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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (March 10, 1905)
Yeöraska JStaatIs Zurzejgrr und Yerold T P. Windolph, Herausgeber. Grund Island, Ncbr l» Mier1905 (8wcitchlieil.) «kahtgang2) No 28 . »«- Essi» «. Ingenderi nnerungen Wir träumen von goldenen Tagen Yes-s nnsers iTeugeutåkjahreöiö wir n n v gen erben Ganz neckische Buben waren. Wir können nö deutlich entsinnen, Wie hoch un re Drachen slogen, Wie gut nach den Sperlingen set-offen Mit ochleudey dem Pfeil nnd dem Bo gclt Wie wir unsere Höschcu zerrissen, Von . apa dann Pritgcl betcnneu, Wie s ante und Mama nnd Schwester Voll Nachfieiit in Schutz uns stets nati nien O, wenn uns die eilendcn Horen Nur einmal noch Rückkehr vergöuntem Wir ließen uns nern wieder vriiqelm Wenn wir wieder jung werden könnten. Der erste Beste. Novellette von A. B. Wildeshausen »Wart. ich deck Dich zul« Die kleine Frau kutschte mit einer Decke durch das Zimmer und breitete sie liebevoll über ihren Gatten aus, der sich soeben mit einem hörbaren Seufzer auf die Chaiselongue ausgestreckt hatte. »Ja, ja, die böse Campagnie!« sagte sie mitleidig und küßte ihn auf die Stirn. »Woher weißt Dn?'· fuhr er net vös in die Höhe. »Nun, ich.meine, wenn ein königlich preußischer Hauptmann und Com pagniechef stöhnt, dann kann doch nur die Compugnie daran schuld sein. Andere Gedanken hat der ja nicht!« . »Kann er auch gar nicht haben!« knurrte der Hauptmann: »man wird ja keinen Moment in Ruhe gelassen, und dann habe ich Dir« ja neulich schon gesagt: mit der Compagnie ist es wie mit der Frau, wenn man sich nicht fortwährend um sie lümmert, macht sie, was sie will.« «Du, dann ist es aber Zeit, daß Du Dich wieder einmal um Deine Frau betiimmerst,« erwiderte sie schel misch drohend und setzte sich neben ihn. Als sich seine Züge noch nicht recht ausheitern wollten« sagte sie in ruhigem Ton: »Nun sei so gut und ziehe einmal in Gedanken fiir einen Augenblick den Rock mit den zwei Sternen ans und rathe einmal, wag heute siir ein Tag ist?" ; »Heute? Heut ist der lit. April," sagte er gleichgiltig, »heute kommt die Compagnie aus Wache! » »Um Gottes Willen, nun laß dochJ mal die alte Compagniel Jst denn am 13. April sonst nichts passirt?« »Erstiirmung der Diippler Schau-s ten . . . . Nee, das tvar ja am 18. April.« I »Ach, nicht in der Kriegsgechichte, sondern in unserem ganz simplen Privatleben!" »Ach verzeiht« sagte er endlich be schämt. »Siehft Du, so stumpfsinnig wird man! Unser Verlobunass tag. . . .« - Er lzog sie sanft an sich und gab ihr ! einen Kuß, der sich an Länge mit dem ; einstmaligen Verlobunggtuß vergleH chen konnte. »Es sind ja auch schon fünfzehn Jahre her,« meinte die tleine Frau mit leiser Ironie, Aha hat man schont das Recht zu verge en.« l »Das finde ich eigentlich gar nicht.; -- Nee so was! —- und keine Rosen! ; - Das ist mir doch noch nie passirt.« » »Nun, nimm man die Sache nicht tragisch, Alten« beruhigte sie. Er lächelte und sah sie liebevoll an. »Schon fünfzehn Jahre! War aber doch eine schöne Zeit, —-« was Lieb chen? —- Eigentlich ununterbrochener Vrantstand ...« Dann fuhr er plötz lich in oeriindertem Ton fort: ,,Sag mal, wie bist Du eigentlich damals, als ich um Dich anhielt, dazu gelom: men, mich so san-B sacon zu nehmen, so gewissermaßen die Katze im Sact zu kaufen? Du kanntest mich doch eigentlich noch gar nicht?« — «Weil Du mir gesielst!« sagte sie lurz und pfissig lächelnd. »Nein, nein! Nun mal allen usin stesi Die Sache hatte ihren Haken. Ein junges Mädchen verschentt sein Herz nicht so von heute aus morgen.« »Es giebt aber doch eine Liebe aus den ersten Blick.« »Ja, ja, in Erzählungen sür höhere Töchter- Nein, heute entschlüpfst Du mir nicht. Du sollst mir sagen, wie Du dazu gekommen bist, Dich so ohne weiteres niit mir zu verloben?« Sie mußte hell auslachen über seine inquisitorische Art. Sie war die At tacte aus ihr Herzensgeheiinniß schon seit Jahren gewohnt und hatte sich scheinbar ein Vergnügen daraus ge macht, ihn iin Ungewissen zu lassen. Jn Wirtlichteit war sie aber wohl noch nin ihr ehrliche-s Glück besorgt gewe sen, wenn sie dessen Basis durch ein Geständnis; allzu sehr erschütterte. Heute aber, wo sie nach so langer Zeit sich ihres Besitzes ganz sicher wußte, war sie geneigt, ihm alles ruhig ein zugestehen Sie totettirte noch eine tleine Weile mit ihrein·Geheimnisz, bann sagte sie: «Jchsiverde Dir alles sagen, aber nur unter einer Bedingung: Wenn Du mir nachher auch sagst, wie Du dazu netoninien bist, mir so ohne weiteres einen Antrag zu machen.« Er erschrak und taute einen Mo ment aus seinen Schnurrbartspitzen Nach kurzem ’ n antwortete er: »Gewiß, das o st Du auch ersah ren. Jch verspreche es Dir. Nun — fchieße mal losl« »Also ich habe mich mit Dir ver lobi,« begann sie zdgern, »weil — weil — nein, wie soll ich es aus drücken? Aus — aus Eigensinn!« Es war heraus, zum ersten Male das große Geheimniß. z ·,,Aus Eigensinn?« fragte er über rascht und nicht ganz ohne Enttäu ichuna. »Ja, aus Eigensinn,« wiederholte sie und setzte dabei ein mädchenhastes Troßtöpfchen auf, das ihr allerliest stand. »Nun höre mich also an,« fuhr sie mitthig fort. »Du weißt doch, daß ich damals, ehe ich nach Dideldum kam« —- so nannte sie im Milliar jargon die Garnisonstadt Diedenho fen — ,,vierzehn Tage bei meiner Cousine in Darmstadt war. Anna war damals drei Monate verheira thet, aber die Flitterroochen waren noch nicht zu Ende. Das war ein Getofe und Geschniibelnden ganzen Tag, wenn er zum Dienste ging oder vom Dienste tam und Mittags nach Tisch —- und erst Abends . . . Fiir das glückliche Paar war ich natürlich die beinitleidete Consine, die noch tei iien Mann hat oder kriegen kann-« ,,Anna und ich, weißt Du, waren doch zusammen groß geworden. Sie nannten uns Cousmen, in Wiesbadens nur die schioarze und die blonde Win- « i«:r. Die lieben Verwandten spann ien förmlich darauf, wer von uns bei den wohl zuerst einen Mann bekäme. Sie wetteten auf uns, wie bei einem Pferderennen, und jubelten Anna zu, ais sie als erste durch das Ziel ging. Das hatte mich damals sehr getränkt, iind ich konnte mich gar nicht recht an Annae Gliict freuen, obgleich ich es’ ihr von Herzen gönnte. Die Sache» wurde mir schließlich zu dumm, der Boden brannte inir förmlich unter; den Füßen, ich wurde ganz nervös und tonnte es einfach zu Hause nicht« Inetir aushalten. Luftwechset! Jn dieser Verfassung tam ich zu den» JungverheiratheteM Meine Erfah rungen dort erschöpsten meine Ge duld. Jch faßte den verzweifelten Entschluß allem Verwandtentlatsch iiit eineni Schlage ein Ende zu ina chen. Als ich von Darnistadt zu mei ner Freundin nach Didetduni reiste, » hatte ich mir vorgenommen, den er s sten Besten zu nehmen« ( »Den ersten Besten also wolltest Dir heirathen?« fuhr der Hauptmanni auf. »den ersten Besten!?« s »Ja, den ersten Besten!« wieder-i tfiolte die kleine Frau lustig, setzte; aber gleich darauf mildernd hinzu: ! »Natürlich vorausgesetzt, daß er mir iiur einigemaßen gefiele!« »Nur einigermaßen gesiele!« hohnte der Hauptmann, »das ist ja sehr in tcressant! Nun weiß ich endlich auch, wie ich zu einer Frau gekommen bin. Also der erste, beste! Mit blinder Hand ausgesucht, wie man in eine Loosurne hiiieingreist. Das sind ja nette Enthüllungen Jch dante recht schön!« Der Hauptmann sprang auf und rannte wie ein brüllender Löwe im Zimmer herum. Lydia erhob sich langsam und stand abwartend an den Tisch gelehnt, den der Gatte nmtreiste. »Der erste Beste, vorausgesetzt, daß er nur einigermaßen gefiele!« todte der Hauptmann weiter, und seine Stimme steigerte sich bis zum Commandoton »Da tani es also auf persönliche Eigenschaften gar nicht an. Da war von Auslese nicht die Rede. Es hieß einfach, wer zuerst tonnnt, mahlt zuerst. Und unsereins lani sich so stolz vor in dem Gefühl: der Auserwählte, der Herrlichste von allen zu sein! Da hätte also der Hauptmann Burnnrelzug, wenn er angehalten hätte, dieselben Chancen gehabt! Und den Leutnant Windig, den Schürzenjäger, hättest Du auch ohne Weiteres genommen, denn er hatte äußere Vorzüge, die Dir einiger inafzen gefallen konnten . . . . Nicht wahr, den Windig hättest Du doch ge nommen, wenn er vor mir sich erllärt hätte?« Sie stand unbeweglich. »Hättest Du wirklich den Windig aenoninien?« . Sie zuckte die Achseln. »Da wärest Du jetzt die Frau eines Schmierendirektors. Eigentlich die gerechte Strafe für Deinen Leicht sinn! Da sieht man einmal, wie die jungen Damen mit dem Leben spie len, und wir sind das Spielzeug! · Jch war eigentlich ein ganz netter Bleisoldat, was? Schänt Dich. Ly dia, Du hättest mir wenigstens die Illusion nicht rauben sollen!« Sie sah ihn begütigend an und sagte dann sanft »Aber Manni, es sind doch schon silnfzehn Jahre herl« Er stutzte und schien sich zu über legen, daß feine Wuth doch eigentlich arg verfpätet war. Es gab doch ge wiß, wenn auch nicht eine Liebe, so doch eine Zuneigung auf den ersten » Blick. Lydia war ihm doch eine treff jliche Frau geworden und hatte längst ihren Leichtsinn wieder gut gemacht. Aber ihre Strafe mußte sie doch haben. Da fiel ihm ein, daß er ihr in auch seinerseits ein Geständniß schuldig war. Das war gleichzeitig die beste Revanche. Er setzte seinen Dauerlauf im Zimmer fort und blieb nur hin und wieder, lebhaft gestiiulirend, vor ihr sieben. »Wenn Du übrigens meinst, daß ich Dich aus..lauter Liebe geheirathet habe, dann irrst Du Dich sehr! Und deshalb will ich Dir auch die Vor gänge meiner Verlobung glatt er zählen . . . . Als Du nach Dieben hofen kamst, verdrehtest Du ja den anfanteristen und Dragonern gleich zeitig die Köpfe. Man war eben in dem Nest nicht verwöhnt. Wo man hinkam, wurde von Dir gesprochen: »Haben Sie schon die feschk, kleine Winter kennen gelernt?« oder: »Den Brocken dürfen wir uns hier nicht entgehen lassen,« und wie die dum men Redensarten alle hießen. Mich hast Du aber nicht so ohne Weitere-Es an Deinen Triumphwagen gespannt, has brauchst Du Dir nicht einzu bilden. Immerhin efielst Du mir — so « so eingermagen!« Er hielt einen Moment inne, wie um die Wirkung abzuwarten. Die lleine Frau wiederholte mit bitterem Lächeln: »Also doch einigermaßen?« »« a, wie eben so ein junger stringinsfeld einem reiseren Manne gefallen lann.« Lhdi.as Mitleid siir den Gatten schlug allmählich in dagGegentheil um. Jetzt verlor sie auch äußerlich die Fas sung und tronimelte mit der rechten Hand gereizt aufdem Tisch. Er ließ uch dadurch aber durchaus nicht stören. »Na, kurz und gut, an dem Abend, als Du abgereift warst, saßen wir im Casmo zusammen. Da kam natürlich die Rede aus Dich. »Schueidiges Mädel,« näselte der Windig »Sol! tloßig Moneten haben,« meinte Mau schel, die alte Jeuratte, »Schade, daß niemand herangegangen ist,« bemerkte kin anderer, »Die Trauben hingen wohl den Herren zu hochs« sagte ein vierter, der die Situation am richtig iten beurtheilte. Hauptmann Bummel ,-,ug, der ausnahmsweise nicht ange halten hatte, kratzte sich hinter den Ohren. Plötzlich sprang der Windig aus: ,,Wetten, daß ich übermorgen mit ihr verlobt bin?« »Wetten, daß nicht-Z« rief Mauschel, »und daß sie übermorgen meine Braut ist?« »3ebn Flaschen Secti« »Zwanzig Flaschen Sect!« »Wer schlägt durch?« —--— Jch saß zufällig zwischen den Beiden und schlug ohne Besinnen durch. Blitz schnell faßte ich den Entschluß: dass uette Mädel soll weder der ungetreue Don Juan betrügen, noch die danie rotte Jeuratte ins Verderben stürzen. Die soll meine Frau werden! Jch nahm sofort Urlaub und erschien noch am Nachmittag bei Euch in Wiesba den. Den anderen tonnte ich die Reise durch die telegraphische Mittheilung von meiner Verlobung mit Dir er sparen. Sie hatten aber statt dessen das Sertfriihstiick zu bezahlen« »Schanouch," schluchzte Die kleine Frau. »Mein Lebensglück für eine Wette! . . . Du hast mich also gar nicht geliebt, und wenn die Herren nicht zufallig gewettet hättet, dann wärst Du nie auf den Gedanken ge totnmen, um mich anzuhalten! Nur um zwanzig Flaschen Seit zu gewin nen, hast Du Dich niit mir ver tobt! ----- « Sie weinte wie ein lleines Kind. das selbst nicht fo ganz von der Tra git des Vorfalles überzeugt ist. Er mußte sie beruhigen und rannte ihr ins Ohr: »Aber, Maus, es sind doch schon fünfzehn Jahre her!« Sie fah durch Thränen zu ihm auf »Du miißteft doch eigentlich diese Wette als einen gliicklichen Zufall preisen, denn ohne sie hätte ich hart gefottener Junggeselle wahrscheinlich nicht den Muth gefunden, mich zu be weiben. Und ohne die Wette hättest »Du doch keinen so netten Mann be : toinmen!« I »Meinft Du?« sagte Lydia, erst halb versöhnt. »Und ohne Deinen Entschluß, den ersten Besten zu nehmen, hätte ich nicht eine fo nette Frau betommen.« Er streichelte sie: »Siehtt Du, Kind ehen, es ist doch ganz gleichgültig, wie eine Ehe zu Stande kommt, wenn sie nur zum Guten ausfchlägi. Und das echte dauerhafte Glück wird nicht im Augenblick geboren, es entsteht allmählich, wie guter, edler Wein, der aus der Flasche reift und mit jedem Jahre voller und köstlicher wird.« Sie war ausgestanden und blickte ihn verklärt an. »Du Guter,« sagte sie plötzlich und lag selig inseinen Armen. Die Hausthürschelle ging. Gleich darauf kam Hans Joachim, der stramme blondlockige Junge, mit dem Parolebuch herein. »Papa, Du sollst gleich in die Ka serne kommen, der Major wollte die dritte Garnitur sehen.« ,,Donnerwetter, der olle Mottenw nig!« schimpste der Hauptmann. »Jetzt bist Du um Dein Mittags schläschen gelommen,« jammerte die kleine Frau. »Schad’t nicht! Dafür weiß ich s wenigstens jetzt, daß ich der erste Beste sbin, und wenn noch einmal irgendwo Izwanzig Flaschen Sect gewettet wer ;den, dann schlage ich sofort wieder j durchl« s ------. Vergessen nnd Geoenken Skizze aus dem Holländischen von Hans Leonardi. »Den tvievielten haben wir heute, Charlotte?« Sie sah ihn forschend an, er aber sah starr vor sich hin. »Den siebenten,« entgegnete sie dann. »So, schon den siebenten? Ja, ja.« »Sieh mich nicht so an, Frau,« nn terbrach er sieh in heftigem Tone. »Was denkst Du denn? Jch fragte nur nach dem Datum, weil ——- weil ich am neunten in die Stadtverordi netensitzung mus-,.« Er schob seine Kaffeetasse von sich und erhob sich. »Mir ist jeder Tag xileirh,« fuhr er diister fort, ,,mag es nun der siebente, der zwölfte oder der dreizehnte sein; jeder Tag bringt Sorgv und Leid. Wie oft habe ich schon gehofft, eH würde mein letzter sein, doch stets vergebens . . . .« .Seiiszend langte sie nach ihrem Strickzeng während er mit aufein andergepreszten Lippen und zusam mengezogenen Brauen das Zimmer durchmaß. ! Plötzlich unterbrach er seinenl l jStnrmlauf und blieb vor ihr stehen. I »Frau, Frau, warum denkst Du ; an ihn? Jch lvill’5 nicht, hörst Du?l Mr hat schändlich gehandelt, er ist ein Elender, und nie will ich an ihn erin nert werden Jch hasse, ich verachte iihn wie ich den Tag verwünsche, an -dem er uns geboren ward. Er ist die « Qual meines Lebens, der Nagel zu meinem Sarge, mein . . . »Sohn,« vervollständigte sie in einem Tone, aus dem esJ wie leisegl Flehen klang. »Unser Sohn! Jaloohl, unser Sohn, der unser Stolz, unsere Stütze, nnser Lebenstrost sein solltet« klang ihr voll schneidender Bitterkeit zu riick. »Unser Sohn, den wir mit to viel Liebe auferzogen, auf den wir all unser Hoffen gebaut haben, um uns schließlich das Herz von ihm bre ihen zu lassen. Unser Sohn! Ver wünscht sei sein Angedenken! Mag er draußen uniherirren in Mangel und Elend, er hat es tausendfältig verdient. Was ist seinLeid gegen den stummen den er iiber uns gebracht hat! Widersprich mir nicht!« fuhr er fort, als er ihre Lippen sich bewegen sah, als wolle sie reden. Doch die in ihrem Auge zitternde Thräne ent waffnete ihn. Er trat ans sie zu, drückte ihren Kopf an seine Brust und sagte in sanfterem Tone: »Ich kann’s nicht sehen, das; Du immer noch um ihn trauerst, Char lotte. Der Junge verdient es nicht. Sei vernünftig und verbanne ihn ans Deinem Herzen, wie ich’5 gethan habe.« »Hast Du es vermocht?« fragte sie, zu ihm aufschauend. »Ja, ich denke nicht mehr an ihn, wirklich nicht,« versicherte er. Sie erwiderte nichts. Sie wußte ebensogut wie er, daß sie ihr einziges Kind nimmermehr vergessen konnten Er neigt-e sich über sie und küßte sie. »Du bift mir ftetg ein gutes Weib gewesen, Charlotte. Noch nie habe ich dich vergebens um etwas ge steten. Erfüll rnir nun auch diese ’ Bitte: vergiß ihn und alles, was mit ihm zufammentMngL Laß uns zum Frieden gelangen und das Unglück unferes Lebens verbannen aus- unse rer Erinnerung.« »Was in meiner Kraft steht, will ich thun,« erwiderte sie leise, gewöhnt, ihm in allen Dingen zu willfahren. Während sie ihren häuslichen Ob liegenheiten nachging, gedachte sie ih res Gelöbnisses. Ihn vergessen! Ihren Heinz, ihr einziges Kind! Ja, wenn diese Leere um sie her nicht gewesen wäre, die so. laut und vernehmlich von ihm sprachsp Und empfand sie nun, da er heimath los in der Fremde umherirrte, nicht noch tvärmer für ihn denn je? Und verfolgten die Erinnerungen sie nicht auf Schritt und Tritt, mahnte nicht alles um sie her an Gewesene-Z, Ent schtvundenes? Sie stellte das Kaffeservice in’s Buffet. Dort stand seine Tasse. Sanft, liebkosend strich ihre Hand da rüber hin. Wie laut sprachen die da rauf gemalten Vergißmeinnicht! Seufzend stellte sie die Tasse wieder auf ihren Plan. Draußen vor dem Fenster blühte der Jasmin, den er gepflanzt hatte, und drinnen sang der Vogel, der einst der seine gewesen, und sein Hund lag im Sonnenschein auf dem Platz sei nes jungen Herrn. Träumte er von jenem Tage, als der Jüngling — vor nunmehr drei Jahren —- von heißen Thränen und Segenswiinschen gelei tet, aus dem Elternhause geschieden war? Nur mit Mühe vermochte die blasse Frau ihre Fassung zu bewahren. Sie wollte nnd mußte Herr ihres Kum mers werden« Die Arbeit sollte ihr helfen. Und rastlos, fieberisch machte sie sich im Haushalt zu schaffen. So kam sie auf den Boden. Dort aber stieß sie auf sein ehema tiges Spielzeug. Dort stand ein Hol,3pserdchen, das einst unzertrenn lich von ihm gewesen war. Mit dem Pferdchen im Arm hatte er geschlafen, mit ihm geplaudert, seine Leckerbissen mit ihm getheilt und es nie zerbro chen, so viel er« im späteren Leben Jer- nnd verbrochen hatte. Die Mutter sireichelte das Pferd, während heiße Thriinen ihren Augen entstürzten. Und der Vater? -—— Der fasz vor dem Schreibtifche seines Studirzim mers, einen Federhalter in der Hand, den Heinz einst für ihn geschnitzt hatte: den beniitzte er immer, er war besser als alle anderen. Es war leer und kalt um ihn her, ihn fröftelte. Er legte den Halter aus kcr Hand und entzündete eine Cigarre. ließ sie jedoch wieder ausgehen. Eine Weile blieb er in Gedanken verloren sitzen. Dann öffnete er eine Lade und holte ein Portrait daraus hervor. Es war das Bild seines Sohnes, das bis vor kurzer Zeit einen Ehren platz an der Wand des Wohnzimmers inne gehabt hatte; aber der Sohn hatte schwer gefehlt nnd war ans dem lilternhause verbannt worden. Die Hand des Vaters bebte, als fein Blick auf den schönen, einst so ge liebten Zügen ruhte. Dann schob er das Bild von sich und barg den Kopf in den Händen. »Mein Junge!« brach es wie ein "«.·leck)-,en aus feiner Brust. So fas-, er noch, als sich leise eine Hand auf feine Schulter legte. Er erfaßte fie. »Den wievielten hat«-en wir heilte-Z« fragte er. »Den fiebenten.« »Sein Geburtstag, nicht wahr? Ja, ich wußte es wohl. Fromm, liebes Weib, wir wollen nicht tranern, son dern seinen Gedenttag feiern, unse recn Linde wenigstens im Geiste Heil nnd Segen wünschen, nun wir es nicht schriftlich thun können, und nn sern Herrgott bitten, ihn geläutert, als einen braven, ehrenwerthen Mann Jn uns zurückzuführen Wir wollen des Tages denken, an dein er uns ge boren ward: wir waren damals zu aliicklick), um jetzt den Muth aufzu aeben Unser Kind wird zurückkehren, Charlotte, und uns willkommen fein.« »Von Herzen willkommen, lieber Mann« Hand in Hand heiraten sie das« Woshnzitmner· - Er hängte das Bild an seinen alten Watz, und sie schmückte es mit Blumen und Epheuranken. Und seinem Vogel öffnete sie die Käfigthiir. Er flog hinaus, setzt-e sich auf den Rahmen des Bildes und sang dort schöner denn je. Es klang wie ein Hymnns auf die Liebe, die nimmer vergeht und alles verzeiht. -- ,—-— q Dic älteste Berliner-Zeitung. Ueber die Berliner Zeitungen bis zur Regierung Friedrichs des Großen hat uns das eben abgselausene Jahr eine Monographie von Ernst Consen-: tius geschenkt, die auch in der Kölni schen Zeitung besprochen worden ist. Jn Bezug aus die älteste Berliner Zei tung ist aber Consentius nicht über die vor 25 Jahren erschieneneUntcrsuchung von Opel hinausgetommen. Jn der Bibliothek des Staatgarchivs zu Stet tin hat sich jetzt der Jahrgang 1618 W dieser Zeitung gesunden, der unsere Kenntnisse in glücklicher Weise er gänzt. Archivar Dr. Heinemann berich tet darüber in den Forschungen ur brandenburgischen und «preußis n Geschichte. Der von den bis jetzt vbe kannten abweichende Titel lautet: Be richt, Was sich zu ansang dieß jyt an gehenden Sechzehnhundertsten, dnd Achtzehnden Jahres in Deutschlandt, Frankreich, Welschlandt, Böhmen, BR !gern, Niederlandt, vnd in andern ör ’ten, hin vnd wieder zugetragem Das künsftig, so durch diß gantze Jahr vor gehen, vnd mit der zeit erfahren, vnd kundt werden möchte: sol wochentlich (gonnets Gott) hinanzusügen, in glei cher gestalt dnd form gefertigt werden. ———— Aus der Fassung geht hervor-, daß der Titel mit der ersten Nummer aus gegeben wurde. Was schon Opel ver muthet hatte, daß nämlich der Chuerfl Brand. Postmeister zu Cölln Christoff Frischman der Herausgeber gewesen sei, das wird durch den neuen Fund zur Gewißheit; der Band enthält näm lich ein so unterzeichnetes und vom 29. Dezember 1617 datirteg Vorwort. Nach seinem Tode (25. Februar 1.618) setzte sein Bruder Veit das Unterneh men fort. Bruchstiicke vom,Jahrgang 1617 desselben Wochenblattes waren schon Opel bekannt (Nr. 80, 82—40, 42—-52), ebenso Reste der Jahrgange 1619, 162(), 1626. Drei bis dahin unbekannte Jahrgange (1623——25) hat dann A. Heher in der Breslauer Uni dersitätgbibtiothek gefunden und 1889 im Centralblatt für Bibliotheiswesen behandelt. W Erkenntniss. Willst Du, o Herz, ein heit’res Ziel erreichen, Mußt Du in eig’ner Angel schwebend ruh’n, Ein Thor versucht zu geh’n in frem den Schuh’n, Nur mit sich selbst kann sich der Mann vergleichen. Ein Thor, der an des Nachbars Bu benstreichen Sich Trost nimmt für das eig’ne schwache Thun, Der immer um sich späht und lauscht und nun Sich seinen Werth bestimmt nach fal schen Zeichen. Tl)u’ frei und offen, was Du nicht kannst lassen. Doch wandle streng auf ’selbftbestimm ten Wegen Und lerne früh nur Deine Fehler has . sen; Dann gehe mild den anderen entge ACUZ Kannst Du Dich selbst nur fest zusam mensasfen, So lsijngt an Deine Schritte sich der Segen. Gottfr. Keller. —.—--— - — Dic Ncuiahrs-Rosen. Jn Würzburg war einmal ein Fiirst«Vischof, der die.Rosen ungemein liebte. Jmmer mußten sie seine Tafel schmücken und mit lieblichem Duft er füllen. Einst waren in einem beson ders kalten Winter alle Blumen erfro rcn in den Gewächs-Masern da die Gartenkunst noch keine so hohe Stufe erreicht hatte, als heutzutage. Es that dein Fürsten unendlich leid, daß er seine Lieblingskinder, die Rosen, ent behren mußte, und die Bürger traten in Bemühung wie sie am Neujahrs taae ihrem aeliebten Fürsten seine lanqentbehrten Rosen ersetzen könnten. Blühende Rosen waren nirgends auf zutreiben Da verfiel ein Bäcker auf den (Stedaulen, Rosen aus Backwerk zu formen und dem Fürsten als Neu jahrsgeschenk zu bringen« Der Ge danke fand Beifall. Am Neujahrstage brachte jeder Würzburger Bäcker dem Fürsten eine frifchgebackene Rose. Der Fürstbischos war über den Einfall sehr erfreut und verlieh den Bäckern meh rere Privilegien. Seit jener Zeit bu ten die Bäcker in Würzburg »Mu jahrsrosen«, welche sie meist als Neu jabrgaeschenle an ihre Kunden gaben. -—— Das Bild der Gattin. Liin Bauer tarnmt mit seiner holden Gattin zum Photographen. »Herr Ma ler,« sagte er, »ich möchte meine Frau plsotograplsiren lasse.« »Schön! Setzen Sie sich, liebe Frau. nnd machen Sie ein recht freundliches Gesicht . . .. Ging zwei drei Fertig! Sie können dag Bild Init nehmen!« »Ach, ist gar nicht nöthig,« erwidert der Bauer, »Sie dürfen das Bild ruhig behalten!« »Ja, warum haben Sie denn Jhre Frau photographiren lassen?« »Weil ich ’tnal sehen wollte, wie die Alte aussieht, wenn sie ein freundliches «Gesicht macht!« Fsiikchterlichc Drplsung. Wirth fzu einem Studenten, def sentwegen ein großer Streit entstanden ist): »Mein Herr! Wenn Sie sich nicht augenblicklich entfernen, rufe ich Ih ren Schneider!« Bot-haft Sänger (einem Kritiker seinen Yungsten Sprößling zeigend): »Nun, Ist das nicht der ganze Papa?« Kritiler: ,,Stimmt!... Er schreit auch schont«