Gesundheit, das seit der Begegnung mit Käthe über ihn gekommen war. Als die Nachmittagssonne ihre gol digen Strahlen in breiten Strömen über feinen Schreibtisch goß, litt es ihn nicht länger in den engen vier Wänden. Er drückte den Strohhut arg das dunkellockige Haar, und ohnesi wie sonstdurch Halstuch und Ueber rock vorsorglich gegen die zu erwar tende Abendtühle zu schützen, eilte er in den Pakt hinaus. Es war nicht seine Absicht gewesen« nach dem Gärtnerhause hiiiüberzu gehen, aber jenes wundersam-süße Verlangen, das seine Brust so weit und sein Herz so froh machte, trieb ihm wieder und wieder nach dieser liiichtiing hin, wie oft er auch aus hal tein Wege innehalten und zagend um tehren mochte. Nun sah er die Fen sler der Treibhäuser wie eitel Silber vor sich ai:sblicken. und ehe er noch wußte, wie es geschehen war, wanderte er zwischen ihnen dahin, dein freund lickien kleinen Hause zu. Er wollte nur in einiger Entfernung daran vor übergehen, beglückt durch die-Hoffnung, von deni geliebten Wesen wahrgenom men zu werden; aber als er jetzt eine der dicht bewachsenen Geisblattlauben vassirte, die neben den langgestreckten Plumenbeeten standen, durchzuckte es ihn mit unnennbar wohligemSchrecken, denn eine wohlbekannte weiche Mäd chenstimme hatte ihn halblaut mit sreundlichem Gruße angerufen. tFortsehung solgtl) -.---.. Faserstosse. Die Wissenschaft von den Faserstof sen wird in einein umfangreichen Wert von Dr. Mathews mit einer Gründlichteit behandelt, wie sie bisher kautn in einer solchen Zusammen as sung geboten worden ist. Das uch hat den besonderen Zweck, den Stu denten und den Industriellen dasStus dium der Gewebefasern zu erleichtern. Zunächst werden sämmtliche Fasers stofse in Klassen eingetheilt und dann diejenigen einzeln beschrieben, die zur Fabrikation benutzt werden. Die von den Thieren herrührenden Fasern wie Wolle, Haare und Seide tbnnen sich mit einer verhältnißniäszig kurzen Be schreibung begnügen, tveil sie treni er zahlreich und auch sonst schon ost - iyandelt worden sind. Von Pflanzen sasern ist dagegen eine schier unabseh bare Fülle vorhanden, und hier ist eine tlare und zuverlässige Beschrei vung besonders werthvoll. Namentlich werden der Ursprun , die Spielarten, die physitalischen un chemischen Eigens sten der Baum wolle in einer gro sn Reihe von Ca piteln behandelt. Dann folgen Schil derungen der Leinenfasern, weiterhin der Jute, Rainier, des Hans und an terer Faserstosse von geringerer Wi - iigteit. Ein eigenartiges ntere e tann die Abhandlung über nstliche Seide beanspruchen, zu deren Her tel lung jetzt s on vier verschiedene er fahren zur « ersiigung stehen. Danach sind die Arten der künstlichen Seide solgende: Pyroxylinseide aus einer Lösung :on Schießbaumwolle in einer Mi schung von Altohol und Aether; Fo sern aus einer Lösung von Cellulose in amtnoniatalischem Kupferoxyd und Chlorzinl; viscose Seide aus einer Lösung von Cellulose - Thiocarbonatx Gelatinseide aus Gelntinesosern, die durch Behandlung mit Formoldehnd unlöslich gemacht worden sind. Es wird ausdrücklich hervorgeht-dem daß tie titnstliche Seide bereits ein hon Lelsortitel geworden ist und schon in beträchtlichen Mengen - verarbeitet wird. Weimus die größte praktische Wichtigkeit hat die Pyroxylinseide ge wonnen, die in Deutschland, England, Frankreich und in der Schweiz herge stellt wird. Die Fasern werden gebil det durch Pressu des in Aether und Altohol gelösten yroxylin durch sei ne Glasrohren Da die Lösun sehr säh ist, so ist ein Druck von 45 into sphiiren erforderlich, um sie durch die seinen hohlräume der Glasröhren hindurch zu pressen. — Man hat kürzlich gesunden, daß auch die Insekten eine groxe Vorliebe sur den Alcohol haben. omit hat sich sitt die Temperenzbestrebungen un neues und gewiß recht dankbares Feld erössnet -—