Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 24, 1905, Sweiter Theil., Image 13

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    vie from reach-.
Qumoreske aus dem Fasching von
T e o n o n T o r n.
»Sei-re Sie sich keine Mühe, here
soon Brode; alle Ihre Liebenöwiirdig
leiten sind in den Wind gesprochen.
Jch kann Sie nur wiederholt bitten,
nicht immer neben mir herzulaufen.
Das ist mir unangenehm und — ——«
Fräulein Tilly Rasmussen hätte
dem Forsteleven Leopold von Brode!
die ihm seit zwei Tagen zugedachtei
gründliche Wahrheit noch weiter ge-J
geigt, wenn nicht ein in dem spiegel
blanten Eise sestgesrorener Ast ihren
graziäscn Holländerbogen ebenso wie
dem glatten Flusse ihres Zornes ein
Ziel gesetzt hätte. -
Jemand, der sällt, hat das natür
liche Bedürfniß, sich irgendwo festzu
halten; und da man in der bei solchen
Gelegenheiten gebotenen Eile nicht erst
lange zu wählen pflegt, so erwischte
Fräulein Tillh die grünen Achselstücle’
des jungen Forstmannes — was das
Malheur aber nicht verhinderte, son-I
been verdoppelte·
Fast in einem Tempo setzten sich dies
Beiden nieder. Fräulein Tilly Ras-!
mussen selbst hier noch mit der ihr ei-;
genen biegsamen und elastischen Gra
zicx der Feldjägerleutnant und Forste
!eve von Brode dagegen erst, nachdem
er durch eine Anzahl rasender Wind-;
1nijhlenbewegnngen, die er mit Händen
und Füßen agiti, sich gegen den Fall
ausgelehnt hatte. Erst als er saß, gab
er sich zufrieden, lüstete seinen mit ei
net Spielhahnfeder geschmückten Hut
und bemerkte, mit unwiderstehlichem
Ernst.
»Da Sie mir nicht gestatten, mit
Ihnen zii laufen, mein gnädiges
Fräulein, so mache ich um so lieber
von Ihrer dringenden Einladung Ge
brauch, neben Ihnen Platz zu neh
men.« Damit verschränkte er die Beine
wie ein Schneider, stiißte die Arme
auf die Kniee und fragte in tadellosem
Balleonversationstoner »Haben Sie
den jüngsten Band Materlinck schon
zelesen?«
Tilly Rasmussen versuchte, so zor
nig auszuseheii, als das in dieser Si
tuation überhaupt möglich war. Aber
es gelang ihr nicht recht. Um den ro
then kleinen Mund, dessen Oberlippe
etwas hochniiithig aufgeworfen war,
zuckte es- verräthcrisch. Schließlich
stieß sie unter verbissenem Lachen her
rorx
»Nun wollen Sie sich hier viel
leicht häuslich niederlassen, Herr von
Brodes--m
»Das hängt von Jhnen ab, mein
gnädiges Fräuleiii,« erwiderte der
junge Mann verbindlich. »Ich halte
die Sißgelegenheit auf die Dauer al
lerdings weder für bequem, noch für
zuiräglich -—— aber ich ziehe es vor, hier
mit Jhnen zu sitzen, als fern von
Ihnen größeren Comfort zu genie
ßen.«
Da das junge Mädchen verzweifelte
Anstrengungen machte, sich emporzu
rasfen, sprang er leichtfiißig auf und
bot ihr die Hand. Es blieb Fräulein
Tillh nichts übrig, als die Hilfe anzu
nehmen. Das Aufstehen auf dem Eise
hat seine Tücken. Aber gleich nachdem
sie stand, wandte sie sich ab und bohrte
mit einer energischen Bewegung die
beiden winzigen, mit perlgrauem dä
nischern Leder bekleideten Händchen in
ihren Musf.
Leopold von Brode tlopfte um
ständlich den Schnee von seinen Bein
kleidern und gewann dann mit einein
einzigen, weitausgreifenden Bogen
wieder die Frvntseite seiner schönen
Feindin.
»Mein gnädiges Fräulein,« sagte
er, indem er sich seiner feuchten Hand
schuhe entledigte, »Sie werden mir zu
ben, daß Sie mich heute spottschlecht
behandelt haben, und diese Stimmung
scheint dauerhafter zu sein, als ich zu
nächst taxirte Unter diesen Umstän-«
den sehe ich niich genöthigt, zu fragen;
wodurch ich mir Jhren Zorn zugezo
gen — denn das haben Sie mir bisher
noch mit teiner Silbe angedeutet.«
»Sie fragen noch!?« rief das junge
Mädchen empört. »Das setzt eigent
lich Allem die Krone auft«
»Aber wieso denn —«—« entgegnete er
harmlos. »Lassen Sie uns einmal re
capituliren, Fräulein Tilln. Vor zwei
Tagen haben wir uns zuletzt auf einer
Gesellschaft bei Jhren werthen Eltern
aesehen —- dabei haben wir uns nur
vier Mal gezankt, einmal vertragen
und zwei Bielliebchen gegessen, die Sie
hiermit verloren haben. Also ich weiß
wirklich nicht — —«
»So — Sie wissen also nicht, was
sich zutkug, als gesungen werden
sollte!«
»Nein -- — ---— oder doch! Ich entsinne
mich. Do ich ein gänzlich nnmufp
talischek Mensch bin, habe ich mich auf
die Flucht begeben; als ich dann aber
zu meiner Befriedigung hörte, daß —
daß das Clavier verstimint sei, habe
ich mich wieder eingefunden! Ja
wohl!«
»So! Und Sie wissen nicht, wo
durch die Störung entstanden ist! Jch
frage Sie nunmehr: Jst es wahr oder
nicht« daß Sie mit einem Ton-idee
fchlüziel das Clavier oekftimmt ha
ben! «
»Donnekwettek —« mutmelte Herr
von Brode und zog den Hut tief iiber
»die Augen. Dann aber lapfte er ihn
energifch auf's Ohr-, zog seinen Rock
, , ,-;W
zurecht und erwiderte mit der Miene
eines entschlossenen Menschen:
Allerdings Aber —«hören Sie
mich, bitte, an, Fräulein Tillyt Zu
nächst gebe ich Jhnen die Versicherung,
daß ich Ihrem Bruder Karl, meinem
treulosen Freunde und verrätherischen
Mitverschtoiirer, den Hals umdrehens
werde. Zum Andern habe ich sozusa
gen in der Rothwehr gehandelt —«
»Herr von Brode, ich —- —«
»Jawohl, in der Nothtvehrl Jch bin
unmusilalisch, außerdem weiß ich aus
Erfahrung, daß das Gesangslränz
chen ,,Flotte Krähe" ——«
»Das ist start, mein Herr! Sie schei
nen nicht zu wissen, daß meine
Tante . . . .«
»Diesem Kränzchen auch angehört.
Das weiß ich. Leider heißt diese ge
siirchtete Vereinigung, welche gesell
schaftlich geradezu Verheerungen an
richtet, dennoch ,,'«’flotte Krähe«. Ich
habe ihr diesen Namen nicht gegeben
und halte mich nur an den einmal
vorhandenen Sammelbegrisf. Sehen
Sie, Fräulein Tillh — die ,,Flotte
Iträhe« ist dasiir bekannt, daß sie vor
zwei Stunden nicht aufhört. Erst
werden Quartettg gesungen, dann
lfällt jedes Mitglied noch einzeln ein
paar Mal von der Tonleiter. Und
diese Eventualität habe ich einfach
nicht ertragen können. Der Gedanke,
zwei Stunden schweigend zuhören und
mich kein Bigchen mit Ihnen unter
halten zu dürfen, der allein hat mir
das ruchlose Attentat aus Jhr Pia
nino eingegeben. Gestern habe ich
Ihnen anonym einen Clavierstimmer
geschickt, Und da ich hoffe, daß der
J Mann seines Amtes zur Zufriedenheit
sgewaltet hat, wollen wir die Sache
Inun ruhen lassen; gelt, Fräulein
sTiuye Geben Sie mik Jhk Händcheu
Hund seien Sie so lieb, wie vor zwei
l Taaen s-—-«
, »Ich habe Jhnen bereits gesagt,
Herr von Brode geben Sie sich
ieine Mühe Außerdem muß ich bit
sien daß Sie sich nicht aus e·5reundlich
) leiten meinerseits beziehen, die Sie sich
i doch nur einbilden. Es ist mir nie ein
gefallen, »lieb« zu Jhnen zu sein. Da
tu fehlt rnir Jhnen gegenüber jede
iStimmung und Veranlassung. Und
damit Sie nicht wieder in solchen
.·.)lberglauben verfallen, bitte ich Sie,
Tauf die vorgemertten Tänze für den
morgigen Costümball zu verzichten.
! Adieu Herr von Brode.«
t Damit schwebte Fräulein Tillh
tRasmussen davon —-— der Feldiäger
Ileutnant und Forsteleve Leopold von
Brode dagegen blieb noch eine ganze
Weile stehen, weil er so schnell keinen
Fluchzusammenbetam, der lang ge
Hnug gewesen wäre, seine bedrückte
! Seele zu entlasten und gleichzeitig sei
nem Zorn über die »Flotte Krähe«
Lust zu machen. Denn daß das her
zige Mädel, das sonst sehr wohl Spaß
verstand, von den Mitgliedern des
Altjungserntränzchens ausgehetzt war,
das lag klar aus der Hand.
Am Abend, als Karl Rasmussen
seinen Freund Brode zum Costümball
abholte, spielte sich eine grausige
Kampsscene ab. Ein Deutschritter
hielt einen grünen Nickelmann an der
Gurgel, so daß der Brunnengeist —
theils vor Lachen, theils aus Kitzlich
leit —- toie ein elettrisirter Frosch zap
velte. Erst als er athemlos umGnade
flehte, ließ der Rittersmann von ihm
ab, allerdings nicht, ohne dem. grünen
Wasserbewohner mit der slachen
Scheide des guten Schwertes noch ein
paar Jagdhiede zu verabfolgen.
»Au! —- Mensch, bist Du oerrücktts
Was fällt Dir denn ein!«.teuchte Ras
mussen, indem er sich dietLachthrönen
aus den Augen wischte. Jch bin doch
tein Sarazen, zum Donner-better noch
einmali«
»Nein, aber ein niederträchtiger
Verräther bist Du! Und wenn mich
DeineJugend nicht dauerte, so schnitte
Dir Hermann von Salza mit diesem
pappenen Flamberg die Gurgel durch,
elendep Waschweibi Hast Du die
Sache mit der verstimmten Draht
iTonzrnode ausgeguatscht oder nicht,
e! «
Damit tihelte der Ritter den Metel
rnann wieder mit dem Schwerte an
den kurzen Rippen, sodaß der Brun
nengeist ausquiette und die Waffe
schließlich an sich riß.
»Ja, Poldi. ich hab’s gethan!«
schrie er atheinlo5. »Aber eg ging
nicht anders. Papa hatte mich ins
Gebet genommen, und als ich dann
schließlich das Attentai gestand, hat
sich der alte Herr gewälzt vor Lachen.
Er mag nämlich die Flotte Krähe«
ebenso wenig wie wir.«
»So » und damit Dein Alter sich
wälzt, muß ich mich von Deiner
Schwester unter’m Hund behandeln
lassen!?«
»Aber Poldichen, das giebt sich wie
der. Tin ist nur ein Bischen ausge
hetzt von der Tante. Für heute ist sie
allerdings wohl schwer zu besänftigen
----- und das hat siir mich seine großen
Unannehmlichleiten —
«Für Dicht« fragte Hermann von
Salza, indem er sein Pappschwert
wieder in die Scheide stieß.
»Na ja —- da sie Deine Tänze ab
gesagt hat s-— und das sind merkwür
diger Weise recht viele, mein Sohn!
-—— wird sie wohl siir diese Zeit die
Wand schmücken, und dabei soll ich ihr
Gesellschaft leisten —«
»Wöhrend Du Dich viel lieber dem
Fräulein Liesbeth von Hegeler wid
l
men wiitdest« vollendete der Forst- s
mann nachdenklich.
Allerdings — und das kannst Du
mir von meinem Standpunkte nach
fiihlen, nicht wahr?«
»Hm —- ——- weißt Du, Karte
männchen —- ich habe ein-e Jdee. Wenn
Du darauf eingehst, ist uns Beiden·
geholer — —- l
Damit neigte Hermann von Salz-za»
feinen Mund zum Ohre des grünen
Nickelmanneg —— und dieser war ob
desse.., was er vernahm, so vergnügt,
als wenn Rautendelein sich endgiltig
von Meister Heinrich zu seinen Gun
sten losgesagt hätte.
»Und mit der ,,«,’flotten Krähe«, die
heute natürlich auch wieder das Fest
,,vertonen« wird, soll ebenfalls abge
rechnet werden!«
Also schloß Herinann von Salza
seine geheimnißvolle Darlegung —
und wenige Minuten später war er
ein Niclelmann . .
Jn einer so ungliiclseligen Stim
mung wie heute, hatte Tillh Rasnius
sen sich noch nie befunden « wenig
stens nicht auf einem Maskenfest, das
sonst ihre ganze Leidenschaft war. Jn
dein reizenden Costüni einerWatteau’
schen Schäferin drückte ihre ganze
Haltung so viel Unmuth und Nervo
sität aus, als wenn ihr sämmtliche
Schäflein davongelausen wären.· Und
der Nickelmann, welcher schweigsam
wie ein Fisch neben ihr aus-harrte,
hatte darunter zu leiden. ·
»Jch begreise überhaupt gar nicht,
wie man eine solche Magie machen
kann!« eiserte sie. »Ich habe Dir
schon zu Hause gesagt, daß Du wie
ein Bilderbuch Laubsrosch aussehen
würdest! Und Du siehst noch viel
diimmer aug! Da sieh mal Herrn
von Brode, wie nett der sich als Ritter
ausnimmt
»Hm ——« .
»Im Uebrigen brauchst Du ihn Dir
natürlich nicht als Vorbild zu neh:
men; denn sindest Du nicht auch, daß
es geradezu ein Standal ist, wie er
Liesbeth Hegeler den Hof macht?«
»Hm —« .
»So sprich doch, dummer Junge!
Jst eg ein Skandal oder nicht? Sieh
nur, wie er ihr iiachsteigt wie sie
mit ihm kotettirt! Oh, dieseSchlange
--—— sie weiß sehr gut, daß Leopold in
dieser Mast-: steckt! Und das will
meine beste Freundin sein! Ach, ich
tönntetönnte --·--« ·
lKnackg -—-— der Fächer der schönen
Schäferin brach mitten durch, und es
tlang wie ein Schluchzen, als sie dann
sagte:
»Aber daran ist nur die Tante
schuld —-— und die ganz scheußliche
,"flotte Firähe«. Wegen des dummen
Kränzchens muß ich hier sitzen und
zusehen, wie Leopold Andern den Hof
macht! Jst es denn gar nicht möglich,
naß Du das Wieder einrenlst? Karit
niann, thu« mir die Liebe, ich bin ja
so unglücklich ———«
»Hm ——«
»Gek)’, sag’ ihm -«—- oder nein,«
seufzte sie resignirt. »Es nützt doch
nichts-. Jch habe ihn zu schlecht be
handelt heute. Und Alles wegen die
ser unverträglichen ,,Flotten Arähe«
--—— — -—— da steigen sie eben aus das
Usodium, um zu gröhlen — wenn doch
die Bretter zusaininensallen und die
ganzen Krähen durcheinander tugeln
möten!«
Der Nickelinann wollte wieder sein
»Hm —-« machen, aber es tam nur
ein Glucksen heraus, als wenn dem
Brunnengotte etwas in die falsche
Kehle getomineii wäre. Tilln Ras
niussen aber achtete nicht daraus — —
sie lachte — — lachte, daß ihr die Thrä
nen unter der Maske hervorliesen —
iind allmählich machte sich auch im
ganzen Saale eine mühsam verhaltene
Heiterkeit bemerkbar.
Als nämlich die vier Mitglieder der
,,'j’flotten Firähe« die ersten Töne ihres
Liedes in den Saal aeschniettert hat
ten, setzte draußen ein Hundeguartett
von solcher Stimmgewalt ein, daß die
unter der Maske erbleichenden Damen
sich unterbrechen mußten. Aber als sie
dann nach einer tleinen Pause wieder
loslegtem begann auch der erschüt
ternde Gesang der Viersiißler wieder,
und noch mit hestigeren Accenten als
vorher. Es war ein Kampf der Ge
sänge, welcher Stein erweichen und
Menschen rasend machen konnte.
»Rarlemann!« raunte Tilly athem
log, »komni’, laß uns hinausgehen!
Jch kann nicht mehr lachen ——— ich must
schreien, und das dars ich hier nicht.
Romni!«
Damit zerrte sie ihren Bruder hin
aus. Draußen lehnte sie sich erschöpft
an seine Brust und stieß hervor:
»Ich tann nicht mehr! Du, wenn
Brode das ausgeheckt hat, dann be
tommt et einen Kuß, ob er will oder
nicht ——'«
»Natürlich will er, süße Tillh,«
ries der Forstmann jubelnd, indem er .
sich demaskirtr. Er hielt die tödtlich i
Erschrockene in seinen Armen und
srrach mit innigem slehenden Herzens
worten auf sie ein. Tillh Rasniussen
lachte und weinte ein Bischen durch
einander — schließlich aber bekam
Leopold von Brode doch einen Kuß —
und dann noch einen — nnd wenn die
,,Flotte Krähe'« nicht eben gegen das
Hundeauartett unterlegen ware, hätte
er vielleicht noch einen bekommen
..--—-.-s--s
Höchste Musike.
Herr: »Ach heute ist mir so wohl,
so wohl, heute möchte ich aufs Eis
qehetW
Dame-. »Mir scheint, Sie halten
sich gerne an die Sprüchtvötter!«
Uns Großvaters Haus.
Nach Familienerinnerungen von
Margarethe Stadler.
Das Haus der Großeltern in« Köln
stand nur wenige Schritte vom alten
großen Dom entfernt, der zu jener
Zeit, von welcher ich erzählen will,
noch nicht seine herrliche Gestalt in
Vollendung zeigte. Nur der Chor
wuchs in seinen reinen, schönen Linien .
aus dem Meer kleiner und größer-ers
Häuschen nnd Häuser heraus, und:
wunderlich ragte damals der Dom-s
kranz, als Wahrzeichen der Stadt, in »
die blau-e Luft. Für uns Kinder, die ;
wir in Berlin auswuchssen, kam eins
Besuch bei den Großeltern im altens
Hause am Jiilichsplatz wohlriechen
den Angedenkens) einer Reis-e in’s
Märchenland,gleich. Und wir staun- -
ten jedesmal von Neuem, wenn wir
die prächtig-e Stadt mit ihren mächti
gen Thürmen und zierlichen Thurm
chsen über dem breiten Strom auftau
clien sahen, zu dessen inajestätischem
Rauschen der Glockenhall so gut pas
sen will, der uns feierlich grüßte.
Mit unserem schwärmerisch gelieb
ten jugendlich-en Onkel Franz klet
terten wir, gefolgt vom »Spitz« und
seinem Sohn ,,Kind«, den beiden
Haughundem in Keller und Boden
räumien des Großvaterhauseg umher,
»und es aruselte uns gehörig, denn eg
Jaab auch kösttiche Sputgeschichten im
»alten Hause, und ritten auf dem ge
scbnitzten Treppengeländier entlang
oder gingen mit ,,Tant Nettchen«,
Mutters jüngster Schwester, in die
schöne Vorrathgstube, wo bunte Ra.
melverzierungen aus dunkler Eichen-:
holzverkleidung blickten, und wo ein
ganz eigenartiger Dust herrschte, der
den schweren, großen, metallverzierten
Leinenschränken entströmte nnd sich
mit dem feinen Apfelgeruch mischte,
der aug der anstoßenden Obsttammer
her-überdrang
Am schönsten war es aber in den
Zimmern der Großmutter, die damals
schon lange verwitwet war, aber stets
gern von des Großvaters Lebzeiten
erzählte. Jn der »Putzftube« wurden
die grauen Leinenbeziige nur selten
von den hellrothen Damastpolstern
genommen, und auf dem Mahagoni
schreinlchen stand unter schützenden
Glas-glatten ein Altmeißener Schä
ferpaar und eine prächtig vergoldete
Stutzuhn An den Wänden aber, die
nicht mit Tapete, sondern mit »richti:
ger Seide« bekleidet waren, hingen
Oelbilder der Familienmitglieder in
ernster Wurde und steifer Anmuth.
Großvater in prächtig-er Burg-erwehr
uniform, feine Schwester, die Groß
tante Biirbchen, deren Bräutigam als
Missionar von einem vergifteten afri
tanischen Pfeil getödtet worden, in
Nonnentracht, vor«« allem aber der
Urgroßvater in französischer Oberst
nniform, von dem es hieß, daß er der
schönste Mann in der ganzen Stadt
gewesen sei. So hatte er es denn auch
gewagt, trotzdem er nichts besaß als
feinen Degen und sein blantes Wap
penschild, um das einzige Kind just
dieses Kölner Geschlechterhauses zu
werben, wo er mit einigen Genera
len des kleinen großen Kaisers ein
auartirt war. Aber der Vater seiner
Erwählten wollte von der Heirath
nichts wissen. Denn es war jene böse
Zeit, in welcher nichts feststand, weder
Thron noch Altare noch des Einzelnen
schwer erworbener Besitz, und die
Sonne, die a mersten Morgen jenes
ernsten Jahres blutroth ausging, war
die von Jena und Auerstädt! Um so
fester schloß sich die alteingesessene
Bürgerschaft der großen freien Städte
aneinander und wehrte dem Eindrin
gen fremder Elemente. Und so be
larrte der Ahnherr bei seinem »Nein«,
nnd als das Töchterlein gar nicht ab
iieß mit Bitten und Streicheln und
1:ach ihrer Mutter Ansicht gar blaß
und schmal wurde und der Urgroßva
ter im stürmischen Werden nicht nach
ließ, wies der alte, eisenköpfige Kauf
tierr auf das steinerne Wappen iiber
rer Thür seines Hauses, durch dte
schon vier Generationen geschritten.
lir gab seinen Segen unter der Be
dingung, daß der Urgroßvater, der als
.Vaier in französischen Diensten stand,
Jne fremde Unisorin uuszöge, Degen
Hund Adelsbries sorgsam dazu packe
und in den Rheinstrom versenke, wo
er am tiefsten «sei, um fortan die Wage
des Kölner Kaufmanns in die Hand
zu nehmen. Da ist der Urgroßvater
zuerst in schweigendem Zorn von dan
nen geritten, am Rhein entlang auf
ssoblenz zu. Aber je weiter er ritt,
desto langsamer ging die Messe· Denn
neben det Sehnsucht, die ihn nach den
Sjiauern der alten »heiliaen Stadi«
zurückzog, sprach noch etwas anderes
laut in seinem Herzen: die mit aller
Macht wieder aufgewacht-e Liebe zum
teiltschen Vaterlande zu deutfetsem
Wort, deutschem Sinn Und Wesen.
Und im schlanten Trab ritt er wieder
nach Köln zurück. Die Familienchro
nit meldet, daß der stattliche Soldat
ten Abschied erbeten, das sanfte Ehe
ioch ergeben auf den stolzen Nacken
genommen und daß sich alles zum Be
sten gefügt habe.
Neben dem Bilde der Großeltern
aber, das den Großvater im drunten
den Bürgerwehri und Waffenschmucl
zeigte, hing ein anderes, das uns vor
allen gefiel, und das deutlich Kunde
qab vom Wechsel der Zeiten nnd
Dinge. Es war eine feine Kreide
zeiebnung in schsmalem, goldenem
Rahmen und stellte ein-en Prächtigen
Männerlopf dar. Und darunter stand
in entschiedenen Schriftzijgem »Und
gleich den Sternen lenket Gott deinen!
Weg durch Nacht! Gottfried Kintel.«
Dieses Bild aber hing zusammen mit
einem interessanten «Ereigniß, das sich
im alten Hause folgendermaßen zuge
tragen hatte: Als unser oben erwähn
ter Onkel Franz noch ein kleiner
Knabe war, hsatte er seinen Vater aus
Schritt und Tritt begleitet und es
aufs schnierzlichiste empfunden, als
ihm das plötzlich nicht mehr gestattet
wurde. Denn es kamen häufig in. der
Abendstunde fremde Herren zum
Großvater, die dann in seinem Ar
beitgzimmer bei einem Glas Wein
und einem meiß lange in ern-stemGe-- l
sprach verweilten. Die Großmutter
setzte sich an solchen Abenden mit den
sind-ern in die abgelegene Wohnstube,
nahm sie zu sich auf den Fenstsertritt
und hieß sie mit nachdenklichem Ge
sieht und sorgenvollen Augen stille
sein und zu Niemand von den Gästen
sprechen. Das Gebot wollte Franz,
der Jüngste-, gern befolgen,,nur sel
ber etwas mehr zu wissen hätte er ge
wünscht. So schlich er denn Nachts
wieder aus seinem Kammerchen und
bemühte sich-etwas zu erlauschen;
denn der Besuch dauerte oft bis zu
später Stunde.
TFterzen vor dein Muttergottesbild an
Endlich wurde sein Mühen getront.
Da war spät Abends ein fremder,
großer Mann, von einem der altbe
kannten Gäste geleitet, erschien-en, den i
der Großvater gleich in das Frem
denzimmer geführt und ihn dabei ge
beten hatte, zu ruhen, damit er für
die Nacht ein wenig gestärkt sei. An
jenem Abend gab es viel Heimlichkei:
ten im Hause, und die allezeit tapfere
und lustige Großmutter weinte und
schlang ihrem hochgewachsenen Gatten
die Arme um den Hals und schtuchzte:,
»Du darfst es nit thun, Franz, ich
stürbe, wenn dir etwas geschähe!
Denke an mich und die Kinder und
thu es nit.« Und der Großvater hatte
ihr beide Hände auf die Schultern
gelegt, ihr fest in die Augen gesehen
Und gesagt: »Ich leg’ es in deine
Hand, Nettchen. Willst du wirklich,
daß ich hier bleibe?-« Da hatte die Ge
gagte den blonden Kopf fest an die
ruft ihres Gatten gedrückt und
noch ein paar Minuten leise ge
schluchzt, bis sie endlich kaum hör-—
bar gefliistert hatte: »Gott möge
euch geleiten!« Und dann hatte sie die
gezijndet und lange auf den Knieen
gelegen, das Antlitz in die gefalteten
Hände gedrückt, um dann wieder ru
hig und gefaßt an ihr Tagewerk zu
gehen. Und als es Nacht wurde und
tiefes Dunkel die Gassen einhüllte,
hatte der Großvater mit dem Frem
den, der von ähnlicher Statur war
wie er selbst und dem er seinen eigenen
Mantel und Hut gegeben, das Haus
verlassen und war bei einer Anver
wandten in Düsseldorf geblieben, wie.
die Großmutter den Kindern auf ihre
lseständigen Fragen zur Antwort gab,
bis er eines Tages ernsten, fast feier
lichen Gefichts heimkehrte-, und zur
Großmutter sagte: »Nun ist er, so
Gott will, in London!« -
An jenem Tage -—— es war im No
vember 1850 -—-- brachten die Zeitun
gen die Nachricht, daß Gottfried Kin-»
tel aus der Haft in Spandan befreit;
und auf der Flucht begriffen sei. Eins
Jahr später erhielt der Großvater
zum Andenken die Zeichnung, welche
fortan das Staatszimmer schmückte.
-—--——-—--———
«Berltner«. -
Der ,,Bosf. Zig.«wird geschrieben:
Kürzlich wurde erzählt, daß in Tirol
alle Norddeutschen turzweg ,,Preu
ßen« genannt werden« Aehnlich hei
ßen an der Ostseelijste die Badegäste
durchweg »Berliner«. Jch war vor
einigen Jahren in Warnemijnde
Zeuge des folgenden Gesprächs zwi
schen zwei Fischerm
»Na, Peter, siind Din Berliner all
antainen?«
»Ja.««
»Wo siind sei denn her?«
,,Ut Hamborg Und Dink«
»Min sünd nt Lübect.«
—---.—.---————
Das Schmollt-bitt
»Gräßlich! Heut’ muß ich zum
Zahnarzt!«
,,Fiirchten Sie denn das Zahnrei:
ßen so?-« -
»Ach, das gerade nicht; aber dann
das Mundausspiilen mit Wasser!«
Seins-haft
Maler (Sonntagsjäger): »Ich-en
Sie mein neuestes Bild »Hast im
Feld«. Wie gefällt es Jl)nen?«
Förster: ,,Großartig, ja, da tref
sen’s halt d’ Hasen besser als auf
der Jagd!«
Unter Wonnen-.
»Was hast Du fiir den neuen Ue:
berziehkk gegeben?«
,,Meinen alten.«
Boslpaft
Amalie: »Wie steht mir dies net-:
Weit-W
Freundin: »Großartig! Darin
sieht man Dir Dein Alter gar nicht
an.« .
Mißversfäsidniß.
Vater: »Na, Hans-, hiatzt timme an
d’ Universität. Was werft denn nach
her studsiren?«
Hans-: »Ich will ein Rechtsgelehr
ter werden, Vater.«
Vater: »Meinetwegen, is mir a
recht Liaber ivat’s mir freili, wannst
auf alle zwa Seiten get-ehrt wurdeft!«
Die Tere- m versteh-. ,
Nichts steht so auf des Messe-d
Schneide als die Aufrechterhaltuns
der Theater-Illusion beim Publikum;
Die geringste Ursache, wie das »Herun
terfallen eines Gegenstandes, derFehl
tritt eines Schauspielers —- natürlich
nur im tvörtlichen, nicht im übertrage
nen Sinne —- kann den Zuschauer im
Nu aus der Stimmung reißen. Daß«
aber auch praktische Errungenschaften
auf dem Gebiete derBühnentechnik der
Illusion zum Verderben werden kön
nen, das sollte kürzlich der jugendliche
Held und Liebhaber des Stadttheaters
in Hagen zu feinem, des Regisseurs
und Direktors nicht geringen Schre
cken erfahren. Das »Corpus delicti«
war ein sogenannter Verwandlungs
schreibtisch, ein raffinirt konstruirtes
Bühnenmöbel, das sich durch einen
einfachen Druck auf einen Knopf in
drei verschiedene Stilarten verwan
deln läßt. Man ist so in der Lage,
innerhalb weniger Selunden eine mit
Möbeln versehene ftabile Wohnungs
einrichtung zu verwandeln. Man gab
ein ziemlich verstaubtes bürgerliches
Schauspiel, und das Milieu bildete
ein Herrenzimmer im Baroclstile. Die
Szene zeigte einen erregten Disput
zwischen dem Helden und seiner Braut
im Hause des Brautvaters. Der Lieb
haber geräth in immer größere Erre
aung, er schlägt im Eifer des Dialogs
auf den Schreibtisch und —-— trifft un
gliiellicherweise mit voller Wucht den
ominösen Drucklnops. Sofort nah
men die Wände und Außenthieile der
Schiebladen eine seltsame Drehung
vor, und da, Ioo vorher das ehrwür
dige Barockmöbel stand, prangte plötz
lich ein Schreibtisch in schönstem Em
pire. Der Schauspieler bemühte sich
nun, so dislret wie möglich mit Zu
l)ilfenahme seiner Knie den »status
quo ante« herzustellen. Jm Publikum
hatte man aber das Mißgeschick bald
entdeckt, lachte unbändig, und mit dem
Ernst des Schauspiels war es für die
sen Abend vorbei. Der betreffende
Mime soll aber jetzt einen heillofen
Schrecken vor Verwandlungsmöbeln
llclbclL
Die Zukunft einer Todtenftadt
Es bestehen die bestenAussichten zur
Ausführung eines Planes der auf die
Ausgrabungen der Stadt Hercula
neum gerichtet ist, der einen der drei
Ortschaften, die von dem großen Ve
suvauszibrurh im Jahre 79 nach Chr-.
vernichtet wurden. Man hat früher
an ein solches Unternehmen aus mehr
fachen Gründen nieht gedacht. Vor al
lem hielt man die vultanischen Mas
sen, unter denen Herculaneum begra
ben liegt, für eine harte, undurch
dringliche Lava, außerdem war man
noch zu sehr mit Potnpeji beschäftigt.
Jetzt aber haben die Geologen bewie
sen, daß das Leichentuch von Hexenh
neum von einer anderen, für eineAus
grabung durchaus nicht ungünstigen
Beschaffenheit ist, und nur an seiner
Oberfläche durch die Berührun mit
der Luft für den Spaten ungurckk
dringlich geworden ist. Daß die Bloß
legung von .L)crc!slane11m reicheSchätze
zutage fördern wird, läßt sich schon
oeurtheilen nach einzelnen Stücken, die·
in Neapel zu sehen und als untrselp
hafte Kunstwerke erhalten sinh Es
ist sogar festgestellt worden, daß Ma
nuskripte, die dort begraben sind, noch
jetzt entrollt und gelesen werden tön
uen. Man darf also erwarten, daß
die Augschachtung von Herculaneum
das ganze Leben nnd Treiben einer
römischen Provinzialstadt vor mehr
als 1800 Jahren in wunderbarer Er
haltung enthüllen werde.
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Selitame Gesetze
herrschen aus den Cookanseln im
Stillen Ozean, die einen Theil dre
britisahen Reiches bilden. Die Inseln
werden von Maori bevölkert, und jede
Insel macht ihre eigenen Gesetze Der
Rath der Insel Manihiti. die auch zu
der Juselgruppe gehört, hat nun kurz-·
lich ein Gesetz erlassen, um das Dorf
leben zu »regeln«. Danach wird »das
alte Gesetz Mahanikig in Bezug auf
Hunde« wieder in straft gesetzt und je
der Hund auf der Insel zutnTode ver
urtheilt. Schweine dürfen nicht in
voller Freiheit umherlaufen. Wenn ein
Mensch nach It Uhr Abends umher
wandert, so wird er verhaftet und in
dag Geriehtogebäude gebracht, wo er
Gründe für seinen Aufenthalt itn
Freien angeben nufo Schulden, die
ein Eingeborener gemacht hat, sind vor
keinem Gericht einzutreiben. Wer ei
nem Eingeborenen berauschende Gr
traute verkauft oder aiel«t, hat eine
Geldstrafe von tin-) Mart zu zahlen.
Trunkenheit wird mit einer Strier
non 20 Mi. geahndet. Der tihebrueh
gilt bei diesen Maori als ein größeres-;
Verbrechen wie der kitauseiz mit 20
Mk. scheint er genügend gesilhut
»Schlagen auf der Strafe oder den
Sahtath brechen« kostet 10 Mk. Ein
billiges Land!
...—--o «- --..
Ein-. Moder-tm .
Sie: »Nein, sie-r Mist-In es geht
doch nicht qui, daß wir nsirs kkirakhkm
»Ist-In Sie-, erstens bin Hi für Sie
etwas zu jxixuy zweitan pciixrsc ntcine
Mama d.1.· gen sei-.- bnttens können
Sie das Auteln nicht vertragen, vier
tens sehe ich.die Grund-Lage zum Ehe
aliick darin, daß del Mann Beamter
ist und fünftens bin ich ja schon mit
Herrn Dtechslscr seit drei Tagen aqu
geboten.«