Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 13, 1905, Sweiter Theil., Image 9
EYesraskåä· W Staats-Zuzeiger Und Yerollk ’ « J. P. Windalph, Herausgeber. Grund Island. Nebr« 1:3. Januar 1905 (Zweiter Theil.) Jahrgang 25 No. 20. Poesdees Schmerzes. Dein Glück, es ist so selten echt, Und wird dich ost dethören; Der Schmerz verleiht dir erst ein Recht, Dem Leben zu gehören. Ob du umsingst mit Jugendlust Die Welt mit Liebesarmem W lehrt dich Leid erst und Verlust Ein heiligstes Erbarmen. Schmerz ist das eine große Band, Das alle Welt umschlungen, Es macht den Besten dich verwandt, Die je gedacht, gerungen Verstehen, theilen lernt dein Blick, Was sich in Qual verborgen, Dich lehrt dein eigenes Geschick Der ganzen Menschheit Sorgen. Op Auseinandergelebt. Novellette von C. Z o e l le r - Lionhearr ,,Theo—«dor —- The——o—— dor!« Frau Malvine Helms Stimme schallte durchs ganze Haus, schließlich auch durch den Weingang des sonnen gebadeten tleinen Gartens, in dem der Hausherr in träger Ruhe sich auszu halten pflegte. Jn der Hängematte ausgestreckt, die Cigarre im Munde, ein Buch zum Schein in der Hand, konnte er halbe Tage so« versäumen, zur ärgerlichen» Verwunderung der immer thätigen Frau »Wo ist der Herr?« fragte sie zu nächst das herbeigetlingelte Hangmäd- ’ chen, das sie erstaunt anglotzte. ’ »Wußte die gnädige Frau nicht, daß der Herr verreisen wollte?« s Nein, das hatte sie nicht gewußt,s als sie vorgestern zu ihrer verheirathe ten Schwester in den Nachbarori fuhr, klm dieser in schwerer Stunde nahezu em. Kein Wort von einem Reiseplan war da gefallen. Daß er so plötzlich ohne jede vorherige Mittheilnng abge: reist war, schien unbegreiflich nnd — riictsichtglog. Sie fühlte, wie ihr die Vlutwelle hitzian Temperament-J in das hübsche Gesicht stieg. Dieses überwallende Temperament, daß fce mit Theodor so häufig anein ander gerathen liesz in dem halben Jahr, das er mit ihr und den Kindern nun wieder Unter einem Dach hauste! Plötzlich wurde ihr kalt und sie er blaßtr. Nach der Szene von vorgestern... Wenn er . .. Sie flog die Treppenstusen zu dem Zimmer im ersten Stockwerk hinauf, das er inne hatte. Die gräßliche Unordnung, die ihrer strengen Ordnungsliebe so zuwider war, herrschte dort in noch erhöhtem Grade, denn alle Schubfächer waren ausgezogen, und in wüstem Durch einander lagen Kleidunggstücle und Bücher im ganzen Raum umherge streut, der mit jenem dicken, übelrie chenden Tabalsqualm noch angefüllt war, der Veranlassung gewesen, daß die Eheleute getrennte Räunie be wohnten. Aus dem Schreibtisch befand sich ein Chaos umhergestreuter alter Briefe, unter denen sie ihre Handschrift er-« kannte. Mechanisch ariss sie nach einem, der obenaus lag, und in dein ein Satz in die Augen springend roth unterstrichen war. s»Wir freuen uns unaussprechlich auf Dein Kommen und können die Zeit kaum erwarten, wo Dein Fuß über unseres Hauses Schwelle schrei ten wird. « — Wie schön, wie glücklich wird sich unser gemeinsames Leben wieder gestalten! Wie werden die Kinder und ich alles thun, Dir das Heim zu einem Friedenshafen zu machen, in dem Du in unserer Liebe ausruhen sollst von den Stürmen und Kämpfen der Ber aanaenbeit.« »Ha, ha, ha!« —- stand mit seiner Handschrift darunter. Weiter nichts. Reine Mittheilung, keine Aufklärung seines seltsamen Vorgehens. Hatte ihn etwas Unvorhergesehenes fortgerufen2 Gab es in seinem ver gangenen Leben, das er nun 22 Jahre allein geführt hatte, Geheimnisfe? Oder —- oder — hieß das Flucht? Flucht? —— Wovor? Frau Malvine wurde himmelangst. Wenn er sich ein Leids angethan? Wenn der Vorwurf, ihn in den Tod getrieben zu haben, zeitlebens auf ih rem Gewissen lasten sollte —- wie sollte sie die Zukunft ertragen, wie vor sei nen Kindern bestehen, die auch die ih ren waren! Wie vor der Welt sich recht fertigen « der sie vor einein halben Jahr ihre überfchwengliche Freude kund gethan, als Aussicht war, daß Helmö nach o ewig langer Trennung, müde des lleinseins, nun in den SJooß seiner Familie zurückkehren wo e! Und während die Frau rathlos in dem verwitteten Zimmer ihres Man nes umherlauft, rollt sich die Vergan theit nochmals vor ihr aus, und die «rinnerungsbilder ewinnen so lebs halte Gestalt, daß er Angstschweiß ihr wieder auf die Stirn tritt, wie an Jenem Abend, wo sie verzweiflungsvoll schluchzend an seinem Halse hing. Da hatte er noch einmal im« Ab fehtedswekf die dringende Aufforderung an sie ge tellt: .Konnn mit, Malvtne, oder komm doch weni stens rach, wenn ich drüben fest-II Fu gefaß habe.« » Zum Mitgehen in die ungewisse Zu ! lunft, nachdem er in den ersten Jahren ihrer Ehe durch Unglück und eigene Schuld geschäftlichen Schiffbruch er litten, fehlte ihr der Muth. Und —- bis er nach unfäglichen Kämpfen etwas festen Fuß jenseits des Meeres gefaßt, waren so viele Jahre vergangen, daß die brennende Sehnsucht längst schlafen gegangen, sie aufgehört hatten, sich eig Bedürf niß zu sein, und aus der kleinen, wei chen, nachgiebigen Frau eine energische Lebenstämpferin geworden war, die sich zielbewußt und rührig durch eine geschickt geleitete Privatklinik eines hervoragenden Operateurs das Brod für ihr Töchterchen und die nachge borenen Zwillingsbriider verdiente. Mehr als das Brod noch. Jhrer Umsicht war es im Laufe dieser vielen Jahre gelungen, nicht nur den Kin dern eine sorgfältige Erziehung ange deihen zu lassen, sie hatte ihr Institut zu einer solchen Höhe und einem sol chen Ruf gebracht, daß sie vor nun zwei Jahren es glänzend verkaufen und sich in das Privatleben zurück ziehen konnte. Als nun Helms nach Erlangung eines nicht unbeträchtlichen Erbes das Verlangen äußerte, nun auch feiner seits sich zur Ruhe zu setzen, war nichts natürlicher, als die Wiedervereinigung der zersprengten Familie. Das Wiedersehen, dein alle so freu dig entgegengesehen, brachte allseitige Enttäuschung Jn Theodor Helms Erinnerung lebte die tleine anschniiegen·oe, fiigsame Frau, für die er die Autorität gewe sen. Ju ihrer der feingeliildete, abge fcksliffene, ritterlich rückfichtsvolle Mann, dem sie gern zu Gefallen gelebt t-,ctte. Eine fest und bestimmt auftretende, des ruhigen Befehlen-«- gewohnte Ma trone —- cin etwas verrohter, lasch und arbeitsniüde gewordener, früh ge alterter Mann standen sich dort gegen über, und die erwachsenen Kinder trnnten auch den richtigen Ton dern entfremdeten Vater gegenüber nicht finden, der sich heran-nahm, sie zu tritisiren, oder gar Anordnungen tref fen wollte, die ihren Gewohnheiten rridersprachen. Deutliche Anflehnungen verhinderte wohl ihre Wot)lerzogenheit, aber Pas sivem Widerstand begegnete er täglich· »Wie er sich verändert hat,« dachte Frau Malvine seufzend. »Wie verwandelt und getanscht,« waren seine Gedanken über fie, und wenig respeltvoll setzte er hinzu: —-— »Die lleine, süße, weicheFran ist zur unqeiniithlichen stratzbiirste geworden nnd — die Regeltnäfzigleit, die fie in allem verlangt, für einen freien Mann ,,a bore«, wirkliche Last.« Als Einmi, seine einzige Tochter, nun einen -Offi·zier aus altpreußischer Familie als ihren Verlobten ins Hang brachte, war vollends alles Verständ niß zwischen dem freien »Ameritaner«, der in schonnngslosester Weise seine Ansichten über deutsche und militäri sehe Verhältnisse tund that, Und seiner Familie gestört, und als er gar sein Veto dagegen einlegen wollte, daß die Söhne die militärische Laufbahn zu ergreifen entschlossen waren — brach der-krieg im Hause Helms offen aus. ,,Darüber hat nur Mutter zu ent scheiden, die uns erzogen und bis hierher ohne jede Unterstützung ge bracht hat,'« rief tühn der Wortxührer der Zwillinge, der stets schlag ertige Clemens, während Otto sich damit be gnügte, den Vater in trotziger Heraus forderung anzublicten. »Und das gibst Du zu, ruft Helms empört, »daß die Jungens es wagen, nir den Gehorsam aufzutiindigen?« Sie zuckt die Achseln und sagt ge lassen: »Ja, Theo, was soll man dazu thun! Die Kinder haben sich nicht gewohnt, in Dir denjenigen zu sehen von dem sie abhängen, der ihnen eine Autorität ist, dein sie etwas find und der -—-ihnen etwas ift!« — ,,Wie es scheint, in Dir auch nicht!« ruft er erbittert. Sie fentt das Haupt »Ich hatte mich fo auf Dich gefreut, Theo,« und dann fällt seufzend zum ersten Male dasf bedeutungsvolle Wort: »Wir haben uns alle auseinander gelebt und finden uns schwer wieder in einander zurecht.« Haben sie sich denn redlich Mühe dazu gegeben? Die Frau in ihrer Seelenanaft legt sich jetzt zum erften Mal ehrlich die Frage vor. Miirrisch hat sie all die Unbe uem lichteiten ertragen, die ihr dur das Nebeneinanderleben mit dem Entfrem deten entstanden. Die Kinder haben bald das Haus verlassen, und sie find sich nicht ein Jota dadurch näher ge rückt, daß Emmi verheirathet, die Söhne in der Armee sind. - Wäre sie damals mit ihm gegangen, o wäre sie ihm in die Fremde gefolgt, hätte sie sein Leben getheilt, mit ihm schaffend und sich mühend, der klaf sende Riß wäre nie eingetreten, den nichts mehr zusammenfiigen kann ,,Nichts?« — Da schrillt die Hausthürglocke, Un heil verkündend. Sie stürzt hinunter. Da bringen ihn vier Männer müh sam schleppend aus dem Kranken wagen. Ein Arzt bewacht den trau rigen Zug. Die Beine schloitern kraftlos. — Das Gesicht ist todtensahi. »Ist vom Automobil überrannt worden, als er an der Eisenbahn aus de Droschle stieg. Nothverband be re is angelegt. Berlangte durchaus nach Hause,« erklärte der Arzt kurz. »Schlimm?« fragte sie athemlog. Er zuckt die Achsel. »Jnnere Ver x letzung durch den Sturz. Jst noch nicht ! zu beurtheilen.« s Sie haben ihn gebettet. Nicht in Iseinem verwiisteten Zimmer, sondern jin ihrem sonnigen, freundlichen Ge j mach, zu dem sie selber die Thür ihnen ; ausgerissen j Aus bleichem Leidensgesicht sieht er sie dankbar lächelnd an. »Da ich Dir eine Last war, wollte ich auf und davon,« hauchten seine fahlen Lippen. »Gott hat es anders gewollt. Nun möchte ich zuHause bei Dir wenigstens sterben.« »Nein, leben,« fleht sie mit angst erfiilltem Blick. All’ ihr-e Jugendliebe ist auferstanden unter der Folter die ses Augenblicks. Sie weiß, daf; es eine Brücke hinüber gibt in die Ver gangenheit — die Erinnerung an ver gangeneg Gliicl, und — in die Zu kunft: Der feste Wille, sich wieder in einander zurecht zu finden. Und sie beugt sich iiber ihn mit nn siiglich liebevoll-er Milde und sliistert ihm trostreiche, aufmunternde Worte zu, von Pflege und Gesundwerden bei den Seinen und —-- daß er hierher ge höre siir Zeit und Ewigkeit und — daß sie sich ineinander fügen und schicken werden in Nachsicht und Ge duld, bis aus dem Auskinanderleben ein unzertrennbares Jneinanderleben geworden « wie einst im Lebensmai. -————--·--——— Der Vorschußfex. Humoregte von Ft a r l P a u l i. Theobald stlintert war ein guter Schauspieler, aber er litt an einer Manie, er konnte die Gage nicht leis den, er wollte nur Vorschuß, Gage war ihm etwas Widertvärtigieg, Ver-— haßtes, siir den Vorschuß dagegen ließ er sein Leben. Vorschuß ist alle-J, pflegte er zu sagen, Vorschuß ist ein Zeichen des Vertrauen5, eine Gewähr der Gesundheit, eine Vertrauengnote aus das Talent, ein Beweis der Existenzberechtigung Vorschuß ist das einzig Menschenwiirdige in der ganzen Jnteressensphäre dieses sluchwiirdig nächtlichen Gewerbes. Er nannte das Theater nie anders als »das sluchwiir dig nächtliche Jnstitut«, seinen Beruf aber ,,sein sluchwiirdig nächtliches Handwert«, und Beides-, behauptete er, könnte ihm nur Vorschuß, Vorschuß, ungezählter, unermessener Vorschuß einigermaßen versüßen. Er war«eben Vorschußsex und trieb die Fexerei so weit, kein Engagement anzunehmen, in welchem ihm nicht ein fortlaufen der, auskömmlicher Vorschuß zuge sichert wurde, ja man sagt sogar, er habe ein glänzendes Engagement an einem ersten Hoftheater, welches ihm einen« lebenslänglichen Kontrakt bot. nur deshalb gelöst, weil man ihn nicht mt lebenslänglichecn Vorschuß engagi zren wollte. Am liebsten war es ihm, wenn er in einem Engagement immer Vor schuß und niemals Gage erhielt. Der zGageta ist nur zum Quittiren da, ibehaup ete er, wer am Gagetag Gage ’bekommt, ist kein Künstler. Aber wo viel Licht ist, ist viel Schatten, wenn es Schauspieler giebt, die nur Vorschuß nehmen, giebt eg auch Direktoren, welche niemals sol chen bewilligen. Ein solcher Direktor war Direktor Gabriel Tigerwald. Direktor Gabriel ,Tigerwald war ein Mann mit strengen Grundsätzen, einer jener Leute, die die Arbeit um der Arbeit wegen lieben, die sich stets mit etwas beschäftigen, weil sie von dem Grundsah ausgehen, jede Bie schästigung sei nützlich —- (worin sie sich allerdings ost täuschen). Unter den Landleuten nennt man solche Leute Nackerbauern, wie man sie beim Theater nennt, weiß ich nicht, viel leicht nur Nacken Direktor Gabriel Tigerwald war nicht aus dem Künst lerstand hervorgegangen und hatte in folgedessen sür die kleinen Leiden schaften der Künstler wenig Empfin dung. gar keine aber für Klinkert’sche nung genügte es nicht, ein guter Schaufpieler zu sein, er verlangte vor Allem, daß sich der Künstler auch als weiser und sparsamer Bürger bethä tige, und aus diesem Grunde gab er nie Vorschuß,- nie, unter keiner Be dingung. »Wenn ein Schauspieler mit seiner Gage nicht auskommt,« war seine stete Redensart, ,,wie will er dann Vorschuß abbezahlen.« Noch schwebt ein düsteres, uner gründliches Geheimniß über der Stunde. welche dise beiden so verschie den angelegten Naturen zusammen sübrte, beide hatten sieh getäuscht und als beide den Fehler einsahen, den sie begangen, war es zu spät, ihn gut zu machen. Einstweilen war der Direktor der vom Glück Begünstigte; siegreich hatte er jeden Versuch Klintert’s, irgend welchen Vorschuß-zu bekommen, abge schlagen, und weder List noch Gewalt hatten ihm auch nur das kleinste ,,a conta« zu entreißen vermocht. Zähneknirschend ertrug Klinkert den Unabwendbaren Zustand, rathe brijtend fügte er sich in das Unver meidliche; ab er gab die Hoffnung nicht auf, da « er endlich doch siegen werde, und wartete mit zarter Ge duld aus die rechte Stunde. Und sie lam, diese rechte Stunde, zwar etwas spät, aber sie kam doch. Man bereitete eine Premiere bor, eine Premiere von welcher für den Dirkt or Tigerwald bedeutend mehr labhin g, als das bloße Gelingen einer IVorstellnngx nach dieser Premiere sollte eg sich entscheiden, ob er aus«-H Neue für siins Jahre zum Direktor des Theaters gewählt werde. Diesen Hei tpuntt hatte Klintert ab gewartet und sich einen schier teus lisctien Plan ausgedacht. s Am Nachmittag jenes Tages-, an Fessen Abend die vielbedeutende Pre niere stattfinden sollte, lies; er sich bei Direktor Gabriel Tigerwald mel den Der Direktor wollte ihn anfangg :n.chi empfangen, die Premiere be «schästigte ihn zu sehr, aber Theobald Klinkert bestand daraus, vorge lassen zu werden, er habe den Direktor in einer äußerst wichtigen Angelegenheit usprcchen und so wurde er endlich angenommen Borschußsexerei. Nach seiner Mei Direktor Tigerwald empfing den« Fiiinstler nerdög und zerstreute ,,Woinit kann ich dienen, bitte?« rief er dem Eintretenden entgegen, »nur rasch, wenn ich bitten darf, ich lfsabe gar keine Zeit.« »Herr Direktor!« begann mit geil inessener Stimme der Schauspieleni »Sie werden sich jedenfalls denken können. was mich zu anen fiihrt!« »Nein, das kann ich mir nicht den-— ten!« entgegnet-e der Direktor unge duldig, »und ninsz Sie schon bitten. mir Ihren Wunsch so rasch wie mög lich zu nennen, da ich, wie Sie wis sen, sehr beschäftigt bin!« ,,Also Sie können es sich nicht den ten?« fragte der Künstler mit geflis sentlich verlangsamter Sprechweise, «hm, hin, das wundert mich eigentlich denn —- ——« »Bitte, wundern Sie sich ein an dermal,« unterbrach der Bühne-mei ter gereizt den Sprechenden, ,,bitte, sagen Sie kurz und bündig, was Sie von mir wünschen —- sonst —— Sie müssen schon entschuldigen, bin ich ge nöthigt, mich Ihrer Gesellschaft zu J entziehen!« »Wie Sie wünschen. Herr Direk tor!« erwiderte Kliniert etwas rascher als vorher. »Also kurz und bündig: ich bitte um dreihundert Mark Vor schuß!« Ein heimlicheg Lächeln spielte um die Lippen des Bill)nenchef"g. »Sie haben einen schlechten Tag ges wählt, Herr Jt«lintert!« sagte er, ,,heute durften Sie doch am wenigsten iomnien!« , »Mir blieb keine Wahl, Herr Di rektor, ich konnte mir den Tag nicht aussuchem ich muß den Vorschuß ha ben.« »Wozu das alles, Herr Klintert, ob Sie müssen oder nicht, Sie wissen, ich gebe keinen Vorschuß!« »Heute werden Sie eine Ausnahme machen, Herr Direktor!« »Ich mache nie Ausnahmen!« »Herr Direktor, ich sage Jhnen —« »Sparen Sie jedes Wort, Herr Klinkert!« unterbrach der Direktor den Sprechenden, ich gebe keinen Bor schusz, das wissen Sie, und damit ist die Sache für mich erledigt! —- Kann ich sonst mit etwas dien-en?« ,,-Also Sie geben mir- die dreihun dert Mart nicht?« »Nein!« »Wissen Sie, was ich dann thue?«; »Sie erschießen sich! rief der Di rektor lachend. »O nein!« »Oder hängen sich aufl« »Noch weniger!« »Na, dann weiß ich nicht!« ver setzte der Direktor; »im Uebrigen thun Sie, was Sie wollen!« »Das werde ich auch!« rief der Schauspieler ergrimmt, »Und swissen Sie, was ich thun werde?« — Jch spielse heute Abend nicht!« Der Direktor starrte dem Schau spieler eine Sekunde lang entsetzt in’s Gesicht, aber er faßte sich bald. , »Das werden Sie sich doch wohl noch sehr überlegen!« sagt-e er lang sam. »Ich habe itberlegt!« rief der Künstler kurz. »Wissen Sie, daß Sie Jhre Stel lung aufs Spiel setzen?« »Was liegt mir an einer Stellung ohne Vorschuß!« Jch muß das Geld haben!« »Wissen Sie, daß Sie Jhre ganze Zukunft gefährden, Jhre ganze Car riere?« »Was frage ich danach!« »Nun, mein lieber Herr Klinkert, ich weiß, daß Sie ein viel zu pflicht treuer Mensch, ein viel zu gewissen hafter Schauspieler sind, um sich et was Derartiges zu Schulden kommen zu lassen, ganz abgesehen von den Folgen, die seine derartige Handlung fiir Sie haben kann — ich werde es sehr ruhig abwarten, ob Sie Jhre Pflicht erfüllen oder nicht.« ,,Tbun Sie das nicht, Herr Direk tor.« »Doch, vocl)!« »Nun gut!« rief der Künstler, »dann gebe ich Jhnen mein Ehren wort, daß ich heute Abend nicht spiele.« Der Direktor wurde"blaf3. »Das ist eine gemeine Erpressung!« rief er. Nennen Sie eg, wie Sie wollen!« entgegnete der Sel)auspieler, »ich muß meinen Vorschuß haben!« »Sie wissen, wag für mich dag- Ge lingen der heutigen Premiere bedeu tet!« »Wa; kiinnnert mich da5!« »Meine Zukunft als Direktor sieht in Fragel« »Und meine als Mensch, wenn ich keinen Vorschuß bekomme!« »Aber nehmen Sie doch Vernunft an, lieber Zilinkert!« »Aber nehmen Sie doch Vernunft an!» Was liegt denn an Dreihundert Mart? Auch tann ich nicht mehr zu riick, ich gab Ihnen bereits mein Ehrenwort!« »Ich gebe eg Ihnen zurück!« »Ich will eH nicht zurück, im Gegen theiL ich wiederhole es!« »Schuft!« knurrte der Direktor in sich hinein, dann trat er zum Geld schrant, riß drei Hundertma tscheine aus der Papiergeldinappse u« "warf» sie auf den Tisch. »Hier!« rief ser, »geben Sie die Quittung dem Sekretär! Adieu, Herr Klintert!« Er wendete dem Schauspie ler den Rücken und blickt-e durch’g Fen ster auf die Straße. Klintert steckte mit einem vergnüg ten Schmunzeln die Schein-e langsam ein und entfernte sich dann mit einem höflichen »besten Dank, Herr Direk tor!« Als er bis zur Thüre gelangt war, drehte sich der Bühnenchef plötzlich um »Herr Klinkert!« »Herr Direktor!« »Nicht wahr, lieber Klinkert,« sprach der Direktor fast weich, »Jhre Drohung war nicht ernst gemeint, Sie hätten heute Abend doch gespielt, auch wenn ich Jhnen den Vorschuß nicht gegeben hätte?« »Nein, Herr Direktor!« antwortete der Gefragte, »ich hätte nicht ge spielt!« »Also wirklich!« rief der Direktor entrüstet. »Und ich spiele auch jetzt noch nicht!« fuhr der Schauspieler ruhig fort. »Wie, nachdem Sie doch den Vor schuß haben, wollen Sie heute Abend doch nicht spielen?« »Aber ich kann doch heute Abend gar nicht spielen,« entgegnete Klinkert mit pfiffigem Schmunzeln, »ich habe ja in dem Stück gar keine Rolle!« l - WilhelmincheninMccktknbnrg. Jn Dobbin in Mecklenburg, wo die Königin von Holland und ihr Gemahl mehrere Wochen weilten, fand unter Theilnahme der Königin, der Groß-: herzogin Marie und des Prinzen Hein rich das Erniefest statt. Auf besonde ren Wunsch der Königin sollte das Fest wie sonst gefeiert werden. Vom Hause der ersten Erntebinderin, wo die jungen Mädchen die Erntekrone aus Kornähren mit bunten Bändern gebunden hatten, Inarschirten die fest lich geschmückten Schnitterinnen und Schnitter in Erntetracht, die Männer mit der Sense über der Schulter, an s der Spitze Musik, vor das Schloß, wo W sie von der Gutsherrim der Königin, und dem Gutsherrn, dem rin n Heinrich, und den übrigen Für tlich i ten erwartet wurden. Die erste Ernte binderin trat dann mit den jungen Mädchen vor die Königin und über reichte mit einem Gedicht die Krone. Darauf wurden sämmtliche Fürstlich keiten von den Mädchen »gebunden«, d. h. man streifte ihnen einen Aehren lranz über die Hände; wollten sie wie der lostommen, dann mußten sich die Herrschaften mit einem Geldgeschenk freikausen. Dies ist ein alter-mecklen burgischer Brauch, der sonst nur wäh rend der Ernte auf dem Felde statt findet; weil aber die Herrschaften zur Erntezeit nicht in Dobbin waren, so wurde er jetzt nachgeholt. Dann wur de unter fortwährendem Streichen der Sense das Schnitterlied »Wir Mäher sind lustig und streichen in Feld« ge sungen. Der Königin un en ande ren hohen Herrschaften bereitete dieser Volksbrauch sichtlich Vergnügen. Dann bewegte sich der ganze Zug nach dem Kornboden, wo zuerst getafelt wurde, und dann folgte der Erntetanz. Auch dort waren die Königin mit Gemahl und Gefolge zugegen. Auf Wunsch der hohen Frau mußten die jungen Leute alle einheimischen Volkstänze, wie den Besentanz, den.Webertanz, den Kegel u. s. w. tanzen, die zum Theil außer ordentlich figurenreich und abwechse lunggvoll sind und in dieser Hinsicht . einen Vergleich mit städtischen Tänzen s nicht zu scheuen brauchen. Auch Sing .spiele wurden aufgeführt, wie das durch den Wossidloschen Bauernabend bekannt-et ,,.8iuinm tau mi, kumm tau mi, ick bänn man allein!« Ebenso mußten die Schulmädchen singen und spielen. Abendg betraten die hohen Herrschaften nochmals den Kornboden und sahen mit sichtlichem Vergnügen dem Tanze zu. —-——A — Der Freitag als Uirglückstag. Unter Seeleuten gilt bekanntlich der Freitag fiir einen Unglückstag, an dem sie nicht gern irgend ein Unter nehmen beginnen. Um diesem Aber glauben entgegen zu arbeiten, ließ ein englischer Rheder eine Brigg erbauen, die er »Freitag« nannte; der Kiel wurde an einem Freitag gelegt, an einem Freitag wurde sie vom Stapel gelassen, an einem Freitag siegeete sie ab mit einem Kapitän namens Freitag und hatte eine vortreffliche Fahrt ge macht. Ein weiteres unwiderlegbares Argument gegen die unglückliche Be deutung des Freitag-Z kann man in den geschichtlichen Thatsachen erblicken: An einem Freitag, Z. August 1492, trat Colnmbus seine große Entdeck ungsreise an; an einem Freitag, 12. Oktober desselben Jahres, erblickte er zum ersten Male Land; abermals an einem Freitag, 4. Januar 14 Z, trat er seine Rückreise nach Spanien an; an einem Freitag endlich, am 15. März 1493, traf er wohlbehalten in Palos ein. — Jns All-um der Frau. Um die Einsamkeit ist’s eine schöne Sache-, wenn man mit sich selbst im Frieden lebt und ’was Bestimmte-Z zu thun haf. . Goethe lan Frau Von Stein). Mit Bitten herrscht die Frau, und mit Befehl der Mann: Die eine, wenn sie will, — der andre. wenn er kann. Joh. Ehr. Rost. y- si Eh’stand ist Weh’stand auch in der Kunst; D’rum sind Dilettanten glückliche Leute: Sie genießen der Musen Gunst Wie ein Stelldichein ewiger Brunte. Paul Heyse. Immer derselbe. Gast: »Was sehe ich, Herrn Kom merzienrathg Park schmückt auch ein Bismarckstandbild?!« « stomrnerzienrath: »Ja, ich wollte eben meinen eigenen Bigmarck haben.« Durchschnitt Herr: »Nun, haben Sie Jhr Exa men bestanden?« Student: »Bitte, bekümmern Sie sich um Jhre eigenen Sachen.« Herr: ,,Tl)ut mir äußerst leid, daß Sie solches Pech hatten.« Berechtigter Verdacht. »Der Meteorologe Krischel hat siir dieses Jahr einen harten Winter pro phezeit.« »Na, wenn den nur nicht sein Schwiegervater, der Kot)lengroßhänd ,ler Siller, dazu überredet l)at.« Heimgcschickt. Schweizer: »Und dann gönnd Sie acht, wenn Sie us St. Galle chömme, do git’s licht Priigel!« « Berlin-er: (spöttisch): »Sie sprechen wohl aus Ersahruna, was-EI« s Schweizer: »Jo frili -—« i ha au scho ustheilt!« Lenker Auftrag. Student (der sich mit einem Bekann ten in der Kneipe abgesprochen hat): »Mein Freund scheint ja schon betrun- . ten zu sein?« Kellnert »Ja, er hat lange aus Sie gewartet ich soll Sie grüßen!« Zweckloses Dasein. Lentnant: »Scheren Sie sich zum Kuckuck, Sie Geldsaet — Sie!« Gelt-verleihen »Na, na. was wären Sie. wenn Berthold Sol-wars nicht das Schießpulver erfunden hätte.«