Durch Zufall jener-ins eines nximimrdeamtms Wen von Paul Andre - » der Dämmerstunde eines lang « .-«" Winterabends, während heftiges Schneetreiben die · . « in eine dichte, weiße Decke hüllte, die Glieder der Familie des ehemaligen Geheimpolizisien Schmidt tunlich im mollig durchwärmien Mhnzimmer ihrer etwas außerhalb set Stadt gelegenen Villa. Während die weiblichen Familienangehörigen die ’«t mit Stricken und Häteln ver suchten, bemühte sich der behaglich im Polsterstuhle zurückgelehnte alte Herr. die Pfeife gemächlich rauchend, durch interessante Erzählungen aus seiner friiheren, oft nicht ungesährlichen Kri minalpraxis die Langeweile zu ver kürzen. herr SchrDYVt war ein kleiner, un ter-fester Mann, dessen unansehnlickes Aeußere wenig die Intelligenz und den Scharssinn verrietb, der zeitweise aus den blitzartig ausleuchtenden scharfen Aug-en unter den weißen breiten Augenbrauen hervorschoß. »Mit ist thatsächlich in vielen Fäl len, die dem Laien unertlärlich erschie nen, der Zufall der beste Weaweiser gewesen,« begann Herr Schmidt. der einstmalige, wegen feiner Kaltbliitig leit. Verwegenheit und Schlauheit be rühmte Justiabeamte dieilnterhaltuna. »Ja, der Zufall sage ich, lenkte mich des Oefteren auf die verborgensten Spuren des Verbreckens und dieend liche Uebersiihrung des Thäters an Ort und Stelle.« Ella, seine älteste Tochter· ließ das Strickzeug sinken und schaute den Sprecher-- mit weitgeöffneten, furcht samen Augen an. »Aber nicht wahr. Papa, Du erzählst nickst wieder so sckauerlicke Dinge. wie kürzlich? Mir wird seitdem in d-n Dämmerstunden so unheimlich zu Muthel« »Ich glaube auch. es ist besser, das List-E anzünden Wert-astean der Kin: der wegen!« sekundirte ihr Frau Schmidt. legte die Näharbeit bei Sei te und ließ den Worfen die That fol grn. »So bei Licht zuhörend, nehmen sich die Abenteuer weniger gruselig aus« Ob dieser allgemein bekundeten . Schüchternheit und Furchtsamteit sei ner Umgebung lächelte der alte Herr und beruhigte sie mit dem tröstlichen Hinweisr. daß der zu errählende Fall doch wohl nicht allzu gefährlicher Na tur gewesen sein könne, dieweil sie sich Balle noch zur Stunde seines Da ·ns erfreuen dürften. »Nun so hört mich an. Eines Ta ges, es war im Frühjahr 187.., als ich mich in früher Morgenstunde auf dem Bureau meines Chess, des Kriminal- ! direktors H» meldete, kam mir der selbe mit dem überraschenden Austra ge entgegen: »Hier eine Devesche aus der Pro vinzialstadt B. Unter geheimnißvol len Umständen ist gestern daselbst ein Mord begangen worden. Man hat ei- « nige derdiichtige Individuen verhafte!, aber natürlich wegen mangelnder Be: » weise laufen lassen. Die dortige Po- E lizei steht vor einem NäthseL Jch be- « traue Sie mit der Aufgabe, uns des s Räthsels Lösung Zu bringen. Jn ei ner Stunde sind Sie reisefer:ig.« »So schnell, Papa?« unterbrach der ngere Kurt erstaunt: denn aus Pannender Neugier pausirte er längst sei Erledigung seiner lateinischen cxerzitiern Ein ernster Blick strafte den wori- ’ W Sprecher, und unbeirrt fuhr K Schmidt in seiner Erzählung »Ich ordnete daheim unverweilt seine Obliegenheiten und kehrte in kürzesier Zeit zum Kriminalbureau iurriei. Hier ließ ich mir die erforderli chen Legitimationen und Vollmachten wsstellen, prüfte vorsichtshalber auch den kleinen Revolver in meiner vers-or enen Seitentasche aus seine Zuverläs tzfleih orientirte mich in dem Fahr pone über die schnellsten Anschliisse und eilte zur Bahn. Mit tnapper Noth iam ich zum Zu se urecht, löste den Fa"hrschein, wars wich in ein vom Schaffner noch offen ltenes Wagenabtheil: hinter mir chlng die Thiir zu und fgrt dampste ich —- rneinem neuen, noch unbekann ten Arbeitsfelde entgegen. Die Langeweile der Eisenbahnfahrt Urtiirzte ich, unbekümmert um die Mäsendem durch Schlaf oder zeit Wpeikigeci interåsselgxgaszetraclhxn der n an , we wir W eile-in Nach mehr-stündiger Fahrt am Be stimmung-Horte endlich angelangt, mel dete ich mich unverzüglich auf dem Dienstzirnmer der Polizei des Städt chens B. Ein alter, wackeliger Poli Dist, dem der viel genossene »Geis « schon malerisch die Nasenspitze ver klärte, berichieie mit großer Umständ lichkeit die Einzelheiten des Thathe standes, so weit er ihn befunden und wies mir unter genauer Beschreibung M haus der Mordthat an Seewols, del-he die gewohnte Ruhe und Einsti tigieit des Landstädtchens in außer cewöhnlichen Aufruhr versetzte. Seine angebotene Begleitung lehn te ich vorsiehtshalber entschieden ah, Wie ihm vielmehr ein Geldstück in Wie hand, damit er auch weiterhin die Kuß-ten Symbole seiner »Geistesga ist« in noch hellerem Lichte leuchten lesen könne. - Msam, wie ein ewiihnlicher HGB-ängstigen leichgilth wie ein , tloser Hirten-sanken schritt « but-eh die magern engen und sast Mienen Stegs-sei des Städt-Ki «IIII- M gelangte endlich außer Il desselben zu einigen von schennelen Gärten umgebenen einzelstehenden Ge bäuden. Eines derselben war nach der mir gewordenen Beschreibung das durch den Mord verrufene Unglückshaus. Jn Wahrheit waren es zwei, sdie so eng neben einander gebaut und in ihrem Aeußeren sich so ähnlich sahen, daß ein flüchtig darüber hinschauender Mensch beide nur als eines aufzufassen. sich täuschen lassen konnte. Sie trugen gleich große Fenster, die gleiche Facade und dieselbe Bedachung; nur die Roll jalousien des einen und die alter thümlichen großen Schalterladen des anderen, sowie die an der mittleren Scheidewand abwärts führende Dach gusse, deuteten auf einen äußerlichen Unterschied. Jch betrat den Vorplatz des mir am nächsten gelegenen Hauses; ein breiter Gang führte an wenig gepfleaten Blu menbeeten und blühenden. dustenden Strauchwerk entlang zu einer Treppe, die an der Giebelseite in’s Haus führ te. Unaussällig schlenderte ich in den Hosraurn, wo ein Kehrichthausen un weit des Brunnens lag. Den Hin tergrund des Hoer schloß ein niedri ges Gebäude ab, dessen unterer Theil als Wogenremise diente und in dessen oberes Dachgeschosz zwei kleine Stäb chen als Wohnung siir einen dem Trunle ergebenen Schuhmacher einge richtet waren, dem zugleich die Pflege des Gartens oblag. Die Fenster eines Mädchens-zeigten aus den Hof. Diese unauffällig anaestellten Un tersuchungen boten mir naziirtich we nig oder gar teine Anknüpfung-Spani te und dienten vielmehr zur vorberei tenden Orientirung. Ich machte Kehrt und schritt nachdenklich, die Hände aus dem Rücken, dem Gartenthore Zu; mein Spiirsinn und berechtigte Wiß begierde ließen dem griibelnden Geiste aber keine Ruhe. Jch blieb stehen, sah Jn der Seite des zweistöcliaen Hauses empor, überieate und wendete mich iuni zweiten Male um. Du kannst ja. sagte ich mir, das Haus auch einmal von Jnnen besehen.« Vorsichtig stieg ich die steinernen Treppenslusen hinan, tlinaelte: eine alte, vermeinte Frau öffnete zögernd und ließ mich eintreten. Jn gelassenein Tone fragte ich, ob die Hauswirtbin Marianne zu spre chen sei. Erschrocken und furchtsam gab sie Bescheid, sie sei selbst die ge suchte Haushälterin. Freundlich bat ich weiter, mir. falls ich nicht ungelegen erscheine, die Zim mer und Räumlichkeiten des hauses iu zeigen, da ich nicht abgeneigt wäre, hier zu miethen. »Oh, oh!'« jammerte die schwächliche Person plötzlich und ihr Himmel-mäß durchfurchtes Gesicht beneyten einige Tbränen. »Hier, in dem Haufe desSchreckens, wollten Sie wohnen? Hier, wo der givrd geschehen? Unmöglich, undenk r « »Wie? Ein Mord?« fraate ich mit der unschuldiaften, zugleich aber be stürztesten Miene von der Welt, als höre ich das erste Mal in meinem Le ben von einem Verbrechen. »Hier, hier sehen Sie, neben diesem Treppengeländer fand ich die Leiche friih morgens, als ich durch ein Ge räusch erweckt, nach der Ursache dessel ben nachsehen wollte. Das Gesicht auf dem Fußboden, die Arme schlaff aus gebreitet, lag der Ermordete, mein Hauswirth Seemolf, vor mir." »Liebe Frau, den Schmerz theile ich vollkommen; der Vorfall darf uns aber nicht beunruhiaen oder erschre geni Die Todten kehren nimmer wie er." »O, nicht doch; wenn das Verbrechen ungesühnt, detThiiter unentdeckt bleibt, dann kehrt der ruhelose Geist bestimmt aus seinem Grabe wieder.'« «Seien Sie darüber ohne Sorge» Lange wird jener Schqu die Justiz; nicht täuschen.« « Jn Folge dieser meiner tröstlichen Zusage, welche aber augenblicklich bei’ mir noch ganz hypothetisch und ohne jeglichen realen Hintergrund in der Luft hing, schien sie sich .in’s Unver meidliche zu fügen und bald öffnete sie die Schleusen ihrer Beredsamkeit um so mehr. als ich fogar darum bat, mir ; den Schauplas der That zu zeigen. Nebenher zog ich Erkundigungen über die übrigen Bewohner des hau sses ein und erfuhr dabei, daß es seit langem außer ihr und dem Ermorde ten gänzlich unbewohnt fei; nur nn» hinterhaufe lebe ein Schuhmacher, na - mens Zobel, ein dem Tranke erriet-mer« Titbelbeleumdeter und streitsiichtiger iMenfch, der sich jedoch seit dem Tage J des Berbrechens, am Montag, nur fel ’ ten sehen lasse.« Still dachte ich, diese wehenbei hin geworfene Bemerkung will ich festhal ten. E Jndessen traten wir in das Zimmer. Ring-Zum herrschte peinliche Ordnung und SauberleiL Die Dielen waren glänzend rein und verriethen den un geüblcn Augen nirgend ein Fleckchen. Oder nein, befanden sich nicht dort ne ben Tisch und Stuhl einige Spuren von einer Farbe, die trotz angewende ter Mühe nicht völlig ungesehen ge macht werden konnten? Einstweilen prüfte ich weiter. Das geräumige Wohnzimmer wurde von einem aus den has hinaussührenden Fenster er hellt. Gerade neben demselben stand ein eichener Tisch und Stuhl davor. An der Wand entlang hatte eine alter thümliche Kommode ihren Plas; dar aus ruhte eine kunstvolle. aus vier wei en Marmorsiiulchen schwebende Uhr, ie, unbekümmert um die wechselnden Dinge der Zeit, ihr einsörmi ei Zick tackneiier pendeltr. Ge uil e führ te eineWenlhür in e Alkm, den ehemaligen Schlasraum Seewols’5. Jn Ver rechten Ecke ein Kachelofen. »Ist in diesem Zimmer Alles noch so unberührt geblieben, wie am Tage des Berb nöt« »Nichtsi verändert! Selbst nicht die Wasserflasche vorn Tisch entfernt,« antwortete die alte Marianne schluch zend und hob ihren Schürzenzipsel an die Augen. »Ach Gott, er war ein gu ter Mann, wenn ihn auch die anderen Menschen als geizig verschrieen. Er lebte eben in seinen Eigenthümlichkei ten fort, wie manch’ Anderer seines gleichen. Er hielt sein Geld zufam men; man mußte ihn nur verstehen ler nen. Er war gewiß nicht geizig. Manch bedürftiger Wittwe, manch’ ar men Waisenlindern und manch’ hun gernder Arbeiterfamilie sandte er durch mich im kalten Winter Gelt-spenden Kleidung und reichliche Kost, ohne sei nen Namen verrathen zu dürfen.'· »Er pflegte wenig Verkehr?'« .,.Daß ich nicht wüßte, mit wem er überhaupt Umgang hätte halten sollen; er war menschenscheu. Vor einem Vierteljahr besuchte ihn sein kleiner Neffe. Da schien er wie umgewandelt Er unternahm täglich Spaziergange mit ihm, lachte, scherzte, freute sich der lustigen Streiche, kurz, ich kannte den Herrn nicht wieder. Hin und wieder mußte auch der Schuhmacher Zobel von drüben herüberlommen, wenn er neue Anordnungen,im Garten treffen wollte. Sonst aber lebte er still siir sich-« »sobel? Zobel?« »Ja, Zobei. derselbe, den ich bald nach der That zur Polizei schickte, des Vorfalles ir·:gen.« »War der gleich zur Stelle?« »Ach nein, er schlief und es dauerte geraume Zeit, bis ich den Träumer aus seinem Rausch erweckte.« »Wann besuchte denn der Zobel sei ten Hauswirth das- letzte Mal?" fragte ich so beiläufig, als erwarte ich hier fur keine besondere Antwort und fügte sogleich hinzu: »Auch der lleine Neffe ist fort und nicht wieder gekommen?« »Der Neffe? nein! Aber Zole Warten Sie mal, als er die lenke Mie the bezahlte, das geschah am Sonntag Abend.« »Und das Geld bewahrte Seewolf bier in diesem Tischfchub?« »Ja, fiir gewöhnlich!« Während dessen trat ich wie von un gefahr an das hohe, weite Fenster, das, niedrig gelegen, bequem mit der klei nen Gartenleiter zu ersteigen war. iDie gegenüber befindlichen Fenster des Hintergebäudes lagen meiner Wahr nehmung nach thatsächlich höher und liefzen bei der geringen Entfernung die Möglichkeit zu, alle Vorgänge im Zim mer genau zu übersehen. »Fanden Sie die Scheiben nach der Mordthat zerbrochen?« »Nein, nein, und dann hätte ich sie auch sofort wieder ergänzen lassen,« gab die propereFrau eilfertig zur Ant wori. » »Die Wohnung ist doch aesund? Seewolf bedurfte wohl bei Lebzeiten selten eines Arztes?« »J- wo hätte der!« fuhr sie rasch da zwischen. »Der Naturmensch, der Feind von Arzt und Apotheke!« Diese Antworten befriedigten mich. Nachdem ich genau den Ort der That in Augenschein genommen und mich die Frau zum Ueberslusse noch in an dere Zimmer umhergefiihrt hat:e, ver abschiedete ich mich mit dem Verspre chen, morgen früh sie ein zweites Mal zu besuchen. 2 Was hatte ich erreicht? Die Glieder meiner Jdeentette schlossen sich immer enger um den Einen zusammen, und doch hinwiederum gähnten mir in det selben eine Menge Lücken entgegen. War der Verbrecher durch das Fenster gelange? Leider plagte mich die Un gewißheit, ob es geschlossen oder offen gestanden hatte in jener Nacht. Hin wiederum tonnte es wohl bei der schö nen, warmen Witterung geöffnet ge wesen sein; der alte Seewolf war doch Naturfreund; er schlief im Nebenzim mer. Warum fand man den Todten nicht im Zimmer-, sondern im haus flur am Treppenaufgang2 Weshalb vermißte man Blutspuren? Wie war es möglich, daß die Frau keinen Lärm vernommen, vielmehr erst dann etwas Verdachtiges vernahm, als der Todte da unten im Flur lag? Schwie öige Fragen zermarterten mein Ge trn. . Indessen, mein Magen Berlangte energisch nach einer ftiirtendenBeschöf !tigung, was man auf gut Deutsch »Es » sen und Trinken« nennt; denn seit dem ; IMorgentaffee war ihm noch nichts zu gekommen. Deshalb lenkte ich meine Schritte in’s Städtchen zurück und ge willt, den am Markte gele enen Gast hof aufzusuchen, welcher. seinem pro peren Aussehen nach u schließen. der bessere und von den onorationen der Stadt wohl am besuchteste sein mochte. Vor dem breiten Portale blieb ich stehen, unschliissig, unentschieden. · ine sonderbare Ahnung beschlich mich, ein gewisses Etwas rief in mei nem Innern: gez nicht hinein! Was thun? Sollte i einen anderen Gast hof aufsuchen, wo mir Essen undTrinss ten und Ruhe ward? Dieser leßtere Gedanke siegte. Wirk lich bog ich um, in eine längere Quer sttaße und fand xvirklich am Ende der selben einen gewöynlichen Gasthof, ei ne sogenanne Kui chertneipe, in die ich turz und entschlossen ein tat. Schon vor der Gastst tönte mir ein wüsieö, wirres Getöse, wie von vie len Stimmen, Gläsetanschlagen und Stühletücken, entgegen. Beim Cin tritt in die niedrige, tiese Stube ver — mochte man laum die Gesichter der nii ftstehenden Gestalten zu erkennen, so icht strömte der Tabatiaualm ent gen. s Städtchen stand am Vorabende des Jahrmarktes, welcher viele Krä mer und handelswagenführer, Schwarzviehhiindler und anderes teiiendes Geschäfsvolt bunt zusam menwiirfelte. Fast unbemerkt wand ich mich durch die stauende Menge und erspähie glücklich an einem der hinteren Tische einen freien Stuhl, auf dem ich mich sofort niederließ, müde und matt. ; Es dauerte eine Weik bevor ein dienstbarer Geist meiner aufmerksam wurde; deshalb ließ ich prüfende Blicke i über die Gäste an den Nachbartifchenl schweifen. ; Das schien wahrhaftig eine netteGe- « fellschaft. in die ich hineingerathen war; ihr Lärmen, dazu der Dunst und Rauch von verschiedenen Tabackssortem « die man aus kleinen holzpfeifchen qualmte, hätte mich nerviis machen können, wäre ich nicht von Mutter Na tur mit einer starken, abgefeiten Kon stitution ausgestattet worden. Des halb hielt ich es ein Weilchen aus. Da saß schrii über ein verwegen dreinschauender schwarzbiirtiqerManm mit rothem Fez auf dem Kopfe; ein Marttbuden-Ausschreier oder Winkel sänger schlon ich. Daneben erblickte ich das runzelige, wettetzerzauste braune Gesicht einesScheerenschleifersx an seinem Ledergut trug er Scheeren, Klingen und allerlei Metallwaaren. Diesem zur Rechten hockte ein Dritter, mit aufgedunsenem Kopf, kurzem struppigen Haar und abstehenden Oh ren. Er stützte sich auf die Arme, stier:e stumm und sinnend in’s Men schengewühl hinein und sprach von Zeit zu Zeit der vor ihm stehenden Branntweinflasche emsig zu, so daß sie immer wieder von Neuem gefüllt wer den mußte. Ein kleines, verschmitzt augsehendes Männchen, das nur eine Hand, die linke, zur Bewegung frei hatte, während der rechte Arm schein bar verstümmelt in einer Binde hing, stieß ihn hin und wieder an. sprach verstohlen, aber doch noch so laut, daß ich’s hörte, auf ihn ein und ermunter te den Träumer wiederholt zu rasche rer geistiger Stärkung. »He, Schuster, trink lieber. Stu dier’ nett die Predigt! Du bist doch sonst nicht so schweigsam!« »Las; mich!« antwortete der Andere kurz und gab den erhaltenen Rippen stoß zurück. » Doch dieser, dem Aussehen nach ein Professionsbummler, ließ nicht locker. noGeht Dir Dein Seewolf zu Her zen.-« »Was-? Mein Seewolf?« Betroffen wandte im selben Augen blicke der als Schuster angeredete Mensch den Kopf, so daß ich nun sein breites. derstürteg, vom Fusel gerüthe tes Antlig in seiner ganzen Deutlich leit betrachten tonntr. Wahrlich teine vertrauenerweckende Erscheinung! Ein halb schielender, halb blitzender, kurzer und unsicherer Blick streifte seinen Nachbar und ein verlegeneö, mühsam erzwungen gleich gültiges Lächeln verzog seine Lippen. ,,Thut Dir das viele Geld vom See wolf leid? höhnte der Bummler. »Hm teins!" gab er barsch zur Antwort, taute an seinem Cigarren stummel und blickte in die andere Ecke. der Zufall in die Nähe jenes Schuhma chers geführt, welcher das Hinterhaus des ermordeten Seewolss bewohnte? Sollte mir ein unerkannt belauschtes Gespräch in der Wirthsstube etwa die fehlenden Jndizien zur Aufklärung des Verbrechens herbeischaffen helfen? Das wäre ein seltsames Spiel des Zufalles. »Hab« Dich nicht gefragt, ob Du’s jetzt verwaltest!« sprach der Jnvalide halb beleidigt. »Was? Du meinst, ich hätte dem Seewolf das Messer gegeben?« briillte erregt der Schuhmacher und versetzte zugleich dem armen Burschen einen soichenStofz, daß er augenblicklich vom Stuhl zur Erde glitt. Aber schnell erhob sich dieser, fo gut es ihm seine Linie erlaubte, und wiithend, von ; Zorn überwiiltigt, drang der Kleine! auf den Schuster ein: ein David gegen ? Genau-! ( »Das weiß Niemand! Du Hvä- ; nenbrut!« ! Was bedeutete-i diese heftigen Wor- ? te. Jch horchte genauer. s »Du — Du —- wart’, ich will Dir’s nageln!« brüllte der Einarmigr. l Ein allgemeiner Auflan entstand. Die Beiden schlugen mit Fäusten, mit Schnapsflaschen Die Aufregung wuchs, mehr, immer mehr Menschen drängten herzu, der Kreis um die Kämpfenden schloß sich dichter zu sammen; unartitulirte Laute drangen :aus dem liirmenden Knäuel. s Die Ahnung mußte mir zur Gewiß heit werden. Der Zufall hatte mich unzweifelhaft auf die richtige Fährte gelenkt. Der Eine oder Beide wußten Genaueres von der Sache. Hier galt sein weiteres Zaudern, tein Ueberle gen, nur Handeln, rasches Zugreifen. Jch wurde aufmerksam. Hatte mich l Jm Nu durchbtach ich die Menge, ein Ruck und Schlag aus die Brust des wüthenden Gesellen; er taumelsr. Ein Griff und Zug —- und meine blitzschnell aus der Tasche nezogenen Handschellen umpreßten fest und eng die Gelenke des Schatten, des Schu machers. Jcp hatte gewonnenes Spiel. Ei Rntltch unnöthig, daß ich ries: —,,Jm amen des Gesetzes Du bist verhaf tet!« aber« der vielen Zuschauer wegen, die um nn der standen und die sogar eine drohen «M1ene annabmen, ob der außergewshnlichen Störung eines Hie belusii nden, nicht selten vorkom imenden Frthshausstreites that ich’s. ’ Unbetlirnmert um diese, nahm ich die hülfe des Wirthes in Anspkuch, sum den Delinauenten abzufühkm Zitternd und bleich stammelte dieser: ’ »Ich-—ich ——habenicht——weiß nicht-— Seewolf’s Geld! —« »Das Weitere wird sich morgen fin deut« fuhr ich ihn barsch an. »Du bist der Mörder Deines Hauswirthes!« Fort ging s mit ihm, unter sicherer Begleitung des Stalltnechts, Haus wirthes und meiner Person, in das Gewahrsam des Städtchens. Auch der Einarmige theilte dasselbe Schicksal. B. Daß der Thiiter entdeckt, war meine feste Ueberzeugung Viele Andachts momente sprachen dafür. Wie aber brachte ich ihn zum Geständnißi Schon in frühester Morgenstunde des nächsten Tages riiitelte ich den Hüter der stiidtischen Ordnung, den Polizisten, unsanft aus seinem Bett. Er mußte unweigerlich mit. An Ort und Stelle sollte der Gefangene ieW Schuld bekennen. Wieder zog ich die Glocke am Hause des ermordeten Seewolf; wieder off nete die alte Marianne, die Haushal term. Wie erstaunte sie aber als ich nicht allein, sondern in Begleitung des Po lizisten, des gefesselten Schuhmachets Zobel und eines Gefangenenwärters vor sie hintrat. Nachdem ich mich legitimirt, sowie mitgetheilt hatte, in welcher Mission ich tomme und wegen der augenblickli chen, ungewöhnlichen zeitigen Störung um Entschuldigung gebeten, schritten wir sofort in das Wohnzimmer des Ermordeten. Noch einmal examinirte ich die zum Tode erschroeiene Marianne, wie ge stern, über oen ehemaligen Stand aller Gegenstände im Zimmer. Und wie gestern gab sie ihre Erklarung ab. Zobel schien trotzig und zuversichct lich dem Gange der Untersuchung zu folgen. Seiner Meinung nach waren die Spuren seines srevelnden Verge bens so tunstvoll verwischt und die Vorsichtsmaßregeln so tlug getroffen, daß sich auch das geübte Auge eines Deteetivs täuschen lassen und von sei ner Unschuld überzeugen müsse; aber ich errieth trotzdem seine Schliche und wollte ihn in Kürze erbarmungslos so iiberfiihren daß bald das böhnische Fikcheln um seinen Mund verschwinden o e. »Sie sagten, liebe Marianne, daß der Tisch so neben dem Fenster gestan den habe, daß man rotz des Stuhles bequem zum Fenster gelangen tönne.« »Jawohl!« antwortete die alte Hauswirthiw »Nun denn,« wandte icb mich an ZobeL »ich rathe ihm, jegliches Zeug nen, welches nur die Strafe verschar sen tann, zu unterlassen. Der Gang Deines Verbrechens liegt llar zu e. · Zobel horchte mit Erstaunen und Crschrerten auf. »Es befindet sich nämlich in diesem Zimmer enin gewisses Etwas, eine Ne bensächlichteit, wenn ich den Ausdruck gebrauchen dars, eine Geringfügig it die bei Ausübung der That wenig beachtet worden ist, aber unleugbar den Namen deg Verbrechers verrath. Der Tböter hat dort drüben im Ne bengebäude am Fenster gelanert. bis hier am Tische der seine Gelder ordnende Seewolf die Lampe verlöscht und sich in die Nebenstube zu Bett be eben bat. Alsdann verliefe er seinen imlichen Beobachtungspoftem legte eine bereitgebaltene Leiter an dieWand unter’m Fenster, und stieg ein, mit Leichtigkeit, weil es bei der warmen Nachtternperatur nicht geschlossen wur de. Seewols aber befand sich erst im Halbschlummer. —- Der Dieb batte es zu eilig. Eine Unvorsichtigleit, nicht wahr, Zobel?« fragte ich ganz unver mittelt den Gefangenen. Doch dieser verzog teine Wimper. Jch fuhr unbeirrt fort: »Seewolf ist durch irgend ein zu fällige. beim Einsteigen unbeabsichig tes Geräusch gestört und aufmertsam geworden, ist aus dem Bette gesprun gen und herüber geeilt. Hier überrasch te er den Einbrecher beim Leeren der Schublade. Urspriinglich beabsichtigte der Räuber nur einen Raub aber da er sich ertappt sah, ging er aus seiner Bahn des Verbrechen-? einen Schritt weiter. Es entspann sich ein Kampf, über dessen hergang wir vor der hand keiner weiteren Auseinandersehung be :dt.irsen. Das Ende vom Liede: Zobel hob die erkaltende Leiche auf und beab ssichttgte, sie die Treppe hinab in das IFrete zu tragen, um sie irgendwo zu verschonen Sie wurde ihm zu schwer. I Am Treppenabsasz entsiel die Last sei- » nen Mörderhänden. Da zu seinemz Unglück die Thür von der hutsamen I Marianne verschlossen gewesen. ließ er den Leichnam liegen und schlich in’s Mordlolal zurück, wischte vorsichtig und seiner Meinung nach-recht sau ber alle Blutspuren weg, war des siche ren Glaubens-: »Nun erröth’s Nie mandl« und nahm die Beute im Tisch an sich, um aus demselben Weg durchs . Fenster zu verschwinden. Er eilte heim und legte sich zu Bett, vertrauend aus seine scheinbare Vorsicht: »Nun er räth’s Niemandl·« I Der heuchlerl Er stellte sich schla send, als die arglose Marianne nach Auffindung der Leiche sogleich zu ihm · geeilt lam. Der Bösewicht! Er selbst, der Thä ter, ist bereit, Mariannens Wunsch zu etsiillen, der Polizei die Mordthat an zusagen. hoben wies ähnliche Bei-» spielei Ich s e es ihm auf den Kopf; nur fo nnd n cht anders hat fich die chez etragen. Aus obel's ltung mußte der Troß wechenz a wie ein Ertrini tender klammerte er si am schwim menden Valme fest. r wollte spre chen; seine Stimme versagte jedoch. »Nun will ich noch genauer .eigen!'f fuhr er weiter fort, »daß nur ier, an dieser Stelle, der Mord begangen worden ist.« ch erhob den Arm und nahm vom Ti che die volle Wasserflafche. »Die Erfahrung ha gelehrt, daß, wenn man Blut auf die holzdtele versprihh dieses so tief eindringte daß sich seine Spur nie mehr verwischen läßt, sondern immer wieder zum Vot schein kommt, sobald Wasser darauf egoffen wird. Das Wasser folgt der elben Ausdehnung, und leine Linie weiter, wie das Blut vorher eine Fla che innegehabt hat und an der Stelle, wo dieses den Erdboden benetzte, wer den wir die sichersten Beweise des Ber brechens finden." « · Da —- was war das? Zobel ließ sich plötzlich auf einen Stuhl nieder. Seine Beine wantten; die Hände zit terten; sein Körper bebte; das Antlih nahm eine wachsbleiche Farbe an; er schöpfte tief Athem; seine weit geöff neten Augen ftarrten mitsSchrecken auf jenes Wasserglas, welches ihm wie ein schlangendurchwebtes Medusenhaupt erschien. Jch schüttete auf die verschiedensten Stellen der Diele einige Tropfen Was ser. Sogleich bildeten sich in ganz be stimmten Richtungen einzelne sonder bare Ringe, die eigenthiimliche Figu ren annahmen. Hie und da hingel ten sich die Wassertropfen auf ihrem flüchtigen Laufe und suchten wie eine Natter, die einem früheren Zufluch:s orte entgegen eilt· Was ich eben vorausgesehen gr fchah. Neben dem Tische, unweit des Stuhles und auf dem Gange zurThiir entstanden eine Menge Flecke, in denen das eingetrocknete Blut auf's Neue Yim Vorschein lam. Die blutigen bsiitze schmollen innerhalb der Streife allmählich mehr und mehr an und die Blutmenge, die man in der Zeichnung erblickte, zeigte mir, daß der Leichnam zerstochen worden war, während er noch warm gewesen. Zum Ueberflufz machte ich auch noch auf verfchiedene andere P:ntte des Zimmers Ringe: aber nur an den re gelwidrigen Stellen lam das Blut zum Vorschein. Das war fiir Zobel zu viel. Ein heftiges Zittern durchbebte seinen Körper. Mit fast erlöschender und bittender Stimme rief er: »Genug » nicht weiter — ich hab’s ethan —- ich will Alles gestehen — hnen allein —- aber nicht hier — fiihren Sie mich fort, schnell, fort von diesem schrecklichen Ort -«—— ich fühle dasz ich falle —- Lqu -—-- ich erftielet« Er fiel in der That. Die alte Ma rianne holte schnell ein Glas Wein und seichte es mir. Jch hielt es Zobel in. »Trinte; das wird Dich zu Dir bringen. Wir wollen sort gehen!« »Nein, nein —-- nicht dies!« mur melte er. »Das ist roth ———· Wasser!« Jch erfüllte seine Bitte, während ich die alte Marianne ersuchte, einen Wa gen zu-bestellen. »Das ist nicht nöthig,« sagte Zobei. »Ich stihle mich wohler.'« Den gestöndigen Mörder in der Mitte, der Gesängnißwärter links, der Polizist rechts, ich und die alte Ma rianne hinten nach, verließen wir nun rasch den Schar-blaß der That Marianne schloß die Tbiir ab und überließ mir. aus Wunsch, den Schlitt sel, den ich dem Gericht übergab Meine Mission in dem tleinen Pro vinzialstädtchen B. war erfüllt. Die Bewohner athmcten bei der Kunde der Entdeckung des Mörders erleich tert aus. Nachdem ich vor dem Gericht die üblichen nöthigen Erklärungen abge geben und sonstige Fornmlitöten erle digt hatte, fuhr ich erleichtert und wohlgemuth wieder zu den Meinen. Gott sei Dant!« rief autathmend die älteste Tochter Ella, »daß der Fall so rasch und gesahrlos verlaufen ist.« Beruhigt griff sie zu ihrem Strick zeuge, während sie wohl in Kurts Geiste alle Augenblicke Bruchstücte dieser Erzählung mit seinen lateini schen Botabeln vermischten. Ein bekannterLondoneeUmter war auch Vorsitzender einer Geogra phischen Gesellschaft. Als vor Kur zem nun ein herr, der viel in Argen tinien gereist war, in dieser Gesell schaft einen Vortrag hielt, ereignete es sich, daß der Vorsiszende, der einen an sirengenden Tag in seinem Berufe hinter sich hatte, sonst einnickle, ob gleich der Reisende mit viel Geist und Win vortrag. Bei einer besonders scherzhaslen Clelle brach das Publi lum in lautes Gelächter aus« Bei die sem Geräusch erwachte der Richter aus seinem Schlaf, aber nur unvollkom men. Man sah ihn plötzlich eine stren ge Haltung einnehmen, zornige Blicke um sich Iversen und mit drohender Stimme ausrufen: »Ich erinnere das Publikum, baß jede Kundgebuns verboten ile wenn icses unanständi ge Lachen sich wiederholen sollte. wer de ich den Saal räumen lassen.« Ei nen Augenblick lang herrschte nach die ser Anteile lautloses Schweigen, dann brach das Publilmn in eln noch viel heezhasleres Lachen aug.