Herrenloses Gut. Roman von makic Bernhard. (23. Fortsetzung.) Er suckte gleichmuthig dieSchultcrn »Was willst du, Mausis ’"5 ist der Deus der Welt. Tout passe — tout passe —- tout lasse — die alte Ge schichte! Des Menschen Frerz ist wan- · delbarz zumal, wenn es in eine-Z » Klinstlers Buer schlägt, und der ! Musiker heißt Will Cotta! Immer in T Sehnsucht und Liebesflammen zu lo- » M, durch Jahre und Jwahre ja, wer hält denn das aus? Wir, die Cillys »und ich, sind drüber alt und kalt ge worden« aber unsere Freundschaft die « bätt noch und soll s, so Gott will, bis « ern unser Lebensart-e thun» .schließ lich ein besserer Kitt, als so ne tolle Leidenschaft! Was ich aber sagen wolltet hat fee dir nicht trotz Alter und Krankheit und gänzlich ent schwundener Schönheit den Eindruck einer bedeutenden, fomvsen Frau ge-. nachts-« »Sie — sie scheint sehr klug zu seini« bemerkte Hanna zögernd. »Wil! ich meinen! Hat respettable Kenntnisse und n höllisch feines Em pfindm für alles, was mit Kunst, speziell mit meiner Kunst zu ammen hängt. Jch lege kolossalen rth auf ierrtheil — wenige Männer haben ein so gutes, sachlichesp wie sie! Jhr werdet ja jetzt sehr viel zusammen stimmen da rath’ ich dir zum Guten, Mausi, sperr du deine niedlich-en, rosi gen Oehrchen auf! Du kannst aushän dig viel von der Cilly lernen, und das nimm du wahr, denn wenn ich Ietzt scharf ins Arbeiten komme, kann ich mich ohnehin nicht mehr viel mit dir abgeben und bei dir den Lehrmei ster spielen!" »Aber du hast doch schon angefangen zu arb-eiten!« warf sie schüchtern ein. »Angefangen! Eben!« nickte er be stätigend »Aber noch bin ich nicht in mein eigenstes richtiges Fahrwasser gekommen, bin ich da erst drin, dann gibt es kein Erbarmen! Wie ich bin, » wenn mich das schöpferische Fieber ge- ; packt hat das weißt du noch gar nicht, j das hast du erst noch an mir kennen zu lernen! Cin weiß es, die könnte dir darüber Aufschluß geben! Zeit und Stunde und Essen und Trinken und Menschen und alles -— alles vergeß ich dann! Meine Kunst läßt nicht mit sich handet n, die ist eine eisern strenge Gebieterin!« Die junge Frau antwortete nicht. Sie konnte nicht. br war die Kehle Mysammengepr t von Seufzern, brauen, von Enttäuschung, von sehnen-der Liebe. Gott —- Gott — wenn sie ihm so gar nichts war, wenn sie-so nichts bedeuten sollte in seinem . . . warum hatte er fee zu seiner Gattin gemacht? Mechanisch setzte sie einen Fuß vor den andern, bog um die Straßenecte, da Willsried es that . . . aber sie wußte r nicht, wo sie ging, ob sie auf die EnWege nach Hause kam, ob sie nach einen Einkauf hatte machen wollen — nichtsL Als er ihr plötzlich den Son nenschirm aus der Hand nahm und aufsperrte, schrai sie zusammen und sah ihn verständnißlos an. Lisette du, zeig’ doch nicht ein so Wnirtes Gesicht! Die Sonne scheint dir ja geradeswegs in die Au , wenn du das nicht merkst, muß doch für dich sorgen! Es wär zu s um dein weiches, weißes Scmmtsellchem ich bin so eitel da raqu Die Cilly hat auch ihren Schirm nicht ausgespannt gehabt, wie ich ihr begegnet bin —- na, an deren Teint ist Iix neeer zu verderben, das hat sie W schon Salätiindlich besorgt, mit dem und Puder-at Apropos y. noch immer hast du mir kein Wort iiber sie sysagtL hat sie dir etwa M gefallen? «Ach—ich weiß nicht »ich kenne sie- doch noch gar nicht, und ich bin so gechwersällig mit neuen Bekanntschaf hansna sprach mühsam, sie wunderte sich, daß sie überhaupt ein Wort het vorzubringen vermochte. «Dies aber ist teine beliebige neue isekanntschash mein Kind —dieg ist die älteste, beste Freundin deines Mannes — ich sollt’ meinen, das gibt einen gewaltigen Unterschied —b«m? Denkst du denn, ihr werdet euch nicht mitsammen unfreunden, du und Cilln -·toas?« «N———nein —- das heißt, ich meine-— «sie ist so sehe viel älter wie ich und scheint auch so total verschieden von mir —« «Versieht sich, Mausi! Drum eben sollt ihr euch nahe treten! Zwei ganz Leiche Naturen zwei aus denselben as- gsstimmte Instrumente-» . was Mut denn dabei heraus? Eintönig seist—nicht wahr? Nu, siehst du, die im ich nicht vertragen! Jn mein . Dieben da gehört Bewegung. Abwechs beng bineint Reibt euch meinetwegen nett-Fanden n.xg.leist euch gegenseitig " bei-b« s dawider, aber gut Md mußt du mit der Cin wer « das bitt' ich mit ans! Wenn ich M Fusan-machten was ich ihr bee s, In Lieb- nnd Treu, an Anre M nnd Theilnahm, da kommt ne Tom stattliche Summe beraus! Drum mein han« Haus ein« nndich MINW ßich aus ihre-r streitet-Massaan und aus ihrem komm —- arme, Seele, die sie ist! Und ich tanncs auch-ich weiß, Ich hab’ allezeit Einfluß auf fie gehabt, du follft nur sehen! Aber du mußt mir dabei helfen, Manfr, ohne dich geht's halt nicht, wir zwei gehören doch zusammen für Leben und fiir Sterben, gelt-?« ,.J·a!« hauchte Hanna. Sie fah rnit feuchten Augen zu ihm auf. Er blickte sie herzlich und liebevoll an nnd nickte ihr zu. Es überlief sie von Kopfbrs Fuß-. Wie sie ihn liebte —- liebte! Wie es nichts, nichts auf der ganzen Welt anb, was sie ihm nicht hätte Tu tiebe thun können. Und hier, bei er ersten Bitte," die er an sie richtete. wollte sie zögern! Warum denn? Aus tieinlicher Eifersucht auf das geistige Band, das ihn an dieseFrau knüpfte? Denn von einem anderen Band konnte nicht entfernt die Rede sein. Oder aus Eifersucht auf die Vergangenheit? So redlich hatte si-: fich gelobt, das dürfe nicht sein, ein derartiges Em pfinden solle nie Macht über fie gewin nen. Fort damit! Es war ihrer nicht I würdig, a nur fiir eine Minute dem nachzuge . s »Es soll sein, wie du es haben willst’!« sagte sie sanft. »Wenn ich noch zu kindisch und zu angewandt bin, dann wirst du mir helfen —ja ?« »Jminer!« Er zog ihren Arm durch den seinen —bisher waren sie so ne- » beneinander hergegangen. Leise drückte Hanna seinen Arm. s »Willsried,« sag’ doch, wos wollte; die Gräsin mit ihrem Ausspruch sa- i gen, als sie mich zuerst begrüßte?« ; »Mit weichem Ausspruch, meines-P j Sie hörte deutlich aus seinem Ton i heraus, daß er gut genug wußte, was ’ sie meinte, und nur Zeit zu einer Ant wort zu gewinnen wünschte. »Ach, wie sie sagte: also das ist Ihre Auferstehung? Du hast es ja gehört, denn du sagtest ganz rasch: Sie weiß nichts davon.« »So so! Ja, siehst du, Mausi, das ist so unser Künstler-J—argon, den wir miteinander haben, die Gräsin und ich, da wirst du erst allmählich eindringen lernen. Möglich, daß ich von dir zu ihr gesprochen hah’ . . ." »Aber wann soll das aetresen sein? Sie war ja monatelang fort, und ehe sie abreiste, kanntest du mich doch noch gar nicht, du hattest mich viel leicht nur einmal gesehen!" »Zerbrich dir nicht weiter dein Kö pserl drum, Hanna-Weihi, ’s ist von keinem BelangL Und sei aufs nächste Mal etwas ausgethauter und bered sanier. wenn wir mit Cillh Meinun der sind, gelt? Heute hast du wirklich kaum die Lippen voneinander ge bracht, und meine Freundin, die muß denken, du bist ein richtiges kleines VähschafL Gottloh hist du das nicht, aber nun beweis es auch! Schau. jetzt haben wir unsere Straße, gleich sind wir daheim!« Er plauderte angeregt weiter, aber sie merkte, daß er sich mühte, ihre Gedanken von ihrer zuvor gethan-en Fratzge abzulenken, und das machte sie .u ig 19. »Schon müde? Wieder aus-ruhen? Ja, Kind, das ist aber satal -— das aebt einfach nicht! Thu’ dir schon ein tisgel Zwang an um meinetwillen, tu « Hanna preßte die Lippen zusam men, sie schwieg. Als ob sie seit Stunden etwas anderes gethan hätte, als sich Zwang auszulegen —harten, kitteren Zwang um seinetwillen Sie tannte Willsried Cotta noch nicht als Künstler, wie ihn halb Rom kannte —- feine Freunde. sein Um aangskreis, seine Modelle. Es war kein Spaß, ihm zu »sitzen'« —er war der unerbittlichste, Rinersättlichste Bildbauer, den rnan sich denken konnte. Er und seine Kunst —nur diese bei den existirten für ihn —mn das Mo lell bekümmerte er sich nicht weiter-, sobald es seine Intentionen begriffen nnd die richtige Stellu eingenom men hatte. Hanna mu te an seinen Ausspruch von neulich denken: er ver gaß thatsächlich Essen und Trinken, Zeit nnd Stunde und alles übrige, wenn das »Arbeitssieber« ihn gepackt hatte-in diese-I letzten Tagen war ihr der Beweis dafür geworden. »Nicht schlaff werden! Nicht zusam mensinken! ’n junges, elastisches Men schentind wie du —sch·am’ dich doch! Und wie sich das rechte Knie unter dern Gewand wieder einge en hat! Gar keine Linie, kein Fatt wsusrs mehr! So wart’ nur, ich lomrn’ herüber und krick dich wieder zurecht.!« hastig trocknet-e er die lehmbeseuckp teten hände an einem neben ihm lie genden Tuch: mit drei, vier langen Schritten war er bei ihr, die in einem feinen, weich herabsiießenden weißen Gewand, das r in einen riechi scben Knoten ae chlungem an einem niedrigen Gestell saß. » Er gab dem Knie die ewiinschte Biegung- faßte eine ihr-ex «nde und legte sie znre t. »Ganz bla und ganz kalt —- ar mes Mai-sit« Er neigte kch n ihr, küßte sie kasch auf Rest , sah i mitleidig mi Gesicht »Nun half nur noch ’n bisfel ems, das muß sein! Licht nnd Stier-man ist mal da — nutne ran Sein ln ones auch aus bonI-sieht i sieldirdenn ein. mit jetzt schon entreißen in wol-« lenk« «Schoni« stag- Hanna unwillkür lich zurück. »Ich fise dir doch bereits iilIet bui Stunden —« »Nicht möglich!« Sein Kopf uht herum, et warf einen schnellen ltck auf die in einer Ecke posiirte Stand uhr. Die dichten Brauen zogen unwillig zusammen. »Wahthnstig. Nu. dann werdens eben vier Stun den! Wird auch tein Unglück seini« »Gewiß nicht, Will! Es ist nut... wir haben uns doch zu heute die Grä sin eingeladen ——— nnd ich muß mich noch ganz und gar anileiten. auch an ders frisiten -——«« »Herrgott, Hanna!'« Aetgetlich stampste Coiias Fuß den Boden. »Daß ihr Weibsleute doch allesammt so kleinlich seid! Komm mit nicht mit solchen Geschichten, ich b-itt’ dich! Mir handelt sich’s um das besie, was chin meinem Leben hab«·, um meine Kunst, nnd du qelist her und redst mit von Einladungen und von Frisiten und AnziehenL Gräsin2 Hat sich was-! Wenn sie kommt und wir find hier noch nicht fertig, so wartet sie eben! Die nimmt mir das nicht übel, die Cilly, die weiß Bescheid mit mir nnd mener Arbeit! Wie oft hat fee sei-äus chensiill stundenlang in itejenb ’nem Winkel in meinem römischen Atelier gesessen, und ich haly mich kein Jota um sie beiümmern dürfen.!« »Ader iie hat dir nie als Modell gedient, nicht wahrs« fragte die junge Frau leise. »Wer sagt das? Das heißt — na türlich ——« ich hab· sie nur stückweise modelliri, einmal den Kopf, siir eine streitende Amazone, war mir gut ge langen, eins meiner besten Werte, aing nach Amerika hiniiber, dann spä ter Hand und Arm. Cillys band ist nicht ganz so sein nnd aristokratisch wie deine, aber höchst charakteristisch gebildet, der Arm selbstredend voller .vie der reinige, drastischer herausge bildet ———«" »Ich möchte wissen, wie ich zu einer aristolratischen Hand komme!« meinte Vanna gedankenvoll nnd sah aus ihre Rechte herab, vie weiß und sein, wie ein gesaltetes Blumenblatt aus dem gelblich aetönten Gewand lag. « »Das ist just tein so großes Wun der! Deine Mutter ———« Cotta stockte sehr auffällig, seine Stirn furchte sich im Zorn über sein unbedachtes Wort. »Ach, ich bitte dichl Mutti hat total, aber auch total andere Hände wie ich. Las mußt du doch mit einem einzigen Blick bemerkt haben!« Hanna sprach völlig unbefangen, sie war nur sehr verwundert. »Nicht den Kopf drehen, Mausi! Eine Psyche mit solcher Kopfhaltung kann ich nicht gebaruchent Lassen wir alle persönlichen und privaten Unter haltungen beiseite und widmen wir uns gänzlich der Kunst.!« » - Hanna schwieg gehorsam, aber ihr Gotte tonnte ihr nicht verbieten, ihre Gedanken weiterzuspinnen. Es war nicht das erste Mal, daß er Aussprüche gethan, die ihr seltsam erschienen wa ren, Sätze begonnen hatte, deren Schluß er ihr schuldig geblieben war -—·-· Ausspriiche, Sätze, die ihre Aus mertsamteit erregt hatten. Konnte Willsried etwas über ihre Herkunst krissen? hatte Arndld Piotrowsty ihm vielleicht Ausschluß darüber gege ten——mehr Ausschluß, als er es ihr gegenüber gethan hatte? Freilich hatte er behauptet, nichts weiter zu wissen, als das, was er«ih-r, Hunnen aus ihr unaestiimeö Dränaen mitgetheilt, und Ton und Stimme hatten den Stempel der Wahrheit getragen... vielleicht aber hatte er nachträglich noch mehr über dies Thema ersahren und es ihrem Gatten erzählt! Willfried sprach nicht gern von ihrer herlnnst, das wußte sie schon —- er liebte es nicht, wenn sie sich in Muthmasszungen über ihre Eltern, ihre Geschwister, über die Verhältnisse, aus denen sie hervor - gingen war. erginax er war stets - strebt, kurz davon abzubrchem die Rede aus etwas anderes zu bringen. Allein Hamm, so sehr sie auch bemüht war, ihm in allen Dingen den« Willen zu thun· konnte sich's dennoch nicht ver jagen, von Zeit zu Zeit an diesen Din aen zu rühren —- einrnal aus dem Empfinden heraus-, der Mann, der ibr das Liebste auf der ganzen Welt sei, müsse alles mit ihr theilen, und es wäre ein Unrecht von ihr, ihm gegen über Empfindungen zu unterdrücken, die, bevor sie ihn kennen lernte, ihr qenzes inneres Sein ausgefüllt hatten Und die auch jetzt noch einen reichlichen Theil ihres Sinnenz und Denkens ausmachten . . . zweitens aber hatte sie die Wahrnehmung gemacht, daß ihr Gatte nie weicher, nie liebevoller gegen sie gestimmt war, als gerade dann, wenn sie mit zagender Hand und ban gem Herzen an der verschlossenen Pforte rüttelte, die ihre Vergangen lseit barg. Er konnte dann ein «her renloses Gut« so warm a ieken« so tröstend in seine Arme nehmen, ihm so herzliche Worte sagen, daß Weh und Zweifel in Hannas Seele wie toeichesWachs dahinschmolz und nichts wie namenloses Glück und tiefste Dankbarkeit ihr Her erfüllte. Dann konnte sie nur ein Zinmrnez heißes Gebet zum Himmelernporsendem ihr dies Glück zu lassen —- den Einen, Einzigem in dem all ihr Denken nnd Fiihlem ihr Wollen und Wünschen be griffen war. Auch Kett fühlte sie kaum mehr ihre steifen, schwer enden Glieder, die ab ipannende digteit,. die das stun den-lange Siillsiten mit sich brachte. Sie «belte wieder einmal, und von dem r chtlosen Grübeln, das Yxhre WITH MZZWWFZ "« tue «nas e n gen tvart zurückkehren lies, tarn sie, wie i jedesmal zuvor. zu ihm, der ihr einsspz und alles mat. War es nicht wie ein seliger Traum, daß sie, hanna Pia-i treu-Stdn das »herrenloks,e Gut«, hier ; in des gefeierten, berii mten Bild-« hauers Cotta Atelier saß ——-sie, die! ihm heimlich angestaunt, mit seisekj Persönlichkeit wie mit seinen Werken einerk verschwiegenen, begeisterten Kul tus getrieben -—sie, die sie nun seine Frau war! Es war nicht leicht, das zu fein, ganz sicher —-— Willfried war in keiner Hinsicht auf den verheirathe ien Mann angelegt, er tannte leine Rücksichtnahme feine augenblickliche Stimmung, sein Belieben gab immer den Ausschlag. Aber war denn das rächt sein Recht? Sie hatten ihn alle verwöhni -—— Freunde und Freundin ven, Kollegien und Kameraden, Hoch aestellte und Reiche. Verstand es sich W für sie, die junge, unbedeutende Frau, nicht von selbst, daß sie ihn gleichfalls Verwöhnte, ihm alles zuliebe that, was sie ihm nur an den Augen Absehen lonntc7 Und lag nicht in dieser völlian Aufgaer und Hingabe des-; eigenen Jch, in diesem wehrlosen Ueberlassen an ein gewaltiges alles relmrschcndes Gefühll ein großes UlücL eine unnennbare Seligkeit? Wie sie jeßt aus feuchtfchimmernden, verklärten Augen zu ihm hiniiberfah, trafen sich ihre Blicke unt- er nickte ihr zu mit jenem Lächeln. das die Männer liebenswürdig die Frauen unwider ftehlich nannten »Wie das Kind mich lieth" dachte Cotta, während er mit beinahe spiele rifcher Leichtigkeit am Nackenansap seines Tonmodellä formte und knetete. »Und was fiir schöne Augen es hai! Noch schöner als HildegardsT Jch bin ihr fo gut, meiner Hanna, ich mag es gern, wenn sie da fo ftill um mich herum bantirt oder, wie-jetzt, andach tig dasitzt und sich ablonterfeien läßt —- Köpfchen und Gesichtgauadruck wie bestellt für eine Pfyche! Dies foll eine gute Arbeit werden —- und, wer weiß, vielleicht verliebe ich mich derweil noch in sie, fo wie ich vor jenen Jahren in Hildegard Unsinn! Das kommt nie mehr wieder! Dazu sind wir ein zu alter Kerl, haben zu viel erlebt, zu viel geliebt sind zu viel auch geliebt worden! Hat so was Rübrendes, das Lind, ist aber, fo wie ich jet-! bin, ei centlich nicht mein Genre!« Das eben war es! Hanna war ihm sympathisch, er fand sie hübsch. gra-« ziiis, auch intelligent, aber sie interef sirte ihn nicht sonderlich. Als Mangel empfand er dies nicht. Wenn es denn - geheiratbet fein sollte, so wollte er eine bequeme Frau haben, eine, die ihn nahm« wi er war, die leinen Aufwand f von Leidenschaft oder zärtlicher Auf « merlfaniteit von ihm verlangte. Eri freute sich, eine fv junge, anmathigei Gefährtin nm sich zu haben die in den schönen, fein zusammengestellten Ge wändern die er alle felbst für sie aus gesucht, immer ein reizendes Bild fiit4 fein verwöhntes Künstlerauge war« T deren ruhig gleitende Bewegungen, de- . ren weiches, dunkles Organ ihmwohk thaten -—— er freute sich ihres brennen den Interesses fiir seine Kunft unter wies fie, wenn es ihm gerade fo paßte, gern darin und fand es tattooll von ihr, daß sie leine Ansprüche an ihn stellte; sie follte jederzeit für ihn zus haben sein, durfte aber beileibe nicht! dasselbe von ihm verlangen! Nur teine 1 Emotivnen mehr! Was er an Feuer, an start-in Wollen und Können besaß . gehörte unweigerlich feiner Kunst. und so follte es bleiben! Er war der felsenfeften Ueberzeugung, daß es zu den Unmöglichteiten gehörte, eine Frau könne sich noch jemals feiner ganzen Seele voll bemächting l Daß er. der Eheieind, der geschwo rene Hagestolz, dies junge Mädchen heirathen müsse. hatte ihm von dem; Moment an festgestanden, da er seine! Ahnung bestätigt sah und in Hannasj Piotrowsty Hanna Schmidt wiederge- s sunden hatte. Gewiß. er hatte ihr, die j damals ein kleines Wiegentind gewe- ; sen war, kein Leid zugefügt, er wars auch nicht der Urheber des grausigem Familiendramas, das sich vor nun-s mehr zwanzig Jahren in seiner alten ; Heimath abgespielt hatte —- er nichts und nicht sein Vaters Aber Mitschul- i cige waren sie! Wohl hatte die Schwä- » che, der Leichtsinn des Banidirettorzs die Genußsucht und Verschwendung i seiner Frau den Raiin der unglückli-! chen Familie herbeigeführt, aber der- i selbe hätte sich aufhalten, vielleicht —--—’ wer weiß — gar völlig vermeiden las- » sen, wenn der alte Cotta als hilfreicher ; Freund einmal noch, ein letztes Mai, » dem oerzweiselten Mann die rettendez hand gereicht haben würde. »Ich kann J nicht helfen —- ich tann nicht Meint Derr Sohn tostet mich zu viel!«« Die» Worte hatte Willsried Cotta bis zum H heutigen Tage nicht vergessen. -—— Eri war leichtiebig angelegt, sawohl — ers nahm die Freude, wie und wo sie sich ihm bot, strupellos in der Wahl seiner 1 Mittel . . . . aber diese Tragödie seiner ; Jugendzeit,’ diese jiih hereinbrechende Katastrophe, die ihm seine erste Liebes entriß und zugleich die Familie, in de- ; ren Schoosz er zahllose frohe Stunden « verbebt . . . . nein, die hatte er niemals ! verwinden können! Jahrelang späterij war er ost Nachts aus wirren Träu- T men ausgeschreelt, die ihm die Opferi jener Katastrophe zeigten. eins um das s andere —- iahrelang hatte er wieder und wieder die mahnende Stimme ge- i hört: «hiittest du nicht wie ein sinn-( loser Verschwender gelebt und deine-u Vater gezwungen einen großen Theil ’ seines- mögen-s zur Deckung deuan leichtiinnrgen Schulden hinzugebenJ dann würde er seinem ungliIElichen Freunde geholfen haben —- dann wäre alles. alles anders getonnnenl« —Ach gut machen —- wieder gut machen tön nen, was er verschuldet! So quälend. fo brennend war dieses Gefühl oft in ihm geworden, daß er sich, um es zu übertauben, kopfiiber in einen Wirbel sogenannter Vergnügungen und Ge nüsse gestützt hatte, bis ihn der Ekel darüber faßte und er seine Zuflucht wieder da suchte, wo er sie nnweigerlich Hfand: bei feiner heiligen Kunst — bei seiner geliebten Arbeits Doch selbst Idorthin verfolgte ihn oft die Erinne irung und nahm ihm Schaffenskraft fund ArbeitsfreudigteiL Dieser leiden Lfehaftlielse Drang, gut zu machen, was er gefündigt. nahm freilich nie bei ihm bestimmte Gestalt an. Des tleinen Wiegentiiidchens, das er vor langen Jahren selbst zuweilen auf den Armen »gehalten Und, als Schwesterchen feiner heimlich Verlobten, gehätschelt hatte, dachte er laum noch. Er hatte sich da mals-, als das Schreckliche geschehen war. nach dem Kinde, das wie durch ein Wunder mit drin Leben davon ge tommen war, erlundigt daß dies Kind aber jemals als erivachsenes Mächen seinen Lebensweg treuzen könnte anf diese Jdee war er niemals- verfallen. Gleich vielen Men sfchem deren Phantasie sehr rege ist, ; war auch Willfried Cotta nicht frei von Aberglauben Jhm erschien es als eine iArt von Sühne, daß er, der seine Frei iheit iiber alles schätzte und die Ehe ver zfchworen hatte, jetzt der Gatte dieses -Mädchens wurde — und daß es ein xAtt der ftillschweigenden Sühne war, von dem niemand, am wenigsten Hanna selbst. etwas wußte. den höch stens sein Bruder nnd Alwine Erd mann ahnen konnten, das machte fein Gewissen noch ruhiger. tFortfcIZung folgt.) w Im Londouer Odem-. Die Hemm, die als eine halt-reli giöse Gemeinschaft bezeichnet werden dars, spielt im Leben der jiidischen Einwanderer des Londoner Osterw Stadttheiles eine wichtige Rolle. Aber sie wird nicht nur hier, sondern auch in alten jiidischen Kolonien Eng-! lands angetroffen, und so begeg net man ihr z. B. in Liverpool, Man chester und anderen englischen Groß stiidten. Welche Bedeutung sie in den dstlichen Distrikten der Themse:Me tropole hat, beweisen die letzterhältli- 1 wen statistischen Ziffern des Jahres( 3901, wobei. serner zu berücksichtigens ist« daß seitdem lnnd ganz besonders seit dem Augbruche des russisch-japa nischen Krieges-) der Zuzug jüdischer Kinn-anderer eine aussallende Steige rung erfahren hat. Diese sind zum ikberwiegenden Theile russischer Na tionalität. Abgesehen von den natu ralisirten britischen Juden, die, weil sie der era sernbleiben, hier nicht in Betracht kommen können, wurden im leßten Zensugjahre l1901) in Lon lcn nicht weniger als 38,117 russisch sklnische Juden tdavon 20,519 männ l.chen Geschlechts-) gezählt, und von ihnen waren 659 Schneider, 2158 Schuhmacher und 1602 Tischler. Jn diesen dreiGewerbezweigen haben die indischen Zuziigler die englische Ar keiterschast des Ostend Stadttheiles sast verbrannt, und es macht das in n«:l:t geringem Maße deanremdenhasz estiarucn der in jener Gegend unter ten enalischen Einroohnern zu finden tit. Tiefe führen, und zugestandenen maßen mit Recht, auch dariibet Klage, das; die Häuser überfällt sind, die sa ikitären Verhältnisse zu der größten Beiaraniß Anlaß geben und die Sitt Iichkeit durch das Zusammenleben deider Geschlechter jeder Altersstuse in egnem Zimmer, dag- Riiche, Schlaf Zimmer und Wobnraum darstellt, ge fährdet und untergraben ist. Die Mie then in diesen Einfamilienhäusern, in denen nicht selten ein Dutzend judi scher Familien wohnen, find daneben in einer Weise gestiegen, dasz sich der anspruchsvollere englische Arbeiter ge zwungen sieht, nach weit entlegeneren Stadttheilen aus-zuwandern Diese Verhältnisse haben dem Lon roner Castend heute einen ausgespro chenen jüdischen Stempel ausgedrückt. Die Hewra hat hier einen üppigen Nährboden, und obwohl sie zunächst nur als eine Stätte We gemeinsame Gebetübungen auserse n war, dient sie heute auch der Geselligkeit und dem lindsmänrnschen Zusammenschlusse. Sie ist der Tempel der Jstaelitem iein Vereinshaus, sein Lesezimmer, seine Herberge und sein Suppenauar :ier geworden; hier kann er den Tal rssud oder die letzten Neuigkeiten in der ortssprachlichen Zeitung lesen. Jm Castend wird nämlich eine- seltsame Mischsprache, das Yiddish, gesprochen, das aus Brocken hebräischen, en li ichen, polnischen und deutschen r sprungs zusammengeseht ist Es gibt wenige Straßen iin Lon tvner »Klein-Palästina«, in denen nicht Schilder über den hausthiiren das Bestehen einer hervra antiindigen. tskahezu jeder Iiidische Einst-anderer im Ostend gehört einer solchen an, aber das ungeschriebene Gese macht zur Bedingung; daß er ver irathet ;st. Die Zahl r Mitglieder nkt zwischen dreißig nnd vierzig, ein elne hewras haben aber auch eine olche von iiber hundert auPuweisern Das Lokal ist in vielen Fii en ein sei-muti qei kleines Hinterzimmer iiber einem Pserdesiall oder ein Zimmer zur ebe nen Erde, das einen usblick aus den Milllkasten des« hauses zuläßt, oder et ist eine geraumiqe helle und ein bequem einaerichtetes Vetsammlu t zimmen Die Stamme-i oder die » o tale Zumbörlqkelt spielt im Den-ra leben eine große Rolle, und lo sind die Mitglieder unter sich entweder ver wandt oder sie kommen aus derselben Stadt oder Gegend des ösilichen Eu ropas. Jede Heivra hat einen eigenen Redbe (Rabbinet), den sie aus der Oeimalh auf eigene Kosten «impok iiri«. Sie zählt auch einen Shcmmaä zu ihrem Vorstande, und seine Auf gabe istes, als Kassenverwe et, Thür siehek und Koch zu walten. Er ist ausnahmslos hoch bejahti und daher iiit ein Handwerk untauglich;« man zahlt ihm keine Geldenischiidigung, sondern isewillizii ihm Obdach und Speise. U-- « Sehen lvlt Uns den Mel-or uns Sharnmttz, ihren kleinen Kreis »und ihre Bersammlungsstiitte etwas naher an. Der Weg führt uns in das rz des iiidischen Distrilts, in dte riet Lane. Ein Hausschild verkündet uns das Bestehen einer Heivra.» Wir er klimmen eine schmutzige Stiege, »und unser Führer, ein Jsraelit in mittle tem Alter, siihrt uns in ein armseltg eingerichtetes Zimmer. Es ist duntel geworden und somit die Zeit des Maorin oder Abendgebetes tange rüclt. Jm Zimmer befinden sich drei zehn Anwesende ——— ausgezahlt drei zehn, weil diese Zahl als eine glück liche gilt. Die Männer haben sich zu re sechs auf den Bänken vertheilt; am Tischende sitzt der Rebbe. Er zählt sicherlich siebzig Jahre, und sein lan gte-Z, über die Schultern fallendes weißes Haar, sein grauntelirter Bart lerechtigen zu der Annahme, daß sie mit der Scheere des Barbiers seit Jah ren teine Bilanntschast gemacht haben Die Haarlocken über den Ohren des Alten verrathen seine —- Weisheit, seine Rabbinerwürde. Die anderen zwölf an dem Tische sind nicht so alt und anscheinend auch nicht so gelehrt, sie gehören zur Klasse der Yeshiba Bummler, die ihre Studienzrit auf einem Rabbinerseininar anderweit tesser verwendet haben türmten Ihr Wissen ist nicht ausreichend genug für einen Rab!)iner, und sie verbleiben da rum ihr Leb-en lang halb Student, balb Bettler. Meist bringt ein Rebbe auf seiner Reise nach England auch km Dutzend NeshibasBumntler mit, weites ihm später nicht an der erfor derlichen Zehn seblen darf, um einer rewra das Fortbestehen zu sichern. Jn den Hetvras mit einer großen Mit-— gliederzahl sitzen die Gläubigen den ganzen Tag über mit turzen Unter brechungen über dem Mifchna oder Gemara. Die Mitglieder sind ge wöhnlich tu arm, oft auch zu wenig obserbereit, unt die Mittel für ihre Seelenhirten aufzubringen, und diese nehmen daher zu einem anderen Mit tel ihre Zuflucht. Den Shamtnas tsnd den ältesten beiden Yeshibes wird die Rolle zuertheilt, an jedem Diens tag und Freitag mit Süden auf dem Rücken in dem Stadttheile betteln u aehen, und sie entledigen sich dieszer Ausgabe snit großem Geschick. Jeder besser gestellte Jude gibt einen Laib Brod, andere schenten Reis, Mehl, Koffer oder Zucker. Damit wird der Speiseschrant der Hewra gefüllt, um für die Woche vorzuhalten. Der Sbammas wird zum Loch, und wenn eH in dem Vereinszimmer an Wasser cder Kiichenherd fehlt, nimmt er ge gen eine tleine Geldentschiidiguiig, die aus der Hervratasse bestritten wird, die Dienste des Hauswirths einige Treppen tiefer in Anspruch. n dieser Weise füllen die Zehn die Jois n-· toausen des Mischnas aus, gelegen lich erhalten sie neben Staffee und Brod auch einen Salzhering zur Stärtuna des Leibes. Was übrig bleibt, witt an die iiidischen Wohnungslosen nnd Arbeitslosen bei-schenkt, die die Hewra als Schlasauartier benutzen. Kurz nach dem Mantib oderAbends atbet aeioinnt die Heivra einen geselli aen Anstrich. Einige Mitglieder sin den sich zu einem Gespräche, einem Orlhiin, ein, andere Besucher tomnien, um um Speise und Herberge u bit ten: auch Hausirer, die Knöp e, ho ientriiger und dergleichen seilbieten, sihlen nicht. Der Rebbe pflegt ge wöhnlich die Anwesenden sich allein zu überlassen und schlummert allmählich ein, der Shammas bereitet den Kassee zu; einige Anwesende brechen aus, die anderen verbleiben. Sie strecken sich aus den Fußboden oder den Bänken aus und bereiten sich in dieser Weise ein Nachtlager, um das man sie nicht beneiden mag. Es ist eine harte Schule der Prüsung, die der jiidische Einwanderer in London durchzutosten l;at, und zu spät kommt ihm gewöhn lich die Erlenntniß, dasz die Straßen ker Weltstadt nicht mit Gold gepfla stert sind. . . . NWON Am Bl. Januar hat der Abra. Lie berniann v· Sonnenberg im Reichs tage von Südloestasrita gesagt: »Ge eade dieses Gebiet ist die Perle unserer Kolonien.« Was bedeutet doch Per len? II If If Das Kabinett in Washington Ell beabsichtigen, strasrechtlich gegen n Standard Oil Trust vorzugeijem Wenn aber Rockeseller das übel iiisinmts O If O Wenn die Japaner wirllich den Frieden wollen« können sie ihn leicht haben. Sie brauchen sich nur besiegen zii lassen. « e Im Burgstödter Anzeiger und Jaaeblatt ist zu lesen: «Peteröburg, W. Jan. Gestern begab sich der her zoa von Leuchtenburg nach Zur-spie Selo und erstattete dein Zaren einen vertraulicheii.· wahrheitsgetreiien Be richt libet die furchtbaren Vorgänge. Der Zar soll völlig versassungilos ge wesen sein.« War et nicht das schon name-'s ,