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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Jan. 27, 1905)
Unsere höhere Tochter. Humoresle von Frib Bren tano. Warum lachst du, Fritzei fragte Frau Anning, die eben ihrem Gatten, einem vielbeschäftigten jungen Rechts antvalt einen großen gefüllten Kohl topf, das Prachtstiick ihres heutigen Menüs servirte. »Lachen? Jch? entgegnete der also Jnterpellirte, »daß ich nicht wüßte! Wie käme ich dazu?« »Na, höre«, sprach leicht indignirt die Hausfrau, »das ist denn doch ein bißchen komisch. Jch bringe diesen Kohllopf, auf dessen Zubereitung ich einigermaßen stolz bin, auf den Tisch —- du witfst einen flüchtigen Blick auf meine lulinarische Schöpfung und lächelst verächtlich. Auf meine Frage nach dem »Warum« aber heu chelst du Unwissenheit. Da möchte ich denn doch um eine Erklärung ersu chen, Herr Gemahl. Wenn dir ge füllter Kohl nicht behagt, brauchst du es ja nur zu sagen — er soll dich ge wiß nicht mehr durch seinen Anblick beleidigen !« Nun lachte der junge Ehemann wirklich. »Mein lieber Schatz,« erwiderte er, »bitte« rege dich nicht auf. Zunächst stelle ich fest, daß du zuerst von »La chen«, alsdann aber von »Lächeln" sprachst. Das sind zwei verschiedene Begriffe. Das erstere negire ich mit gutem "«Gewissen, das zweite geb’ ich bedingungsweise — keinenfalls aber in »verächtlichem« Sinne —- zu. Lächelte ich wirllich, so geschah es un willkürlich —- ich möchte sagen unbe-! wußt —- vielleicht infolge einer Jdeen- i verbindung zwischen diesem Meister-’ stiick deiner Kochtunst und dem Briefs meiner Schwester Trude, den unss vorhin der Postbote brachte —« » »Und den du noch gar nicht gelesen ; hast«, fiel Frau Anning ihrem Gat-; ten in die Rede. »Woher also diese geheimnisvolle Jdeen - Verbindung? Das ist mir schleierhaft!« »Ich will den Schleier lüften, Schatz«, antwortete der Rechtsan walt, »allein erst, wenn wir die causa movens meiner dir so befremdlichen heiterteit, diesen aggetztlichen Kohl kon gegessen haben. Er duftet so ver führerisch, und ich möchte ihn gern heiß genießen, da kalter Kohl nicht gerade» meine Leidenschaft ist. Also beenden wir, ehe ich mein Plaidoyer beginne, zunächst unsere Mahlzeit!« Das thaten sie denn auch. Frau Anning allerdings mit einer gewissen nerviisen Hast, denn sie war cin biß chen neugierig veranlagt. Endlich war der Tisch abgedectt. Der Dottor zündete sich seine iibliche Nachmittagscigarre an, pflanzte sich behaglich neben sein erwartungsvolles Frauchen in die Sophaecke und be gann: »Wie du weißt, sind wir vier Ge schwister. Wir verloren früh unsere gute Mama und an ihrer Stelle re gierte Fräulein Brigitte Schnabel un seren Haushalt, um den sich Papa, der mit der Vewirthschaftung seines Landguteg vollauf zu thun hatte, we nig —-- vielleicht ein bißchen zu wenig —- lümmerte und alles seiner Reprä sentantin überließ. Fräulein Schna bel aber, ein ganz wider Willen stark; «versvätetes Mädchen« von sünfund vierzig bis achtundvierzig Jahren, war keine angenehme Dame. Sie war hart und spitzig wie ihr Name und brachte uns Kindern keine Liebe entgegen, was allerdings auf Gegen seitigkeit beruhte. Auch das Haus-» und Gutspersonal hatte viel unter ih rem nichts weniger als »lieblichenr« Temperament zu leiden, und so konnte sie sich infolgedessen · schmei cheln, die bestgehaßte Persönlichkeit auf eine Meile in der Umgegend zu sein. »Meine jüngeren Schwestern, Else und Hedwig, sowie ich, trugen die lieblose Behandlung, die uns der »Schrecken des Hauses« angedeihen ließ, mit stummem Ingrimm, aber Trade, unsere Aetteste, lebte in be-s stündiger offener Fehde mit deri Haushälterin, über die sie sich wieder- ! holt bei Papa, freilich ohne greifbare-Z Resultat, beschwerte, da Fräulein Brigitte diesen mit so ausgesuchter Sanftmuth und Aufmerksamkeit be: ( handelte, daß er absolut nicht ant Trudens Schilderung von dem bös artigen Charakter seiner »Stiitze'« glauben konnte. s i »waturna)," brummte etwas re spettwidrig unsere Aeltesie, als wieder einmal einer ihrer Angrisse gegen die Schnabel abgewiesen war, »Papa wird von ihr verhiiifchelL Er ist ja ein stattlicher Wittwer und sie hofft! Aber so lange ich lebe, aeschiehi es nicht — ganz gewiß nicht!« »Aus wag Fräulein Schnabel hoffte und was nicht geschehen sollte, blieb unserem kindlichen Begriffs-vermögen damals unklar trotzdem haßten wir die »olle Brigitte« seit dieser dunklen Andeutung dcsto heftiger — weil sie hoffte. Alles in allem führten wir ein nn behagliches Dasein. Und nun verlo ren wir auch noch unsere letzte Stütze —- unsere Trude. Sie avancirte zur »höberen Tochter«, indem sie nach Ber «dort sitt ihre künftige soziale Stel B lin in das Jnstitut gebracht purde, um E lung als heirathssöhige Gutsbesitzers tochtee abaeschlissen nnd sein potirt zu werden. Wir aber waren nach ihrem Weggang den Schikanen unseresHaus drachens ganz und gar verfallen und hatten vor dessen Nörgeleien nur in den paar Stunden Ruhe, während de ren sich die Schnabel ihrer Lieblings erholung widmete, die Lektiire irgend eines jener Romane, die vorzugsweise empfindsarne Küchenseen und Borsier frauen zur Befriedigung ihres Litera turbediirfnisses lesen. »Und wieder studirte Fräulein Schnabel ein solch fesselndes Werk, betitelt: »Die kalte Todtenhand oder der Geisterbesuch um Mitternacht«, über dem sie manche Abendstunde mit glühendem Gesicht saß, als nach Jah resfrist unsere hübsch herangereiste ,,höhere Tochter« zum ersten Mal aus Berlin zum Besuch kam, von der bra ven Brigitte mit scheelen Augen, von uns mit Jubel empfangen. Selbst verständlich schütteten wir ihr beim er sten traulichen Alleinsein unsere über vollen Herzen aus und ebenso selbst verständlich bildete die liebliche »Stü tze« und deren thrannische Herrschaft das Hauptthema unserer erregten Un terhaltung, in der auch an der Hand eines Heftes der »kalten Todtenhand«, das wir der Alten gemopst hatten, der literarische Geschmack der Hausregen tin gründlich durchgehechelt wurde. Die ,,höhere Tochter« hörte unsere Klagen aufmerksam an, blätterte nachdenklich das rothe Zehnpfennig hest mit dem greulichen Titelbild durch und bemerkte dann lakonisch: »Kinder, ich habe einen Plan! Vor läufig aber laßt uns zu Bette gehen, ich bin müde!« »Am nächsten Tag bekamen wir Trude wenig zu sehen. Sie machte mit Papa Besuche in der Nachbarschaft, speiste sogar mit ihm auswärts und erst gegen Abend hatten wir Gelegen heit ein paar Worte mit ihr zu reden. Wir weiten doch so schrecklich neugie rig auf ihren »Plan«, allein, was die sen betraf, glich sie einem japanischen Generalissimus — stumm, wie ein FIW »Oder hatte sie gar keinen Plan? Sie plauderte den ganzen Abend so überaus liebenswürdig mit der etli chen Schnabel, die majestätisch hinter dem Samowar thronte, daß wir grün und gelb vor Aerger wurden und uns gegenseitig mit den Ellbogen in die Rippen stießen, um unserem Unmuth über diese Jntonsequenz unserer »bö heren Tochter« einen fühlbaren Aus druck zu geben. ,,Diele aber ignorirte uns und un seren Aerger vollständig. Sie hatte sich, während Papa in seiner Sofaecke sanft duselte, mit der Verhaßten in ein höchst interessantes Gespräch über Geister und Geistersput vertieft, wo bei sie so schauerliche Geschichten er zählte s-— die schauerlichste sollte sich sogar in ihrer Berliner Pension abge fpielt haben —— daß der an sich schon lächerlich abergläbischen Haushälterin im Eifer des Zuhörens die Augen fast aus dem Kopfe quollen und ihre-Haare eine bedenklicher Neigung zum Sich sträuben zeigten. »Um elf Uhr ging die aitßergetvöhn lich lange Abendsitzung zu Ende. Wir waren gewohnt, in dieser Jahreszeit « im November -— viel früher zur Ruhe zu gehen und schliefen daher, als es diesmal geschah, sofort wie die Rassen. Aber nicht lange. Eben dröhnte von dem alten Kirchthurm des Dorfes drüben die Mitternacht, als wir durch ein langanhaltendes gellendesGeschrei, das unheimlich durch das ganze Haus klang, aus unserem festen Schlaf auf geschrectt wurden. »Im Nu war alles alarmirt und während wir jüngeren uns in das Schlafzimmer Trudens flüchteten, die noch vollständig angelleidet war und sehr ruhig blieb, als wir sie zitternd umdrängten, stürzten draußen Knech te und Mägde, die ersteren theilweise mit den unglaublichsten Dingen be waffnet, nach dem oberen Korridor, wo sie auf Fräulein Brigitte Schna bel stießen, die halb wahnsinnig, in ei nerEcke tauerte und immer wieder, wie geistesabwesend, nach ihrer Schlaf zimrnerthür stierend, zeterte: »Dort, dort —- das Gespenst — die kalte Todtenhand!« »Na, ich will’s kurz machen,Schatz,« so schloß der Rechtsanwalt seine Ge schichte, »damit Du endlich erfährst, wag eg mit derJdeenverbindung zwi schen unserem heutigen Rohllops und dem Brief Trudens«siir eine Bewandt niß hat. Am Abend des nächsten Ta ges bereits war Fräulein Schnabel abgeteilt und siir immer aus unserem Gesichtskreis verschwunden. Sie hatte unserem, über diese Störung seiner Nachtruhe höchlichst indignirten Papa und dem entsetzten Gesinde eine schau erliche Geschichte von einer eisigenTod tenhand erzählt, die sich im Bett plötz lich ihres rechten Beine-s bemächtigt hatte, und als Papa sie in seinernAer ger siir eine total verrückte Schraube ertliirte, hinzugefügt, daß sie nicht ei nen Tag mehr in einem Hause bleibe, wo nicht nur dergleichen greulich-un heimliche Dinge vortämen, sondern auch diejenigen, denen sie passirten, noch überdies verhöhnt würden. »Und so ging sie denn wirtlich. Während aber der Wagen sie zur nächsten Bahnstation brachte, wintte uns unsere »höhere Tochter« nach dem Gemüsegartem wo sie uns einen riesi gen, zu einem Eistlumpen gestorenen Kohltops zeigte und schmnnzelnd er Iklärte: »Ich hatte ihn zu Füßen ihres Bettes versteckt! Jch wollte sie freilich ! nur mal gründlich anlaufen lassen, daß er sie aber aus dem Hause trieb, übersteigt meine lühnsten Erwartun gen.« ,,Verstehst Du nun, Anning?« «Allerdings,« erwiderte lachend die junge Frau, »aber ich hätte nie ge glaubt, »daß meine liebe Schwägerin, die würdige Frau Geheimräthin, mal eine solche Schwindlerin sein lonnte.« »Ja, stille Wasser smd ties!« entgeg nete der Doktor lustig und gab seiner kleinen Gattin einen herzhaften Kuß Aus dem Leben eines Prinzen. Anläßlich des Todes des Prinzen Friedrich von Hohenzollern werden viele Züge aus dessen Leben mitge theilt, die für die Liebenswürdigteit des Verstorbenen sprechen. Ein ehema liger Einsähriger des 2. Garde«Dra gorierregiments, das der Prinz einst tommandirte, schreibt: »Versucht da eines Nachts, wie es ja öfters vor kommt, ein Dragoner, der seinen Ur laub überschritten hatte, in derSchlei eimacherstraße die Kasernenmauer zu übersteigen. Aber alle seine Anstren gungen sind vergeblich. Da hallen Schritte durch die einsame Straße; scheu duckt sich der Soldat zur Seite, aber, gottlob, es ist nur ein Civilist. An ihn wendet sich der Reitersmann in seiner Noth: »Sie, Civiliste, kom men Sie doch mal her und helfen Sie mir über die Mauer!« Der Herr wil ligt lachend ein, legt auf Geheiß seine Hände zusammen, als helfe er einer Dame aufs Pferd, der Soldat tritt darauf und schwingt sich auf die Mauer, um im nächsten Augenblick drüben im Dunklen zu verschwinden. Ungesehen gelangt er gleich darauf in seine Stube und in sein Bett. — Am nächsten Tage tritt auf Regimentsbe fehl das ganze Regiment auf dein Fia sernenhof an. Niemand weiß, wes halb. Da erscheint der Kommandeur und sagt: »Es ist mir mitgetheilt wor den, daß heute Nacht zwischen 1 und 2 Uhr ein Dragoner in der Schleierma cher Stratzen über die Mauer gestiegen ist. Der ann trete vor.« Ein paar Augenblicke ist alles still, dann kommt, wenn auch zögernden Schrittes, der Uebelthäter aus dem Gliede hervor Der Oberst läßt sich von ihm genauen Bericht erstatten, wie er es fertig ge bracht hat, hinüberzutommen, und zum Gaudium des gesammten Regi ments und der Straßenpassanten muß der Dragoner mit Unterstützung eines Kameraden noch einmal das Hinder nis; überwinden. Dann fragt ihn der Kommandeur, ob er denCivilisten wie der erkennen würde, und theilt auf ver neiiiende Antwort dem auf’s höchste Erschreckten mit, dasz er selbst, Prinz Friedrich von Hohenzollerm der Herr in Cibil gewesen sci. -—-- Eine Strafe erhielt der Soldat nicht, aber er hat auch nie wieder seinenllrlaub übertre ten, und an ihm hat sich mancher ein Beispiel genommen. —-« Der liebenswürdige Minister. Aus Gotha wird dem ,,(5.rfurter Auzeiger« berichtet: Auf dem Bahnhof einer Thüriugischeu Residenz steht der Zug, der nach dem Walde führt, zur Abfahrt bereit. Jn einem stupee L. ttlasse sitzt wohlgefällig der Schneide miihlenbesitzer X. aus Y. Er hat heute einen der wichtigsten Tage feines Le bens hinter sich. Der Minister hatte deiGiiadQ ihn zur Audieiiz zu fordern. Mit äußerster Liebenswiirdigteit war er empfangen worden, um über diese und jene Verhältnisse Auskunft zu ge ben. Ja, am Schluß hatte Excelleni sogar den lebhaften Wunsch ausge iprochen, eine solche schätzenswerthe Kraft im nächsten Landtag begriisien zu können. Was wollte er mehr! tfr war mit sich zufrieden. Da öffnete sich kurz vor Abfahrt des Zuges noch ein mal die Thür und herein stürzt sein Freund Z. aus Z. Auch er ist tadel los gekleidet von oben bis unten, auch er erlaubt sich heute 2. Güte. »Aber woher kommst Du denn?« fragte ihn X. »Ja, denke Dir,« berichtet nun Freund Z» nachdem er sich einiger maßen verschnauft hat, »ich war heute zur Audienz beim Minister empfehlen Aeußerst gnädiger Empfang. Ereellenz fragte nach diesem und jenem u. s. w. Ja, schließlich s—« »Schleißlich«, fiel ihm X. in’s Wort, »sprach Exeellenz den lebhaften Wunsch aus, eine solche schätzenswerthe Kraft« u. s. w." --— »Aber woher weißt Du denn das,« sagte verwundert sein Freund. »Ja, dasselbe hat er mir ja auch gesagt,« erwiderte X. »Ich war nämlich auch beim Minister.« . . . . —--—-——-—.--——— Ueber-schäm. ,,Werti)es Fräulein, meine Liebe zu Ihnen ist wahr und aufrichtig, sie ist so innig, so wahr, so heiß, so uner Ineßlich, daß ich ——« — ,,.HBren Sie aus —— so viel Mitgift habe ich ja gar nicht« Hilfst-neit Student fzu seinem Kollegen, der ihm über Geldmangel klagt): »Wenn Du Geld brauchst, dann konan nur zu mit, dann suchen wir zusammen einen —- dee uns pumpt!" Durch die Blume Prinzipal: »Also der Schulz will nichts mehr kaufen; hat ess- Jhnen geradeaus gesagt?« —- Reisender: »Das nicht, aber verblümt«. —- Prin zipal: »Wie denn?« —- Reisender: »Er ließ mich eausschmeißen.« Die wilde LieseL Novellette von Louise Bruhn. Vor einem großen schönen Hause in B stand eine alte Linde. In set nem Studirzimmer saß am Fenster der junge Doktor Johannes Riedel, in tiefe Gedanken versunken. Draußen senkte sich schon leise die Dämmerung auf die Häuser nieder, und ein lindes Abendliiftchen strich sanft durch die Aeste des alten Bau mes und wehte ein Paar weiße Blü then herab aus den Boden. Es war dem jungen Arzte, als säße dort unter der Linde ein kleines, zierliches Geschöpfchen von fünf bis sechs Jahren, mit widerspenstigen, braunen Locken und mit großen, blauen, fragenden Kinder-augen. Das liebliche kleine Mädchen trug ein lurzes, blaues Kleidchen mit einer blendend weißen Schürze, und die klei nen Fäßchen steckten in niedlichen Schuhen. Das war die kleine Liesel, die wilde, lustige Liesel, des verstorbenen Lehrers Töchterlein, mit dem der junge Doktor jeden Tag seiner Kna benzeit unter der alten Linde gespielt hatte. Das arme, kleine Liesel verlor friih die Mutter und bald darauf auch den Vater. Die alte Tante Justine hat es dann zu sich genommenund wohnte immer noch im Schulhaus, dicht ne ben dem stattlichen Hause des Dok tors. Kam Doktors Hans aus dir Schule, so stand das Liesel schon in der Pforte und schaute sehnsüchtig nach ihm aus. Das arme kleine D·«:«g .hatte ja nur die alte Tante Justine, die, so lange die Kinder denken konn ten, am Fenster faß, mit der Brille auf der Nase und strick-e Darum war die kleine Liesel auch so gerne drüben bei Doktors-. Wenn sie nur konnte, entwischte sie sder alten Tante mit dem kalten We »sen und den strengen Augen und sie-a dahin, wo sie sich mit dem Instinkt ihres kleinen Herzchens willkommen I fühlte. i Da stand sie auf den Reben neben ,der Frau Doktorin; mit ernsten-· Ge slchtchen schaute sie zu ihr auf, wenn sie die Suppe kostete. Dann setzte sie sich neben den Hans aus ein niederes Schemelchen, wenn er seine Schulwes gaben machte und sah mit athemloser stummer Bewunderung, was er fiir Krakelsüße in sein Schulheft malte. Dann aber, wenn es ihr zu lange dauerte, flog sie wie ein Pfeil in die Hohe: »Fang’ mich, Hansl« -—— und »ehe er sichs versah, war sie, husch, um die Ecke, und wie eine kleine Eidechse schlüpfte sie hervor: »Ach, Du du«-u nter, dummer Hansl« Wie gerne ließ er sich so nennen, wie gern! ’ Dann mußte sie auch in die Schille, die wilde Liesel, mit einem Schreib hest und der Fibel Drollig sah sie alust Die Tante Justine hatte ihr sur diesen wichtigen Tag die wider zspenstigen Haare sein säuberlich niit tWasser glatt gekämmt und einen IZops geflochten, der wie ein Wegwei s ser abstand. l Und sie hatte eine so drollige Wiirte »aufgeset3t und ging so stol: daher bin » ter den großen Mädchen die wilde tkleine Liesel! Nachher flogen die Bücher in die Ecke und, hast du mich gesehen, huschte sie hinaus unter die große Linde. ,,Gel:, Haan, so kannst Du mir’g doch nicht nachmachen?« ; Flint wie ein Eichhörnchen, leicht »wie eine Else huschte sie hin und her, schwang sich auf die Linde und wiegte sich wie ein Vögelchen aus schwanken dem Aste. Lachenden Auges sah sie »dann in das entsetzte, angstvolle Ge i sicht unter der Linde. »O Du dummer, dummer Hans-, gelt, hast Angst Z« ! Und die Tante Justine wurde im imer älter und Klein-Liesel immer ;·hübscher. Sie kletterte jetzt nicht mehr iaus die alte Linde und geht nun auch « nicht mehr in die Schule. Fein sittsam lsitzt sie neben der Tantc Justine und »näht, nur manchmal schaut sie sehn Istichtigen Auges zum Fenster hinaus s in's-H Blaue. Und Doktors Hans muß morgen »Abschied nehmen; er geht nach Heidel Tberg, um dort zu studiren, weil er doch auch wie sein Vater Doktor wer den will. Das Schwerste ist ihm die Trennung von der LieseL Das Herz sschlug ihm bis iu den Hals hinauf, als er ihr Lebewohl sagte. Sie neekte ihn und lachte ihn aus, weil er so un ; behilflich vor ihr stand. ! Als er aber am sriihen Morgen des landeren Tages fortging, stand sie vor Dem Hause, und mit: »Da, lieber «Hans!« slog ihm etwas in’s Gesicht. »Als er eg aufhob, war es ein kleines tStkäufzcheu, in der Mitte ein Ver gißmeinicht. ——- Die Liesel war da von. Vier Jahre sind seitdem vergangen Die Nachrichten vonHause laineii nicht allzu ausführlich Die Eltern schrie ibeii ihm, die alte Tante Justine seH stirbt, und die Liesele sei sori. Ein vor- s inehmer Herr sei qekoniiiien, der die s Liesel in der Kirche singen hörte Jhre schöne Stimme habe es ihm angethan s und er wolle sie zur berühmten Sän gerin machen Seine Eltern hatten iihr abgeredet, so sehr sie konnten, die »Liesel aber lockte die schöne bunte sWelt mit ihrem Glanz und Flimmer fund so ging sie mit dem vornehmen : Herrn nach Italien. I Das war ein böser Tag sür iden Hans, als er das erfuhr! Ein böser i Tag! Aber nicht schlimmer als der, an ’dem er sie später einmal aufsuchte, ; Um ihr mit aller Gewalt seines treuen und ehrlichen Herzens zuzureden, daß sie doch zurückkehrte in die alten, ein fachen Verhältnisse i Sie könne ja seiner alten Mutter »eine Stütze sein bei der Arbeit. Jhre unschuldigen Kinderaugen strahlten Hihn übermüthig an, und ihr rother iMund lachte ihn aus, wie früher so soft: »O Du dummer Hans, gelt, ge Irade jetzt, wo ich ausgelernt habe und feine große, berühmte Sängerin wer » den kannt« . . . Sie hatte hell aufge s lacht . . . l Und so würde sie Viele anlächeln, Iund Viere würden ihren Blick in die ; großen, sragenden Sterne tauchen, bis Hder unschuldige Kinderblick daraus ? entschwand! i Und nun ist er Doktor geworden Han seines Vaters statt, und seine jberwittwete Mutter hält ihm Haus. » Er wußte wohl, sie hätte es gerne ge sehen, wenn eine junge Frau Dokto rin in’s Haus gekommen wäre; denn sie hatte ihren Hans so lieb und möchte ihn gern glücklich wissen. H Aber es ging nun einmal nicht, nein! Hier in dem alten Haus mit den lieben, alten ..... Erinnerungen... Der junge Doktor beschattete die Augen mit der Hand, so vor sich die alte Linde, die immer noch so schön blühte . . . heiliger Gott, was war Idasls — —- Da stand’s, da sah’s mit . großen, scheuen Augen zu ihm hinüber —- sein Liebstes auf der Welt! i Und bald daraus stand der junge HDoktor unter der Linde und hielt eine liebende, zitternde Gestalt in den Ar men. ; »Hans", schluchzte sie, ,,bin ich noch bei Dir zu Hause, Hans-I« Sie athmete tief auf, dann brach zihre Stimme in Schluchzem ; ,,Hans, ich bin elend und unglück lich, sie haben mich gequält und ge hetzt, sie haben mich belogen und be trogen . . . ich war so allein unter ihnen allen . . . und ich hatte solche i Sehnsucht nach der lieben sixten Kin jderzeit . . . und da bin ictk nun . . . sund so lebensmiide . . . Hansl« s Und dann leiser: i »Ich war nur thöricht . . . nicht ’schlecht . . . und nicht wahr, Hans-, wenn sie wag Schlechteg von mir sa gen . . . Du glaubst nicht . . . Du nicht, .Han5?« Statt aller Antwort hob er sie ein ror wie ein Kind und trug sie hinein in’s Zimmer. Dort ließ er sie auf· einem Stuhl nieder, kniete vor sie hin und bedeckte ihre Hände mit unzäh ligen Küssen. - »Du böse, liebe Liesel, Du bist also zu mir gekommen, willst all denGlanz und die Pracht verlassen und mit Dei nein Hang oorlieb nehmen? —- Sieh inich doch nicht so ungläubig an, Liesel . . . Dich will ich . . . unglücklich und elend . . . krank und lebengmitd . . . Dich will ich, nur Dich allein! Sag, daß Du mein sein willst, Liesel . . . aber so sag-s doch. . . liebe, süße Lie sel. . . ,,Hans!« jubelte sie, ,,inein treuer, guter Hansl« Sie lag in seinen Armen. Da trat die Doktorin ein. »Ja, wag ist denn da geschehen, Hans?« ,,Mutter,« sagte er einfach, aber eine jubelnde Zuversicht klang durch seine sStiinme »Mutter, unsere wilde, ; liebe, kleine Licsel ist wieder da.« Und alg die Doktorin fragend Von eineni zum andern blickte, flog Liesel ihr um den Hals. »Er liebt mich —- er liebt mich, Miitterchen!« »Wir feiern Verlobung, Mutter,« sagte der junge Doktor, ,, gieb uns Deinen Segen!« »Mutterchen,« slüsterte Licsel mit einem unbeschreiblich seligen Lächeln, «Miitterchen, segne Deine glücklichen Kinder!« Erziehung des Mannes. Von Jennh Riese. Anna, Mina nnd Helene waren Pensiongsreundinnen gewesen, nnd ihre Freundschaft blieb auch bestehen, als sie bereitsv alle drei verheirathet waren. Einst saßen sie beisammen nnd stritten dariiber, wessen Ehe am aliicklichstcn sei nnd welche von den Dreien ihren Mann »am besten erzo-s aen hätte.« »Das lange Streiten niitzt nichtg.« sagte Anna schließlich, »die Wahrheit wird sich nicht eher herausstellem als bis wir Alle die Probe daraufhin gemacht haben· Wir miißien jede un seren Männern die gleichen Unan: nehmlichteiten bereiten, nnd dann se hen, wer sich dabei am sanftesten oder nngebiihrlichsien benimmt.« »Welche Unannehmlichkeit denn"5« »Nun, mein Mann giebt sehr viel aufs Essen, und da er durch meine Kochlunst etwas verwöhnt ist, so ist ihm nichts ungemüthlicher, als wenn einmal etwas mißrathen ist· Beson ders am Sonntag wünscht er eine ta dellose Tafel. Wie ist es denn bei Ench?« Die anderen Beiden mußten zuge ben, daß auch ihre Gatten auf einen schmackhaften Sonntagöbraten viel Werth legten. »Wenn wir ihn also anbrennen ließen!« riefen Mina’.und helene gleichzeitig. - »Richtig!« schloß Anna, »und da mit wir uns gegenseitig eontrolliren können, wollen wir uns an den nächst folgenden drei Sonntagen zum Essen einladen.« »Wer-den unsere Männer dann aber auch mit dieser Einladung einverstan den sein?« fragte Helene. »Diejenige, die das nicht einmal bei ihrem Manne durchsetzen lann,« erwi derte Anna achselzuckend, ,,ist von der Concurrenz von vornherein auszu schließen.« Bei Anna kam man zuerst zusam men. Alles, war in heiterster Stim mung bei der Tafel, bis — ein ver brannter Kalbsbraten erschien. Die bis dahin liebenswürdige Miene des Wirthes wurde finster, seine Augen schossen Blitze aus die »schreckensblei che« Anna, er brummte unverständ liche Worte in den Bart, welche sich die Besucherinnen so berdolmetsehtem »Wenn nur nicht Fremde hier wären, ich wollte Dich lehren —« »Nun, lieber Mann,« sagte Anna, um ihre Erziehung in voller Parade vorzuführen, »Du scheinst etwas miß gestimmt zu sein.« »Ich wünschte«, lautete die Ant wort, »Du hättest Deine sonst so be währte Koch-Wust vor unseren lieben Gästen auch heute in besserem Lichte gezeigt.« »Der Braten ist tadellos-, ichs mache ihn nie anders,« behauptete Anna kühn. Der Gatte erwiderte etwas darauf, « und so entspann sich ein kleiner eheli cher Streit, der nur durch dasDazwi schentreten der anderen beiden Frauen beigelegt wurde. Ein ganz anderes Bild zeigte sich, als am nächsten Sonntag der ver brannte Braten in Minas HäuslickF keit auf den Tisch kam. Jhr Gatte ließ seinen Unmuth über das bitter schmeckende Gericht nicht im Gering sten merken und aß ohne Widerspruch die Stücke, die ihm Mina auf den Teller gelegt hatte. Noch wohlgezogener zeigte sich He lenes Gatte, als die sechs Personen in der folgenden Woche bei ihr um einen verbrannten Schweinebraten herum saßen. Nicht nur, daß er selbst sich ein Stück nach dein andern nahm und mit augenscheinlichem Behagen ver zehrte, er sang auch wahre Loblieder auf die Kochkunst seiner Frau und behaup,tete, nie im Leben einen so schönen Braten gegessen zu haben. Gleich am nächsten Tage kamen die drei Freundinnen wieder zusammen, um das Urtheil zu fällen. »Ich will mich nicht rühmen,« sagte Helene in bescheidenem Tone, »aber wo der Augenschein selbst spricht, ist es wohl unnöthig, die Verdienste un serer Erziehung noch im Einzelnen besonders abwägen zu wollen. Dein Gatte, Anna, tad«elte, der Minas schwieg, der meine lobie. Also —« »Nun meine ich,« fiel Anna ein« »daß dieses Material zur Begründung des Urtheilgspruches nicht ausreicht. Wie unsere Männer sich in Gegenwart von Fremden betragen, hatte Helene richtig festgestellt. Aber, liebe Helene, darf ich Dich fragen, wie sich Dein Gatte verhielt, als wir am letzten Sonntag lDein Heim verlassen hat ten?« »Nun, wohl nicht anders als- die (iuren,« lautete die in einem etwas derlegenen Tone gegebene Antwort. »Als Ihr fortgegangen waret über hiiuste er «nich mit Borwiirsen ich blieb ihm natürlich keine Antwort schuldig, und alg wir ausgezanlt hat ten, schloß er sich in sein Zimmer ein. Seitdem haben wir noch tein Wort miteinander gesprochenR ».luch mein Mann hat kein Blatt ror den Mund genommen nahm nun Man dag- Wort, »aber nach einem tüchtigen Streite versähnten wir uns wieder, und jetzt ist Alles in bester Ordnung.« »Und wag meinen Mann betrifft,« sagte nun Anna gelassen, »so bat er mich, wegen seines Benehmen-s bei Tische, als wir unter vier Augen wa ren, um Verzeihung, die ich ihm aber nicht so rasch gewährte Erst als er ausging und mir bei seinerWiederkehr einen Schmud zum Geschenk machte, lies; ich mich desänftigen« Etwas neidisch gestanden Mina und Helene ihrer Freundin Anna den illreigi zu Seine Auffassung· »Hast Du gehört. wie Fräulein He lene neulich sagte, die qanze Stadt liege ihr zu Füßen Glaubst Du dsgigksp »Ja« —- »Wieso?« »Nun, sie wohnt ja in der vierten Einge« ältste-gedeutet Richter: »Wie kamen Sie, Herr Zeuge, mit dem Angeklagten Zusam men?« -—— Zeuge: »Er suchte in der Zeitung einen Sozius zur Ausbeutung einer Entdeckung und — —- die Ent sbeckung war ich.« ) Ungalnnt. ! Richter: »Wie elt find Sie?« — Dame: ,,leer, Herr Präsident, wissen Sie denn nicht, daß eine Dame iknmer so alt ist, wie sie aussiehiW —- Rich sten »Für so alt hätte ich Sie nicht s gehalten!«