Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 13, 1905, Sweiter Theil., Image 9

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    EYesraskåä· W
Staats-Zuzeiger Und Yerollk
’ « J. P. Windalph, Herausgeber. Grund Island. Nebr« 1:3. Januar 1905 (Zweiter Theil.) Jahrgang 25 No. 20.
Poesdees Schmerzes.
Dein Glück, es ist so selten echt,
Und wird dich ost dethören;
Der Schmerz verleiht dir erst ein
Recht,
Dem Leben zu gehören.
Ob du umsingst mit Jugendlust
Die Welt mit Liebesarmem
W lehrt dich Leid erst und Verlust
Ein heiligstes Erbarmen.
Schmerz ist das eine große Band,
Das alle Welt umschlungen,
Es macht den Besten dich verwandt,
Die je gedacht, gerungen
Verstehen, theilen lernt dein Blick,
Was sich in Qual verborgen,
Dich lehrt dein eigenes Geschick
Der ganzen Menschheit Sorgen.
Op
Auseinandergelebt.
Novellette von C. Z o e l le r -
Lionhearr
,,Theo—«dor —- The——o—— dor!«
Frau Malvine Helms Stimme
schallte durchs ganze Haus, schließlich
auch durch den Weingang des sonnen
gebadeten tleinen Gartens, in dem der
Hausherr in träger Ruhe sich auszu
halten pflegte.
Jn der Hängematte ausgestreckt, die
Cigarre im Munde, ein Buch zum
Schein in der Hand, konnte er halbe
Tage so« versäumen, zur ärgerlichen»
Verwunderung der immer thätigen
Frau
»Wo ist der Herr?« fragte sie zu
nächst das herbeigetlingelte Hangmäd- ’
chen, das sie erstaunt anglotzte. ’
»Wußte die gnädige Frau nicht, daß
der Herr verreisen wollte?« s
Nein, das hatte sie nicht gewußt,s
als sie vorgestern zu ihrer verheirathe
ten Schwester in den Nachbarori fuhr,
klm dieser in schwerer Stunde nahezu
em.
Kein Wort von einem Reiseplan
war da gefallen. Daß er so plötzlich
ohne jede vorherige Mittheilnng abge:
reist war, schien unbegreiflich nnd —
riictsichtglog.
Sie fühlte, wie ihr die Vlutwelle
hitzian Temperament-J in das hübsche
Gesicht stieg.
Dieses überwallende Temperament,
daß fce mit Theodor so häufig anein
ander gerathen liesz in dem halben
Jahr, das er mit ihr und den Kindern
nun wieder Unter einem Dach hauste!
Plötzlich wurde ihr kalt und sie er
blaßtr.
Nach der Szene von vorgestern...
Wenn er . ..
Sie flog die Treppenstusen zu dem
Zimmer im ersten Stockwerk hinauf,
das er inne hatte.
Die gräßliche Unordnung, die ihrer
strengen Ordnungsliebe so zuwider
war, herrschte dort in noch erhöhtem
Grade, denn alle Schubfächer waren
ausgezogen, und in wüstem Durch
einander lagen Kleidunggstücle und
Bücher im ganzen Raum umherge
streut, der mit jenem dicken, übelrie
chenden Tabalsqualm noch angefüllt
war, der Veranlassung gewesen, daß
die Eheleute getrennte Räunie be
wohnten.
Aus dem Schreibtisch befand sich ein
Chaos umhergestreuter alter Briefe,
unter denen sie ihre Handschrift er-«
kannte.
Mechanisch ariss sie nach einem, der
obenaus lag, und in dein ein Satz in
die Augen springend roth unterstrichen
war.
s»Wir freuen uns unaussprechlich
auf Dein Kommen und können die
Zeit kaum erwarten, wo Dein Fuß
über unseres Hauses Schwelle schrei
ten wird. «
— Wie schön, wie glücklich wird
sich unser gemeinsames Leben wieder
gestalten! Wie werden die Kinder und
ich alles thun, Dir das Heim zu einem
Friedenshafen zu machen, in dem Du
in unserer Liebe ausruhen sollst von
den Stürmen und Kämpfen der Ber
aanaenbeit.«
»Ha, ha, ha!« —- stand mit seiner
Handschrift darunter.
Weiter nichts. Reine Mittheilung,
keine Aufklärung seines seltsamen
Vorgehens.
Hatte ihn etwas Unvorhergesehenes
fortgerufen2 Gab es in seinem ver
gangenen Leben, das er nun 22 Jahre
allein geführt hatte, Geheimnisfe?
Oder —- oder — hieß das Flucht?
Flucht? —— Wovor?
Frau Malvine wurde himmelangst.
Wenn er sich ein Leids angethan?
Wenn der Vorwurf, ihn in den Tod
getrieben zu haben, zeitlebens auf ih
rem Gewissen lasten sollte —- wie sollte
sie die Zukunft ertragen, wie vor sei
nen Kindern bestehen, die auch die ih
ren waren! Wie vor der Welt sich recht
fertigen « der sie vor einein halben
Jahr ihre überfchwengliche Freude
kund gethan, als Aussicht war, daß
Helmö nach o ewig langer Trennung,
müde des lleinseins, nun in den
SJooß seiner Familie zurückkehren
wo e!
Und während die Frau rathlos in
dem verwitteten Zimmer ihres Man
nes umherlauft, rollt sich die Vergan
theit nochmals vor ihr aus, und die
«rinnerungsbilder ewinnen so lebs
halte Gestalt, daß er Angstschweiß
ihr wieder auf die Stirn tritt, wie an
Jenem Abend, wo sie verzweiflungsvoll
schluchzend an seinem Halse hing.
Da hatte er noch einmal im« Ab
fehtedswekf die dringende Aufforderung
an sie ge tellt:
.Konnn mit, Malvtne, oder komm
doch weni stens rach, wenn ich drüben
fest-II Fu gefaß habe.«
» Zum Mitgehen in die ungewisse Zu
! lunft, nachdem er in den ersten Jahren
ihrer Ehe durch Unglück und eigene
Schuld geschäftlichen Schiffbruch er
litten, fehlte ihr der Muth.
Und —- bis er nach unfäglichen
Kämpfen etwas festen Fuß jenseits
des Meeres gefaßt, waren so viele
Jahre vergangen, daß die brennende
Sehnsucht längst schlafen gegangen,
sie aufgehört hatten, sich eig Bedürf
niß zu sein, und aus der kleinen, wei
chen, nachgiebigen Frau eine energische
Lebenstämpferin geworden war, die
sich zielbewußt und rührig durch eine
geschickt geleitete Privatklinik eines
hervoragenden Operateurs das Brod
für ihr Töchterchen und die nachge
borenen Zwillingsbriider verdiente.
Mehr als das Brod noch. Jhrer
Umsicht war es im Laufe dieser vielen
Jahre gelungen, nicht nur den Kin
dern eine sorgfältige Erziehung ange
deihen zu lassen, sie hatte ihr Institut
zu einer solchen Höhe und einem sol
chen Ruf gebracht, daß sie vor nun
zwei Jahren es glänzend verkaufen
und sich in das Privatleben zurück
ziehen konnte.
Als nun Helms nach Erlangung
eines nicht unbeträchtlichen Erbes das
Verlangen äußerte, nun auch feiner
seits sich zur Ruhe zu setzen, war nichts
natürlicher, als die Wiedervereinigung
der zersprengten Familie.
Das Wiedersehen, dein alle so freu
dig entgegengesehen, brachte allseitige
Enttäuschung
Jn Theodor Helms Erinnerung
lebte die tleine anschniiegen·oe, fiigsame
Frau, für die er die Autorität gewe
sen. Ju ihrer der feingeliildete, abge
fcksliffene, ritterlich rückfichtsvolle
Mann, dem sie gern zu Gefallen gelebt
t-,ctte.
Eine fest und bestimmt auftretende,
des ruhigen Befehlen-«- gewohnte Ma
trone —- cin etwas verrohter, lasch
und arbeitsniüde gewordener, früh ge
alterter Mann standen sich dort gegen
über, und die erwachsenen Kinder
trnnten auch den richtigen Ton dern
entfremdeten Vater gegenüber nicht
finden, der sich heran-nahm, sie zu
tritisiren, oder gar Anordnungen tref
fen wollte, die ihren Gewohnheiten
rridersprachen.
Deutliche Anflehnungen verhinderte
wohl ihre Wot)lerzogenheit, aber Pas
sivem Widerstand begegnete er täglich·
»Wie er sich verändert hat,« dachte
Frau Malvine seufzend.
»Wie verwandelt und getanscht,«
waren seine Gedanken über fie, und
wenig respeltvoll setzte er hinzu: —-—
»Die lleine, süße, weicheFran ist zur
unqeiniithlichen stratzbiirste geworden
nnd — die Regeltnäfzigleit, die fie in
allem verlangt, für einen freien Mann
,,a bore«, wirkliche Last.«
Als Einmi, seine einzige Tochter,
nun einen -Offi·zier aus altpreußischer
Familie als ihren Verlobten ins Hang
brachte, war vollends alles Verständ
niß zwischen dem freien »Ameritaner«,
der in schonnngslosester Weise seine
Ansichten über deutsche und militäri
sehe Verhältnisse tund that, Und seiner
Familie gestört, und als er gar sein
Veto dagegen einlegen wollte, daß die
Söhne die militärische Laufbahn zu
ergreifen entschlossen waren — brach
der-krieg im Hause Helms offen aus.
,,Darüber hat nur Mutter zu ent
scheiden, die uns erzogen und bis
hierher ohne jede Unterstützung ge
bracht hat,'« rief tühn der Wortxührer
der Zwillinge, der stets schlag ertige
Clemens, während Otto sich damit be
gnügte, den Vater in trotziger Heraus
forderung anzublicten.
»Und das gibst Du zu, ruft Helms
empört, »daß die Jungens es wagen,
nir den Gehorsam aufzutiindigen?«
Sie zuckt die Achseln und sagt ge
lassen:
»Ja, Theo, was soll man dazu
thun! Die Kinder haben sich nicht
gewohnt, in Dir denjenigen zu sehen
von dem sie abhängen, der ihnen eine
Autorität ist, dein sie etwas find und
der -—-ihnen etwas ift!« —
,,Wie es scheint, in Dir auch nicht!«
ruft er erbittert.
Sie fentt das Haupt
»Ich hatte mich fo auf Dich gefreut,
Theo,« und dann fällt seufzend zum
ersten Male dasf bedeutungsvolle
Wort:
»Wir haben uns alle auseinander
gelebt und finden uns schwer wieder
in einander zurecht.«
Haben sie sich denn redlich Mühe
dazu gegeben?
Die Frau in ihrer Seelenanaft legt
sich jetzt zum erften Mal ehrlich die
Frage vor.
Miirrisch hat sie all die Unbe uem
lichteiten ertragen, die ihr dur das
Nebeneinanderleben mit dem Entfrem
deten entstanden. Die Kinder haben
bald das Haus verlassen, und sie find
sich nicht ein Jota dadurch näher ge
rückt, daß Emmi verheirathet, die
Söhne in der Armee sind.
- Wäre sie damals mit ihm gegangen,
o
wäre sie ihm in die Fremde gefolgt,
hätte sie sein Leben getheilt, mit ihm
schaffend und sich mühend, der klaf
sende Riß wäre nie eingetreten, den
nichts mehr zusammenfiigen kann
,,Nichts?« —
Da schrillt die Hausthürglocke, Un
heil verkündend.
Sie stürzt hinunter.
Da bringen ihn vier Männer müh
sam schleppend aus dem Kranken
wagen. Ein Arzt bewacht den trau
rigen Zug.
Die Beine schloitern kraftlos. —
Das Gesicht ist todtensahi.
»Ist vom Automobil überrannt
worden, als er an der Eisenbahn aus
de Droschle stieg. Nothverband be
re is angelegt. Berlangte durchaus
nach Hause,« erklärte der Arzt kurz.
»Schlimm?« fragte sie athemlog.
Er zuckt die Achsel. »Jnnere Ver
x letzung durch den Sturz. Jst noch nicht
! zu beurtheilen.«
s Sie haben ihn gebettet. Nicht in
Iseinem verwiisteten Zimmer, sondern
jin ihrem sonnigen, freundlichen Ge
j mach, zu dem sie selber die Thür ihnen
; ausgerissen
j Aus bleichem Leidensgesicht sieht er
sie dankbar lächelnd an.
»Da ich Dir eine Last war, wollte
ich auf und davon,« hauchten seine
fahlen Lippen. »Gott hat es anders
gewollt. Nun möchte ich zuHause bei
Dir wenigstens sterben.«
»Nein, leben,« fleht sie mit angst
erfiilltem Blick. All’ ihr-e Jugendliebe
ist auferstanden unter der Folter die
ses Augenblicks. Sie weiß, daf; es
eine Brücke hinüber gibt in die Ver
gangenheit — die Erinnerung an ver
gangeneg Gliicl, und — in die Zu
kunft: Der feste Wille, sich wieder in
einander zurecht zu finden.
Und sie beugt sich iiber ihn mit nn
siiglich liebevoll-er Milde und sliistert
ihm trostreiche, aufmunternde Worte
zu, von Pflege und Gesundwerden bei
den Seinen und —-- daß er hierher ge
höre siir Zeit und Ewigkeit und —
daß sie sich ineinander fügen und
schicken werden in Nachsicht und Ge
duld, bis aus dem Auskinanderleben
ein unzertrennbares Jneinanderleben
geworden « wie einst im Lebensmai.
-————--·--———
Der Vorschußfex.
Humoregte von Ft a r l P a u l i.
Theobald stlintert war ein guter
Schauspieler, aber er litt an einer
Manie, er konnte die Gage nicht leis
den, er wollte nur Vorschuß, Gage
war ihm etwas Widertvärtigieg, Ver-—
haßtes, siir den Vorschuß dagegen ließ
er sein Leben. Vorschuß ist alle-J,
pflegte er zu sagen, Vorschuß ist ein
Zeichen des Vertrauen5, eine Gewähr
der Gesundheit, eine Vertrauengnote
aus das Talent, ein Beweis der
Existenzberechtigung Vorschuß ist das
einzig Menschenwiirdige in der ganzen
Jnteressensphäre dieses sluchwiirdig
nächtlichen Gewerbes. Er nannte das
Theater nie anders als »das sluchwiir
dig nächtliche Jnstitut«, seinen Beruf
aber ,,sein sluchwiirdig nächtliches
Handwert«, und Beides-, behauptete er,
könnte ihm nur Vorschuß, Vorschuß,
ungezählter, unermessener Vorschuß
einigermaßen versüßen. Er war«eben
Vorschußsex und trieb die Fexerei so
weit, kein Engagement anzunehmen,
in welchem ihm nicht ein fortlaufen
der, auskömmlicher Vorschuß zuge
sichert wurde, ja man sagt sogar, er
habe ein glänzendes Engagement an
einem ersten Hoftheater, welches ihm
einen« lebenslänglichen Kontrakt bot.
nur deshalb gelöst, weil man ihn nicht
mt lebenslänglichecn Vorschuß engagi
zren wollte.
Am liebsten war es ihm, wenn er
in einem Engagement immer Vor
schuß und niemals Gage erhielt. Der
zGageta ist nur zum Quittiren da,
ibehaup ete er, wer am Gagetag Gage
’bekommt, ist kein Künstler.
Aber wo viel Licht ist, ist viel
Schatten, wenn es Schauspieler giebt,
die nur Vorschuß nehmen, giebt eg
auch Direktoren, welche niemals sol
chen bewilligen. Ein solcher Direktor
war Direktor Gabriel Tigerwald.
Direktor Gabriel ,Tigerwald war
ein Mann mit strengen Grundsätzen,
einer jener Leute, die die Arbeit um
der Arbeit wegen lieben, die sich stets
mit etwas beschäftigen, weil sie von
dem Grundsah ausgehen, jede Bie
schästigung sei nützlich —- (worin sie
sich allerdings ost täuschen). Unter
den Landleuten nennt man solche
Leute Nackerbauern, wie man sie beim
Theater nennt, weiß ich nicht, viel
leicht nur Nacken Direktor Gabriel
Tigerwald war nicht aus dem Künst
lerstand hervorgegangen und hatte in
folgedessen sür die kleinen Leiden
schaften der Künstler wenig Empfin
dung. gar keine aber für Klinkert’sche
nung genügte es nicht, ein guter
Schaufpieler zu sein, er verlangte vor
Allem, daß sich der Künstler auch als
weiser und sparsamer Bürger bethä
tige, und aus diesem Grunde gab er
nie Vorschuß,- nie, unter keiner Be
dingung. »Wenn ein Schauspieler
mit seiner Gage nicht auskommt,«
war seine stete Redensart, ,,wie will
er dann Vorschuß abbezahlen.«
Noch schwebt ein düsteres, uner
gründliches Geheimniß über der
Stunde. welche dise beiden so verschie
den angelegten Naturen zusammen
sübrte, beide hatten sieh getäuscht und
als beide den Fehler einsahen, den sie
begangen, war es zu spät, ihn gut zu
machen.
Einstweilen war der Direktor der
vom Glück Begünstigte; siegreich hatte
er jeden Versuch Klintert’s, irgend
welchen Vorschuß-zu bekommen, abge
schlagen, und weder List noch Gewalt
hatten ihm auch nur das kleinste ,,a
conta« zu entreißen vermocht.
Zähneknirschend ertrug Klinkert
den Unabwendbaren Zustand, rathe
brijtend fügte er sich in das Unver
meidliche; ab er gab die Hoffnung
nicht auf, da « er endlich doch siegen
werde, und wartete mit zarter Ge
duld aus die rechte Stunde. Und sie
lam, diese rechte Stunde, zwar etwas
spät, aber sie kam doch.
Man bereitete eine Premiere bor,
eine Premiere von welcher für den
Dirkt or Tigerwald bedeutend mehr
labhin g, als das bloße Gelingen einer
IVorstellnngx nach dieser Premiere
sollte eg sich entscheiden, ob er aus«-H
Neue für siins Jahre zum Direktor
des Theaters gewählt werde.
Diesen Hei tpuntt hatte Klintert ab
gewartet und sich einen schier teus
lisctien Plan ausgedacht.
s Am Nachmittag jenes Tages-, an
Fessen Abend die vielbedeutende Pre
niere stattfinden sollte, lies; er sich
bei Direktor Gabriel Tigerwald mel
den
Der Direktor wollte ihn anfangg
:n.chi empfangen, die Premiere be
«schästigte ihn zu sehr, aber Theobald
Klinkert bestand daraus, vorge lassen
zu werden, er habe den Direktor in
einer äußerst wichtigen Angelegenheit
usprcchen und so wurde er endlich
angenommen
Borschußsexerei. Nach seiner Mei
Direktor Tigerwald empfing den«
Fiiinstler nerdög und zerstreute
,,Woinit kann ich dienen, bitte?«
rief er dem Eintretenden entgegen,
»nur rasch, wenn ich bitten darf, ich
lfsabe gar keine Zeit.«
»Herr Direktor!« begann mit geil
inessener Stimme der Schauspieleni
»Sie werden sich jedenfalls denken
können. was mich zu anen fiihrt!«
»Nein, das kann ich mir nicht den-—
ten!« entgegnet-e der Direktor unge
duldig, »und ninsz Sie schon bitten.
mir Ihren Wunsch so rasch wie mög
lich zu nennen, da ich, wie Sie wis
sen, sehr beschäftigt bin!«
,,Also Sie können es sich nicht den
ten?« fragte der Künstler mit geflis
sentlich verlangsamter Sprechweise,
«hm, hin, das wundert mich eigentlich
denn —- ——«
»Bitte, wundern Sie sich ein an
dermal,« unterbrach der Bühne-mei
ter gereizt den Sprechenden, ,,bitte,
sagen Sie kurz und bündig, was Sie
von mir wünschen —- sonst —— Sie
müssen schon entschuldigen, bin ich ge
nöthigt, mich Ihrer Gesellschaft zu
J entziehen!«
»Wie Sie wünschen. Herr Direk
tor!« erwiderte Kliniert etwas rascher
als vorher. »Also kurz und bündig:
ich bitte um dreihundert Mark Vor
schuß!«
Ein heimlicheg Lächeln spielte um
die Lippen des Bill)nenchef"g.
»Sie haben einen schlechten Tag ges
wählt, Herr Jt«lintert!« sagte er,
,,heute durften Sie doch am wenigsten
iomnien!« ,
»Mir blieb keine Wahl, Herr Di
rektor, ich konnte mir den Tag nicht
aussuchem ich muß den Vorschuß ha
ben.«
»Wozu das alles, Herr Klintert, ob
Sie müssen oder nicht, Sie wissen, ich
gebe keinen Vorschuß!«
»Heute werden Sie eine Ausnahme
machen, Herr Direktor!«
»Ich mache nie Ausnahmen!«
»Herr Direktor, ich sage Jhnen —«
»Sparen Sie jedes Wort, Herr
Klinkert!« unterbrach der Direktor
den Sprechenden, ich gebe keinen Bor
schusz, das wissen Sie, und damit ist
die Sache für mich erledigt! —- Kann
ich sonst mit etwas dien-en?«
,,-Also Sie geben mir- die dreihun
dert Mart nicht?«
»Nein!«
»Wissen Sie, was ich dann thue?«;
»Sie erschießen sich! rief der Di
rektor lachend.
»O nein!«
»Oder hängen sich aufl«
»Noch weniger!«
»Na, dann weiß ich nicht!« ver
setzte der Direktor; »im Uebrigen
thun Sie, was Sie wollen!«
»Das werde ich auch!« rief der
Schauspieler ergrimmt, »Und swissen
Sie, was ich thun werde?« — Jch
spielse heute Abend nicht!«
Der Direktor starrte dem Schau
spieler eine Sekunde lang entsetzt in’s
Gesicht, aber er faßte sich bald. ,
»Das werden Sie sich doch wohl
noch sehr überlegen!« sagt-e er lang
sam.
»Ich habe itberlegt!« rief der
Künstler kurz.
»Wissen Sie, daß Sie Jhre Stel
lung aufs Spiel setzen?«
»Was liegt mir an einer Stellung
ohne Vorschuß!« Jch muß das Geld
haben!«
»Wissen Sie, daß Sie Jhre ganze
Zukunft gefährden, Jhre ganze Car
riere?«
»Was frage ich danach!«
»Nun, mein lieber Herr Klinkert,
ich weiß, daß Sie ein viel zu pflicht
treuer Mensch, ein viel zu gewissen
hafter Schauspieler sind, um sich et
was Derartiges zu Schulden kommen
zu lassen, ganz abgesehen von den
Folgen, die seine derartige Handlung
fiir Sie haben kann — ich werde es
sehr ruhig abwarten, ob Sie Jhre
Pflicht erfüllen oder nicht.«
,,Tbun Sie das nicht, Herr Direk
tor.«
»Doch, vocl)!«
»Nun gut!« rief der Künstler,
»dann gebe ich Jhnen mein Ehren
wort, daß ich heute Abend nicht
spiele.«
Der Direktor wurde"blaf3. »Das
ist eine gemeine Erpressung!« rief er.
Nennen Sie eg, wie Sie wollen!«
entgegnete der Sel)auspieler, »ich muß
meinen Vorschuß haben!«
»Sie wissen, wag für mich dag- Ge
lingen der heutigen Premiere bedeu
tet!«
»Wa; kiinnnert mich da5!«
»Meine Zukunft als Direktor sieht
in Fragel«
»Und meine als Mensch, wenn ich
keinen Vorschuß bekomme!«
»Aber nehmen Sie doch Vernunft
an, lieber Zilinkert!«
»Aber nehmen Sie doch Vernunft
an!» Was liegt denn an Dreihundert
Mart? Auch tann ich nicht mehr zu
riick, ich gab Ihnen bereits mein
Ehrenwort!«
»Ich gebe eg Ihnen zurück!«
»Ich will eH nicht zurück, im Gegen
theiL ich wiederhole es!«
»Schuft!« knurrte der Direktor in
sich hinein, dann trat er zum Geld
schrant, riß drei Hundertma tscheine
aus der Papiergeldinappse u« "warf»
sie auf den Tisch.
»Hier!« rief ser, »geben Sie die
Quittung dem Sekretär! Adieu, Herr
Klintert!« Er wendete dem Schauspie
ler den Rücken und blickt-e durch’g Fen
ster auf die Straße.
Klintert steckte mit einem vergnüg
ten Schmunzeln die Schein-e langsam
ein und entfernte sich dann mit einem
höflichen »besten Dank, Herr Direk
tor!«
Als er bis zur Thüre gelangt war,
drehte sich der Bühnenchef plötzlich um
»Herr Klinkert!«
»Herr Direktor!«
»Nicht wahr, lieber Klinkert,«
sprach der Direktor fast weich, »Jhre
Drohung war nicht ernst gemeint, Sie
hätten heute Abend doch gespielt, auch
wenn ich Jhnen den Vorschuß nicht
gegeben hätte?«
»Nein, Herr Direktor!« antwortete
der Gefragte, »ich hätte nicht ge
spielt!«
»Also wirklich!« rief der Direktor
entrüstet.
»Und ich spiele auch jetzt noch nicht!«
fuhr der Schauspieler ruhig fort.
»Wie, nachdem Sie doch den Vor
schuß haben, wollen Sie heute Abend
doch nicht spielen?«
»Aber ich kann doch heute Abend
gar nicht spielen,« entgegnete Klinkert
mit pfiffigem Schmunzeln, »ich habe
ja in dem Stück gar keine Rolle!«
l
-
WilhelmincheninMccktknbnrg.
Jn Dobbin in Mecklenburg, wo die
Königin von Holland und ihr Gemahl
mehrere Wochen weilten, fand unter
Theilnahme der Königin, der Groß-:
herzogin Marie und des Prinzen Hein
rich das Erniefest statt. Auf besonde
ren Wunsch der Königin sollte das
Fest wie sonst gefeiert werden. Vom
Hause der ersten Erntebinderin, wo
die jungen Mädchen die Erntekrone
aus Kornähren mit bunten Bändern
gebunden hatten, Inarschirten die fest
lich geschmückten Schnitterinnen und
Schnitter in Erntetracht, die Männer
mit der Sense über der Schulter, an
s der Spitze Musik, vor das Schloß, wo
W
sie von der Gutsherrim der Königin,
und dem Gutsherrn, dem rin n
Heinrich, und den übrigen Für tlich i
ten erwartet wurden. Die erste Ernte
binderin trat dann mit den jungen
Mädchen vor die Königin und über
reichte mit einem Gedicht die Krone.
Darauf wurden sämmtliche Fürstlich
keiten von den Mädchen »gebunden«, d.
h. man streifte ihnen einen Aehren
lranz über die Hände; wollten sie wie
der lostommen, dann mußten sich die
Herrschaften mit einem Geldgeschenk
freikausen. Dies ist ein alter-mecklen
burgischer Brauch, der sonst nur wäh
rend der Ernte auf dem Felde statt
findet; weil aber die Herrschaften zur
Erntezeit nicht in Dobbin waren, so
wurde er jetzt nachgeholt. Dann wur
de unter fortwährendem Streichen der
Sense das Schnitterlied »Wir Mäher
sind lustig und streichen in Feld« ge
sungen. Der Königin un en ande
ren hohen Herrschaften bereitete dieser
Volksbrauch sichtlich Vergnügen. Dann
bewegte sich der ganze Zug nach dem
Kornboden, wo zuerst getafelt wurde,
und dann folgte der Erntetanz. Auch
dort waren die Königin mit Gemahl
und Gefolge zugegen. Auf Wunsch der
hohen Frau mußten die jungen Leute
alle einheimischen Volkstänze, wie den
Besentanz, den.Webertanz, den Kegel
u. s. w. tanzen, die zum Theil außer
ordentlich figurenreich und abwechse
lunggvoll sind und in dieser Hinsicht
. einen Vergleich mit städtischen Tänzen
s nicht zu scheuen brauchen. Auch Sing
.spiele wurden aufgeführt, wie das
durch den Wossidloschen Bauernabend
bekannt-et ,,.8iuinm tau mi, kumm tau
mi, ick bänn man allein!« Ebenso
mußten die Schulmädchen singen und
spielen. Abendg betraten die hohen
Herrschaften nochmals den Kornboden
und sahen mit sichtlichem Vergnügen
dem Tanze zu.
—-——A —
Der Freitag als Uirglückstag.
Unter Seeleuten gilt bekanntlich
der Freitag fiir einen Unglückstag, an
dem sie nicht gern irgend ein Unter
nehmen beginnen. Um diesem Aber
glauben entgegen zu arbeiten, ließ ein
englischer Rheder eine Brigg erbauen,
die er »Freitag« nannte; der Kiel
wurde an einem Freitag gelegt, an
einem Freitag wurde sie vom Stapel
gelassen, an einem Freitag siegeete sie
ab mit einem Kapitän namens Freitag
und hatte eine vortreffliche Fahrt ge
macht. Ein weiteres unwiderlegbares
Argument gegen die unglückliche Be
deutung des Freitag-Z kann man in den
geschichtlichen Thatsachen erblicken:
An einem Freitag, Z. August 1492,
trat Colnmbus seine große Entdeck
ungsreise an; an einem Freitag, 12.
Oktober desselben Jahres, erblickte er
zum ersten Male Land; abermals an
einem Freitag, 4. Januar 14 Z, trat
er seine Rückreise nach Spanien an;
an einem Freitag endlich, am 15.
März 1493, traf er wohlbehalten in
Palos ein.
—
Jns All-um der Frau.
Um die Einsamkeit ist’s eine schöne
Sache-, wenn man mit sich selbst im
Frieden lebt und ’was Bestimmte-Z zu
thun haf. .
Goethe lan Frau Von Stein).
Mit Bitten herrscht die Frau, und mit
Befehl der Mann:
Die eine, wenn sie will, — der andre.
wenn er kann.
Joh. Ehr. Rost.
y- si
Eh’stand ist Weh’stand auch in der
Kunst;
D’rum sind Dilettanten glückliche
Leute:
Sie genießen der Musen Gunst
Wie ein Stelldichein ewiger Brunte.
Paul Heyse.
Immer derselbe.
Gast: »Was sehe ich, Herrn Kom
merzienrathg Park schmückt auch ein
Bismarckstandbild?!« «
stomrnerzienrath: »Ja, ich wollte
eben meinen eigenen Bigmarck haben.«
Durchschnitt
Herr: »Nun, haben Sie Jhr Exa
men bestanden?«
Student: »Bitte, bekümmern Sie
sich um Jhre eigenen Sachen.«
Herr: ,,Tl)ut mir äußerst leid, daß
Sie solches Pech hatten.«
Berechtigter Verdacht.
»Der Meteorologe Krischel hat siir
dieses Jahr einen harten Winter pro
phezeit.«
»Na, wenn den nur nicht sein
Schwiegervater, der Kot)lengroßhänd
,ler Siller, dazu überredet l)at.«
Heimgcschickt.
Schweizer: »Und dann gönnd Sie
acht, wenn Sie us St. Galle chömme,
do git’s licht Priigel!«
« Berlin-er: (spöttisch): »Sie sprechen
wohl aus Ersahruna, was-EI«
s Schweizer: »Jo frili -—« i ha au scho
ustheilt!«
Lenker Auftrag.
Student (der sich mit einem Bekann
ten in der Kneipe abgesprochen hat):
»Mein Freund scheint ja schon betrun- .
ten zu sein?«
Kellnert »Ja, er hat lange aus Sie
gewartet ich soll Sie grüßen!«
Zweckloses Dasein.
Lentnant: »Scheren Sie sich zum
Kuckuck, Sie Geldsaet — Sie!«
Gelt-verleihen »Na, na. was wären
Sie. wenn Berthold Sol-wars nicht das
Schießpulver erfunden hätte.«