Das Räthsel von Elvershijh. Roman von Reinhokd Ertmanw (5. FortseyungJ Sie betrafen das Schlug in dessen Vorhalle ein Theil der ienetschaftz und der Beamten den neuen Majo- ; kais-beten erwartete Erwin begnügte sich, einige ernste Worte, die dem An- . denken seines verstorbenen- Grofzvnters T galten, an die Leute zu richten, dann bot er Edithn mit einer gewissen Feierlichkeit den Arm nnd führte sie ; in die Wohngcmächer, in denen er,s wie sie ihm gesagt hatt-e, ihre Mutter finden würd-e. H Frau v. Linderode war nicht allein. ; Außer ihrem Sohn leistete ihr auch der j Pfarrer von Eichfelde wieder Gesell- ! schnit, und ihre vermeinten Augen be wiesen, daß sie des tröstenden Zu-· spruchs in der That noch seht bedürf- 1 iig wur. I Mit stummem Gruße gegen die bei- I den anderen trat Erwin, ohne den 2 Edithas freizugebem vor sie hin ! d fiihrie ihre unter heftigemSchluch- l sen barg-reichte Hand an seine Lippen »Ein schwerer Schicksalsschlag hat » uns betroffen, tbeuerstr Tantel Das wir nicht die We hatten, ihnabzu wenden, müssen wir ibn mit Ergebung « tragen. Wohl sollten diese Augenblicke einzia unserem Schmerz um den Ent schlafenen gehören, aber das Leben macht auch inmitten der iiefsienTtauer seine Rechte geliend Und weil ich nach Lage der Dinge annehmen darf, daß Du inzwischen von unserem Her zensbunde unterrichtet worden bisi. erbitte ich vor allem andern für Edi tba und mich Deinen mütterlichen Segen« A Unter vermehrt-en Thronenergietz ringen warf sich Frau v. Linderode, noch ehe er ganz ausgesprochen, an seine Brust. »O meine Kinder — nieine geliebt-en Kinder! Der Himmel lasse Euch glücklich werden!« » Das war alle-Z, wag sie in ihrer iibernroßen Rührung herausbringen j konnte. Editha aber stand starr wie eine; Statue, mit marmorweißem Gesicht und festgeschlossenen Lippen. Aus i nichts war sie so wenig vorbereitet ! gewesen als aus diese seltsame Wer- ? bang, die ohne Zweifel seine-eigent- I , liche Antwort sein sollte aus das groß- l müthiae Anerbieten. das sie ihm so- z eben unten im Pakt gemacht. Er war F mit seiner kurzen Rede schon zu Ende « gewesen, noch ehe sie seine Absicht be- j griffen hatte, und nun war das heim- i Eiche Verlöbniß mit einem Schlage zu « - einem öffentlichen geworden. Sie duldete die Umarmung ihrer ; Mutter mit jener beleidigenden Kälte, : die sie den Zärtlichkeiten der Frau v. s Linderode schon als Kind entgegenzu- H setzen pflegte, nnd sre neigte kaum merklich den schönen Kopf. als nun » auch der Geistliche herzutrot. um mit ernsten Worten seinen Glückwunschj anzubringen Vielleicht sann sie eben über eine recht hochmüthige und ver letzende Erwiderung nach, als Erwin in der liebenswürdigen Weise, die den sympathischsten Zug in seinem Wesen ausmachte, den alten Herrn unter brach. - »Ich danke Ihnen, Herr Pfarrer. und ich bin überzeugt, daß Sie als roettersahrener Mann wie als Freund meines Hauses die Gründe verstehen werden, die mich bestimmten, unser Berlöbniß gerade in diesem Augenblick ; öffentlich tun-d zu thun. Jch sage» «iifserrtlich'«, denn Jhre verehrte Per- « son repräsentirt-sitt mich gegenwärtig : die Qessentlichteit, und ich ermächtige ; Sie nicht nur, sondern ich bitte Sie sogar, von dem, wasSie soeben gehört ; nnd gesehen haben, unseren Gulsleu- ] ten und Ihren sonstigen Psarrlindern · en geeigneter Form Mittheilung zuj stehen« Es muß mir daran gelegen I W daß stock die Stellung mein-J sum-Wen und meiner lieben Braut von vornherein für niemanden Mk weiche Untlarheit bestellt, und — Ia ich nicht von dem Katasalt meines Großvaters ans die An ige unserer Verlobung in die Welt chicken kann, » nach-e ich um so zuversirhtlicher aus W äygtung für die Erreichung -. s« e .·' Ver Pfarrer berbeugte sich zustim nrend nnd empfahl sich zugleich, weil ( sei-like Umlsgeschiiste ihn von hinnen « rr n. Erst als er das Zimmer verlas-, fen hatte, ging auch Prosper mit dii i stetem Gesicht auf seinen Vetter zu »Ich gratulire Dir, ErwinS Und ichi wünsche, daß meine Schwester an Dei- E net Seite iv glücklich werd-en möge, s Æ es erboste " « aö an mir liegt diesen Wunsch . zu erfüllen, wird sicherlich geschehen. « Die Erwiderung war kühl gewesen I wie die Armee Sie reichten sich; webt die Hände, aber sie zogen sie beinahe zu gieicher Zeit wieder zurück s Die feierliche Stimmung des bedeut W Augenblicks hatte die Kluft sticht Ubert-rücken können, die sie vonl einander trennte und na dem Pia-l - spet sich mit schwerer Sei win- - , Imm- det teuren Höflichkeitspflichti Kett-di t zögerte er nicht länger, sich n ( G meine Du hättest ihn wohl ettse etwas herzlickpere Antwort geben — «fa9te Editha heil-. »Er liebt ! sich zärtlich mev fürchtet, mich jetzt cui immer zu verlierenck · I Erwin machte eine ungeduldige Be wegung mit den Schultern; aber es klang doch vollkommen Wlich und rücksichtsvoll, als er entgegnete: »Sein brüderlicher Egoismng kann sich doch wohl unmöglich bis zu der Erwar tung verstiegen haben, daß Du ihm Juliebe anvermählt bleiben werdest. Außerdem ist es gewiß nicht meine Absicht, Dich von ihm zu trennen. Wenn Du ihm als meine Braut oder als meine Gattin weniger giltst wie bisher-, so kann ich das wohl bedau ern, aber ich sehe nicht« wie ich es zu ändern vermöchte.« »Ich bitte Dich von Herzen, lieber Gewin. ihm seine Launen und unlie benswiirdigen Schrullen nicht nach zutragen,« fiel Frau v. Linderode eifrig ein. »Wir müssen uns zu sei ner Entschuldigung daran erinnern, daß er reizbat und gallig ist wie alle lränllichen Menschen« »Ich bin auch weit entfernt, ihm zu zürnen,« versicherte Gewin, »und ich hosse sogar, daß es mir schließlich doch gelingen wird, seine Abneigung gegen mich zu besiegen.« »Wie gut und liebenswürdig Du bist! Ja, nun kann ich beruhigt ster ben. denn ich weiß, daß meer Kind nirgend besser aufgehoben sein konnte als unter Deinem Schuhe« »Du wirst die Güte haben, mich auf einige Zeit zu entschuldigen, Er win,« unterbrach Editha den neuen Gefühlsausbtuch ihrer Mutter. »Ich sehe Dich wohl noch später drüben in unserer Wohnung.« Sie lehnte seine zuvortonimend angebotene Begleitung ab, und er ber abschiedete sich von ihr mit einem Handtuß, da ihm weitergehende Zärt lichteiten in der Trauerstimmung, die gegenwärtig aus Schloß Elvershöh lastete, als nicht schicklich erschienen. Auf dem halben Wege zum Schlöß chen holte Editha ihren Bruder ein. Aber die Begegnung war ihm offen bar nicht erwünscht, denn seine Stirn blieb finster umtoöltt, und er vermied es, die Schwester anzusehen, während sie Seite an Seite weitergingen. »Ich hoffe, man wird die Beisetzung nicht zu lange hinausschieben,« sagte er, nachdem sie beide eine Zeit lang eschwiegen. »Jeder Tag, den ich noch Bier auf Elvershöh zubringen muß, bedeutet für mich einen Tag der Qual. Jch wollte wahrhaftig daß ich noch vor des Großvaters Tode abgereist wäre. » »Du wirst auch nach seiner Bei setzung nicht abreisen wie ich hoffe. ! Es könnte sich leicht genug ereignen, daß ich Deiner bedarf, und es wiire wenig brüderlich gehandelt wenn Du mktr Deinen Beistand versagen woll- , te .« »Meinen Beistand?« wiederholte er mit einem bitteren Auslachen. »Das ist doch wohl nicht Dein Ernst. Hast; Du nicht jetzt einen mächtigen Be schützer in Deinem Verlobten, der zu( diesem Amte doch wohl besser geeig net ift als ich, und wirst Du nicht binnen kurzem hier unumschräntte Gebieterin sein? Gegen wen solltest Du da noch des Schutzes bedürfen?« Sie legte ihre Hand aus feinen Arm nnd zwang ihn dadurch, die dü steren Augen-zu ihrem Gesicht zu er heben. »Vielleicht gegen mich jelbtt, Prospert Und dan nicht Gebieterin auf Eloershöh Jch glaube es Dir gern, daß Du mir ein Opfer bringst, wenn Du bleibst. Aber ich zweisle trotzdem nicht, daß Du es thun wirft. Ich muß jetzt einen Menschen haben, dem ich vertrauen und aus den ich im Fall der Nothl l rechnen kann. Wo aber sollte ich ihn finden, wenn Du mich oerließest?« »Und das ist alles, was Du mir offenbaren kann-M Mit diesen An deutungen, die mich nur beunruhigen, i .statt mich aufzuklären, soll ich mich j oegniigeu?« . f - »Qlllllc Mich UlOL Dir Nicht zu sagen, ProsperL Vieaeicht ift die Stunde nicht mehr fern, wo ich Dir aus freien Stücken alles mittheilen werde. Bis dahin mußt Du Geduld mit mir haben, auch wenn Dir mein Benehmen seltsam und rätdselhaft er scheint. Und Du mußt mir verspre chen, zu bleiben.« s« »Wie dürfte ich versprechen, was ich vielleicht nur auf Kosten meiner Ehre nnd meiner Selbstachtung halten könnte? Du kennst mein Verhältniß zu Erwin. Es war unleidlich, so lange wir uns als Gleichberechtigte gegen überstanden -— wie könnte ich es jetzt erträglicher finden, wo sich die Ver hältnisse so gewaltig M feinen Gun sten verändert haben? uß ich es nicht als eine Herabwiirdi ung empfinden, gewissermaßen von einer Gnade zu leben? So lange wir das Almosen dieser Gastfrenndschaft aus den Hän den des Großvaters empfingen, konnte ich es allenfalls annehmen, Hi aber bedrückt ei mich wie das Bewußtsein einer Seh-mein' »Das ist eine übertriebene Em pfindlichlei-t, Prospek! Und snoch ken nen wir ja nicht einmal den . nhalt des Testamtö. Trotz seiner berei suns gegen uns kann uns der Guis vater reicher bedacht haben, als wir es vermuthen- Er wird schließli doch nicht gan Cz vergessen haben, da er Dir die Schersiellung eines ftans desgerniißen Unterhalts schon des halb schuldig war, weil Du der Ma joratöerbe bist, so lange Erwin b. Lin derode keine männlichen Nachlomrnen hat.« I Prosper schiittelte den Kopf, wäh rend es herb unt seine Lippen zuckte. »Solchee Erwägungen anzustellen. hat te er wohl kaum einen Grund. Er win ist kerngesund und tann achtzig Jahre alt werden, während ich —« »Du hast nicht seine kräftige Na tur« aber Du kannst ihn nichtsdestowe Iniger überleben. Wäre ich an Deiner sStellq ich würde die Möglichteit einer Isolchen Fiigung bei der Gestaltung meines ferneren Lebens nicht ganz außer Betracht lassen. « »Als wenn ich es überhaupt in der !«Hand hätte, mein ferneres Leben nach Meinem Gefallen zu gestalten! Jch « habe weder einen Beruf noch die Kraft, mich durch angestrenate Arbeit zu ir gend einem Berufe tauglich zu ma chen. Meine Gebrechlichkeit ließe mich Jsichetlich überall schon beim ersten An Jlauf stürzen. Daß ich dies armselige Dasein überhaupt noch weiterschleppe. ’tvill mir zuweilen als die jämmerlich ste Narrheit erscheinen« « »Und Du glaubst, daß ich Dich fortlassen werbe, jetzt wo ich weiß, daß solche Gedanken in Deinem Kopfe umgehenT Nein, Prosper jetzt verlange ich nicht nur meinetwegen, sondern auch urn Deinetwillen das feierliche Versprechen, daß Du bleibst. An dern Tage, wo Deine Mannesehre es Dir in Wahrheit verbieten würde, die Gastfreundschaft von Elbershöh langer in Anspruch zu nehmen, an dem Tage, das gelobe ich Dir mit Wort und Handschlag ginge ich mit Dir.« »Du? Die BrBaut des Majorats herrn?« »Ich würde treder die Braut noch die Gattin eines Mannez bleiben, der Dich beleidigt.« »Editha, meine treue, «herrliche Scknvester!« tief er mit halberstickter Stimme. Und ehe sie es hindern konnte, küßte er mit leidenschaftlicher Jnhrunst ihre Hände. »Ja, ich bleibe so lange Du meiner bedarfst. Und was auch immer Dich bedrohen mag —--s ich stehe zu Tir. Ich verlasse Dich nicht« ,,Und Du wirst Dich mir zu liebe zwingen, Erwin freundlich zu begeg nen, nicht wahr? Ich glaube. daß er die beste Absicht hat, in Frieden mit Dir zu leben. Auch wenn es Dir nicht gelingt, Deinen alten Groll gegen ihn zu überwinden. solltest Du ihn wenigstens nicht offen äußern, so lange er Dir leinen Anlaß dazu giebt.' »Ich werde es versuchen und werde Erwin aus dein Wege gehen, roo es möglich ist. Ach. Editha, daß Du Dich ihm verloben mußtest, gerade ihm!« »Still! Es ist zwecklos und grau sam, mich darüber jetzt mit Vorwür sen zu quälen. Und nun laß mich ein-e Weile allein. Jch habe einige dringende Briese zu fchreiben.« Sie setzte sich bald nachher wirklich an den Schreibtisch, aber der Brief an Erit Hallager tam nicht zu Stan de, obwohl sie ihn drei oder vier Mal von Neuem begann. «Nein!« sagte sie endlich. die Feder trotzig bei Seite werfend. »Heute nicht —- heute noch nicht!« Sechstes Kapitel. Die Beisetzungsfeierlichteiten aus Elvershöh waren vorüber. Unter der Theilnahme einer vornehmen und zahlreichen Trauerversammlung wa ren die sterblichen Reste des Barons Werner v. Linderode in das Mai-so leum gebracht worden, darinnen schon eine stattliche Zahl seiner Bor sahren ausruhte von den Freuden und Leiden ihres irdischen Wandern-L Auch die letzten Gäste, denen man als Angehörigen der Familie oder als näheren Freunden sür einige Tage in den Fremdenzimmern des Schlos ses Quartier gewährt hatte, waren abgereist, und das Leben der Zu rückbleibenden tehrte dem Anschein. nach allgeniach in seine ruhigen All tagigeleise zurück. Erwin, der sofort seine Verab schiedung nachgesucht und ohne wei teres den in solchen Fällen üblichen Urlaub erhalten hatte, war mit ju gendlicher Freudigkeit und Energie an die Ausgabe herangegangen, welche die Verwaltung des ausgedehnten Be sitzes aus seine Schultern legte. Und die Gutsbeamtem die ost genug unter dem strengen Regirnent des alten Ba rons geseuszt hatten, mußten sehr hold die Erfahrung machen, daß es sich mit dem neuen Majoratsherrn durch-aus nicht bequemer und ange nehmer arbeiten lasse. Er halte sei e scharsen Augen überall, war anmutig lich thätig und duldete nicht die kleinste Unbotmäßigteit gegen seine Befehle· »Ein Jnspeitor, der in einer geringfü gigen Arkelegenheit tros der von Er wm emp angenen bestimmten Anwei sungen nach seinem eigenen Ermessen handelt hatte, war am Morgen des gräbnisztages vom Fleck weg entlas sen- roorden, ob. leich er seist mehr denn ehn Jahre au Elverihöh rechtschaf en sei- Schmldigdeit gethan hatte. und esnherrschte seitdemeine sehr ge drückte Stimmung unter den Leuten, da jeder die Befürchtung hegte, daß dinnen Kurzem authihn das gleiche Schicksal tressen lönsnr. Ging doch ein slüsterndes Gerede, jener belanglose U horsatn. der noch dazu den besten Adrchten entsprungen Mk- sei gar nicht die eigentliche Ur sache siir die Entlassung des tüchtigen Beamten. sondern nur ein willkomme ner Vorm-and gewesen, mn einen Wunsch der Baronesse Editha zu er füllen. Man wußte, daß sie sich vor Monaten bei ihrem Großvater über eine vermeintliche Achtunazverletzung von« seiten des Jnspettors betlagt hatte. und dasi Baron Werner bei je der Gelegenheit ziemlich rücksichtslos auf die Seite seines Untergebenen ge treten war. Wenn auch selbstverständ lich Niemand einen areisbaren Beweis dafür besaß, daß sie jetzt als verspätete Genngthuung von ihrem Verlobten die Entfernung des Mannes verlangt hatte, so entsprach eine solche Annahme doch zu sehr der Meinung, die man von ihrem Charakter hegte, um einem ernstlichen Zweifel zu benennen Und »e; war fast keiner, der sich aanz sicher Iaesiihlt hätte, nicht bei diesem oder zienem Anlaß zu Lebzeiten des alten »Barons ebenfalls ihren Unwillen er regt zu haben. Die eigentbümlickte »Stellnna, die Frau Linderode mit ihren Kindern damals aus Elvershöh eingenommen, die Gerinaichätzung, die der Gutsherr melir als einmal seinen beiden Enleln gegenüber an den Tag gelegt, hatte nothwendig auch aus das Verhalten der Untergebenen zurück wirten müssen, und Niemand war vor sichtig genug gewesen, an die MHalickF teit einer Wendung zu denken. wie sie jetzt eingetreten war. Freilich beeilte sich seit dem Belanntmerden der Ver lobung ein jeder, durch äußerste Un tertviirfigleit und Dienstwilligteit wieder gut zu machen. was er nach dieser Richtung hin früher versäumt hatte, aber die hochntiithige Kälte und herrische Unnahbarteit Edithas trat sehr wenig geeignet, den Glauben an ein hochberziges Verzeihen in den Ge müthern der um ihre Existenz besorg ten Leute wachzurusen Daß sie bei dem neuen Herrn alles durchsetzen könne, was sie begehrte, war trotz seiner soldatisckpschneidigen Art Niemandem zweifelhaft, der sie miteinander verkehren sah. Je größere Beschränkungen sie aus Schicksalsriick sichten diesem Vertehr Vorläufig noch auferlegen mußte-ji« desto mehr schien jedes kurze Zusammentreffen Erwin zu begliirten. Seine Augen leuchteten heller, sobald er der schlanlen duntlen Gestalt mit dem stolzen Antlitz ansich tig wurde, und er lonnte sich nie ge nug thun an ritterlichen Aufmerksam-— leiten und zarter Galanterie. Zwar bewohnte die verwitttvete Baronin mit ihren Kindern noch immer das abgelegene Schwinden aber es war eine große Anzahl der prächtigsten Möbel und anderer kostbaren Aus stattnngsgegenstönde aus dem Herren haug dorthin geschafft worden: statt der einen Jungfer. niit der sich die bei den Dsaulen bis dahin hatten begnügen müssen, stand jetzt die ganze Diener schaft zu ihrer alleinigen Verfügung und bis aus den Titel sehlte Editha schon jetzt nichts mehr an dem An sehen und der gesellschastlichen Stel lung der gebietenden Herrin. Wie etwas Selbstverständliches das ihr von Rechtswegen gebühre, hatte sie das alles hingen-muten Den zur Trauerfeier eingetroffenen Gästen ge genüber, unter denen die Nachricht die ser uberraschenden Verlobung alsbald vonn Mund zu Mund gegangen war, hatte sie bereits niit vollendeter Sicher heit und Würde die Rolle der künfti gen Schloßsrau gespielt, und der alte Kamtnerdiener meinte in der Stille des Herzens, daß seintodter Herr sich im Sorge umdrehen müsse, wenn er das Gebahren der von ihni bis ’ zur letzten Stunde in so demüthigender Abhängigkeit erhaltenen Enkelin sehen könne. « Daß sie bei alledem mit ihrem blei chen, beinahe starren Gesicht und ihren kalten Augen nicht das Bild einer glücklichen Braut gewährte, setzte ei gentlich Niemanden in Erstaunen Man sah vielmehr auch darin nur eine » Aeusrerung ihres Stolzes, der ihr nicht jgestattete. der Welt die Freude zu zei n, die sie über den glücklichen Wech el in ihrem Geschick nothwendig ern psinden mußte. Und die kühle Zurück haltung in der Kundgabe ihres Ge siihlslebens wirkte urn so vornehmer neben dein Auftreten ihrer Mutter, die plötzlich unt Jahrzehnte verjüngt er schien, sieh beruahe lotette Trauerani ziige anfertigen ließ und beständig von den herrlichen Reisen sprach, die sie norhde Edithas Vermäblung machen wck . Der einzige, um den sich in dieser ausgeregten Zeit Niemand zu tiimmern schien. war der junge Baron Prospek. Er hatte auch früher aus Elvershöh nicht viel von sich reden gemacht: jetzt aber führte er ein so stilles und zurück gezoaenes Leben, daß ihn außer der Dienerschast im Schlößckxen nur selten Jemand zu Gesicht bekam. Unter dem Vorwande einer plöhlichen Unpäßlich keit speiste er aus seinem Zimmer, und sah in der That schlecht genug aus, um diese Entschuldigung glaubhaft er scheinen zu lassen. Aber seine ange grissene fundhieit hinderte ihn nicht, taalich lange Spaziergänge zu machen, aus denen er mit Sorgsalt alle Wege vermied, die ihn mit seinem Vetter Erwin zusammenfiihren konnten. Auch heute —- ei war nerade eine Woche seit der Beiseßung des alten Barons ver angen -- hatte er schon in seither orgenstunde das Schlöß cken verlassen und war im Walde umhergestreift bit ihn die Ermüdung veranlaßte. sich unter dem Blätterdach Weis-er Lache auf dem weichen Boden niederzustrerlen nnd sich in die Lettiire des mit enomsmenen ooltsioirthschasts lichen les zu vertiefen. Ertonnte so stundenlang aus einer Stelle liegen ohne irgend ein Bedürfniß nach Speise und Trank zu fühlen und ohne den Vorgängen in seiner Umgebung Be achtung zu schenken. Die Stimmen waren ihm so vertraut. daß sie sein Studium nicht zu stören vermochten, auch wenn sie in unmittelbarer Nähe laut wurden, und es mußten sich schon außergewöhnliche Dinge ereignen, um ihn aus seiner Weltvergessenheit zu werten. Etwas so Außer-gewöhnliches aber roar in der That der schmerzliche Aus schrei, der plötzlich dicht neben ihm ertönte. Er konnte nur aus einem weiblichen Munde aetommen sein, und betroffen hob Prosper den Kons, urn seine Hertunft zu ertunden. Er brauchte nicht lange zu suchen, denn wenige Schritte vor ihm schimmerte zwischen den Stämmen ein lichtes Frauengervand, und leise Klagetöne verriethcn, daß der Trägerin dieses Gewande-s ein Ungemach zugestoßen sein müsse. Prosper sprang auf und stand im nächsten Augenblick neben einem jun gen Mädchen, das mit schmerzlich ver zogenem Gesicht am Boden lag und sruchtlose Versuche machte, sich zu er heben. Der Strohhut war ihr vorn Kopfe geglitten, und die durch das Laubwerk vereinzelt einiallrnden Son nenstrahlen spielten aus ihrem gold roth leuchtenden Haar. Prosper war der Nichte des Odergsirtnerå wohl schon zuweilen sliichtig begegnet, aber er hatte nie zuvor gemerkt, daß sie so wunderschönes Haar habe. nnd als sie jetzt hilsesuchend zu ihm aussah, setzt-e ihn das eigenthiirnliche Farbenspiel ihrer großen Nixenaugen vollends in Verwirruna. »Was ist Jhnen geschehen?« stam melte er ungeschickt wie ein Schul tnabe. »Sind Sie gefallen ——— aber Sie katzlxepn sich doch hoffentlich nicht ver e .« Käthe machte einen erneuten Ver such. auszustehen, aber mit leisem Aechzen sant sie wieder zuriick »O doch -—— ich glaube, ich habe mir den Fuß gebrochen oder verrenkt —- o, es thut so weh! Wenn ich mich nur aus richten tönnte.« »Wollen Sie mir gestatten, Jhnen zu helfen? Vielleicht gelingt es mir, Sie wenigstens bis zu dem Stein dort zu führen, auf den Sie sich dann niedersetzen tönnen, bis ich einen Arzt oder sonst eine geeignete Person zu Jhrem Beistande herbeiaeholt babe.'« » a, wen Sie mir diese Freund schat erweisen wollen, Herr Baron! Jch gedachte, recht schnell vorüberw schliipfen, um Sie nicht zu stören, uud da bin ich wohl iiber eine Baum wurzel gestrauchelt.« »So muß ich mir obendrein die Schuld an Jhrem Unfall beimessen. Jch wäre untröstlich, wenn Sie in der That einen ernsten Schaden erlitten hätten.« « Er hatte Mühe, sie aufzuheben, und da sie außer Stande war, den verletz ten - usz beim Gehen zu gebrauchen, muß e er sie bis zu dem großen Stein, der glücklicherweise nicht sehr weit ent sernt lag, beinahe tragen· Es war fiir ihn eine nicht geringe Anstrengung ge wesen; trotzdem aber tvar es nicht die Anstrengung allein, die sein Herz in so stiirmischen Schlägen klopfen machte. Außer seiner Mutter und seiner Schwester hatte er noch nie ein weib liches Wesen in den Armen gehalten, und seltsame, bisher ungekannte, athemraubende Empfindungen durch strömten ihn bei der inniqu Berüh rung· Seine Wangen brannten, als er sie sanft auf den nioosigen Sitz hatte niedergleiten lassen. und er wagte ar nicht mehr, seine Augen biss zu ihrem Gesicht zu erheben. »Ich habe Jhnen hoffentlich nicht weh gethan,« sagte er leise. »Und ist es Zhnen ietzt bequemer?« » ja, viel besser. Jch danke Ihnen her lich, Herr Baron! Vielleicht ist der Fu doch nicht gebrochen, ich glaube, ich Zaun ihn schon ein wenig bewe gen. »Ich werde nach Eichselde hinüber lausen. um den Arzt zu holen oder — wenn ich ihn nicht antreffe —- we nigstens den Bade-. Jedenfalls muß doch so bald als möglich ein Verband sangelegt werden-« 4 »Nein, nein! Ich gebe es unter tei nen Umständen zu. daß Sie sich mei netwegen so viel Mühe machen. Die Schmerzen sind nicht mehr so heftig. Wenn ich den Fuß hier eine Weile ausgeruht habe, schleppe ich mich wohl nach Hause. Sie dürfen mich jetzt ge trost meinem Schicksal üerlassen.« ,Davon tann selbstverständlich nicht die Rede sein. Wenn ich nur im Stande wäre, irgend etwas zu Jhrer Erleichterung zu thun!« «Wollen Sie das wirtlich, to bitte ich Sie, in dem Bache, der ia kaum hundert Schritte entfernt ist« mein schentuch anzuseuchten Ein tiihler Umschlag wird am schnellsten Linde rung verschassen.« Er entsprach ihrem Verlangen so eilsertig, als hätte es gegolten, ein Menschenleben zu retten. Bei seiner Rückkehr sah er den zierlichen Schuh und den feinen schwarzen Strumpf neben ihr im Grase liegen, während sie den Fuß unter dem Saum ihres Kleides verbarg. Ein dankbares Lä cheln lohnte ihm seinen Ritterdienst. »Wie freundlich Sie sind! Ich weiß nicht, was ich ohne Ihren Beistand hätte anfangen follen.« , Prosper stamnrette verlegen ein paar Worte, die ihren Dank ablehnen sollten, und trat rücksichtevpll beiseite, bis Käthens helle Stimme wieder U tbkkt Prüf-ertönte »Ich habe mkch Flucklrcherweise umsonst gedagstigt.· Ei st« nichts gebrochen oder oerrentt. orhstens etne kleine Berstanchun . hen Sie, ich kann schon wieder au - treien.« Sie stand wirklich aufrecht da: aber als sie nun, gleichsam um ihn von der Wahrheit ihrer Versicherung u überzeugen, das wieder bekleidete z lißchen ansetzen wollte, erpreßte ihr der Schmerz von Neuem einen Wehe ruf, und es war gut, daß Prosper de reits an ihrer Seite stand, so daß sie sich an seinen Arm feittlarnmern konn te. Beim Anblick seiner besoraten Miene huschte indessen alsbald ein Lächeln iil«er ihr Gesicht. »Sie halten mich gewiß fiir recht zimperlich, Herr Baron: aber ich ver spreche Ihnen, daß ich mich ietzt JU sarnmennehmen werde. Es war nur der erste Schritt der noch ein bischen ;oeh that. Nachher geht es schon des er.« »Glauben Sie. den weiten Wea bis zu Jhrer Wohnung schon jetzt zit riicklegen zu lönnen2" frante er zuer selnd. Käthe aber bejabte unbedenk lich. während ihre gefährlichen Au gen bittend die seinigen suchten. »Wenn ich Jhnen znmuthen dürfte, mir ein wenig zn helfen. Vielleicht be gegnen wir bald iraend Jcmanden. der Sie aller weiteren Milbe über hebt.« Ptospct reichte lyk Den AMF unu sie stützte sich, durch die Enipfmdlich leit des verletzten Fuße-Z dazu gezwun gen, so fest auf ihn, daß er fast das ganze Gewicht ihrer Gestalt zu tragen hatte. Auch mußten sie in kurzen Zwischenrauinen stehen bleiben, weil sich der Schmerz durch die Anstren gung rasch steigerte. Käthes » gute Laune aber wurde durch die lorper lichen Leiden nicht beeinträchtigt. Sie plauderte so heiter und lebhaft, alsob sie sich auf einem Spaziergang befan den. und tie eigenthiiinlichenllmstande aaben ihrer Unterhaltung bald eine Vertraulichleit, die sie bei Prospers Schüchternbeit im Verkehr mit dein weiblichen Geschlecht sonst gewiß me mals angenommen haben würde. CFortsetzung folgt-) Wolken-Bildern Die Abbildung von Gewässern in Wollendeclen als Waltenthäler und Wollenliicken ist wiederholt von Luft schiffern lemerlt worden. Genauere Schilderungen dieser rnertwürdi en Erscheinung hat aber erst Professor Dr. Ert in München ge«eben. Bei einer wissenschaftlichen l allonfahrt, die von München aus stattfand, ist eg st. v. Bassuo gelungen, die Abbildung mehrerer Geivässer in der Wollendecke photographisch festzuhalten, und er berichtet über diese und einige andere Beobachtungen in den Jllustrirten Aeronautischen Illitiheilungem Alls besonders geeignet für diese Art Ab bildung der Geiviisser erscheint die Wollendecte, wenn sie ruhig liegt, nach oben scharf und nach unten beliebig abgegrenzt ist· Die meteorologischen Verhältnisse über dieser Wollendecke scheinen teinen direkten Einfluß auf die Abbildungen zu haben. wohl aber die Windverhältnisse unter ihr. Bei Windstille bilden sich auch die lleinsten Gewiisser deutlich ab, bei starkem Winde nur grö ere Flüsse. Geeigne tensalls bilden ich nach den Erfahrun gen v. Bassus’ so ziemlich alle über haupt vorhandenen Getoässer ab, vorn tleinsten Bächlein bis zum Strom, vom Tümbel bis zum ausgedehnten Moor. Kleine Bäche sehen wie Fur chen in der Wollendecle aus, größere Bäche und Flüsse erwecken den Ein druck eines Wollent lo, in irelcheni die Bewöltung aus einem Dunst be steht, der oft so dünn ist« daß die Erde durchschimmert. Eine sehr interessante Wahrneh mung machte v. Bassusn als der Bal lo·i·i bei»eine«r Gelegenheit aus großßer Hohe ziemlich schnell gegen eine von der Sonne grell beleuchtete Wollen decke herabstieg. Jri die er Walten decke wurde die Abbil ung eines Flnßlaufs als seichte Furche erkannt. auf dieser Furche aber»lag ein Wollen ballen (Cumusus), ähnlich einein gro ßen Pilz. Beim Landen aus der Erde ergab sich, daß die Wolkenfurche von der Jsar herrührte, der Wollenballen aber oon einein 10 Meter breiten Ue berfallwehr, über welches das Wasser alp rauschender Wo ersall herabfloß. ·Eine ähnliche Beo chtung hat vor " mehr als 35 Jahren Flammarion ge macht, der ans dein Ballen eine Wolle unbeweglich an ihrer Stelle verharren sah, während der Wind mit Heiligkeit wehte. Der Anker, durch den dieie Wolle festgehalten wurde, war eine Wasseransammlung unter ihr am Bo den. Ueber die nähere Ursache der Abbildungen von Gewässern in der Wollendecle weiß man mit Gewißheit nichts. Dr. Erd glaubt, sie entständen dadurch, daß das Fließen des Wassers in der darüber befindlichen Lust eine gewisse horizontalbewegung hervor rufe; allein v. Bassus bemerlt dawi der, daß man bei einem laum einen halben Meter breiten Bächlein eine Beeinflussung in diesem Sinne nicht annehmen könne. ; O ---— Castrow wird als Napolevn von Venezuela bezeichnet. Mag sein, daß er wenigstens ein ähnliches Ende nimmt, wie Napoleon. e- i- · Wer toll auf Ruhm nnd Ehren ist, Gleicht einem, der Arsenit ißt; Man muß ihm, soll er weiter leben. Beständig größre Dosen geben.