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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Feb. 24, 1905)
Merkenloses Gut. Roman von warte Bernhard. (21. Fortsetzung) Die sprechende Aehnlichkeit dieser junyen Donau Piotrotvsiy mit der Angst verstorbenen Hildegard Schmidt spat dem Bau-mästet selbstverständlich dein ersten Blick auf das Mädchen ,I»,«Msgesallen, und er hatte nicht ver je . im Laufe jenes Tages, der die Bekanntschaft vermittelt, seinen Kinder beiseite zu ziehen und ihm in saftigen Flüsterworten sein lebhaftes unen über diese merkwürdige H lichkeit kund zu thun. Ebenso leise und hastig hatte ihm dann Will fried die nöthige Erklärung gegeben —- diese sogenannte Hanna Piotrowgi ly sei eben niemand anders, als jenes kleine Wiegeniind, das man damals, als der Tod der Familie Schmidt mit Recht ein so ungeheueres Aufsehen er regte, unversehrt vorgefunden hatte, in tiefen Schlaf versunken-, die ge fällt- Milchfl-asche, die das tödtiichc Gift enthielt, im herabgesunkenen Händchen Sie, die Heldin dieser Tragödie. ahne aber nichts von dem ·cllen —- höchstens das eine, daß sie ein angenommenes Kind sei, und Richard müsse ihm, dem Bruder, versprechen, cuch seinerseits dies Geheimniß streng zu wahren, gegen jedermann, es sei, wer immer es sei! Bereitwilligst hatte der Baumeister das ohne jeden Vor behalt versprochen und sah sich nun durch sein Manneswort gebunden . . . eine unglaublich peinvolle Lage für ihn gegenüber Frau Kittys sragenden, pornyurssvollen Augen. Sie hatte seine Ahnung von der Existenz einer milie Schmsidt, zu welcher ihr tte, vor allem ihr Schwager, der einst in Beziehung gestanden hatte. RWrd Cotta hatte sie mit dem Be richt über jene grausige Familienha gddie verschont; er war damals ein so blutjunger Mensch gewesen, stand zu dem betreffenden Hause überdies nicht annähernd so intim wie sein Bruder . . . . wozu sollte er das weiche Gemüth seiner Kitty mit dieser düsteren, längst "vergangenen Geschichte belasten? Ungeduldig hatte sich die sonst so zartliche Gattin den Küssen und Lieb kosungen des Gemahls entzogen — nscht ohne Grund- witterte sie hinter dieser plötzlichen Hingebung ein schlech tes Gewissen. »Du bist — du bsist ganz garstig, Richard, wirklich! Du kannst mir gar nicht frei in die Augen sehen, du ver birgst mir etwas-ach Gott —— Gott —hab' ich das um dich verdient?« Sie legte die Hände vors Gesicht und begann bitterlich zu schluchzen. Umsonst betheuerte der gequälte Saite seine völlige Unschuld, seine uns terhriichliche Liebe und Treue —- Kit M Thriinen flossen, sie blieb tief ge kränkt. Selbst sein endliche-B Geständ IIM das in Rede stehende Geheimnisz Bisses nicht ihm, und er hätte sein . hrentoort gegeben, es zu wahrer-, smchtete nichts-. »Er-ich ein Ehrenwort hat ein ver heiratheter Mann einfach nicht- zu geb-IF rief Kitth in heller Empörung -Das ist eine Schändlichkeit gegen ice-n Fest-! Ek darf keine Geheimnisse Esset ihr haben, er muß ihr alles sagen, III iß sein-e Pflicht! Was hast du Isi- am Altar geschworen, frage ich HGB j-« MLiebe und Treue bis zum Tode — Gvtt will, werde ich das auch hal « ! Underer Leute anvertraute Ge dstiwuisse weiter zu erzählen, hab’ ich Wt nicht geschworen, mein Kind, und » kannst hier stehen und weinen bis :·; , . . . du erfährst es nichts« Der unreister war desperat ge «W, da er sah, mit Liebe und » . eit ließ sich nichts ausrichtem ’ »So « Kitth nahm das Taschentuch M Gesicht besuchte sehr emtgisch « I nnd blitzte ihren Mann aus Mintm Augen zornig an. » du mir aus der Tonart? « ist sur neu, aber vielleicht lerne ei mich hineinzufindent Dir ist -· die Liebe und Eintracht, die bis schen»un3 geherrscht hat, lang « Schaut Behalt’ dein Geheim ZMH ffit dich, vielleicht findet sich für such auch noch eins-, dann steht die Psriie gleich! Das aber sag’ ich dir: Isa- ich dazu thun kann, diese Sache, Eise sich natürlich um Will oder um FHIH nsa dreht, zu erfahren, das werde T;" thun! Kein Mittel will ich unver spsvcht lassen-—und das ist nicht etwa Ikwöhnliclce weiblicheNeugier, wie du sziekleicht denkst, nein, es ist mein echt. alles mit dir zu theilen, und »Hu-laß du dich fest darauf, was ich - kais-Hm will, das jetz« ich durchs-« Ohne den Gatten oder das weiß silberne Brunlgewand, das-, ver iich gleißend, auf dem Diwan z immer ausgebreitet lag, auch nur s- Blicks zu würdigen, nahm . siiiy ihre Schleppe auf, wars W in den Nacken und verließ i« Es-« - eher Haltung das Zimmer-. 17 . ilam die politische Kammer -«Min Scialobiedska las in »wer-ten in den »Wer , ah H M Miit-elfen nnd winke M ihr-er Gebieterin schon seit Jahre-« hatte standhaft alle Verlqu in den Stand ver Ehe zu treten, besiegt, unterstützte von ihrem hohen Gehalt einen verkriippel ten Bruder, der im Siechenhaus zu Kratau lebte, legte einen guten Spar gtoschen für die alten Tage beiseite und begleitete vie Gräfin getreulich auf allen Jrrfahrten, pflegte"sie, wenn» sie leidend war, frisirte sie, srischte» ihre eleganien Pariser-Hüte und Toi-’ leiten auf, hielt ihre Juwelen unter; Verschluß und war mit bemerkenswer- ! them Geschick heute Vertraute, morgen ; Freundin, übermorgen nur noch tin-J tergehene ihrer Dame, je nachdem die- ; ser die Laune stand. Denn LaunenJ hatte die Gräfin, und Bronislawai wußte auch sehr wohl, wer der Wär- J meleite war, der je t Ue Gefühlez ihrer nädigen zum ieden brachteJ um sie ebenso plötzlich bis zum Ge« srierpunlt sinken zu lassen. Die Pol itische Zofe hatte sich diesen rapidenl Wandlungen gegenüber eine gewisse stoische Ruhe angewiihnt —- ,,nil ari mirari« hieß ihre Parole, und, wenige stürmische Erlebnisse ausgenommen.1 hatte sie ihr Lebensschisflein bisher unter dieser Devise leidlich zu ihrer Zufriedenheit gesteuert. " Jetzt aber war, nach häusigen un heilvertiindenden Vorboten, die Sturnrslagge in Perrnanenz gehißt, und Bronsislawa, wie sie weinend in ihrem Stäbchen saß, überlegte bereits ernstlich, ob der Sparpfennig nicht vielleicht setzt schon ausreiche, fortan in Kratau ein beschauliches und fried sertiges Dasein zu führen. fernab von allen großen Damen und ihren unbe rechenbaren Launen. Schon während der Reise nach Lemberg war die Gräsin sehr tin-gnä dig gewesen. Es hatte sie.verstimmt, München, kaum angekommen, wieder verlassen zu müssen — die Zofe kannte die Ursache dieser Verftimmuna nur szu gut! — Die qanze bolnische Hoch izeit tarn ihr äußerst unaeleam Bro ; nislawa selbst war innerlich sehr ver saniigt gewesen, da sie ihre Hrimath jfanatisch liebte, länast sit-on Sehn j sucht dorthin empfunden hatte und an T dein Reiseleben ihrer Dame keine-n Ge lfallen sand. Selbftredend hatte sie Idiese ihre Empfindungen sorgsam zu ! unterdrücken und sich einfach zu fügen, I gleichviel, ob die Fahrt nach Lemberg soder nach Rom zuriick ging. ! Jn Polen nun hatte es eine Reihe jglanzvoller Feste gegeben, und die ’Gräfin hätte rnit dem Eraebniß der selben sehr zufrieden sein tännen, denn » es ließ sich nicht leugnen, daß sie aufj diesen Festen eine Null-mitne« hatte, i und zwar nicht nur als nahe Ver-i wandte des Gastgebers, sondern auchl als Frau! Des Abends, in großer Toilette, mit ihren berühmt schönen Brillantm war die Gräfin immer» noch eine in’s Auge sallende Erschei- I nuna. und es fehlte ihr keineswegs an huldinensden Kavalieren, die ihr das deutlich genug zu verstehen gaben. So gar verheirathen hätte sie sich können, mit einem alten, schwerreichen Sta roften, der einem der feudalsten vol-« nischen Adelsgeschlechter anaebärte.» Allein ihr Sinn stand nicht mästeickp s thum und Rang. Geld besaß sie selbst s genug. Gnäsin war sie ohnehin . . . . i und so ertheilte sie nrit souveränern Lächeln, ohne eine einzige sliiclnige Bewegung des Bedauern3, dern stür mischen Bewerber einen Korb und wartete voll Ungeduld den Schluß der rauschenden Festlichteiten ab, um zu-l rück nach München zu gehen, wohin sie ein stärkere-e Magnet zog, als allev Starotten von ganz Polen, mitsamrnt ihren Schäsern Da aber ertältete sich Gräsin Cilln, « wenige Tage vor ihrer festgesetzten Abreise, bei einer Schlittenfahrt, die man ihr zu Ehren veranstaltet hatte —- ertältete sich so bösartig daß sie den Arzt zu Rath zizehen mußte, und dieser tonstatitte eine schwere Jn fluenz mit Rippe ellentziindung, steckte die Patientiih ihre Krank heit absolut leugnen und mit Gewalt abreisen wollte, ins Bett und setzte Bronisbawa, die Kammerjungier da Lueves ca- Pflege-un Ein beauemes Amt war das nicht, das wußte die Polin aus mehrfacher Erfahrung heraus gut .enug diesmal aber kamen noch besonders er schwerende Umstände dazu. Die Grä fin wollte nicht lrant sein, wollte nicht im Bett liegen, fieberftillende Tropfen einnehmen und sich Umschläge machen lassen; sie behauptete, ganz gesund zu sein, wünschte mit aller Energie, ab zureisen und setzte, hinter dem Rücken des Arztes, zwei Aufstebwrsuche in SFenY die sehr schlecht ausfielen, hef ti e Rückfälle verursachten nnd der Pslegerin eineA scharfe Rüge seitens des Arztes zusagen Bromslawa hatte dazu stumm mit den Achseln gezuckt. Dieser fremde rr hatte gut fragen, wie sie solchen nsmn ezugeben könne und wofür sie denn eig tlich am Bett ihrer Dame sitze! Lieb-er Gott« sie saß da als die be hlte Untergebene der Griifim die ich doch nicht erlauben durfte, ihr zuwiderzuhandeln, wenn sie nicht ihren Posten verlieren wolltet Es waren böse Tage und Nächte ge wesen, die aus diese improoisirten Fluchtversuche folgten —- die Gräsin lag in Fieberphantasienz sie war in Rom im Aselier ihres- Freundes, sie sah seine fertigen Arbeiten, seine Ent wärfe, sie stritt und versöhnte sich mit ihm — und dazwischen, wenn sie abw wegs zur Besinnung kam, fragte sie ganz leise, aber in ergreifendem Ton ,.Aber warum iümmerst du dich nicht un mich? Hast du mich vergessensDu hast mich doch sehr oft deine beste Freundin genannt . .. warum schreibst du mir jetzt denn nicht eine einzige armselige Zeile?'« - Und frühmor gens, wenn die Kranke am klarsten war, lautete ihre erste Frage an Bro ;is?lawa: »Nein Brief aus München a.« Nein, es war keiner gekommen, kam überhaupt keiner, solange die Gräfin in Lemberg war... und ihr Aufenthalt dehnte sich iiler Monate aus, denn als sie endlich das Bett ver lassen durfte, da war sie so schwach, dasz sie teinen Schritt Pein thun konnte und die Zofe sie "tzen und leiten mußte, wie ein Kind. Jetzt fragte sie nicht mehr, oh Nachricht aus München da sei, man brachte ihr ja jeden Brief sofort ins Zimmer, und sie erhielt viele Briefe; die zahlreichen Freunde und Bekannten, die sie wäh rend ihres jahrelangen Reiselebens ge wonnen- schrieben ihr häufig, lustige, interessante Briefe, auch warm und theilnehmend ——— aber der eine Brief, nach dem ihreSoele lranthaft hungerte und dürftete — der blieb aus! Kein Zweifel —- Cotta, ohnehin kein eisriger Korrespondent. hatte das Blatt, auf welches sie ihm sorgfältig ihre polnische Adresse notirt, verloren, und er war viel zu unbetiimmert, um einen ihrer gemeinsamen Freunde schriftlich um diese Adresse zu bitten. Himmel, sie war ja nicht aus der Welt gegangen, sie wollte ja wieder nach München zurücktommen. und wknn sie nun ihren Aufenthalt in Polen viel länger ausdehnte, als sie beabsichtigt hatte, so war das eben das sicherste Zeichen, wie wohl sie sich in ihrer alten heimath fühlte, wie gut » sie sich dort amüsirte! Das gönnte er « ihr von Herzen-» sie lieszen sich’s« eben beide wohl sein während der Trennung — beim späteren Zusam- ; mensein war man wieder vergnügt und hatte einander hundert Dinge zu erzählen. « So war sein Gedantengang. das sagte sie sich zahllose Male des Tages mit bitterer Genugthuung. Sie schwelgte förmlich darin, sich selbst zu ; quälen, sich immer wieder dasselbe; vorzuhalten: »Dieser Mann braucht dich nicht zu seinem Leben — er wird . ausgezeichnet gut ohne dich fertig! Wie kommt es —- ach, wie kommt es, daß » du nicht ohne ihn sein lannst, dasz er I dir so nothwendig ist, wie Luft und Sonnenlicht?« —- Und sie schwelgte auch darin, zu tonstatiren, welche Ver änderungen die lange und schwere Krankheit in ihrem Aeußeren zuwege gebracht hatte. Halbe Stunden lang konnte sie vor dem Spiegel- sitzen und schwermiithig hineinstarren, die Hände schlaff im Schooß. Kein Fältchrn um Schläer und Wangen, iein hervor tretendes Geäder, teiiie Trübung der Augen entging ihrs-sie tam sich seit wenigen Monaten um zehn Jahre ge altert bor. Bronislawas immer wie derholter Trost, das sei alles nur eine nothwendige Folge der Erkrankung, und die gnädige Gräsin werde binnen kurzer Frist schöner und frischer aus bliihen als je zuvor, wurde mit einem trüben Lächeln und Kopfschiitteln oder mit einer scharfen Mahnung den Mund zu halten, zurückgewiesen. Es bliihte sich nicht so ohne weiteres schö ner und frischer aus« wenn man aus den Tod trank gewesen, fast sechsund vierzig Jahre alt und tief gequält im Gemüth war! Endlich und endlich hatte man rei "sen tönnen, war, nach einer angrei senden und langweiligen Fahrt, bei stürzendem Regen in München einge troffen und in den »Wer Jahreszei ten« abgestiegen. Dort siellte es sich heraus, daß das Quartier, das die Gräsin dor mehr als einem Viertel jahr inne habt, inzwischen längst an zandere Gä vergeben und auch nicht wieder zu erl en war. Die neuen Zimmer erwieen sich als unzweck . mäßig gelegen und zu klein« ein ande res Logis wollte die Gräsin auch nicht aufsuchen, das Bedienungspersonal im Hotel hatte elt und gab un zweideutig zu der hen, da es nicht gewillt sei, die schlechte timrnuiig reisender Damen. gleichviel ob es Grafinnen oder Bürgerliche seien, aus seinjkontozu W . . . es war tein Igiinstiger Stern, der über der An Zlunst in München strahlte, und Bro j nislawa wünschte sich inbrünstig nach i Lemberg zurück, sie hatte von jeher ein ! siarles Vorurtheil gegen »dieses , Deutschland« gehabt. Das schlimmste sollte aber noch kommen, als eines der zierlichen Be dienungömädchen des hoiels der ohne hin schwer gereizten Dame eine Hand voll Briese überbrachte: die seien in letter Zeit an verschiedenen Tagen siir rau Gräsin hier im Hotel aus gut löck abgegeben worden« Saht-as ließ sich erliiirenl Man wußte ja, sie wollte nach München zu rückkehren, und es verstand sich siit eine Griisin Sczolobiedsta von selbst, daß sie in den »Wer Jahreszeiten« logitte. —- Bronislawa, die imSchlas zimmer ihrer Dame einen großen Reisetosser auspaate —- sie war gerade dabei, mit spiien Bürgern das Pariser Brolat- nnd Spi nwunder, das in Leusberg als Hochzeitsgewanb gedient hatt-e, zu glötten und zurechtzuzupsen —- Bronislawa also sab mit einem flüchtigen Seitenblicl, wie die Gräsin aus den W oder fech- Vriefm rasch einen grasen viereckigen herausspns derte und mit behenden, netdösen Fingern das Kapert auftifk Erschrocken sprang die Zofe im nächsten Augenblick von ihren Knieen auf, war mit zwei Schritten bei ihrer Gebieterin und legte den Arm um sie, denn die Griifin war zurückgeschwantt, aschfahl im Gesicht, die Augen weii offen, ein irres Lächeln um die Lippen, eine Hand vorgestreckt, als müsse sie etwas Schreckliches abwehren. Wie Broniglawa sie berührte, stieß sie sie zornig zurück. »Was willst du? Wie darfst du dich unterstehen, mich anzufassens Laß mich in Ruhe -—-— sieh mich nicht on — geh an deine Arbeit —- und ich ——— ich will auch neben!« , Damit rasfte sie die lange Schleppe Iihres schweren sammtnen Mor entlei-« lEises- vom Boden auf und lie mehr, als sie ging, in den benachbarten Sa Hlon, dessen Thitr sie mit schallendem lTon ins Schloß fallen ließ Auf dem Teppich neben dem Kamin . lag das zerrissene Anvert, dessen Auf schrist wohlbekannte Zuge trug, nicht weit davon der Inhalt des Kuverts, tein Brief, nur eine große, steife. be druette Karte Und wenn es um ihr Leben gegan aen wäre, Bronislawa hätte wissen müssen, was aus dieser Karte zu le en stand. Mit tatmhafter Geschmeidig teit biickte sie sich tief zur Erde herab und las, oh e das Papier mit der Hand zu ber· ren: »Willfried Cotta, Bildhauer aus Rom, beehrt sich, seinen Freunden und Belannten-seine am zwanzigsten die ses Monats vollzogene Vermahlung mit Fräulein Hanna Piotrowsth aus München anzuzeigen. München im April 1899." Noch verweilte die Zofe in ihrer ge kengten Stellung, als sich bie Thsir in ihrem Rücken öffnete und die Gräsin aufs neue in Sturmes-eile herantam. »Wo ist derBrief -——wo habe ich —— ab. du hast spionirt, elendes Ge scköoi. das du bisw Bronislawa duckte sich, um der drohend erhabenen Hand ihrer Herrin auszuweichem »Nicht schlagen, Frau Gräsint Nicht schlagen! Einmal hätte ich es ja doch erfahren müssen!" Der erhobene Arm sanl schlaff nie der, wie leblos hing er herab. Einmal hättest du es doch« . . . Tonlos.murnielten es die weißgewori denen Lippen der Frau. »Ja —es ist gut --—— du hast recht ——-— wenn alle Welt es weisz und erfährt... warum du nicht?« Sie stieß mit dem Fuß verächtlich gegen die Ratte, daß sie auf dem Teppich miterslog »- gleich darauf buckte sie sich blitzschnell, hob sie vom Boden aux und starrte mit heißen Anaen au den Namen: Piotrowsth. Sie blieb so stehen und starrte, ohne es zu beachten, daß Bronislawa leise aus dem Zimmer geglitten war. Wie war das möglich? Wie hatte das geschehen, wie hatte er ihr das anthun können? Ja — ihr —- ihr! Sie war seine Jugendgeliebte, seine Freun din, seine Muse, sein guter Kamerad —- welche Namen hatte er ihr nicht.ge aebenl Eine Reihe von Jahren, eine Kette von Erinnerungen, immer er in ihr Leben hineinverwebt, siein seines! Seine Arbeiten, seine Kunst, die guten Freunde, seine Liebschasten auch. die ihr andere zugetragen. die er selbst ihr lachenden Mundes gebeichtet hatte . . . auf die hatte sie nicht eifersiichtig sein dürfen. auf die nichts Lange ge nug lebte sie in der Welt der Künst ler, kannte ihre Begriffe iiber vie »Liebe, die da kommt und geht, flüch rta. wandelt-an tote Aprklwetter, eine Sache, die niemand ernstlich nimmt nun gar bei Will Cotta, dem spontanea Franenfreund mit dem dehnbaren herzmusteL der jedermann, der es nur hören wollte, frank und ; srei erklärte, daß er ohne Weiber ein isach nicht leben könne. s Das wußten sie alle in Rom, die fihn kunnten, und hielten es ihm zu iant, ein Genie, das so herrliche Werte lichUL dem konnte man es allenfalls ver «hen, wenn es mit der Moral ni auf dem besten Fuß stand. Was sie aber auch alle in Rom wußten und womit sie, Cillh von Schola biedstch sich seit ahren hundertmal in aller Stille r t hatte, das war die unumstösz Thatsache: Will Totta hat eine heilige Scheu vor der Ehe! Will Cotta wird niemals hei rathen! , » — Das war der Balsam gewesen, den die leidendschastliche Frau täglich, oft tiindlich, aus ihr heißes-, zucken-des, qlitetverlangendes Herz gelegt hatte. Wenn dies Herz ausschrie in wildem Weh: Du wirst ihn nie, nie besitzen! dann kam der Trostgedanie: Du nicht Maber auch keine andere! Er war nicht dazu geschaffen, in einer Frau auszugehen — seine Jugend war hin ge angen in ernster Arbeit, in stempel lo em Genieszen — die Frau hatte sieh in Sicherheit einwiegen lassen in dieser langen Zeit; ein Wunder ohnegleichen hätte geschehen müssen, mn diesen Mann zur Ehe zu belehren. deckö hatte sich vollzogen, das Wun e. Wie Fnrien fielen ungezügeltecäw psindungen die einsame Frau an: die beleidigte Eitelkeit, die wie ein körper lchei Weh in ihr fraß, das Bewußt sein ihrer entslohenen Ju nd, ihrer Ohnmacht dieser — Thal ache gegen iiber — der brennende Wunsch- den Mann. der sie so grenzenloi leiden machte, hassen zu Mai-en, nnd zu lei cher Zeit die Uebeezeugnng« ihrer n sithlgsett dazu; « stne . e, wie das Weil- bes ssen sein tsnnte, das ihr denf Geliebten ge raubt —- da den ein Grauen, dies Weib nue z sehen —- quälendet Durst nach Rache, und dazu eine höh nische Stimme, die in ihr schrie: Wie willst du, wie kannst du dich töcheni Womiti Wodutchi Du bist ohnmiich tig, ohnmiichtig diesem Schicksal ge genähert Ein Frieten und Zittern ging über die stolze Frauengestalt in dem prun tenden, leuchtend rothen Sammtge wand. Mit verächtlich hetabgezogenen Lippen blickte sie darauf nieder. Es fiel ihr ein, wie sie seit langen Jah ren leiwe Toilette mehr gewählt, keinen Mantel, keinen Hut getauft, ohne an ihn zu denten, ohne sich zu fragen: werde ich ihm so gefallen? Es hatte sie glücklich gemacht —- wie glücklichl —- wenn et zuweilen mit bestiedigtem Nicken gesagt hatte: »Das ist hübsch, Cillnl Das steht Jhnen gut zu Ge sicht!« Nat-tin die sie gewesen wart Jetzt, in dieser Stunde, da sie so atausam litt, mochte er da stehen und strahlenden Auges das Weib feiner Liebe schmücken. Das Weib seiner Liebes Sie wiederholte sich das Wort voll bewußter Qual. Und wie mußte et dies-Weib lieben, wenn ek. Will fkied Entla, ihm seine goldene, tau sendmal gepriesene Freiheit zum Opfer brachte! lFortsetzung folgt.) Die Viert-ändern Das Geschlecht der Mulsant-en von denen hier gesprochen werden soll, un terscheidet sich von den Originalassen durch bloß zwei Hände und eine über-« aus täuschende Menschenahnlichteit. Sie bilden eine besondere, bot-hinter essante Spezies. Statt aus Bäu men, klettern sie aus Ebenholz und Elsenbein herum. Sie besitzen-stellen weise bedeutendes Nachahmungstalent, betreiben die Assrrei mit Vorliebe und nähren sich von Notentöpsen, Eigen diinkel und der Geduld ihrer Mit spieler. Nach dieser naturgeschichtlichen Schilderung dürfte der freundliche Le ser über das Wesen des Vierhänders genügend orientirt sein. Eduard Hanslick delretirt und er tlärt den Vierhänder siir jeden or dentlichen Klavierspieler als Kunst nothwensdigteit Vielleicht bloß die Pianisten ausgenommen; denn meistens brauchen diese iir ihre Zwecke die gan ze Breite der laviatur, und im Gro ßen und Ganzen geht sie —- ausker ih ren Produttionsnunimern — die mu sikalische Gesammtliteratur nicht viel an. Wer aber ohne Concerttnurneen und Lorbeergriinzeua Musik macht und aus applaudirende Zuhörer verzichtet« der lann aus die Dauer ohne guten Vier händer nicht bestehen. Seit über dreißig Jahren betreibe ich nun die Vierhsändenei und habe aus diesem Gebiete Erfahrungen gesam melt, die lustig und traurig, lächerlich und ernsthaft, in ihren bunten Er scheinungen ergößltiche Abwechslung bieten. Für mich selbst ist und war die Vierhänderei nicht bloß das Mit tel zum Studium der Musitliteratur, der Kultus all ihrer Mysterien und Ostenbarungem sondern auch ein ält hetisches Erziehungsprinziv die reinste Genußlinie meiner seelischen An sprüche » Wie ost, wenn ich am Nachmittag ein Quartett von Mozart oder Beethoven, eine Symphonie von Schumann oder Brahms mit einem guten Vierhänder gespielt und all den Reit, den Reich thum und die übersinnliche Gewalt der herrlichen Tondichtungen in der Seele genießend ausgenommen hatte. wie ost sagte ich still lächelnd zu mir selbst: »Nun tann ich heute Abend ruhig in Gesellschost gehen und zwanzig lang weilig-km hohltövsigen Menschen gedul dig zuhören; ich habe meinen Theil am Genuß schon dahint« Da man Gottlobt ——-«nicht alle Concerte besuchen und leider! nicht alle großen Meister und Meistervereinigun gen hören kann, so ist das sonst gering chtete Klavier und der darwinistrsche Nismmling — der Vierhander —«— das weitaus beste Expediens, um ein gehildeter Musiker zu werden· Jch habe nur äußerst wenig vollen dete Vierhiinder angetrossen, trotzdem ich mit eint Unzahl von hervorragen den Pianistem Pianisttnnen und ditto Dilettanten gemerhändert habe. Aber die hohen Feiertage und die reinen Diamawen gehören zu den Seltenhei ten, und der Rest? -.— heiliger Dar tviiåri . Es waren viele echte Assen dar u et. —-—-—-————.——q—— Uns-er den soqenannien guten Kla vierspieletn begegnete ich den merk würdigsten Exemplaten, die sowohl durch Qualität zu festen Tyven sich herausbildeten Wie rasend ignorant die meisten Viekhänket sind, davon macht man sich nur chwer einen Be griff. Daß sie meist nur Roten spie len, wenn ej hoch kommt, ihren Pakt bewältigen —- die meisten können ja entweder nur Primo oder nur Sekundo spielen — wedek«Selbsiständigteit noch Anpassungsvetmögen besiizen, das ist He Generalbasis der meisten Viert-än r. «.L-eißi das Musiziten?« sagte ein kluger reund eines Tages, als er Zeuge olchen frevelhasten Spieles war, »das ist ein Kampf, ein minnt-en der Hempr Die besonderen Sünden und Gebre chen variiten in allen Nimmt-L Da ist vor Allem die große Gemeinde der »Von-is ucket«. Idee echnit isi mehr als bescheiden. sie mein mit aaeu zehii Finger-» m Spielatt keine Rede, da main doch be ständig Spiele-wart u hören kriegt Drei Viertel des sitsiiickes liegen unter dem Klavier Glücklichettoeiie sind die Stubenmädchm sehr gewissen haft und fegen am nächsten Tage das ( immer ordentlich aus« Während des pietens versichert der Viethändet, »daß er sonst viel besser spiele, aber die Angst vor dem ausgezeichneten Partnet . . .!« Himmel! Angst braucht man doch blon vor einem schlechten Partner zu haben! « Eine liebliche Gattung sind auch die »Pausenfresfer.'« Jhnen imponrrt kaum die Note, geschweige die Pause. Wie die Bleivögel kleben sie an den Tasten· Jhr Spiel ist plump, beleidi gend, leblos wie ein Phantom, das nicht athmet. Auch sitt die Fermaten haben sie weder Sinn noch Empfin dung. Ich bin übrigens vielen. sogar »gut geschulten Musikanten begegnet, welche fiir die Dauer, die Bedeutung der Fermate nicht das so nöthige Fern gefiihl besassen Jst es wirklich« so schwer, das tiefe, breite, oraanesche Ausnthinen einer musikalischen Periode richtig zu empfinden? Unter die unleidlichsten Vierhiinder gehören die »Deteltives«. Sie suchen und finden überall die haarstriiubend sten Aehnlichleiten, entdecken die frech sten Gedankendiebstählr. Mit boshass tem Behagen weisen sie Richard Wag ner nach, daß er bei Ossenbach und Anderen unbestreitbar Anleihen ac macht. Jeden Augenblick unterbrechen sie das Musiziren, um triumphirend auszurufem »Sehen Sie, das ist von da und da gestohlen!« Selbst Bach und Beethoven sind vor ihrer dummen Polizeinase nicht sicher. Sehr beruhiaend und äußerst lang weilig, sind die »Klavierheamten«, pünltliche, pedantische Vierhiinder, de ren Phlegma und Temperamentlosig leit jeden Musiler zur Verzweiflung treiben. Sie spielen wie ein Uhrwerk, haben niemals eine Meinung-« es ge fiillt ihnen Alles gleich gut, und sie sind imstande. mitten im Trauermarsch der Eroica vom Klavier aufzustehen, wenn sie sich zufällig daran erinnern. daß sie einen Brief auf die Post zu bringen haben: Jni Geaensatz zu diesen stehe-J die »Baßbanditen«. Jhre wild-e Begeisters ung schlägt über alle Stränge. Jhre Domiine ist das dreimal gestrichene Fortissimo Mit dem Pedal stehen sie auf dem Fuße derUnzertrennlichkeit. und trotzdem sie mit einem Partner am Klavier sitzen, spielen und hören sie bloß sich selbst. Diese Viert-ander spielen ausschließlich den Selundopart und sind im aetvöhnlichen Leben starke Streber oder Trinker. Die tveibliciienVierhiinder sind größ tentheils gute Christen: ihre rechte Hand weiss nicht« was ihre linle thut und umgekehrt. Wenn sie aber wirk lich schon mit beiden Händen spielen, dann geschieht es- in stetem Arbeits-rinn do -—--— niemals gleichzeitig Jch habe gefunden. daß Damen, die »in ihrem Vergnügen« spielen, stets äußerst er barmungslos sind, sie schonen weder Port-ter, noch Komponisten; sie arbei ten gegen Tempo, Rhythmus, gegen den geistigen Inhalt der Composiiion —-— Hauptsache ist ihr »sogenanntes Vergnügen«. Die guten Clavierspie lerinnen, ja die ausgezeichneten sind die schlechtesten Vierhiinder. Franz Liszt hatte einmal in Budas pest den Einfall, während einer Klas se in der Musikalademie den vierhän digen Trauermarsch aus der »G·otter dämmerund« auf’s Clavierpult auszu legen. Zwei hervorragende Piantstin nen, die schon sämmtliche Rhapsodien, Phantasien und Paraphrafen todtge schlagen hatten, wurden vom Meister aufgefordert, das Musikstück vom Blatt zu lesen. Nach wiederholten Versuchen ging die Geschichte absolut nicht. List lächelte säuerlich, schickte die octave gewaltigen Damen weg und forderte zwei andere, nicht minder imponirende Coneertistinnen auf. das » Wsrgnifz zu versuchen. Als es auch diesmal nicht ging, verschwand das Lächeln von seinen Lippen. sinstere Falten erschienen zwischen seinen Au gen« wüthend schlug er mit der gehalt ten Fausi auf’s Pult und schrie: »Und Jin wollt Musiker seini« Mein Gott! Wollten sie er denn seini Sie waren ja doch — Piani stinnenl Liszt hatte sie ganz und gar verkannt hatte ihnen schweres Unrecht gethan! MDie Zahl der wirt ltch guten Vierhiinder ist erschreckend lletn; ich könnte sie aus meiner Pra xis an den Fingern einer Hand her ziihlen Wie selten sind sie, die ganz Eingeweihten. die im eTempel der Kunst, der Schsnheit still und feurig mit uns beten, die Gott verstehen und denen ein Gott gegeben, dass sie sagen tilnnen, was sie empfinden. -—— Darum —- ein guter Vierhiinder ist ein Lotte rtegewinnst, ist ein unverdientes Glück, ebenso wie eine gute Ehenottiin und wer einen solchen gefunden, zdee mische seinen Juhel eini« J"llahorovih-Barnah. Jn der Schuf-schen Zeitung Juckt in vornehmem Hause dauernd junges Ehepaar gut ncöbliktes Zimmer mit Pension«. JäuiionI Dauer-w bleibt nach ein Ehepaar nicht jung. i ·- i Jn Rett- otk schließen die Alt-et männee jeiz Eben für Nishi-» frei. gesess. Jst es da ein Winde-, wenn die New Dotter Mädchemresi einem Iclchesn Bargam nicht widerstehen cum