Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 27, 1905, Sweiter Theil., Image 9

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    Der Liebling.
Wird Dir des KindeZEust zu viel
Und allzu laut fein tobend Spiel.
O scheuch nicht seinen Frohsinn sori
Mit einem harten, strengen Wort;
Bedenk, es ist ja noch ein Kind.
Bedenk, es ist ja noch ein Kind.
Ein Kinderherz ist leicht bedrückt,
Ein Kinderherz ist leicht beglückt.
Und wenns sein Köpfchen an Dich
drängt,
Wenn schmeichelnd Dich sein Arm um
fängt,
O, weis nicht seine Lieb’ zurück.
Weil sie Dich stört im Augenblick;
Viel besser, Du verlierst die Zeit
Als Deines Kindes Zärtlichkeit
NO
Herr und Frau von Urceanx.
Von Louis Collas.
Die Zwietracht war in der Häus
lichkeit eingebrochen, in der bis dahin
eine unerschiitterliche Harmonie ge
herrscht. Wie war diese unter den
glücklichsten Auspizien geschaffene Ver
bindung getrübt worden? Wen traf
die Verantwortlichkeit für die Treu-H
nung zweier Herzen, die lange Zeit in ’
Einigkeit geschlagen hatten? Nieinandt
hätte das sagen können. Von der Ein- ;
bildung vergrößerten Kummers, tvons
schlechten Rathschtiigen und perfidenl
Austegungen vielleicht wachgerufen,
von der Empfindlichkeit des StolzesI
und einer falschen Würde verschaer
hatte das Seinige gethan: mehr l
braucht es oft nicht, um zwei Wesen,
die geschaffen sind, einander zu lieben,
zu der verhängnißvollen Schlußfolge
rung zu bringen, es habe sich ein Ab
grund vor ihnen aufgethan und sie
könnten nicht mehr zusammen leben.
Da Herr und Frau von Arceaur
Leute der guten Gesellschaft waren, so
vermieden sie es sorgfältig, ihre lInei
nigkeit nach außen bin sichtbar werden
zu lassen, doch sie hatten die Dienstbo
ten nicht hindern können, zn bemerken,
daä sie nur gezwungen verkehrten und
da der Zorn und die Neizbarteir hin
ier ihren düsteren Stirnen arollien
Das Wort Trennung war Von ei
nein der Gatten ausgesprochen wor:
den; der andere nahm den Handschich
anf. und man kam iibereEn, daß sie die
einst so leichte Kette, die ihnen ietzt
schwer diink:e, zerreißen, und ohne
das Gesetz anzurufen, ohne Skandal
darauf verzichten wollten, unter dein
selben Dache zu leben.
Der Tag, da dieses Projekt zur
Ausführung gelangen sollte, war
nahe; es blieb nur noch eine einzige
Frage zu regeln. Sie hatten einen
Sohn, ein reizendes Kind Von 10 Jah
ren, das sie mit gleicher Zärtlichkeit
-liebten; trer von ihnen sollte es bei sich
behalten? Sie hatten aus den Kleinen
dieselben Ansnriiche; da tein Schieds
gericht dazwischen treren sollte. so be
schlossen fie, Georges sollte selbst ent
scheiden, loeni er folgen wollte.
Er wurde in den Solon geführt,
wo seine Eltern düster und feierlich
das Urtheil erwarteten. Er war blaß
und unruhig: denn schon seit langer
Zeit sah er, die er liebte, nicht mehr
lächeln: instinktiv ahnte er ein düste
res Geheimniß. Sein junger Verstand
begriff, daß irgend ein ernstes Ereig
niß sich vorbereitete, sein Herz wurde
ängstlicher, und er war besorgt.
»Mein Rind,« sagte der Vater mit
trauriger Stimme, »Deine Mutter
und ich, wir sind gezwungen. uns zu
trennen; jeder von uns möchte Dich
bei sich behalten; Du sollst nun denje
nigen nennen, dem Du Dein· Leben
widmen lvillst.«
»Ja." sagte die Mutter, ,,ioiihle, und
falls Du mir den Vorzug geben soll
test, wird sich nichts siir Dich ändern.
Dieses haus. in dem Deine ersten
Jahre verflossen sind, wird das Deine
auch weiterhin sein; Du wirst als
Herr in diesem Garten herrschen, lro
Du zu spielen Pslegtest, alle Behaglich
teifen des Lebens, alle Freuden, die
das Vermögen zu geben vermag, sollst
Du bei mir genießen."
»Wenn Du mich begleiten toillst,«
fuhr der Vater fort, »so lann ich Dir
nur eine ungewisse Zukunft bieten; ich
lasse den Reichthum und Luxus hinter
mir zurück, um ein Leben der Entbeh
rungen und Arbeit zu beginnen: ich
must kämpfen, um die täglichen Be
dürsnisse zu erstreiten; ich weiß noch
nicht, too ich mein Exil ver-leben werde,
doch sind Dir meine Liebe und meine
Zuneigung sicher: sieh zu, mein Kind,
ob Du sie annehmen tannst.«
Georges bemerkte den Ausdruck des
Triumphe-L den die Züge seiner Mut
ter verriethen, die sich ihres Sieges
sicher glaubte; er bemerkte auch den
schmerzlichen Ton der väterlichen
Worte. Einige Augenblicke blieb er
stumm; die verhängnißoolle Antwort
wollte nicht aus seiner gequälten Brust
lommen. Doch von seiner Mutter auf
gefordert. sich auszusprechen ertlärte
er mit einer Stimme, die die Angst
seiner Seele verrieth:
»Vater, ich bin bereit, Ihnen zu
folgen.«
Ein Schrei der Verzweifluna und
des Schmekzes entfuhr dem Munde
seiner Mutter, deren Herz und Sinn
allzu qetrübi waren, um zu begreifen,
welche Großherzigkeit in dem Enk
fchlusse des Kindes lag, das fein Herz
zu dem unglückliche-ten Theile seiner
Eitern hinzng er fiel erschöpft auf
seinen Sessel zurück. Hätte die Lei
danka nicht beider Urtheile aeikiib:,
so hatte sie ·eine grausame Enttäus
fchun ,« er die Genugthuunq über ei
nen zea vekaessen, um. sich nur mit i
dem Kindezu beschäftigen, das sie die- «
T. set vorzeitigenPrüfung unterzogen. i
jz , Diese Einmischung des Kindes in(
den traurigen Zwist war genug. Herr
von Arceaux sah das ein und befahl
einem Diener, Georges in sein Zim
mer zu bringen. Er wechselte mit sei
ner Frau einen Blick, der von den
feindlicheren Gefühlen zeugte, deren
Hestigkeit dieser letzte Vorfall nur noch
vermehrt hatte und ging dann fort,
um sich mit den Vorbereitungen zur
Abreise zu beschäftigen-;
Es war am Abend: die letzten Lich
ter der Dämmerung verbreiteten ein
untlares Licht in den Gebüschen des
Gartens. Diese Stunde, die noch nicht
Nacht und noch nicht Tag ist, ist zur
Erweckung der Erinnerungen günstig,
und diese boten sich I Fülle Herrn von
Areeaux, mit den lachenden Bildern der
Vergangenheit. Da war auch nicht
eine Stelle, nicht ein Fußpfad, der ihn
nicht an die so schnell entflohene Zeit
gemahnt, in der eine Atmosphäre von
Glück und Eintracht im hause herrsch
te. Er suchte sich dieser unzeitmiifziaen
Eindrücke zu erwehren. Wozu dabei
verweilen, da doch der unwiderrufliche
Entschlier gefaßt war und er sich in
den Umständen, die ihn herbeigeführt
—-s— wenigstens wiederholte er es sich —
nichts vorzuuserfen hatte. Doch um
sonst tauchte alles- in die Dunkelheit
zurück, sein Blick fand trotzdem alle
Gegenstände wieder und er sah in der
fernen Zukunft ein Schicksal, das von
dem, das er zurückließ, weit entfernt
war: und was das Schlimmste war,
nicht nur er allein hatte dessen Prit
snngen zu ertragen.
Plotzlich glaubte er im Rebenzims
kner ein Schluchzen zu hören; es war
as Zimmer seines Sohnes. Er« zit
terte und glaubte dann, sich getäuscht
zu haben. Es war jedenfalls die
Klage des Windes im Blattwert, der
Schrei irgend eines Nachtvoaels.
Die Nacht war bereits vorgerückt,
als er die Augen schloka es war eher
die Erschlassung der Omane, als ein
erquickender Schlummer; doch die
Thätigleit des Geistes wirlte in der
Absvannuna des Körpers fort; seine
Gedanken, die der Arbeit, der Aus
merlsamleit nicht mehr unterworfen
waren, streiften srei umher.
Die kommenden Jahre entrollten sich
vor seinem Geiste, wie sie ihren Tri
but an Neue und Leiden darbrachtem
und sein Sohn, den er an seine bit-·
tere Vereinsamung gefesselt, stand ihm
nJie eine lebende Anklage vor Augen;
das zum Jüngling herangetvarbsene
Kind war traurig und düster, es war
zu schnell gealrert, wie alle, die früh
zeitig das Gewicht geheimen Kum
mer-H aus sich laden.
,,Vater,«· so sprach er, ,,waru!1 ha
ben Sie meine Kindheit der Liebe
einer Mutter beraubt? Als ich Ihnen
folgte, wußte ich nicht, daß der Weg,
den zu betreten ich sür meine Pflicht
hielt, so schmerzlich sein würdet Jch
bin sern von den heiligen Freuden der
Familie ausgewachsen; Jhre Inmi
gung ist nicht im Stande gewesen, das
zu ersetzen, was ich verloren habe;
diese Hand, die sich so gut darauf ver
steht, die Thränen zu trocknen und un
sere ersten Schritte in der Welt zu
leiten, dieses Lächeln, das einen so
unendlichen Zauber ausübt. diese
Stimme, die es so gut versteht, in’s
innerste Her-r zu dringen, andere Kin
der haben alles dies besessen, und die,
welche der Tod von dieser nie ermü
denden Freundin getrennt, haben we
nigstens am häuslichen Herde die le
bendige Erinnerung an sie wjederaek
funden. Ueberall, wohin das sowie-tat
mich aefiihrt, habe ich ein fremdes ödes
Land gefunden; überall habe ich Heim
weh nach dem mütterlichen Dach em
pfunden. O, Vater, warum hast Du
mich dem Nest entrissen dessen Erin
neruna mich unaufhörlich verfolat?«
Als Herr von Atceaux aus diefetn
fieberhaften Schlummer er:vac«rte, em
vfand er nicht mehr die Freude über
den Triumph den er am ooriaen Taae
errungen. Von dieser schmerskirhen
Betrachtung geauält, trat er in das
kleine Zimmer seines Sohnes. Dieses
Zimmer, das die Liebe der Eltern
einst toie eine totette Bonbonniere aus
aeftattet, zeuate ebenfalls von dem
Kummer. der die betten bedrückte; die
tausend kleinen Nichtiateiten, die ae
wählt worden, die Jugend des Kin
des zu erfreuen, laaen xerstreut um
her und der Staub bedeckte die Möbel.
Georaes schlief. doch sein Gesicht trug
die Snur der Thriinen, die er kürzlich
vergaffen; er toar blaß. seine Brust
hob sich mühsam. tonvulsivische Bewe
aungen erschiitterten seine Glieder,
und unzusainmenhänaende Worte ent
strömten seinen Lippen.
Herr von Arceaur öffnete das Fen
ster, um die erfrischende Moraenluft
hereinzulassen. Blumen schmückten das
Sims und schlugen, vom Winde he
weat, aeaen die Scheiben, sodafz die
Blicke des Kindes heim Erwachen auf
die rothen und blauen Winden. die
weißen Altern, die blühenden Erhsen
fielen. Doch auch diese atmen Blumen
sind vernachlässiat worden; ihre halb
verweltten Stenael neiaten sich trau
rig hernieder. Bei diesem Anblick
schnürte sich das Herz des Vaters zu
fammen, denn diese traurige Verän
derung fiel ihm schwer auf’s Herz. Er
senkte das Haupt, neigte sich über das
Bett und blieb lange Zeit in schmerz
liche Erinnerungen versunken.
Bei einem Geräusch, das er ber
nahm, richtete er sich schnell auf und
erblickte Frau von Arreaux, die eben-,
falls dem Stübchen ihres Sohnes ei
nen Abschiedsbesuch machen wollte.
Sie schleuderte ihrem Manne einen
zornigen Blick zu und fragte ihn mit
erregter Stimme, warum er ihr die
letzten Stunden streitig machte, in de
nen sie sich ihres Kindes noch freuen
könnte. Sie ließ die Bitterkeit ihres
Herzens ausströmen, auch ibr war die
Zukunft im Bilde erschienen und auch
ihr Geist war von den Erscheinungen
getrübt, die das Gemüth ihres Gat
ten belastet hatten; auch ihr hatten sich
die Folgen enthüllt, die die Trennung
für das Kind nach sich ziehen würde.
»Es ist seltsam,« murmelte sie; »ich
habe die nämlichen Visionen gehabt.«
»Wenn Sie für ihn zittern,« fuhr
Frau Von Arceaux fort, »warum las
sen Sie ihn dann nicht hier?«
,,Sind Sie überzeugt« das; er hier
glücklich wäre, daß der Vater in sei
nem Leben nicht auch eine Lücke zurück
lassen würde?«
f Sie antwortete nicht, ihr Schwei
gen glich einem Geständniß.
s Einige Augenblicke wurde kein Wort
szischen ihnen gewechselt. Sie folgte
; der Richtung, die der Blick ihres Man
nes genommen, der sich hartnäckig auf
einen Punkt der Wand heftete. Ein
kleiner Rahmen hing dort;es war die
Photographie der beiden Gatten, die
den fünfjährigen Georgeg zwischen sich
hielten; alle drei lächelten, und Glück
und Freude lagerten aus ihren Zügen.
Das Gesicht der jungen Frau nahm
einen bewegten und gerührten Aus
druck an; alle Neigung zum Zorn und
Groll war verschwunden.
»Warum,« sagte ste, »konnte es nicht
immer so bleiben? warum ist der un
heilbare Bruch zwischen uns getreten?«
»Der unheilbare?« fragte der Mann
in einem Ton, der gegen die Auffas
sung dieseg Wortes zu protestiren
schien.
III O sit
Jn diesem Augenblick erwachte das
Kind. Es schien zuerst noch von einem
bösen Traum befangen, den es nicht
abziistreisen vermochte und der seinen
Geist trübte. Es liesz seinen Blick über
tie ihm gleich theuren Wesen schwei
sen, die zu jeder Seite des Bettes stan-«
den, dann erfaßte es mit instinktiver
Bewegung die Hand seines Vaters
und seiner Mutter, die unwillkürlich
ein wenig näher getreten waren. Diese
unschuldige und unbewußte Vermitte
lung sprach beredter, als die schönste
Rede.
»Der Entschluß, den wir an einem
Tage gefaßt, da wir schlecht berathen
waren, ist undurchsührbar,« sagte der
Gatte mit thränenerstickter Stimme;
»wir hatten kein Recht dazu; danken
wir dein Kinde, das uns vor einer ver«
hängnißvollen That bewahrt!«
Das Uebrige geschah unter Thra
nen; nach einer Scene der Versöhnung
ixnd Verzeihung, die jeden Groll ang
löschte, ließen sie das Kind entzückt
iind freudig, hoffnungsvoll der Zu
kunft entgegenblickend und innig auf
die Liebe seiner Eltern vertrauend, in
seinem Bette liegen, wo es jetzt bunte,
schöne Träume umgaukelten.
J Oh, wie kindisch erschienen den bei
« den Gatten jetzt die Sorgen und Küm
-inernisse, denen sie beinahe ihre Zug
ztunft geovsertl Wie klagten sie über
jihre gegenseitige Thorheit, daß sie
seinen Augenblick daran gedacht, deni
« Glücke auf ewig den Rücken zu kehren!
Und zur Stunde der Mahlzeit, als sie
das Kind zwischen sich sahen, das wie-—
ter der Fröhlichkeit und Sorglosigkeit
seines Alters zurückgegeben war, er
konnten sie erst, welch unwiderstehlicher
Zauber und Reiz in diesem Familien
gemälde liege!
Seitdem trübte keine Wolke mehr
die Ruhe ihres ehelichen Lebens. Wenn
iie je versucht waren, eine Uneinigteii
in ihre Häuslichleit eindringen zu las
sen, so brauchten sie nur ihr Kind zu
betrachten, das fröhlich und glücklich
unter ihren Augen auftauche- Mehr
bednrfte es nicht« um alle Zwietracht
verschwinden zu lassen.
ROH
Wno noch fehlt.
«Haben Sie Ihre letzte lanqe Krani
heit wieder ganz überstanden2« —
»Ganz noch nicht. « -— »Was fehlt
Jhnen denn noch?« s-— »Die Rechnnug
des Arztes. «
Getan-jene Ausredr.
»Carl ’mal, Piccolo, mit wem haft
Du Dich denn herumgebalgt? Du haft
ja lauter Kratzwunden im Gesicht.« —
,,Kratzwunden? Ach nein! Da hnb’
ich mich mit dem Rasirmesser geschnit
en.«
’S Pascherhansi.
Ein Grenzergsschichtfaus der guten,
alten Zeit von Alexis Kolb.
Der Müllerseppl wollt’ backen diese
Nacht, und weil er noch ein paar Scheit
Holz gebraucht hat, so geht er hinüber
in lSchuppen und holt sich einen Arm
voll
Gerad’ wie er dieThiir wieder zu
ketteln will, erhebt sich aus der Straß’
ein mörderisches Geschrei: »Halt, oder
wir schießen!«
»Mir nicht hierher!« schreit der
Müllerseppl in seiner Angst und duckt
sich, so tief er nur kann.
Da kommt 's PascherhansL ein
«ass’l auf dem Rücken, keuchend die
« traße daher gestürmt und hinter
ihm her zwei schreiende Grenzjäger.
Wie ’s Paschserhansl die offene
Thijt sieht, strengt er seine letzten
Kräfte an, macht einen gewaltigen
Satz und ist in der Holzhiitt’ ver
schwanden.
Den Munerseth hat er ver dem
mächtigen Sprung über den Haufen
geworfen. Der weiß nicht, wie ihm
geschieht, richtet sich mühsam wieder
auf und will gerade zu schimpfen an
heben, da steht der schwitzende Ober
jäger vor ihm und will zur Thür
hinein.
Aber da kam er beim Müllerseppl
schief an. Der konnte von Kindheit
auf die Grenzjäger nicht recht leiden,
den Oberiäger aber schon gar nicht,
irrte-il er ihn einmal lontraband gemacht
at.
Darum berstellte er ihm jetzt auch in
aller Gemiithgruhe den Weg.
»Platz, Müller!« ruft der Oberjäger
unwillig, »und hindert mich nicht in
meinem Dienst,« aber der Müllerseppl
rührt sich nicht vom Fleck.
»Wenn Jhr eine Durchsuchung vor
nehmen wollt’, hab’ ich nichts dagegen,
aber hübsch gesetzlich muß alles dabei
Zugehen und der Ortsrichter und die
Polizei muß anwesend sein, so stehteg
in den Paragraphen,« gab er hämisch
zur Antwort und blinzelte listig mit
seinen schlauen Aeuglein. Dagegen
konnte der Oberjäger nichts einwen
n.
MSo schluckte er seine Gall’ hinunter,
stellt seine beiden Kameraden, den
dicken Holterer nnd den steifen Ta
dai5, als Wache beim Schuppen auf
und läuft um den Richter.
Der Richter war bei einer Kind
tauf’ und um keinen Preis von der
Tafel wegzubringen, dafür schielte er
einstweilen den schnapgnasigen Ge
Ineindediener zur Verstärkung der
Wache·
Dieweil es sich der Richter beim
Schmause wohl fein ließ, der Ober
jäger in größter Ungeduld vor dem
Hause auf ihn wartete nnd die zwei
Grenzjäger und der Polizist gewissen
haft Wache hielten, sitzt der Müller-:
feppl und ’s Pascherhangl im Holz
schuppen bei einander.
Der Miitlerseppl hat ein halbes
Laib Schwarzbrod, ein mächtiges
Stück geräucherten Speck und ein
großes Wasserglas herbei geschafft,’s
Pascherhansl wieder hat den Deckel
des Fasse-H mit einer Hacke einge
schlagen.
So hocken die beiden Männer auf
einem Holzblock, lassen sich Brod und
Speck wohl schmecken und trinlen in
vollen, langen Zügen den schweren,
scharfen Rum aus dem Fass’l.
Von Zeit zu Zeit fangt ’g Pascher
hansl an zu lamentiren, daß es einen
Stein erweichen tönnt’, über sein gro
ßes Mißgeschick
»Diesmal tomm’ ich ihnen nicht aug,
beut bin ich verloren!« meint er mit
weinerlicher Stimme; ,,bierzehn Tage
Arrest, bei Wasser und Brod, sind mir
gewiß, das hali’ ich nicht aus.«
Dabei laufen ihm die Zähren in
ten Schnurrbart, nnd er schüttet ein
Glas Rum auf einmal hinunter-, nur
um sein Weh zu ersäufen.
Der Milllerseppl hört ihm lauend
und trinkend zu, zum Reden hat der
jetzt leine Zeit.
Jetzt fährt auch ’5 Pascherhansl
etwas gesaßter fort:
»Wenn ich heut schon einmal auf
ten Leim ’gangen bin und nimmer
aus kann, meinen Rum aber sollen die
Grenzjäaer nicht bekommen. Trink!
Vetter Miillergesell, soviel Du kannst,
und wenn wir nimmer können, lassen
wir den Rum auslaufen«
So tranken denn die Beiden tapfer
daraus los, bis es endlich mit dein be
sten Willen nicht mehr ging.
»Da lippt ’«s Pascherhansl das
Fassl um und läßt den Rum aus
fließen. Weil aber im Schuppen eine
hölzerne Rinne eingelassen ist, um das
durch das schadhaste Dach eingedrun
aene Regenwasser wieder ins Freie zu
leiten, so sucht auch der Rum aus die
sein Wege seinen Abzug.
Der Müllerseppl verläßt mit un
sicheren Schritten den Schuppen, um
seiner Arbeit nachzugehen. das mit
allen Salben geschmierte Pascherhansl
aber stützt den pfiffigen Kopf in die
Hände und beginnt nachzudenken, ob
es nicht doch vielleicht noch seinen
Feinden entschlüpfen könnte Aber
kein rettender Gedanke wollte ihm ein
fallen.
Um dieselbe Zeit pairouillirt der
Genieindediener mit feinem Säbel um
die Rückseite der Holzhiitte und kommt
gerade an die Stelle, wo die Rinne ins
Freie mündet.
Wie er das plätschernde Geräusch
des aussließenden Rumes wahrnimmt
und den kostbaren Trank unmittelbar
vor seinen Füßen aus dem Schuppen
hervorquellen sieht, bleibt er bestürzt
stehen und will kaum seinen Augen
trauen. Einen Augenblick lang zau
dert und über-legt er, aber verführerisch
und verlockend steigt ihm der Geruch
feines Lieblingsschnapses in die Nase.
Da konnte er nicht länger widerstehen
Seine Würde vergessend, wirft er
sich flach auf die Erde und beginnt gie
rig zu trinken, in langen, durstigen
Zügen.
Wie ihm schon der Athem auszuge
hen droht und er ganz blau wird im
Gesicht, kommt zum Glück der alte Ta
dais um die Ecke.
,,Geschwind Kamerad!« ruft er ihm,
nach Luft ringend, zu, und macht dem
Alten in der Rinne Platz.
Der läßt es sich auch nicht erst zwei
fmal sagen, taucht den bärtigen Mund
in das feurige Naß, und laut glück
sende Töne verrathen, wie trefflich es
»ihm schmeckt.
» Weil aber der Gemeindediener eine
gutmüthige Seel’ ist und seinem Näch
sten auch gern etwas vergönnt, so löst
er den dicken Holterer bei der Thüre
ab, damit auch der sich gütlich thun
kann an dem raren Trunk.
Und noch einige Male lösen sich die
drei Wächter an der Rummquelle ab,
bis diese endlich versiegt und sich die
Holzhütte, die Mühle und die Straße
um die Trinker im Kreise zu drehen
beginnt
Stoclfinfter war es geworden, da
larn der Richter mit dem Oberjäger
aus den Holzschuppen zugesteuert.
Der Oberjäger trommelte Undanks
herrn aus der Mühle, und der Mr
herrn aus der Mühle und der Müller
seppl kam auch bald mit verschlafener
Miene, roth aufgedunsenem Gesichte
und einer Laterne zum Vorschein.
Unheimliche, beänsgstigende Stille
lag über die in Dunkel gehüllte Holz
hütte.
,,Holterer! Tadais!: ruft der Ober
jäger leise seine Leute.
Keine Antwort.
»Polizei!« ruft der Richter.
Wieder keine Antwort. Nachdenk
lich bleiben die Männer stehen.
Wie aber der Müllerseppl an die
Wand hinleuchtet, da liegt der Ta
dais friedlich und einträchtig neben
dem Gemeindediener und beide schnar
chen um die Wette.
Dem Oberjäger wird schwül zu
Muth; gerade will er den Pflichtver
gefsenen Grenzjäger etwas unsanft aus
feinem Schlummer stören, als ihn
ein neuer Gedanke zusammenschrecken
ließ.
Schlimmes ahnend, eilte er nach dem
Eingang des Schuppens und seine
Befürchtung war nicht umsonst ge
wesen.
Vor der halb offen stehenden Thure
lag im tiefsten Schlafe der dicke Hol
terer. Jetzt war es um die Selbstbe
herrschung des Oberjägerg geschehen.
»Wo habt Jhr den Pascher?«
schrie er tvüthend und schüttelte den
Schlafenden, daß dieser entsetzt empor
fuhr.
»Den Pascher?« fragte er erstaunt
die Augen aufreißend —— aber jetzt be
gann es in ihm auszudämmern.
» »Der ist da drinnen im Schuppen«,
Janttvortee er ausspringend und tau
melnd, noch halb schlaftrunten, über
»schritt er die Schwelle.
s ,,« a, freilich ist er drinnen und schon
lseit Stunden wartet er, bis Ihr ans
tgeschlafen habt und ihn vernehmt, das
brave Pascherhansl!« schreit jetzt bog
haft lachend der Müllerseppl, der seine
Schadenfreude nicht mehr länger ver
bergen tonnte nnd dabei springt er in
diesHolzhtttte und schwingt in toller
Ausgelassenheit die Laterne wild in
dem finsterer Raume herum.
»Seht, gerade dort oben sitzt der
Pascher —— langt ihn doch rasch her
unter,« und bei diesen Worten tanzt
der außer Rand und Band gerathene
Müllerseppl um den Grenzjäger her
um, und leuchtet hinauf in die
Balken.
Aber als der arme Holterer nun
wirklich emporblickt, um nach dem Pa
·scher auszuspähen —- da erfaßt ihn der
vor Zorn behende Oberjäger beim
Aermel und zieht ihn gewaltsam aus
der Holzhiitte.
»habt Jhr Euch noch nicht genug
lächerlich gemacht heute? Wollt Ihr
Euch noch mehr zum Narren halten
lassen?« schreit er empört. Und mit
hängenden Köpfen ziehen die Grenzjä
ger ab. Jhnen folgt der Richter mit
dem Gemeindediener.
Nur der fidele Müllerseppl bleibt
zurück. Der freut sich unbändig, weil
das kluge Pascherhansl den Grenzjä
gern ein Schnippchen geschlagen und
glücklich aus der Falle entkommen ist.
Der war jetzt über alle Berge und die
Grünröcke hatten das Nachsehen. Jetzt
wollte der Müllerfevpl nur noch den
Schuppen absperren und sich sodann
zur Ruhe begeben. Wie er aber die
Thüre zzuziehen will, da vernimmt er
ein gar seltsames Geräusch, welches
aus dem Hintergrunde der Hütte zu
kommen schien; Eiskalt rinnt es dem
Müllerseppl über den Rücken, aber von
Neugierde getrieben, schreitet er auf die
Stelle zu, von wo die sonderbaren
Töne an sein Ohr dringen. Und die
Laterne will ihm vorSchrecken aus der
behenden Hand fallen:
Da liegt’s Pascherhansl und schläft
so sorglos und ruhig, als wenn es auf
der ganzen Welt kein Rumfass’l, keine
Grenzjäger und keine Arrestftrafe ge
ben möcht.
Sonderbare Geschenke.
Ueber meriwtirdige Geschenke, die
oft hochgestellten Persönlichkeiten an
geboten werden plaudert eine englische
Zeitschrift: Dem Präsidenten Roose
velt wurde kürzlich eine sonderbare
Gabe dargebracht. Ein Einwohner
von Georgia übersandte ihm eine zar
te Aufmerksamkeit in Gestalt einer
wilden Katze. Der Empfänger ließ sie
urngehend dem Zoologischen Garten
überweisen. Nützlicher schon war das
Geschenk, welches dem verstorbenen
König Alexander von Serbien gemacht
wurde. Man brachte durch öffentliche
Sammlungen eine erhebliche Summe
auf, die dazu dienen sollte, ein neues
Regiment zu bilden und zu erhalten,
welches den Namen ,,Königin Draga«
siibren sollte. Die verstorbene Königin
Viktoria von England erhielt anläsz
lich ihrer Vermählungsfeier von-den
Bewohnern Von Ost- und West-Pen
nard einen riesengroßen Käse, der«ein
Gewicht von etwa einer halben Tonne
hatte. Nicht zufrieden damit, daß das
Geschenk angenommen wurde, erbaten
sich die Spender dafür eine Anerken
nung in klingender Münze. Jhr Ge
such wurde genehmigt, gleichzeitig ers
hielten sie aber auch den Bescheid, daß
Ihre Majestät unter diesen Umständen
dieAnnahme des ihr auf eineso eigen
thümliche Art gemachten Geschenkes
verweigere. —-- «Geehrter Herr! Jch
nehme mir die Freiheit, Jhnen hier
mit einen Sarg zu übersenden, der
aus dem Hauptmast des Schiffes
,,L’Orient« hergestellt worden ist.
Wenn Sie Jhre glorreichen Tage be
schlossen haben werden, mögen Sie in
Frieden darin ruhen« So schrieb Ka
pitiin Benjamin Hallowell an Lord
Nelson, als er thn einen Sarg über
sandte, den der Schiffszimmermann
aus einein Maste des französischen
Schiffes gearbeitet hatte. Das Ge
schenk wurde angenommen. Eine Zeit
lcng führte Nelson den Sarg auch auf
dem Schiffe mit sich. Seine Freunde
veranlaßten ihn aber später, davon
Abstand zu nehmen« -—-— Dem Lord
manor von Liverpool wurde vor zwei
Jahren zu Weihnachten ein gewaltiger
Ftniittel anonym übersandt rnit der
Bitte, ihn in Anwendung zu bringen,
wenn es gelte, während der Sitzungen
des Magistrats die erforderliche Ruhe
herzustellen Dem Mikado hätten sei
ne Unterthanen gern Port Arthur als
Geburtstagsgeschenl übergeben Jhren
angestrengten Bemühungen ist es aber
nicht gelungen, ihm dieses ersehnte Ge
schenk zu machen.
—.——-· --.-———-—
Thüringer Geschichte.
Jn einem kleinen Thüringer Städt
chen hatte ein Obftgartenbesrtzer viel
unter Obstdieben zu leiden. Um seinen
Garten vor nächtlichen Besuchern zu
schützen, brachte er eine Warnungsta
fel mit der Auffchrift: »Hier liegen
Fußangeln und Selbstschiisfe.« Trotz
dieser schrecklichen Drohung wurde
frisch und fröhlich weiter gestohlen.
Da schreieb der unglückliche Obstgar
tenbefitzer voller Verzweiflung an seine
Thür: »Hier liegen wahrhaftigen
Gott Fuß-angeln«
Am Schulter-.
Beamter: »Das Packet kann ich so
nicht annehmen. Die Adresse ist zu
undentlich das Wort »Magdes
barg« iann ich überhaupt nicht lesen!«
In der Eile-.
Frau ldie unvermutbet von der Ba
dereise zurückgekehrt ist): »Das war
eine Ueberraschung, wag-Z Und
Du hast in der Ei sogar den Ehe
ring an den verieh en Finger ge
steckt!«
Vorbereitung,
A.: »Sie essen jetzt so oft italieni- «
schen Salat· Thun Sie das vielleicht,
weil Sie demnächst nach Italien reisen
wollcn?« — B.: »Ganz recht, ich will
einen Vorgeschmack von Italien be
konnnen.«
Aufrichtig.
Junger Mann lzu einem Laden
inädchen): »Mein Fräulein, Sie glei
chen einem Veilchen.« —--- Mädchen:
»Das sagen alle, aber nachher fragen
sie gleich, ob man wag hat.« - 3. SlBinbolpl), .$erau$flebcr. (VJranb 30t«nb. yfebr.. 27. 3|uiwr 1905 (^weitcr Xbcil.) ^a^rgattg 25 yto. 22.