Krach. Roman von »Dann- von Zoöektiiz. (16. Fortsetzung) Draußen in Friedenau hatte er für sich und die Mutter eine winzig kleine Wohnung genommen. Dort wollte er, bis aus weiteres beurlaubt, die Ent cheidung auf sein Gesuch abwarten. Er lebte der festen Ueberzeugung, daß ihm, der Abschied bewilligt werden müsse, und er wünschte nichts anderes. Was dann werden sollte, darüber sprach er sich nicht aus, aber er saß Tag und Nacht über Büchern und Landkarten. Jn die Stadt kam er nicht. So suhr Bernhardine hinath. Und wenn sie in der Abenddämme rung heimkehrte, war sie matt wie ein Vögelchen. Matt, aber nicht muthlos. Sie kam dann meist noch im Hut und Mantel zu Lora in Wohnzimmer, schmiegte sich an die Freundin, er säblte das Wenige, Eintönige, was zu erzählen war Von der armen gebroche nen Frau dort draußen und dem stum men inneren Ringen des Mannes, den sie liebte, und war aliicklich, wenn Lo ra sie an ihr Herz nahm. Bei Hat-di fand jedes Wort schlich ten Zuspruchs eine gute Stätte. Jbre Auaen lenchteten immer schon hoff nungsfreudig auf, wenn Lora ihr Laste: »Hab’ Vertrauen und hab’ Ge uld. Präsungen müssen überwun den werden. Und, glaub’ es mir, du wirst diese schweren Tage noch einmal preisen. Denn erst in ihnen habt ihr, Samen und du« euch recht kennen ge lernt. Was srijhliches Glück zusam «Iåeitfügt, muß sich erst im Unglück be währen, wenn's ein langes Leben mit Sonnenglanz füllen soll.« Um Hardi brauchte man keine Sor se m haben — Aber um Win sorgte sich Lora. Sie hatte —- ,,gottloh!·' sagte sie sich immer wieder — wenig müßige Stun den. Fräulein von Schotten war ja eigentlich nur noch als Gast im Hause, das umsangreiche Getriebe des gro ßen hauswesens lag aus Loka, und sie fühlte sich gerade jetzt doppelt ver pflichtet, es sorgsam zu leiten. Wenn Eherhard wohl auch dann und wann lachte: »Du scheinst mir mit Pfenni ·gen oben zusammensparen zu wollen, was wir unten mit"Tausendmarkschei nen in Rauch ausgehen ließen!« —- sie wuszte doch, daß er vorläufig auch die se kleinen Ersparnisse als Erleichte rung empfand. Trotz allem kamen auch ihr Stun den, Minuten, in denen sie mit ihren Gedanken allein war, und die lehrten sich dann immer wieder zu Willh hin Sie war ihrer selbst so sicher, daß sie sie ruhig wandern ließ. Sie konn te still vor sich hinlächeln, wenn sie da ran dachte, daß sie einst zwischen Va ter und Sohn gestanden hatte, so sest ·blte sie sich mit tausend heiligen « nden an ihren Mann gefesselt. Wer was einst —- es lag hinter ihr, all seks vor vielen Jahren gewesen — in ihr für Willy gelebt hatte, das hatte sich nun in warmherzige schwesterliche uneigung verwandelt. Und so bangte sich um ihn. Denn sie sagte sich im mer wieder: «Hardi trägt nur an fremdem Unglück mit, Willn am eige nen Verschulden Jhm ist am schwer sten zu helfen —- wenn ihm überhaupt III heler ist ——« Es war heute seit langem zum er K Male ein sroherer Tag gewesen. rhard war zu ungewohnter Stunde -ausgelommeu, hatte, das liebe chalkhaste Lächeln im Gesicht, ihr mit dem Finger gedroht: »Du —- du! Untier taceat in ecclesia! Das sind is mir ja schöne Geschichten, die du hin ;- Ot meinem Rücken eingesädelt hast« ·« Du denkst wohl, ich merke nicht, wo « M Euse läuft?l« —- hatte sie dann a t: »Ich danke dir, Lokal Dein einäugiger Freund ist übrigens ein Machtmensch Eine Bollnaturl Wir « deren in zehn Minuten einig. Ich noch nie ein Geschäft von der Be ung in so tur er Zeit abgemacht.« -"« Ei quoll so heig in ihr empor, daß Z unwillkürlich die Hände ineinan this-L s " »Er war vorhin bei mir, Ederhard, « Eberhard Ich muß dir auch das sa gen: er nimmt Herta zu sich. Und wenn er dir vielleicht drückendere Be dingungen stellte, als er ursprünglich vor hatte, so ist das nicht seinetwegen, ei ist, um die Zutunft des Kindes zu - sichern. Er denkt nie an sich —-— der gute. edle Mensch. Einst träumte er, das «Licht der Dlrmen« zu erfinderi. Ihm wird, im anderen Sinne seine » Irfindung hoffentlich wirklich nicht . mir seinem kleinen Schüsling sondern vielen hunderten zum Glück werden. Ja deinen händem Eberhard!« . » Das war am Spätniachmittag ge ’«S-pesen, nnd die frohe Stunde klang " in ihr nach, als sie jetzt an ihrem » eibtische faß. Das Wirthschaftö M lag vor ihr. Aber sie hatte das M in die Kinn gestüßt und sah un - Der Uhgeschlosenen Lidern hinweg t; seid Mit-eure Oben auf dem Bord UW stand das kleine Eler stx Wem-n mit den Bildern der bei zhs Me- Ebkthstd’i, der schönen « W Istriziertöchtet aus der »s-. ) Mitte des vorigen Jahrhunderts, von denen die eine, die schönere, als jun ges Ding einen alten Mann geheim thet hatte —- und glücklich geworden war. Die Leutchen hatten darüber die Köpfe geschüttelt. Lora mußte lächeln. Jhr war dies Schütteln der wohlmei sen Köpfe ganz gewiß auch redlich ge worden. Nun ja! Mochten sie nur schütteln. War denn Eberhard über haupt schon ein alter Herr —- auch nur ein älterer Herr? —- Ob sich wohl . schon ein Silbersaden ins Haar gestoh len hatte? Nun —— und wenn der liebe Kopf schlohweiß wäre, das Herz war jung. So jung, so gut — Frau Lora saß und sann mit dem warmen Glücksempsinden in der See le, das sie nie losließ, wenn sie an Eberhatd dachte. Auch daran dachte sie, wie rein subjektiv dies Glücks-ge sühl sei . . . daß vielleicht wenig an dere Frauen ihres- Alters empfinden würden wie sie. Und gerade darum dünkte es sie so recht ihr eigenstes Eigen — Anders war’s doch gekommen, als sie selbst es sich einst ausgemalt. Hatte sie nicht gemeint, dir Geberin zu wer den? Nun tam es ihr vor, als sei sie wieder und immer wieder nur die. die Liebe und Glück und Güte empfange Anders war’s gekommen und besser — Mit einem Male schrak sie zusam men. Sie fühlte etwas neben sich nie dergleiten und dann zwei Arme, die ihre Kniee umklammerten, und ein be bendes Mädchenhaupt m ihrem Schoß. »Aber Maria Maria ..." »Nicht böse sein, Lora . . . bitte . . .« Es klang wie unterdrücktes Schluch sen. »Heimchen, du hast rnich diesmal aber wirklich erschreckt.« Nun kam gar keine Antwort. Aber der zarte Körper «3itterte, und die jRauschen schlossen sich noch fester um e mee. »Was hast du denn nur, Maria? Sieh mich mal an —« Aus eine Sekunde hob sich das-köpf chen. Die scheuen Augen waren ihrs nenüberströmt Dann sank die braune schwere Flechtenkrone gleich wieder nieder. Loras gesunder Natur widerstreb ten eigentlich diese Gesiihlsausbrüchr. Sie hatte sich schon ost vorgenommen, mit der Kleinen ein wenig ins Gericht zu gehen. Aber wenn sie in die Reb augen sah, stockte site immer wieder. heimchen war eben Heimchen. Und das Mädchen war sonst lieb und verständig; immer tbätig und strebsam. Bis dann die Augenblicke kamen, in denen sie sich anklammern mußte, sich auszuweinern Abere sging so doch nicht weiter-. — ; »Maria -——« sagte Lora ernst, ,,du mußt dich zusammennehmen Sieh mal, wir haben dich doch alle so lieb. Du bist aber auch kein Kind mehr, du mußt Selbstbederkschung üben lernen. Auch Vertrauen haben —- wirkliches Vertrauen. Dazu gehört, daß dst dich aussprichst. Kannst du das nichts Nicht einmal zu mir, Maria«-« Wieder hob sie das Köpfchen —- auf einen Augenblick nur — und wieder barg sie es in Loras Schoß. Aber nun nahm Lora es zwischen beide Hände, richtete es auf und sah dem Mädchen prüfend in die Augen. Und da stieg Heimckxn langsam das Blut in die Wangen. So eigen verrä thetisch Die langbewimperten Lidet sanken herab, als könnten die Augen den forschenden Blick nicht ertragen, die schöngeschwungenen Lippen waren fest geschlossen, die vollen Brauen wie im Leid über der Stirn zusammenge IM. Wte suß das Wcadchen ausiah — eine kleine Pfyche. Lora konne nicht weiter fragen. Wozu auch! Sie ahnte längst, was in Maria vorging. Und zudem: aus die sem Gesicht sprach das Herz. dies Junge, unschuldige, heiße, angstbebende rz — Sie beugte sich und küßte den brau nen Scheitel. Es war etwas winnin terliche Liebe in ihr. Und zugleich ein : leises, ganz neidloses Wundern: Wie » verschieden die Menschennatnr doch J ist! Und wie verschieden die Liebe! Hardi ich Heimchen hier! Und doch sehnen wir uns im Grunde « all; nach demselben: Glücklich sein! Glucklich machen! Sie beugte sich noch einmal und küßte die Stirn mit der kleinen schma len Falte. Dann sagte ste: »Komm, Maria! Wir wollen uns was zu thun machen, mal dem alten Krause ein bischen helfen. Man muß die Hände doppelt regen, wenn der Kopf voll schwerer Gedanken ist« Still —- kein Wort! Komm nur —« Ihr selbst that es aut, »die hände zu regen«. Das alte heilniittec Aber während sie die Silberkösten nachsah mit den schön gesorniten Bestecks, die noch vom Großvater ihres Mannes stammten« und witer sie mit der Mamsell über die inmachekanwagne sprach, Maria immer zur Seite, ver ließen sie ihre Gedanken nicht. 'm chen und Wilh-. Jn der Seele « set Kindes war die Liebe bis t nur eine nnbewnste Wuchs, mits volle, schmerzensreiche, glückselige Sehnsucht. Das ließ sich noch aule chen, ehe es tiefere Wurzeln schlug. ar’ö nicht so am besten siir sie? Denn Willh nahm diese hingebende Liebe vielleicht wie ein Geschenk. das er nicht einmal seinem vollen löstlichen Werth nach zu würdigen wußte. Und sich zu erhalten —- der Flattergeist — Oder war es möglich, daß ihm im Unglück die Erkenntnis wurde, was solch ein Schatz von Liebe werth war? So daß er durch ihn wieder gesunden könne, sich selbst wieder finden! Wenn es so wäre — Aus der bloßen Hoffnung wuchs ihr mit einem Male solch tiesinnerliche Freude, daß sie plötzlich Marias Köpf chen nahm, ihre Lippen aus den rothen Mund preßte. Und dann. wie vor sich selbst erschrocken, sich schnell wieder ab wandte: »Mamsell, vergessen Sie nicht die Dreisurcht. Das ist so recht etwas hier für dies Kinderschnäbelchen —« Sie saßen noch bei Tisch. als drau ßen die Thüren gingen und Konrad Salester hereinstürinte. Hardi schrie auf: er war in voller Uniform —- im Dienstanzug — Jm nächsten Augenblick lag sie an seiner Brust, weinend, jauchzend. Sie waren alle emporgeschnellt um ringten ihn. Rede sollte er stehen. Aber Hardi ließ ihn gar nicht dazu kommen. Es war. als wolle sie ihn in diesen Glücksminuten ganz allein für sich ha ben. Und nur Lora sah, wie in Konrads Zügen Sorge und Seligkeit so seltsam nebeneinander geschrieben standen. Endlich machte er sich frei. Und er sagte: »Seine Majestät haben mein Abschiedsgesuch nicht genehmigt. Aber ich bin laut Cavinettsorder vom heuti gen Tage, unter Enthebung von mei nem Commando zur Kriegsatademie, der Schutztruppe von Deutsch - Süd westasrila zugetheilt.« Er sprach es sehr ruhig, fast wie eine Meldung. » Einen Augenblick standen sie sprach- . los. Dann war es Eberhard, der zuerst! das rechte Wort fand: »Eine echte Ho henzollern- Lösung! Gerecht und wei se! Großherzig und edel! Kinder — unser Kaiser — unser guter Kaiseri« .am 15. August soll ich mich in hamburg einschifsen!« »Ich mit dir! Nicht ohne mich!« rief Hardi leidenschaftlich. Er antwortete nicht gleich. Jhr stie gen schon wieder die Thriinen in die Augen. .Man hat auch an das gedacht," sagte er endlich. »Das Commando der Schuhtruppen hat mir anheimge stellt, meine Frau mitzunehmen Ge rade deshalb wühlte man Südwest asrita für mich aus, mit seinem ge sunden Klima —- ich wäre auch nicht der erste Ossizier, der seine junge Frau dort hinüberführte. Es ist so vie1 Güte. Auch von dir, Hardi -—- ich bin sehr glücklich über deinen Entschluß. Und —- vielleicht — könnte ich dort vergessen. Aber meine Mutter! Meine arme Mutterl« » Nun wußte Lora, warum dieses treuen Augen so trübe geblictt hatten» Sie sah im Geiste die schwüchlicheE Frau mit dem zarten Madonnengesicht ? vor sich, der alles genommen war auf» dieser Erde bis aus den Sohn. Und» nun sollte sie auch ihn hingeben, hin- » ausziehen lassen ins Ungewisse, ihn vielleicht nie wiedersehen. Sollte allein zurückbleiben mit dem sressenden Leid, der unverschuldeten Schmach. Ganz gewiß: diese Mutter würde ihre Thränen zurückdämmen, um ihm das Herz nicht noch schwerer zu machen. würde ihn gehen lassen mit seinem jungen glücklichen Weibe, ohne zu kla gen. Aber ihr Schmerzenbild würde mit Konrad gehen, und die Angst um sie würde ihn jede Stunde verfolgen Es war kein Zögern und Schwan ten in Lora2 Konrad durfte der star ten Regung seines Herzens nicht nach ’geben. Der oberste Kriegsherr hatte be fohlen — Konrad mußte gehorchen. Auch um seiner selbst willen mußte er dem Beseht folgen« der wirklich die ein »zige Lösung gab. So einfach und so weise! Zwei Jahre draußen — und; wenn er dann heimkehrte, hatte sich alles gellärt, war hier vergeben, dort. vergessen worden. Er durste wieder mit sreier Stirn einhergehen — so und nur so tonnte er seinem Berus erhalten bleiben und noch einmal ein glücklicher Mensch werden« Es war Pflicht, baß er ging. Aber auch Pflicht der Selbst ethagvug und auch Pflicht gegen ar Helsen mußte man ihm. Jhm den schngeren Entschluß leichter zu machen . n· - , « » So faßte ne Den Arm ihres Man nes und, seiner Zustimmung sicher, sagte sie: »Konrad, Jhre Mutter ge hört zu uns. Wenn Sie hinausgehen, Ywird sie uns eine teure hausgenossin sein. Und Sie dürfen es mir glau ben: was in unsern Kräften steht, ihr alles Schwere zu erleichtern, durch herzliche Liebe, Konrad, das soll ge schehen. Nicht wahr, Eberhard?« »Aus der Seele hast du mir gespro chen! Ein paar kurze 'Jahre, Konrad — wie schnell gehen sie hin-« Ueber Salesters Gesicht suchte es. Noch konnten ja seine Sorgen nicht ge stillt sein, noch sah er kein Land. Aber leise schlich sich ein Gefühl der Erleich terung in sein herz. Und während Hardi schon wieder ausjuhelte: »So iskz rechtl Der Kaiser und Loral Un Mlselsey Tonnhl Wo Icarus uns is « W et sieh in inniger - Dankbarkeit über Lorag Hand nnd sagte schlicht: »Sie sind so gut —· In Eberhards Arbeitszimmer syn )den sie, eine Stunde später, um den ; großen Mitteltisch. Man hatte den Atlas herangeholt und ein paar Wer te ans der Mich-erei, und sie studirten eifrig die Reiserouten. hart-is beweg lichej Gemüth sannte sich bereits in allerlei Zukunftsbilderm Konrad sprach mit dern Schwiegervater «iiber seine Ausriistung Eine Weile hatte Willy zugehörtz dann hatte er das Zimmer verlassen, wie er es jetzt häufig that, ohne ein Abschiedswort. Lora glaubte nicht anders, als er sei » noch einmal ins Geschäft gegangen — zes war kurz vor Ultimo, und in dem HKontor wurde an diesen Tagen ge F wöhnlich seht lange gearbeitet. Als sie in einer wirthschastlichen HAngelegenheit einige Minuten daran Hdurch die hinteren Wohnröurne ging, J bemerkte sie einen hellen Lichtschimmer aus der nur angelehnten Thür der »Gallerie. Sie glaubte im ersten Mo ! ment an irgend eine Nachlässigkeit der Dienerschafi und öffnete die Flügel vollends. Aber der Saal war dunkel, das Licht lani ans dem zweiten Raum. Dort mußten die eleltrischen Schalter cusgedreht sein. Sie schritt rasch. durch das ianggestreckte schmale Ge mach — Und da sah sie Willh — Er hatte sich einen der gotischen Sessel mitten in den Saal gerückt und saß, ganz Vorniibergebeugt, das Kinn aus beide Fäuste gestützt, dem Gemiilde von Rochegrosse gerade gegenüber. So in Gedanken, daß er ihren leichten Schritt gar nicht bemerkte. Sein Ge sicht konnte sie nicht sehen· Aber der goße Reslettor wars ein mächtiges Strahlenbiindel an ihm vorbei auf die Gestalt des unheimlichen Weibes mit den gierigen Augen und den weitvorges streckten leeren Händen. Fast wie kör perlich hob sich die dahinschwebende Figur ab von dem Hintergrunde mit seinen lodernden Flammen. Einen Augenblick schwankte Lora. Sollte sie, leise wie sie gekommen, zu rückgehen? Es war doch etwas wie Scheu in ihr. Und dann tam es ihr wieder als eine Feigheit bor und wie ein Mitleidversagen zugleich, zu ge hen; und als eine Pflicht wenigstens den Versuch zu machen, Willy aufzu riitteln, von dem Bann und Druck zu lösen, der auf ihm lag. Wie schwer mußte er leiden, daß er hier —- gerade hier —- vor diesem Bilde mit sich rang! Denn er rang mit sich, das sah sie. So trat sie noch einige Schritte nä her und sagte leise: »Willh." Er suhr hoch, wandte ihr das Ge sicht zu. Und —- war’s nun, daß er über ihr plötzliches Erscheinen erschrak, warst die Beleuchtung —- mehr noch als in der ganzen letzten Zeit erschie nen ihr die einst so frischen, fröhlichen Züge verändert, verfallen, fast ber zerrt. Grau die Gesichtssarbe, die Ge sichtsfarbe, die Augenwintel voll klei ner Fältchen, uin den Mund ein schmerzlicher und doch auch trotziger Ausdruck. »Ich sah Licht hier . . . zufällig . .« »Es thut mir leid, wenn du dich beunruhigt hast, Lora. Jch . . · ich wollte mir nur einmal wieder den herrlichen Rochegrosse ansehen. Ent schuldige ——« Hestig schob er den Sessel zurück. Es schien, als wolle er gehen. Er that ein paar Schritte auf den Resleltor zu· ann blieb er wieder stehen, warf den Kops zurück, strich sich mit der rechten Hand die Haare aus der Stirn. »Ein Meisterwertt Nicht wart« Er lachte. »Das Lehrteiche in der Kunst ist ja nicht mehr modern. Aber es hat doch seine Meriten. Nur auch mit vielem andern Lehrreichen den einen Nach theil: es kommt immer zu spöt.« »Das liegt doch wohl allein an uns, Willy. Verzeih die Alltagsweisheit.« Er streifte sie mit einem finsteren Blick. »Warum —- oerzeiheiii Jch wollte, ich hätte immer mehr Alltags weisheit gehabt. Dann wär’ ich nicht heute Abend —- hierher gefliichtet.« Wieder sah er nach dein Gemiilde hin: «Erinnerst du dich noch der Stunde, wo du«-, ·. .· das da tauftestt Es war eigentlich sehr merrwuroig Jch vergesse es nie. Damals begegne ten sich unsere Augen und wir wußten beide, was wir dachten: wen dieser Herr Rochegrosse mit einer seltsamen ! Künstlerprophetie gemalt hat-— Lora hob ein wenig. bie hänbe »Was quälst du dich. Win Lerne endlich vergessen —« Es schien fast, als habe er ihre Worte gar nicht gehört. »Du hast sie ja auch gut gekannt» .biese Dame. Vielleicht besser gekannt als ich, jeden falls besser erkannt Aber das weißt bu wohl doch taum, daß sie uns alle in’s Unglück gestürzt hat. Wir verdien ten’s sreilich nicht besser.« »Lasz sie Wilh-. Jhre Strafe trisst sie Wozu von ihr reden?« »Ich will aber von ihr sprechen. Ge rade zu bir. Jatvohl — mach nur nicht so stolze Augen —- gerabe zu dir. Jch wollt'z schon lange. Nun ist·z gut, daß sichs so fügt. Das ist der rechte Ort dazu. Du sollst nicht deuten, daß s ich diegGeschsps dort se geliebt habe-« ; »Win, was geht das mich an!« ; «Lasz mich spreche-if ries Win »Es muß einmal vom Verirrt herunter. Ich habe sie so wenig el ht, wiesi mich. Aber sie verstand die satnaische Knnft, mich trohdem am Göngelbandel zu führen, meinen thörichten Ehrgeiz aufzustachelm mich mit schönenWorten zu umschmeicheln -—- mich Narren. Bis zuletzt. Denn auch das sollst du wissen, damit ich ganz klein vor dir werde, Lota: daß ich ihren ganzen Besitz an Aktien Möglich, in »der schlimmsten Stunde, die es geben konnte, auf den Markt warf — daran war ich allein schuld. Damals in Rom wußte sie es mir herauszulockem in welcher Lage wir uns befanden —- und so brach die Katastrophe über uns herein.« »Auch ohnedem wäre der Zusam menbruch nicht ausgeblieben, Willy.« ,,Vielleicht. Aber wahrscheinlich würde eine ruhigere Abwicklung mög lich geworden sein. Rein —- nein — ich bin an allem schuld. Jch —- und die dort mit ihrer unersättlichen Gier, dem eiskalten herzen und der lodernden Leidenschaft nach Gold und Brillan ten. nach Luxus und Tand. Die ihr Kind verließ, die ihren Mann, der zum Betrüger und Bettler geworden war durch sie, von sich stoßen konnte —- und am selben Abend in Leide und Spitzen am grünen Tisch saß und drei mal das Maximum gewann. Jch Thor! Jch erbärmlich-er Thor! —« »Willy, was nüßt es, wenn du dich heute noch in Selbstvorwiirfen ver zehrst. Gefchehenes läßt sich nicht un geschehen machen. Aber Geschehenes läßt sich gut machen. Daran mußt du denken.« »Nein — Geschehenes läßt sich nicht ungeschehen machen. Ganz recht· Aber gerade darum kann ich den Gedanken nicht los werden« der mich jagt und foltert: warum mußte es denn ge schehen?« Er stand einen Augenblick mit tief gesenktem Kopf, mit sich kämpfend Und dann trat er plötzlich auf Lora zu und rannte, ohne sie anzusehen, mit heißer, bebender Stimme: »Auch das muß heute gesagt werden. Lora. Auch du — die Kluge, Reine — auch du bist nicht frei von Schuld! Jawohl —- du —- du! Jch lechzte damals nach einem guten Wort von dir, nach einem freundlichen Blick, nach einem Zeichen, daß ich dir nicht gleichgültig sei —« .Willy —!« schrie sie auf. Aber er faßte ihre hand und hielt sie fest. Und er bat: «Laß mich weiter sprechen. Nur dies eine Mal. Jch war ja auch da ein Narr. Ohne Entschluß lrast, ohne festen Willen —- Nohr im Winde. heute liegt das alles weit hin ter mir —- ich weiß — ich weiß. Aber wie anders wäre alles gekommen, Lora, wenn — wenn ——-«' «Schweig!« Mit einer heftigen Be wegung riß sie sich los und wich bis zur Wand zurück. «Du vergißt. mit wem du sprichst! Kein Wort weiter — ich verbiete es dir!« Jhr ganzer Körper bebte. Aber sie stand hocherhobenen Kopfes, mit bli ßenden Augen, die Arme wie zur Ab wehr vorgestreckt, die Hände im Zorn geballt — »Nie vergeben würd’ ich mir, wenn ich dir je ·. » auch nur unwissentlich Veranlassung zu dieser Stunde gegeben hätte. Deinem guten, edlen Vater könnte ich nie wieder unter die Augen treten. Mitleid hab’ ich mit dir gehabt, fchwesterliches Mitleid —- willft du auch das tödten!« »Lora, ich schwöre dir . du hast mich mißverstanden .. . .« »Nein! Jch habe dich nicht mißver standen. Das traue ich dir nicht zu, daß du die Frau deines Vaters belei digen wolltest mit bewußtem Willen. Aber deine Haltlosigteit kennt keine Grenzen.« »Lora, ich höre nichts anderes, als immer wieder: »Du bist so gut.« Wa rum hab’ ich teinen Antheil an deiner Güte —- ich allein ——« Sie schlug die Arme über der Brust zusammen und athmete ties aus. »Ich sollte jetzt wohl gehen und dich allein lassen ——- daß die Erkenntnisz dir von selbst käme. Aber ich fürchte, damit versäumte ich eine Pflicht. Denn ich muß dir das sagen: Güte muß ver dient werden. Als Geschenk ist sie werthlos. Mitleid hab’ ich mit dir ge habt und habe sie auch jetzt noch. Aber meine volle Achtung wirst du dir erst wieder erwerben müssen ——- wenn du kannst. Jch kenne dich, Willy! Du bist geradezu der Typ dieser jungen Män ner, die so stolz durch die Welt gehen, immer weinend: ihre Straße sei die gerade, die rechte — und die doch nur durch die Welt taumeln. Jhr arbeitet ——— o sa! aber selbst die Arbeit ist euch mehr ein vornehmer Sport. Jch will nicht sagen: Jhr seid schlecht im Kern. Nein! Aber was gut in euch ist, das erstickt ihr mit eurer eitlen, korrekten Wohlgesälligkeit. Klug seid ihr, Ziele habt ihr, aber kein Ziel. Jhr glaubt nur die hände ausstrecken zu brau chen, um Glück zu ernten. Und wenn das Unglück kommt, dann brecht ihr willenlos zusammen. Wo wärst du, Willtj. wenn nicht dein Vater dir in der schwersten Stunde rettend zur Seite getreten wäret Er, iiber dessen Lippen kaum ein Wort des Vorwurss siegen dich gekommen ist! Er hat im ngliick nicht die Spannkraft der Seele verloren ——- aber du hast dich beu en lassen, als könntest du dich nie wie r ausrichten. Und du könntest es. Die Fähigkeit dazu liegt in dir, nur der see Wille, der auch » Kraft ist, fehlt. hab’ dir vorhin schon ge sagt, vergißt Richtiger noch: rasse dich ausl Uebertvindel Wolle! Mit Selbst voewltrsen und träume-idem hinbrü -ten ist nichts gethan. Aber der Welt I wiedee fest als Mann enigegentteieth kampfbereit, wenn es fein muß —- das ist’S, worauf es ankommt ——« Loka hatte zuleht in lebhaften Accenten sprechen, mit erhobener Stimme. ie eine Mahnerin stand sie vor Willy. Was sie sagte, kam ihr aus — tiefster Seele; sie wog die Worte nicht mehr, in einem starken Strome Authe ien sie über ihn hin. Nun sah sie Win an mit ihren gro ßen, klaren, steigenden Augen — und wartete Auf seinem Gesicht war zuerst ein Zug des Trohes aufgestiegen, ein Zuckesn um den Mund, ein«-Vochziehen der Brauen. Aber je weiter sie sprach, desto stärter packte sie ihn. So hatte noch Niemand zu ihm gesprochen, so frank, so frei, so rückhaltlos. Er fühlte aus der Schärfe, und gerade in ihr. das große Wohlwollen, die Güte, die er begehrte, heraus. Doch nicht nur Mitleid, wie sie sagte, sondern herz lichste Antheilnahme. Alles mit schärf stem Berständniß gepaart. Das that wohl weh — aber es that auch gut. Langsam richtete er sich aus. Er wollte ihr danlen — Aber anstatt eines Danteswortes iam die Klage: «Lora wenn du recht hast —- und du hast recht dann muß ich ja, im andern Sinne, wiederholen, was dich vorhin so ver letzte, weshalb ich deine Vergebung nicht genug erstehen kann. Das-: was bin ich ohne Halt und Stütze — ich Rbhr im Winde." Ueber Loras schönes stolzes Gesicht flog ein Lächeln. »Halt und Stütze, Willh? Jch tönnte dir wohl sagen: die suche in dir selbst. Aber ich glaube dich anders und besser zu verstehen. Du suchst ein treuez herz, das mit dir lacht, wenn du fröhlich bist, das mit dir trägt, wenn das Leben dich schüttelt. Sieh mich nicht so verwundert an — es wird schon so sein. Nun, Willh, gehe nicht mehr mit geschlossenen Augen durch die Welt . und durch dies Haus. Oeffne deine Augen und öffne dein Herz —- dann wird dir werden« was du suchst —« Sie schwieg. Eine miidchenhaste Röthe stieg in ihre Wangen, um gleich wieder zu ebben. Er sah noch immer, mit unsichere-n Blick, zu ihr aus. «.... Frage nicht! heute nicht!« schlosz sie schnell. «Ueberhaupt nicht — solch Gliick darf man nur selber sin den, sonst verliert’s an Werth. Und seht i-— jetzt geht Und laß uns alles begraben« was in dieser Stunde zwi schen uns gesprochen wurde. Bis aus das eine, letzte und beste. was ich dir so recht aus vollem herzen wünsche — »Gib mir deine Hand — und nun. gute Nacht, Willh —" (Schlusz folgt.) —---.s- H— 19343 verschiedene Brief-starkes in sechzig Jahren. Da wir nun einmal im Zeitaltet der Statistiten leben und ohne diese in recht genauer Ausführung kaum mehr existiren können, dürfte es inter essant. sein zu erfahren, wie viel ver schiedene Sorten von Briesmarten seit etwa sechzig Jahren, also seit Einfüh rung der Briesmarte, hergestellt wor den sind. Diese Aufstellung hat zu dem überraschenden Resultat geführt, daß, wenn ein Sammler ein Album mit allen bisher erschienenenBriefmar tensorten haben will, er deren 19,242 zusammenbetvmmen muß. Die mei sten Briesmarten sind in Saldador, in Südamerila, ausgegeben worden; seit Anbeginn bis zum 30. Juni1904: 451. Von den fünf Erdtheilen er reicht die höchste Zahl Ameritac 6095; an zweiter Stelle Europa mit 4080, das aber nicht viel mehr als Afrita (4005) zählt. Asten tritt mit 3628 an den vierten Platz und Australien hat nur 1425. Jn dem letzteren Welttheil hat man jedoch wegen der zum großen Theil uneontrollirbaren Zustände die Verantwortung siir die Richtigkeit des Summe nicht übernommen. . Kleinee Philosoph. Aus einem großen städtischen Fried hos in Süddeuts land spaziert ein fünfjährige-s Bii lein mit seinem Schwesterlein. Hinter ihnen her kommt, ohne daß sie es merken, der Geisili und belauscht folgendes Zwiegee präch: »Wen begrabt man denn aus dem Kirchhofs« sragt das Schwesterchen »Wer gestorben ist.« »Ja, was ist denn das-, wenn man ge storben ist?« »Da geht die Seele in den himmel und der Leib kommt in die Erde.« Darauf schweigt der Kleine eine Weile und sagt dann: »Ich möcht' meine Sächle aber doch lieber beieinander behalten.« Sehr schön sagt eine Düsseldozer Zeitung: »Ja die öhe mit den e hältern der Voolts chullehrett Gebt es ihnen ordentlich! Es handelt sich um die Männer, denen die Erziehung eurer Kinder anvertraut ist, urn die Männer, an deren Mutterbeust ihr selber dereinst die Milch der Wahrheit esogen habt, die Milch, der Misset ors seine Größe verdantt!« I O O Aus dem Balken ist man schon wie der mit densuriistungen zu den lib äichten Iruhjahrstanödern beschäf lg « e- i i Wer das Beste will, m Bittetste kosten. us est tu