Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 24, 1905, Sweiter Theil., Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Das Räthfel von Elvershiih.
Roma IIIIII Yeinhokd Ertmann
(3. Fortsetzung) i
Das junge Mädchen fiel ihr mit!
unschuldiger Gebärde in die Rede
,Jch bitte Dich, vorläufig gar nichts
Zu glauben, Mutter. —- Und nun ge
nug von diesen etbaulichen Dingen!
Ich höre Profper lommen.«
Inder That öffnete sich gleich dar
auf die Thür, und die hagere Gestalt
eines jungen Mannes von vielleicht
vierundzwanzig Jahren trat in das
Zimmer. Die Züge seines schmalen
Gesichts zeigten unvertennbare Aehn
lichkeit mit denen Editha’s. Sein
Haar aber war von dunkler Farbe,
und seine trankhaft umschatteten Au
gen lagen fast unheimlich tief in dem
bleichen Antlitz.
»Guten Morgen, Editha!'« sagte er,
seiner Schwester die Hand reichend.
»Ich suchte Dich vorhin überall, weil
ich mich Dir gern auf Deinem Spa
ziergang angeschlossen hätte. Aber Du
Warst nirgends zu finden.«
Ein Ausdruck gewinnender Freund
lichkeit war plötzlich auf Editha’s eben
noch so kaltes und stolzes Gesicht ge
treten. »Ich war draußen im Wal
de. Hiitte ich etwas- von Deinem
Wunsche geahnt, würde ich natürlich
aus Dich gewartet haben. Giebt es
vielleicht eine interessante Neuigkeit,
Prosper?«
Der Gesrsagte wars einen schnellen,
etwas scheuen Blick auf seine Mutter-.
Frau v. Linderode aber machte sich
seit seinem Eintritt wieder sehr em
sig mit ihrer Sticlerei zu schaffen und
schien wenig geneigt, sich um die Un
terhaltung der beiden zu kümmern.
Auf diese Wahrnehmung hin winkte
Prosper seine Schwester an das zweite
Fenster heran und zog ein dünnes
Druckheft aus der Tasche, das er ihr
mit einer gewissen Feierlichteit über
reichte.
»Es ist die neueste Nummer der
Zeitschrift Freie Erde«, sagte er flü
stern. »Sie enthält meinen Auf
satz über eine vernunstgemiisze Ver
theilung des Bodenbesitzes. Du mußt
ihn lesen, sobald Du es ungestört
thun kannst, und mir dann ganz offen
Deine Meinung sagen.«
»Gewiß,« erwiderte Editha freund
lich. »Nach allem, was Du mir da
bon erzählt hast, bin ich sehr gespannt,
ihn kennen zu lernen. Und die Arbeit
ist unter Deinem Namen erschienen?«
»Ja, ich habe die Redaltion er
mächtigt, mich als Verfasser zu nen
nen; denn ich habe eingesehen, daß Du
recht hattest. Man muß immer den
Muth seiner Meinung haben, auch
dann, wenn man sicher ist, gegen den
Strom zu schwimmenck
Kräftig drückte ihm die Schwester
die Dank-. »So ist’s brav, Prosperl
Unter allen Fehler-n die ein Mann
haben kann, ist nur einer ganz unver
seihlich: die Feigheit! Und es wür
de mir sehr wehe thun, ihn an meinem
eigenen Bruder zu entdecken."
Der Eintritt eines Diener in ein
facher dunkler Livree unterbrach ihr
halblaut gesithrtes Gespräch
»Der Baron lassen die Herr
schasten zum Frühstück nach dem Her
renhause bitten,« meldete er in militii
rischer Haltung. Es soll um zwölf
Uhr angerichtet werden«
Ein Kot-stricken der Frau v. Lin
derode zeigte ihm an, daß er verstan
den und entlassen sei. Sobald sich die
Mr hinter ihm geschlossen hatte,
schob sie ihre Stickerei bei Seite und
Mk heftig Mk
»Ich muß doch ein wenig Toilette
stachen und ich bitte dich, mir behülf
sich zn sein.« sagte sie in merklicher
ung. «Dieser überraschende
Mbeweis deines Großvaters muß
M zu bedeuten haben. Seit
her lesten Anwesenheit Erwins hat er
M einer solchen Aufmerksamkeit nicht
Mr gewürdig t.«
Sie veer schnell das Zimmer,
— Mk Oberlippe aber trauselte sich
w einem spöttischen Lächeln.
«Wir sind natürlich wieder hochbe
gliiCt,« wandte sie sich in sarlastischem
Ton gegen ihren Bruder. »Es ist doch
jammerschadh daß Armuth und Ab
hängigkeit so nachtheilig ans den
menschlichen Charakter wir-ten Un
irre Mutter liebt ihn gewiß nicht
WenDerrn Schwiewgervater und den
»He-h wirdsie sie-ohne Zweifel jetzt vor
s. S list bezauberndstes Lä
» r ,nen then damit nachher
. seine groji Gnade zu danken. Ach,
M wir M endlich einmal davon
wären in dieser kläglichen Ko
Mittspieieuk
Viekieö Kapitel.
Bart-g Wernet v. Lindgkode gingt
set-fis wartend in den vornehmen,
mit altem, duntlsem Holzaetäfel ge
Mücken Speifezimmer auf nnd nie
der, als seine Schwiegertochter und
feist beiden Enkel eiritrciteru Die
iäizig hte waren dieser hohem
heftig-i jerigen Reckengestalt mit dem
« Ihm gen tut geschnittenen Haar, dem
Schnnrtbart und
fthx Hast geköihetem blühenden
Asnilis allerdings nicht anzusehen.
Sakn «tt war so fest wie der eines
rüstigen ünfzigets, und das einst von
chönen Frauen so viel bewunderte
Feuer seiner braunen Auge-n war noch
immer nicht erloschen.
Als der Diener den verspäteten An
tömmlingen die Thüt öffnete, hielt der
Schloßhett in seiner ungeduldigen
Wanderung inne und sagte, ihren
Gruß mit einem Avpfnicken erwidetnd,
in ironisch-et Höflichkeit: »Ich bitte die
jungen Herrschaften um Verzeihung,
wenn ich sie zu ein-er so unpassend trit
hm Stunde bemüht habe. Es ist fut
einen Mnnn in meinen Jahren teidek
nicht mehr so leicht, seine Gewohnhei
ten zu ändern.«
Frau v. Linderode wollte sich ent
schuldigen, aber er schnitt mit einer
Handhewegung schon nach den ersten
Worten die Weiter-rede rb und ging
zu seinem Stuhl, um sich darauf nie
derzulassen, nachdem er zuvor ritter
lich gewartet, bis die Damen ihre
Plätze eingenommen hatten Der
wohlgeschulte Diener begann sogleich
mit dem Auftragen dest- Frühstücks
und während des ersten Ganges
herrschte unter den vier Tischgenosten
ein bedrückendes Schweigen
»Du hast wohl die Güte, deine Franz
Mutter ntit Wein zu bedienen,a wand
te sich der Baron zu Prosper nachdem
die Suppentellcr fortgenommen wor
den waren, und zugleich füllte er
selbst den grünen Römer vor cdithas
Gedect. Seine nervige Rechte zitterte
nicht im mindesten während sie die
Flasche hielt, und ein Lächeln, das
beinahe schelmisch zu nennen war,
machte sein Gesicht noch jugendlichen
als er mit einein abermaligen Blick
auf seinen bleichen, schweigsamen En
kel hinzufiigte »Auch empfehle ich dir,
deine eigene werthe Person gehörig zu
bedenken. Es ist ein Steinberger Kabi
nett vom Jahre 1883 —— ein Tropfen,
der selbst aus der Tafel des Königs
mit Ehren bestehen lönntek
Er tranl Editl;a zu und leate sich
dann behaglich in seinen hochlehnigen
Stuhl zurück.
»Was giebt s denn nun Neues drau
ßen m der Welt? Jhr habt ja wie ich
"vermuthe, mehr Zeit euch darum zu
kümmern, als ich vielgeplagter alter
Mann.'«
Frau v. Linderode hatte wohl ir
gend eine süße Erwiderung aus den
Lippen; Editha aber kam ihr zuvor:
»Was sollen wir davon wissen. Groß
vater! Die Zeitungen kommen ja zu
uns immer erst. nachdem du sie gelesen
hast« Und wir erfahren sogar. was
auf Elvershiih geschieht, in der Regel
später als alle anderen Leute«
»Ist es möglich? Wie ich mein
stachliges Röslein kenne, bedeutet das
natürlich einen Vorwurf siir mich.
Aber ich bin- ahnungslos, wie ein
Kindlein. Welche meiner Thaten hat
mir unglücklichen Mannn denn nun
neuerdings wieder den Zorn des gnä
digen Fräuleins rtgezogen?«
Die Baronin andte ihm Tochter
flehende Blicke zu, doch Editha schien
eneigt, die stumme Mahnung
zu be rzigen
»Daß Dir an meiner Zustimmung
sehr wenig gelegn ist, weiß ich wohl, «
fuhr sie unbeirrt fort, »aber es wäre
in der That freundlicher gewesen
werm du uns nicht zu täglichen Be
rührungen mit einem Menschen ge
zwungen hättest,der eben mit genauer
Noth dem Zuchthause entgangen ist« «
Baron Wem-er konnte nicht dar
iiber im Zweifel sein wen tie meinte,
abenan gesicl ihm sich Wtsesd zu
»Das sollte ich gethan haben? Un
möglich! Seit wann giebt ed einen
solchen Unhold auf Elvershöh?«
»Ich dir seinen Namen nicht
u nennen, roßvatert Vielleicht muß
FIrster erst noch andere Unglück
licht-Eber den Haufen geschossen haben,
bevor wir von ihm befreit werden. «
»Ist eiFabian, von dem du sprichsti
Dasigptnnteaieexpugeitok LeiMefth ausge
ug g ei a er
anr wenigsten vermuthen. Was
inallerWelthastduandernMann
auszuiesenlk
»Daß er ein Mörder ist« und daß
ej mir Grauen einflissrt ihm zu be
gegnen.«
Die ftruppiaen stauen des allen
Herrn zogen sich in drohenderWeife zu
sammen, und Frau v. Linderode er
wartete zitternd- einen feiner gefürch
teten Zornesauslrrijchr. Aber die Ge
fahr ging noch einmal vorüber, denn
statt der heftigen Entaegnungen er
folgte nach einer kurzen. etwas un
heimlich-en Pause nur ein lautes,
dröhnendes Gelächter.
»Die berithmten Nerven.allo! Ja
freilich, dagegen ilt nichts zu machen,
es sei denn, daß du es einmal mit
einer Luftveränderung verluchtesi.
Denn daß ich thörichten Frauenzim
merlaunen einen tüchtigen Mann zum
Opfer bringe, haft du wohl selbstver
ständlich nicht erwartet.«
»Ur-im« erwiderte sie trotzig, »ich bin
sogar über eugt, daß du ihn jekt he
holten würgefh selbst wean es vorher
deine Absicht gewesen wäre, ihn zu
UT
«Ntru. es freut mich, daß du mir
ver-Miene noch einigen gefunden Men
k
fEanaM zutraust,« meinte det
Baron spöttisch indem er fein Glas
Ianfs Reue füllte. Und ich denke,
l mit der Zeit wirst du dich schon wieder
an ten schrecklichen Anblick des »Mär
ders« gewöhnen —- Aber du trinkft
ja gar nicht, Prospek! Profit mein
Junge! Sollte dir mein Rheinwein
etwa nicht munden?«
»Doch, et iit ausgezeichnei,« sagte
der junge Mann höflich. »Aber du
weißt ja, Großvater, ich des-trage nicht
viel von so schweren Getränken
«So versuchst du es vielleicht mit
einei- harmloseten Sorte — Mosel
oder Bordeaux —- du brauchst nur zu
befehlen. Mein Weinieller ist ganz
zu deiner Verfügungs«
Daß sich hinter dieser uvetgwnen
ganz ungewöhnlichen Siebens
wiirdigkoit irgend eine Absicht verbarg
die nichts weniger als freundlich war,
fühlten Prosper und Editha sehr wohl.
Der Blick, den sie miteinander tausch
ten, ließ darüber teinen Zweifel. Aber
es war voderhand unmöglich, jene
lräntende Absicht zu erratlien, denn
Werner v. Linderode behielt auch im
weiteren Verlaufe des ausnehmend
reichhaltigen Mahles die freundliche
Miene eines zuvortoinmenden Gasw
bers, dein es einzig um das Wohlbe
hagen seiner Tischgenossen zu thun ist.
Er wurde- nicht müde, namentlich
Prosper zu tüchtigein Zugreisen zu nö
thigen und ihm immer aufs Neue zu
ver-sicherm daß er sich durchaus nicht
zu genieren brauche. Schließlich
brachte der Diener ans feinen Wink
sogar Champagner. und Nrospser muß
te es sich trotz seines bescheidenen Ein
spruches gefallen lassen, das; der Groß
vater selbst ilim den goldig glänzenden
perlenden Trank tredenztr.
»Nicht übel -— gelt Junge? Nur
nicht zimperlLchS Wird dir der Kopf
»ein bißchen schwer, fo least du dich
nachher aufs Ohr und schliisst dein
Räuschchen aus. Die Arbeit brennt
dir ja glücklicherweise nicht auf den
Nägeln. Oder du machst eine tleine
Spazier-fahrt Jminer ausgetrunken!
Ich habe noch einen hübschen Posten
davon im Keller.«
Jn der That schickte sich Prosper
Izögernd an, diesem Drangen nachzuge
ben.
« Da legte Editba ihre Hand auf sei
nen Arm und sagte mit liebender
Stimme: »Trint nicht, Prospekt
Siehst du denn nicht« das-, der Groß
vater einzig die Absicht hat, dich zu
oerhiihrren?« .
» Der alte Baron wandte ihr das
s Gesicht zu und stieß sein Glas aus den
z Tisch, daß der Fuß des zierlichen Kel
jihes in schner Hand zerbrach. »Ja,
jliei Gott, Mädchen, du haft’s getrof
sfenZ Und wenn noch ein arinseliger
Rest von männlich-ern Ehrgesiihl in
dem Burschen steckte, so müßte er sich
schämen, inir in’s Gesicht zu sehen
Da' —- und er warf ein dünnes
Druckhesi. das er bis daliin in der;
Brusttaschesseiner bequemen Hausjop- .
ve getragen hatte, zwischen Gläser und «
Flaschen aus den Tisch —— »dast du
diesen verbrecherischen Unsinn irr-schne
ben, oder hat irgend ein Schurke dei
nen Namen mißbraucht, um denSchild ;
unserer Familienehre vor aller Welt
zu besudeln?«
Frau v. Linderode schien einer Ohn
macht nahe. Kreidebleichen Antlitzeö
wandte sie sich zu dein Erzürnten und.
Mist-ki- vesshwiikmd: »nur Gottes
willen, theuerstre Vater, der Die
m —
«Pack dicht« rief Baron Werner dein
Manne zu, dessen glattrasirtes Gesicht
seine unveränderliche Miene bewahrt
hatte. »Im Uebrigen tomrnt nicht
mehr viel daraus an, denn der ausge
zeichnete herr hat seine Schande sa
ohnediei bereits in die Qeifentlichteit
getragen. Oder ist er im Stande, sich
zu rechtferting Kann er es leugnen·
daIYZeug da in die Welt gesetzt zu ha
ben « . x
Pkpspek hatte sich ekipime sont
leichte Miit-, die der Wein auf seinen i
Wangen hervorgerufen, war einer tie- t
sen Blässe gewichen, und seine Lippen
zitterten. Eine Erregung, die« viel
leicht nicht frei von Furcht war, schien (
ihn am Sprechen zu hindern. Da
begegnete sein Bick den blihenden Au
nen Midas, die unverwandt auf ihn j
Mchtet waren, und die energische
himng, die er in ihnen las, gabi
ihm seinen Muth zurück. :
»" a, ich bin der Verfasser dieses
Auf ones-, Großvater,« sagte er, und
ich kann es weder für eine Schande,
noch für ein Verbrechen halten, wenn
ich mich offen zu einer Ueberzeugung
bekenne, die —"
«Schweig!« donnerte der Baron ihn
an. »Ich habe dich wahrhaftig nicht
hierhertommen lassen, um über deine
Narrheiten rnit dir zu debattiren. Die
Verlogenheit und Järnmerlichleit dei
ner Handlungsweise habe ich dir zum
Bewußtsein bringen wollen — weiter
nichts! Wer bist du denn, du milch
isiirtiger Knabe,"daß du dir heraus
nimmst, über die ungerechte Verthei
lung der irdischen Güter zu eifern und
dich zum Anwalt der sogenannten Ent
etbten und Unterdrückten auszuwer
fen? s Was hast du denn dii heute ge
than und erfahren, das dir ein Recht
gäQ dich wie ein Mann zu gebär
den und einen« alten ehrenhaften Na
men durch dein aberwihiges Geth
zu lotnprornittirens Haft du je deine
Hände gerührt in rechtschaffener Ar
betti hast du dich nicht vielmehr von
anderen ernähren und tleiden lassen
bis auf diesen Dag, und sißest du nicht
hier an meinem Tische als ein Schma
kohey in —-«
»Großvsater, ich bitte dich, nicht wei
ter! Ich schwöee es: den Bi en, den
ich heute gegessen habe, soll r lehte
0
—
gewesen sein« den ich deiner Freigebig
teit verdanke.«.
»Um so besser — urn so besser! Ich
werde dir meine Gasisreundschast ge
wiß nicht ausdriinaen. Aber wenn
du der Meinung bist, den Namen in
derode alsdann ungestraft in den oth
zerren zu dürfen, so kennst du mich
schlecht. Es giebt glücklicherweise
Mittel —-«
Er hielt inne, da in diesem Augen
liisl derDrener wieder eintrat. um· dem
Schloßberrn mehrere Briefe zu über
eichen· Der Baron musterte die Aus
schriften und griff dann hastig nach
dem Tisch-messen um einen der Um
schläge aufzuschneiden
»Warte gesälligst ein wenig!« ries
er seinem Enlel zu, der sich zurückzie
hen wollte. »Wir sind noch nicht ganz
zu Ende.«
irr wie den Kneiser aus und be
gann zu lesen. Aber er konnte noch
laum die ersten Zeilen überflogen ha
ben, als seine ohnediessunnatürlich ge
I iöthetes Antlitz eine nahezu purpurne
« Färbung annahm.
»Was ---— was ist das?" stieß er
sbervor. »Ja, zum Henker, habe ich
Idenn lauter Verriickte in meiner Fa
milie?"
Seine Hand, die vorhin so sicher
sue-wesen war, machte jetzt durch ihr
starkes Zittern das Briesblatt schwan
« ten und knistern. Eine schwiile Stille
erfüllte wohl zwei Minuten lang das
Gemach. Dann fiel die Faust des
Barons aus den Tisch. daß Teller
und Gläser ertlirrten, und seine aus
Gdithas ruhiges, stolzes Antlitz ge-«
richteten Augen schossen Bliye leiden-l
schaftlichen Zornes.
»Daraus hast du gerechnet? Das
ist es, was dich so übermiithig machte? »
Und meine vortreffliche Frau Schwie
aertochter gedachte sich deii Kuppelpelz
dabei zu verdienen, nicht wahr?«
Editha stand auf. Furchtlps trat
sie vor den Erregten hin. »Beschim
ose niich, Großvater, wenn du nicht
anders lannstl Aber lasz meine Mut
ter aus dem Spiel! Sie hat keinen
Antheil an dem, was dich so zornig
macht.'«
»Du weißt also schon, was in die
sim Briese steht. Natürlich! Er wurde
ja aus dein Geheiß geschrieben, und
alles ist ein abgelartetes Spiel.'«
»Nein. Jch weiß nichts. als was
oeine Worte mich vermuthen lassen.
Wenn ich Erwin überhaupt einen Rath
gegeben hätte, wäre es gewiß nicht der
gewesen, dir aus solchem Wege mitzus
:t)eilen, was zwischen uns geschah-«
»Aber, mein Gott, was bedeutet das
alles, Ediiha?" wagte Frau v. Linde
rode sich einzumischen »Sollen die
iclimerzlichenlleberraschungen silr mich
denn heute gar kein Ende nehmen?«
»Verlange jetzt keine Erklärungen,
Mutter, oder bitte den Großvater, sie
dir zu geben«
»Wozu diese Komödie!« polterte der
Baron. »Als wenn ihr nicht alle mit
einander hinter meinem Riicken an
diesem sauberen Plane gearbeitet hat
tet! Jch kenne euch ja zur Genüge-«
Betheuernd erhob Frau v. Linde
rode die gefaltetenhändr. »Jchschwöre
dir, daß ich teine Ahnung habe. Nie
würde ich geduldet haben, daß eins
meiner Kinder dein großmüthiges
Vertrauen hintergehe.«
.Nun denn. um dich aus deiner
Ahnungslosigteit zu reißen: Mein
Enkel Erwin liindigt mir zum ersten
mal den Gehorsam. Er liinne sich
nicht um die junge Dame beloerben, die
ich ihm als Gattin ugedacht hatte,
weil ——es ist wahrhasztig zum Lachen
-——ioeil er bereits mit dein Fräulein
da verlobt sei.——-Verlobtl Der harrs
narrl Und dabei giebt er sich allen
Ernstes den Anschein, als ob er meine
Einwilligung siir denkbar hielte.«
.Editha —- ist das wahrs« raii
n. Linderode ries es in einem on,
aus dem vielleicht gegen ihre Absicht
vier mehr Freude als Bestiir ung
llang, und ihr bleiches Gesicht tte
mit einein Male Leben und Farbe ge
wonnen. «Einen solchen Schritt konn
test du thun. ohne dich deiner Mutter
anzuvertraieens«
»Ja, und i verbitie mir alle Vor
wiir e. Es i durchaus nicht meine
Absicht, hier ein hochnothpeinliches
Berhör zu bestehen. Wenn es über
haupt einer Nechtsertigii bedarf so
fordert sie von Gewin- ni von r.«
i
l
i
i
Sie wandte ihrem Großvater den
Jucken und machte Miene. das Speise
z’mtner zu verlassen· Baron Werner
aber suhr heftig empor und gebot ihr
mit Donnerstimrne zu bleiben.
»Nun?" fragte sie, ihm ohne jedes
Anzeichen von Furcht das Gesicht wie
oer Zutehrend. »Welche neuen Lie
benstviirdiqieiten sind es, die ich noch
hören soll?« «
Die trotzige Geiaisenheit ihrer Hai
tung und ihrer Rede steigerte die Aus
regung des alten herrn ersichtlich bis
ins Maßlosr. Sein mächti r Körper
bebte, und unter der geröt ten Haut
seines Kaiseg ·traten die Adern wie
dicke Stränge hervor
«Wagst du’5, mir so zu begegnen,
»we- jede andere an deiner Stelle vor
HScham vergehen würde? Freilich, ich
tonnti darauf gefaßt sein, solchenj
) Dank für meine Wohlthaten zu ernten. (
kEs geschieht mir schon recht, ich dars(
Unich nicht ein-mal beklagen. Erwin
I aber mag sich Glück wünschen, daß ihm
« der Oberst den Urlaub zur Reise nach .
Eiperihöh verweigert hat, denn tvennj
ich den Jungen fett hier hätte —(
wenn ich ihn hier hätte —« s
or mußte mir-hartem weit ihm dort
Athem ausging. Frau v. Linderodei
iwagte nicht« sich zu rühren, und Pro
sper stand schweigend, mit düsterem
Blick und fest zusammengetnissenen
Lippen hinter seinem Stuhl. »
Auf Editba aber schien der schan
mende Zorn des Barons keine ein
schiichternde Wirkung zu üben. »Wenn
er hier wäre, würde er mich wenigstens
vor Beleidigungen zu schüyen wissen.«
sagte sie kalt. « muß sie wohl über
rnich ergehen la en, denn ich bin ein
teebrloses Mädchen, sür das es, wie
es scheint, hier keinen Ritter giebt.
Aber du bist im Irr-thun Großvater,
wenn du glaubst, durch Drohungen
einen Eindruck aus mich zu machen,
wie aus deine Tagsiihner und Dienst
boten. Du hättest einen anderen Weg
einschlagen müssen, falls du bei mir
etwas zu erreichen hofftest.«
»Ich? Etwas erreichen —- bei dir?
Bist du von Sinnen, Mädchen? Hin
auswersen werde ich euch —- dich und
deinen sauberen Bruder. Gher will
ich euch aus der Gasse verhungern se
hen, als daß —- dasz —-—«
Seine Rede erstickte in unverständ
lichen, gurgelnden Lauten. Er fiel
auf den Sessel zurück, und zitternd ta-«
stete seine Fand nach dem Knopf der
vor ihm fte enden Glocke
»Um Gottes willen, Vater, beruhige
dich,« flehte Frau v. Linderode. »Den
te an deine Gesundheit. Willst du«
daß ich dir die Tropfen hole, oder viel
leicht ein —«
» Durch eine heftige Handbewegung
z wies ber Baron ihren Beistand zurück,
Hund dann, als der Diener eintrat,
«machte er ihm. unfähig zu sprechen,«
« mit Kopf und Armen ungeduldigeZei
chen, deren Bedeutung der Mann je
doch auf der Stelle begriff. Er warl
dem alten Herrn behiilflich, sich zu er- s
heben, und führte ihn. seinen mächti
Körper nur mit Mühe aufrecht
altend, langsam aus dem Zimmer.
Weder Profper noch Editha hatten
sich während dieser peinlichen Augen
blicke gerührt, um dem Leidenden bei
zustehen. Nicht die leiseste Regung des
Mitleids fiir den mit der furchtbarsten
Athemnoth Ringenden gab sich in ih
ren finsteren Mienen zu erkennen.
Nur Frau v. Linderode hatte ihren
Schwiegervater bis zur Thiir beglei
tets obwohl sie es nicht mehr wagte,
ihrer Theilnahme und ihrer Hilfsbe
reitschaft Worte zu verleihen. Eine
gebieterische Gebärde des Barons hat
te ihr denn auch befohlen, zurückzu
bleiben, und nun, da sie mit ihren
Kindern allein war, verwandelte sich
auf eine geradezu wunderbare Weise
der Ausdruck ihres eben noch so be
trübten und sorgenvollen Gesichts.
Mit einem liebevollen Lächeln ging
sie auf Editha zu: »Warum hast du
mir nichts von eurem Herzensbunde
gesagt, mein Kind? Konntest du da
ran zweifeln, daß ich ihm mit Freu
den meine Zustimmung geben würde?«
Durch eine heftige Wendung war
Editha der beabsichtigten Umarmung
ausgeivichen. »O nein, daran zweifelte
ich allerdings nicht im mindesten,«
sagte sie talt, »Und gerade deshalb
hielt ich es fiir überflüssig, vor der
Zeit zu reden. Es wäre mir sehr lieb,
Mutter, wenn du mich auch jetzt nicht
dazu nöthigen wolltest. Erwin hat
mit dieser unzeitigen Ertliirung auf
eine sehr thörichte Weise gegen unsere
ausdrückliche Abrede gehandelt.«
« »Aber er hat es gewiß nicht unter
lassen, dich vorher davon in Kennt
niß zu sehen. hättest du seinen Brief
gelesen, so wäre dies alles vielleicht
zu vermeiden gewesen —- diese schreck
liche Seene und der Anfall des Groß
vaters, fiir den wir nachher doppelt
werden büßen müssen.« «
Das iungeMiidchen hatte nicht mehr
Zeit zu antworten, denn die Thür des
Nebenzirmners wurde ungestüm aus
gerissen, und der Diener erschiendnit
ganz verstörtem Gesicht auf der
welle.
STMöchten rau Baronin nicht doch
vielleicht die. iite haben. hereinzutonv
men?« sagte er. »So wie diesmal
habe ich den hertn Baron noch nie ge
sehen. Er röchelt so beängstigend, und
obgleich er mit offenen Augen daliegt,.
versteht er doch nicht, was ich zu« ihm
sprech-»F .
»Mein Gott, Sie« erschrecken mich.
Natürlich tomme ich. Und du, Ediiha,
willst Du mich nicht zu deinem Groß
vater begleiten?«
»Nein!" erwiderte sie turz und hart, l
ohne sich auch nur einen Augenblick zu l
besinnen. »Ich verstehe mich nicht auf
Samariterdienste und bezweifle außer
dem, daß meine Gesellschaft ihm Er
leichterung gewähren würde.«
Frau v. Linderode verzichtete auf
weitere Ueberredungsversuche und ver-»
ließ mit dem Diener das Gemach.
Minutenlang verharrten die Zurück
bleibenden in düsterem Schweigen
Dann sagte Prosper in einem Ton,
dessen fartastifche Färbung nur un
vollkommen seine schmerzliche Erre
gung verbarg: «Hoffentlich veriibelst
du mir’s nicht weiter, daß ich mich
nicht dazu aufschwingen «tann, dir zu
deiner Verlobung mit Vetter Erwin
zu gratuliren. Du haft ja gewiß
außerordentlich klug und vernünftig
gehandelt;. ich aber kann mich nicht in
ein n Minuten mit der Thatsache ab
fin n, daß dieser überraschende Lie
besbund mich eine Schwester tostet und
mit ihr die einzige verftiindniskvolle,
mitfüblende Seele, die ich bisher auf
Erden besaß. Jch will nicht liebleg
von deinem zuliinfti en Gatten reden:
aber nach allem vraufgegangenen
bist du dir sicherlich ebenso tlar da
riiber wie ich fel , daß niemals ir
aend welche G . nschaft bestehe
laun zwischen ibm und mit.«
I Stumm, mit abgewaan Gesicht
und sest zusa ten Lippen,
katte Editha eine ittere Rede til-er
ich ergehen la en. Nun aber wandte
sie sichilun zu, under sah, daß Thra
nen in ihren Augen glänzten.
»Willst du auch noch anfangen, mich
zu quälen, Prosperi Jst es nicht ge
nug an alledem, was ich bereits habe
erdulden müssen? Wen-n du wüßtest,
wie es in diesem Au nbkick in mir
aussieht, du würdet dich « wahrlich
nicht mehr versucht fühlen, mich mit
, Lcorwijrsen zu peinigen.«
Er bereute auch unverkennbar schon,
daß er’s gethan, denn er trat aus sie
zu und ersaßte voll heißer Zärtlichkeit
ihre Hände. »Ist es denn ganz unwi
zderruslich beschlossen. Edithnispjäitkk
Iich kann mich noch gar nicht in die
’ Vorstellung finden, das-, du gerade ihm
dein Herz geschenkt haben solltest —
diesecn leeren oberslächliclxen Burschen
rnit seiner kümmerlich übertünchten
Rohheit Es ist ja undentbar, daß
du an seiner Seite glücklich werden
solltest.«
»Sage mirs nicht mehr, Prosver —
nichts , nichts! Jch kann dir nicht
daraus antworten —- heute kann ich es
nicht« denn ich müßte dir Geständnisse
machen, die ich vielleicht noch nicht ein
mal vor meinem eigenen Gewissen ab
geleat habe-«
»So laß mich dein Gewissen sein«
Oder habe ich das Vertrauen« meiner
Schwester ganz und gar verloren?«
»Gewiß nicht. Doch auch du wirft
einmal erfahren, daß es Dinge giebt,
in denen man sich von niemandem be
1a::«-en lassen kann. auch nicht von dem
besten und treuesten Bruder. Und
nun sei nicht mehr um mich besorgt.
Jtoch bin ich ja vor der Welt nicht
einmal Erwins Braut, um wieviel we
niger seine Gattin.«
»Editha, wenn ich dich recht ver
itctze ·——«
Sie wurden unterbrochen.
«Prosper! Prosperl Um Gottes
willen, schicke auf der Stelle einen rei
tenden Boten nach »dem Arzt! Wenn
mich nicht alles täuscht, liegt dein un
gliictlicher Großvater in den letzten
Zügen« Frau v. Linderode ries es
in den Tönen der höchsten Aufregung
von ter Schwelle, um dann sogleich
wieder zu verschwinden
Ter junge Mann stand siir einen
Moment wie gelähmt, dann aber
raffte er sich auf und eilte aus dem
Zimme. Editba allein blieb darin
zur-»ich Langsam ging sie zum Fen
ster, und die trotzige Falte zwischen
Ehren Brauen wurde noch tiefer, wäh
rend sie unverwandt in die prangende
So.ui-:erberrlichleit des Parte- hins .
um«-starrte
(Fortseszung folgt.)
—--——f—
Kaiser Wilhelm t- und die
Lucca.
Einem Jnterview mit Pauline
Lucca, das Jlta Horovitz - Barney
in der Neuen Fr· Presse veröffentlicht,
entnehmen wir die folgende hübsche
Geschichte: Die Lucca ließ sich an
Abenden, wo sie sang, gewöhnlich ein
Glas kalten ungezueterten Ihre bereit
halten« den sie in den Zwischenpausen
schluckweise trank· Jhr Stubenmal
chen stand gewöhnlich mit dem Thees
glas in der Koulisse· Eines Abends,
unmittelbar vor dem Auätretem be
merkt die Künstlerim da ihr eine
Schmucknadel ehlt, die sie in der
Garderobe vergessen hatte. «holea
Sie mir chnell die Nadel und stellen
Sie den bee bin«, befiehlt sie dem
Mädchen. Nach einem sehr kurzen
Austritt kommt sie zuritct und sieht in
der Koulisse den greifen Kaiser Wil
helm — mit ihrem Theeglas in der
Hand. Gleichzeitig kommt auch das
Mädchen mit der Jiadel. Die Lucca
ist außer sich. »Verzeihung, Ma«e
stät«, stottert sie, und «wiithend siiört
iie das Mädchen an: »Was haben
Sie denn gemacht . . .'« Diese ek
widert weinend: »Ich wollte ja das
Glas nicht hergeben, aber der alte D -
sizrer bat mir versprochen, daß er seg
daraus achtgeben wolle.«
Der« ar hat, wie gemeldet wird,
den luntlertschen Nachtqu Menschl
schagingf angetaust. hauptsächlich
damit die Großsitrsten seines Hauses
durch die berübmten Schlachtenbilder
les Meisters die Greuel des Krieges
tennen lernen. den sie aus der Rade
zu sehen dei ihrer und des Fluren be
lannter Vorliebe siir den Je eden doch
niemals Gelegenheit hätten.
Wenn man Dich übet’s Ohr ge
uen hat, schreibe T-it’g hinter die
hien
« I i I
Wenn man oushöri, die Suppe im
aufs-schen Reich zu rühren, wird das
Fett gewiß wieder obenan schwim
men.
Oft
Sage mit, was Dich tränkt, und ich
sage Dir, was Du bist. O
i i s
aniteich kann wieder euhigfeinx
es bleibt die Gmeand Nation. Jni
Revolutiouiten ist es noch unerreicht
- ·- «
Cin tussifchet Matquis Posq würde
vom Zaken jedenfalls die Erlaubniß
erhalten« »unangemeldet« Sibieienbo
neien zu dürfen.
O I I
Einem Scham-ziehet sann map
alles weiß machen.
e- i i
seeeim Vollet machen keine Kleide
u . «