Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 13, 1905, Sweiter Theil., Image 12

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    « l« Zwei Fahr-ten.
J Stizze von h. Ritter.
- Hi liegt ein Städtchen irn Gebirge,
»Aus site jeden, der es zum ersten Male
hi, eine Entdeckung, ein unvermu
Fries Schatzsinden bedeutet; wie ein
delstein liegt es tief unten in felsiger
Spalt, die in dem Hochlande des Ge
»Ist-ges klafft. Ueber grüne Weiden
und düstere Heiden kommt man heran
nnd steht plötzlich am Rande einer
gäbe-enden Thalschlucht, die ein Fluß
urchbrausi. Auf den schmalen Borten
en beidenSeiten des rauschenden Was
sers ist das Städtchen aufgebaut; an
-tlebt an die Felsen in dichten Stra
gnzeilen Altmodische, stattliche Pa
trizierhäuser mit Wetterfahnen und
Wasserspeiern ragen auf, und über
ihnen thronen auf schroffen Felskanten
düstere Burgtriimmer. Von der Hoch
edene herab ziehen von drei Seiten her
die» weißen Bänder der Landstraßen in
die Gassen, die in ihrer Lebendigkeit
mit dem Gewerbesleiß und bürgerli
eben Behagen in erstaunlichenr Gegen
satz stehen zu der Gebirgswildniß, die
man stundenlang durchwandert hat.
Auf der einen der Landstraßen ge
schahen die beiden Fahrten, damals, in
der guten alten Zeit, in der wir noch
jung waren . . .
Schnee deckt alle Berge ringsum. An
den Felswanden hängt er in glitzern
den Streifen und Fetzen, unterbrochen
von dunklem senkrecht abfallendem
Gestein und dem Mauerleisten der
Terrassen, auf denen die Fabrikanten
ihre Tnchstiicke ausspannen. Auf den
allen Häusern ruht er in dicken Kap
gm an den Rinnen und Wasserspeiern
r Dächer hängen mannslange Eis
zapfern Eis-Vorten haben die Fluth
des Gebirgsflnsses zu schmaler Rinne
eingeengt. Eine klare, kalte Lust liegt
iiber dem Thaltessel. Auf den Berg
kämnren fließt eine wunderbare Fär
bung in ihre trhstallene Helle, ein
blauvioletter Aquarellsarbenton auf
der einen Seite, ein glänzend goldgel
der Streifen, der die Silhouetten des
» Buschwerks und der Tannen durch
funkelt, auf der anderen Bergeshöhn
Dort über den goldumrandeten Käm
men stand bis vor wenigen Augen
blicken die Sonne. Zögernd sank sie
hinter die Berge, denn ein lustiges
Schauspiel im Thal fesselte die uralte,
immer heitere Weltenmutter.
Die Jugend des Städtchens fährt
Schlitten auf der Landstraße, auf der
wundervollen, sanft abfallendcn Bahn,
die es in solcher« Vollkommenheit nir
gendwo wiedergibt. Eine dunkle, eis
gegliittete Fährte läuft zwischen
Schneestreifen über die Mitte der
Landstraße Auf ihr jagen lange Ku
sen-Schlitten abwärts. Gleich schwar
zen Pünttchen erscheinen sie, einer hin
ter dem anderen, oben an der Bie
gung. Sie vergrößern sich in rasender
Geschwindigkeit Eine eng aneinander
geklammerte Gruppe kleiner Mensch
lein sitzt aus jedem. Man sieht einen
Augenblick ihre hintereinander gereih
ten winterrothen und vergnügten Ge
sichter-, ihre zum warnend-en Schrei
weit aufgerissenen Münder. Dann
sausen sie vorbei aus donnernden Ku
fen, bis dahin, wo ein Schlußsprung
auf's Straßenpflaster die Reise been
det. . Dort ergreift einer der Mann
schiaft die Zugleine des Fahrzeuges,
und so trabt man wieder aufwärts
neben der glatten Bahn her, inmitten
»eines Gewimmels eilfertiger Mensch
lein und Schlitten und eines vergnüg
ten Stimniengewirrs, das an den
kBetghängen widerhallt.
Auch Postillons Wilhelm stampst
soeben der Bahn zur Höhe der Straße.
«Et hat keinen Schlitten bei sich, aber
fahren will und wird er doch, kraft
seiner Autorität, die ihm, dem gefürch
WenSchläger und Straßenbengel des
szstiidtchenä einen Platz auf jedem
Mitten sichert. Ein vierschrötigeri
Les-l von etwa vierzehn Jahren ist er, !
sit breitem, rothen Gesicht und breit- E
Wem Munde. Eine aus einems
abgelegten Uniforrnrocke seines Vaters ;
schneiderte Jacke umspannt mühsam J
Eine Schultern und läßt Die rotheni
äufte in den rothen Armen lang aus »
den Aermeln heraushängen Postil- i
Tons Wilhelm lnufft sich trabend durch
das Gewühl der Kinder. Eine lachende
tmd fchreiendeGruppe, die er von ferne
an der Abfahrtsftelle erblickt und die
zweifellos ein sich prügelndes Knaben
paar umsieht läßt ihn für den Rest
des Weges seine Eile verdoppeln
Was ist los? schreit er schon von
weitem und schlenkert die geballten
Fäuste Man kennt seine Stimme,
Die die Gazelle das Brüllen desLöwen
W, Und man öffnet eilfertig den
Ring, Um dem Matador die Ursache
des Auflaufes zu zeigen. Enttäuscht,
entrüstet sieht der sich einem etwa JO
jährigen Madchen gegenüber-, einem
Mädchen angezogen wie eine Prinzes
In, unter der aus ichmalem Gesicht
wei schwarze Augen angstvoll auf
M
Was ift los? brüllt Wilhelm die
nden Jungen ringsum an. »Der
beiczeusreich ist da!« jubelt die
mäht Wilhelm ein Licht auf.
··dchen ist die Tochter des
Amtes-s der im Städtchen gaftiten
) Mtwppr. Er hat die Kleine
i ;«- . Sonntag bei dee Gent-sepa
« g in der Rolle des Schmet
bewnndert Sie hst heute
s ·-- « . wollen am Winters-ersau
»e« ist ihe ergangen wie dem bun
. Insel ferner Zeiten« wenn et
ist«-M- gesätt
z DieseBuben sind gemein und grau
;iam, sagt das Mädchen in fremdarti
genx aber unheimlich eorreltetn Hoch
Ideutsch und mit aufgeregier Schnellig
"leit. Sie reißen mir den Schlitten
Zaum und bewerfen mich mit Schnee
i allen.
’ Die Schaar der umsiehendenSchlin
Igel bricht in neues Gelächter aus. Zu
spaßhafi erscheint ihnen das Mädchen,
» dessen Haltung und Miene theatralisch
Abscheu und Zorn ausdrücken. Ein
Bengel wirft abermals eine Hand voll
Schnee nach der weißen Pelzmiiye,
trifft aber unglücklicherweife Postil
lons Wilhelm. Dieser säumt nicht, er
fällt über den Thäter her, wirft ihn
zu Boden, lugelt noch einige andere
Jungeniiber ihn hin und zwingt die
ganze Gesellschaft, eilig ihr Heil auf
den Schlitten zu suchen. Einem fein
gekleideten Fabrikanten-Sohn jedoch
entreißt er sein Fahrzeug mit der
Miene eines siegreichen Piraten. Ich
fahre jetzt einmal, du kannst warten,
bis ich zurückiomme, erklärt er kurz
und bündig.
Du bist sehr stark, sagt das Thea- j
ter-Prinzeßchen u. sieht bewundernd,
wie Wilhelm sich zur Abfahrt rüstet.
zGefchmeichelt wendet er sich um. War
j umdfährst du nicht? fragt er wohlwol« !
; len . ·
Jch verstehe es nicht und komme stets l
aus der Bahn mit dem kleinen Schlit
ten den mir unsere Witthin borgte. T
Er sieht das Ding verachtungsvoll
lau. Das ist nichts. Komm her, du s
kannst einmal mit mir fahren!
Sie läßt es sich nicht zweimal sagen
und nimmt eilig hinter Wilhelms
Rücken Platz. Bringe die Füße nicht !
von den Kuer aus den Boden und
halte dich fest an mir. kommandirt
dieser. H
Es geht los. Wilhelm dreht die
Schnur fest um die Faust, rückt mit
einigen energischen Bewegungen den
Schlitten inFahrt, lehnt sich nach hin
ten und steuert gewaltig mit den Bei
nen.Ansangs langsam gleitend, schießt
das F zeug bald mit verdoppelter
und de eifachter Schnelligkeit ab
wärts. Ein grauenvolless Entzücken
läßt das Herz der Kleinen stillstehen
an der gefährlichen Biegung der
Straße, wo dem ungeitbtenFahrer der
Abhang zum Fluß mit jähem Absturz
droht.- Aber Wilhelm legt sich zur
Seite, mächtig mit denBeinen rudernd
fährt er in elegantem Bogen um die;
Ecke. Schnee spritzt auf und blendet .
für einen Augenblick das Mädchen. !
Dann sieht es, scheu neben der Schul- j
ter des Burschen hervorlugend, wie sie i
auf die lange, grade Strecke gelangen,
bedeckt mitSchlitten, eingesaßt von der
Doppelreihe der Aufwärtsstrebendem
deren Figuren schattenhaft vorbeihu
schen Gewaltig brüllt der Führer, um
Bahn zu bekommen und einige lang
samc Schlitten seitwärts zu scheuchen. ·
Dann sind sie wie der Blitz zwischeni
den Zögernden. Sie fassen ein Fahr
zeug, das angefüllt ist mit den Peini
Jgern von vorhin, in der Flante und
stürzen es um, ein zweites schleudert
HWilhelms Fußtritt in den Straßen
graben. Genoseoa und Schmerzens
«reich! schallte das Hohngeschrei der
Berunalüctten ihnen nach.
Jetzt fahren wir erst recht zusam- J
men, sagt, unten angelangt, Wilhelm
grimmig zu seinerBegleiterin. und die
Frle bekommen Prügel. Willst du
noch? fragte er das schmächtige Mad
chen. Ob ich will! Dankbar schaut sie
auf dem großen Jungen. Der setzt
sie auf den Schlitten, nimmt die
Schnur und trabt neben der Bahn
aufwärts. Wo er den höhnischen Ruf
nochmals vernimmt, wirft er den
Strick zei Boden und liefert ein eili
ges, siegreiches Gesicht. Der rauhe
Bursche hat immer mehr Vergnügen
an seinem zierlichen Schützling Wie
das Mädchen lachen tann und plau
dernd, unaufhörlich zwitschernd mit
heller Stimme wie der Buchsint in den
Zweigen! Stets lustiger wie sie; ihre
Backen und Augen strahlen, unsägli
ches Vergnügen glänzt aus dem seinen
Gesichtchen. Auch der Fabrikanten
Sohn, der jetzt seinen Schlitten mit
benutzen darf, befreundet sich mit dem
seltsamen Persönchen. - Unzähligemal
jagen sie zu dritt die Bahn hinunter.
Das Theater - Prinzeßchen klatscht in
die Hände; es giebt nichts Herrlicheres
als solche Schlittenfahrt.
Erst als die rothen Lichter des
Städtchen aufleuchten und tausend
Sterne am dunklen Himmelsschilde
glänzen, fährt Wilhelm das fremde
Mädchen nach Hause. Ach, wir tönnen
nie wieder zusammensahren, klagt
Anita vor ihrer hausthün Morgen
reisen wir ab, ich muß immer weg,
toenn es Iön an einem Orte ist« Sie
weint fast, und Wilhelm schaut mit
einem seltsamen Gemisch von Rührung
und Berlegenheit aus das seine Ge
sichtchen. Warte, sagte das Mädchen,
ich schenke dir etwas zum Dante. Es
eilt hinaus und er wartet. Geduldig
teabt er auf und ab vor dem hause
und blickt nach dem erleuchteten OFen
ster des Oberstockes. Aber nita
kommt nicht zurück, und Wilhelm, der
sich chon mit dem Gedanken an einige
Ue el angenehm vertraut gemacht hat,
schliddert verdrießlich über die gefrore
nen Straßenrinnen heimwärts-—
Fünf hu« Jahre sind derga en. Es
ist IZeii sing im Gebirg sie n der
La . ahe, die um tädtchen hin
t, flammt Ginster a in den
der tinen sit sie-»Ein ee ld
·kjdte»leusb am ue
W. nacktensuegttgetiieedeiii
l d mit leichtem
It U lleknctriin gzernalt PFM
singen aufi ren gnpteru eein abl
brauner FU, steckt mit blühenden
Büschem Der Tannenwald aus der
anderen Seite der Stra e at helle
Kerzen ausgesetzt. Fin enge chnretter
schallt aus alln Büschen. Durch die
Frühlingsherrlichteit, vorbei an den
Ebereschen, die in ruhiger Feierlichkeit
mit mattgriinem Blattwert und wei
ßen Blüthendolden dastehen, rollt der
gelbe Postwagen. Lässig hinteniiber
gelehnt sitzt der Postillon aus dem
Bock, ein kräftiger Mann mit starkem
Schnurrbart im breiten Gesicht.
Plötzlich zieht er die Zii el an, man
bat ihm aus dem Wagen Her gellopst.
Der Wagen hält, und der Postillon
springt vom Bock, um sich nach den
Wünschen seiner Passagiere zu« erkun
digen, zweier Damen, einer älteren
und einer jungen, bitt-hübschen
Thue es nicht, Anita, bittet die öl
tere. Was sollen die Leute sagen,
wenn ihr Gast so einzieht.
Die junge lacht, ein übermüthiges,
silberhelles Lachen« und tritt aus der
geöffneten Wagenthiir. Was die Leute
denken, ist mir gleichgültig, sagt sie,
und ich möchte hier die Gegend besser
betrachten können. Wollen Sie mir
etwas Platz aus dem Bock gewähren,
fragt sie den Postillon.
Natürlich will er. Das Vergnügen
leuchtet ihm vom Gesicht, während er
der Fremden beim Ausstieg zum Bock
behiilslich ist. Dann rollen wieder die
Räder, tlirren die Ketten, tlappern
die Hufe. Mir träumerischen Augen
schaut die Fremde in die Frühlings
lxrrlichieit, in die tiefe Thalschlucht
neben der Straße. wo der Fluß
rauscht, hinüber zu den Höhen, an
deren Rand einige Kornselder in der
Berglust wogen, wobei ein dunkler
Schimmer, gleich leichtem Rauche über
ihre Aehrenhiiupter fliegt. Wie wun
derschön, flüstert sie leise vor sich hin.
Hier muß es gewesen sein« ruft sie
Plötzlich laut und lebhaft, als drunten
die Ruine und die ersten Häuser des
Städtchens auftauchen. Sagen Sie,
Postillon, fährt die Stadtjugend nicht
aus dieser Landstraße im Winter
Schlitten?
Doch, sagt er verwundert. Eine Ju
genderinnerung fährt ihm durch den
Kopf, eine Aehnlichkeit fällt ihm auf
Ueber das Gesicht der jungen Dame
fliegt ein sonniges Lächeln. Hier habe
auch ich einmal Schlitten gefahren,
sagt sie. Es war das erfte und ein
zigste Mal, daß ich derart fuhr, es
war aber herrlich.
Dann bin ich vielleicht mit Jhnen
gefahren, stottert der Postillon. Sie
sieht ihn starr an. Sie sind der Wil
helm von damals, jubelt sie. Solch ein
Wiedersehen, das ist ja ganz roman
haft. Wie glücklich bin ich, Sie wieder
zu sehen und Jhnen endlich zu danken
fiir die schöne Fahrt! Jch siihle noch
das Leid von damals, als mir die
Mutter, der späten Stunde wegen, vers
bot, zu Ihnen herunterzukommen.
Wissen Sie, daß allein unsreSchitten
partie mir die Erinnerung an Jhr
Städtchen lebendig erhielt, daß, als
die Herrschaften hier mich so sehr um
Mitwirkung bei ihrem Concerte baten
und ich den Ortsnamen nochmals
hörte, mich eine wirkliche Sehnsucht,
den Ort wieder zu sehen, packte.
So sprudeln die Worte aus ihrem
Munde, unterbrochen von silberhellem
Lachen. Von ihrem feinen Gesichte
leuchten Glück und Vergnügen, wie da
mals bei der Schlittenfahrt.
Sie kommen doch heute Abend zum
Konzert? fragt sie lebhaft.
Auf seinem breiten Gesicht kämpfen
das Glück, neben der berühmten Dame
zu sihem von der das Städtchen schon
tagelang gesprochen, sie zu kennen von
früher her, und der Ausdruck tödtlich
ster Verlegenheit. Das ist nur für die
feinen Leute, stammelt er schließlich.
Unsinn, sagt sie bestimmt, Sie win
men. Hier meine Karte geben Sie am
Eingang ab.
Er tritt dann auch einige Stunden
später in den hellerleuchteten Eos-zert
saal, eingezwangt in einen schwarzen
Feiertagsroch der ihm zu eng ist. Die
alte Dame empfängt ihn und führt ihn
zur ersten Stuhlreihe. Dort seht er sich
scheu auf den Erst-las Die herren
werfen aus den Postillon verwunderte
Blicke, die Damen flüstern lachend
kleine Bemerkungen au.
« Der städtische Chor singt, und dann
singt die berühmte Fremde· Stürmisch
wird sie begrüßt, als sie aus der Büh
ne erscheint, strahlend in reicher Tot-—
leite, eine Reihe blitzender Steine aus
dem weißen Hals. Der Postillon iu
belt nicht und spendet leinen Beifall,
er ist sozusagen erstarrt in Staunen.
Er versteht nicht ganz den Sinn der
Arien, die Anita singt, aber er hört
ihre silberhelle Stimme, die ihn, den
armen Teufel, in ein Märchenreich
trägt.
Das Publikum ist außer sich, es iu
belt Beifall mit der stürmischen Be
geisterung, die dazu Hause ist, wo
dem Gebildeten selten künstlerischer
Genuß zu Theil wird. Die Sängerin
begeistert sich an ihren Zuhörern und
an dem andächtigen Gesicht ihres
Schützlingö dort an der Ecke Sie
lächelt ihm zu, sie fühlt sich in einer
glücklichen Laune, sie findet, daß sie
niemals schöner gesungen. ·Lied um
Lied giebt sie zu, kleine, herzt-»Volks
weisen, duftia wie Blumen in Hag
und beide. Die Kindheit· ist in the
lebendig geworden. »die Zeit der glit
henden Phantasien und Hoffnungen,
die ihr, dein Kind der sahtenden Leute,
eigentlich recht wenig an rischem und
rohem geboten hat, die he aber heut
beestrahlt erscheint von dem Erinne
missan des einen schönen Kind
heit lage-.
Das Eonzert ist zu Ende. Wie aus
wohligem Zauberhann erissen erhe
ben sieh die Zuhöver.« te umringen
die Künstlerin, um noch ein Wort, ei
nen Blick von der Spenderin so vieler
Kunst und Poesie zu erhaschen. Die
Herren umdrängen die ’geseierte Da
me, alle begehren sie die Ehre, diese u
ihrem Gasthof zu geleiten, wo ein Fes
mahl ihrer harrt. Postillons Wilhelm
ist es zu Muthe, als ei er aus einem
unsagbar herrlichen Himmel aus die
Alltagserde zurückgefallen. Langsam
und unbemerkt will er aus dem Saal
schleichen, aber Aniia winkt ihm, zu
bleiben. Sie eilt aus ihn zu und
schiebt ihre Hand unter seinen Arm.
Meine Herren, sagt sie überniithig,
ich muß siir Jhre Ritterdienste danken.
Jch habe hier einen Beschützer. einen
alten Freund uon früher her, dem Sie
meineAnwesenheit hier überhaupt ver
danken. Er darf ältere Rechte geltend
machen und wird mich nach Hause ge
leiten.
Wie er sich benommen hat in jenem
großen Augenblick, wie er, der Postil-.
lon, die berühmte Sängerin iiber die
Straße geleitet hat, das ist Wilhelm
niemals ganz tlar gewesen. Er war
wie berauscht von Glück, Schönheit
und Stolz. Als ein Märchen würde er
später manchmal sein Erlebniß he
trachtet haben, hätte nicht daheim im
Schubsach ein Ring mit lostbarem
Stein gelegen, den ihm beim Abschied
die Sängerin geschenkt.
Wilhelm ist heute ein alter, grauer
Junggeselle. Er fährt noch den Post
wagen, den letzten, der noch in das
Städtchen rollt, ein Fahrzeug, das sel
ten benutzt wird. Das Städtchen ist
todt und traurig geworden.. Der stöh
liche« Strom des Verkehrs ist aus sei
nen Gassen geschwunden, öde stehen
die Patrizierhäuser, stumm sind die
Spinnereien, die muntern Herren und
Damen sind verschwunden, verzogen
die reichen, lehenssrohen Familien.
Abgeschabt, langweilig todt erscheint
die Welt, wenn man heute durch das
Städtlein wandert; sie ist gar nicht
zu vergleichen mit der schönen, roman
tischen Zeit, in der man jung war und
Erlebnisse hatte, die da glänzen im
Alltagsleben, wie der Ring in Wil
helms Schuhlade, wie die zwei Fabr
ten und das Conzert in den Erinne
rungen des alten Postillons.
Der "Thürklopfer.
Der Vorläufer der modernen Klin
gel, Glocke oder Schelle, mit der ge
meldet wird, daß draußen vor Haus
oder Wohnung sich Jemand befindet,
der Einlaß begehrt, war bekanntlich
einst der Thürtlopfer, der älteste Er
satz fiir das Antlopsen mit Finger,
Faust, Stock oder Waffe. Noch im
mer hat der alte Thürllopfer seine
Heimathstätte jetzt in England, und
man muß gestehen: mit einem gewis
sen Recht, insofern nämlich, als man
am Klopfen schon ungefähr erkennen
kann, wer etwa draußen steht. Besu
che pflegen kurz und energisch anzu
schlagen, Boten oder— Dienstboten klo
pfen in bescheidener Weise, während
man dem Poitboten sein Klopfen vor
schreiben tann. Befindet sich aber ein
Kranlet im Hause, so deutet dem Kom
menden der umwickelte Thürtlopser
dies schon an, um den Schall zu däm
pfen. Besonders Englands Haupt
stadt. das gewaltige London, besitzt ei
nen wahren Reichthum an nicht nur
schönen, sondern auch historisch-inter
essanten Thürtlopfern, unter denen
ohne Zweifel der hervorragendste und
fiir entfchwundene Zeiten charak
teristischste der Klopfer ist, welcher an
der nördlichen Pforte der Durham
Kathedrale sich befindet. König Al
fred der Große l871——901 erließ näm
lich die Verordnung, daß dort »Asyl
recht« sei, das heißt also: jeder Flücht
ling und Verfolgte dort Schutz und
Gastfreundschast 37 Tage Jana genie
ßen solle. Schon die bloße Berüh
rung dieses mertwiirdigsten aller histo
rischen Thürtlopfer war hinreichend,
um Jedem dieses unantastbare Asyl
während der gesetzten Frist zu gewäh
ren.
Wie erreiche ich ein hohe-, ge
sunde-v Alter-?
Ein Pariser Arzt ftellt in einem
französischen Blatte neun Punkte auf,
durch deren Befolgung ein Mensch
— Unglücksfälle abgesehen — ein
hohes, gesundes Alter erreichen könne.
Er sagt:
1. Atbme Tag und Nacht
frifche Luft ein
2. Mache dir jeden Tag Bewegung
im Freien, entweder durch Gehen oder
Arbeiten.
Z. Eß und trinke mäßig und ein
fach. Geniefze Wasser, Milch und Obst
und halte dich von altoholifchen Ge
tränken fern.
Mit
4. Stärke dich durch tägliche, kalteI
Abwafchungen und nimm einmal in
der Woche ein warmes Bad.
5. Truge weder zu schwere noch zu
leichte Kleidung.
S. Wohne in einem trockenen, geräu
migen haufe.
. Verrichte bestimmte, regelmäßige
Arbeit.
8. Nach der Arbeit suche deine Er
holung nicht in aufreizenden Zer
streuungen. Die Mußeftunden gehö
ren der amilie. Die Nacht ift zum
Schla en a.
s. redle dein Leben durch gute
Thatenl
. Ich ist
»Der Wetnhiiiwler Iaßerl int
viel zu verdienen.« sche
«Ja, er verdtinnt viell«
Die Blut-Rubinen
ErziiHlnng non Lin a G o u l d.
« , sie sind wunderschön, nicht
waPrs Und sie den iiberdies ihre
Ge chtchtei« sagte ts. Redefer.
»Die meisten Rubinen haben ihre
Geschichte,« sagte Willie Buttonboh
und blies seine Rauchringe durch die
Clematisstriiuche, die die Terrasse
umsäumtem »Man ist gerader schon
daran-gewöhnt.«
»Was uns nicht hindern soll, Mks.
Redesers Geschichte zu hören,« sagte
Mis. Oewton und nestelte ihre Bril
lantbrosche sest.
»Vor allem also,« begann Mrs.
Redefer, »miissen Sie wissen, dass -ich
Rubinen . . . . So, da steht mein Mann
schon wieder aus. Er geht immer
weg, wenn ich die Geschichte erzähle.«
,,Wahrscheinlich hat er sie zu ost
igchon gehört,« meinte Willie Button
oh. «
,,Wollen Sie ruhig sein, ja, sonst
zieh’ ich Sie, weis-, Gott, an den
Ohren.«
»Was mich sehr freuen wird,«j
meinte Willie. Aber es kam nicht da- E
zu. Sondern Mis. Redeser fuhr fort:
»Ich erhielt sie also von meinem
Onkel Jack, der, wie Sie wissen, Ge
neraltonsul in Kaltutta war. Er
selbst hatte sie vom Rajah von Singh
daleep sür einen großen Dienst erhal
ten« den er ihm einmal zur Zeit der
großen Jnsurrettion erwiesen. Jch
weiß nicht genau, was es war, aber ich
glaube, er hatte ihm damals das Le
ben gerettet. Kurz, was es auch war,
der Rasah schenkte ihm die Rubinen.«,
»Excellenz," sagte er, »ich gebe-i
Jhnen diese Rubinen, die, so kostbar
sie sind, doch den Dienst nicht aufwie
gen können, den Sie mir erwiesen·
Bis jetzt sind die Steine stets in unse
ter Familie geblieben. Sie sind ja
das lebendige Blut einer der Unserem
Das Blut, das aus der- Wunde der
schönen Zuleita, der Favoritgattin
meines Vorfahren Asoia, Königs von
Bebar, quoll. So will es wenigstens
die Legende.«
Und er erzählte ihm die Legende
ganz.
Eines Tages, als der König auf die
Tertasse feines Palastes trat, um dem
Gesange der Nachtigallen zu lauschen,
fiel er beinahe über den Leichnam der
schönen Zuleita hin, die kalt, starr
und todt im Silberlichte des Voll
monds lag. Ein juwelenbesetzter
Dolch stak bis zum Griff in ihrem
blühweiszen Busen.
Außer sich vor Schmerz fiel Afola
von der Geliebten Leiche auf die Kniee
und zog den tödtlichen Stahl aus
ihrer Wunde, wobei ein dünner Strahl
von Blut auf die Fliesen der Terrasse
niederfloß. Am nächsten Morgen
brachten die Sllaven des Palastes drei
Rubinen von seltener Pracht an die
Bettftatt des Monarchen. »O!« rief
dieser und drückte sie an die Lippen.
»Das ist das Herzblut meiner Gelieb
ten. Nie werde ich mich von ihnen
trennen, und wehe dem, der unrecht
miißig in ihren Besitz tommt.« »Seit
jener Zeit, Excellenz,« fuhr der Rajah
fort, »waren die Steine stets im Be
sitze meiner Familie. Sie bedürfen
keiner Betreuung und keiner Bewa
chung. Sie bewachen sich selbst. Ein-,
zwei-, dreimal wurden sie zwar ge
stohlen, aber sie kamen von selber im
mer zuriick und immer floß dabei.
Blut, da sie ,ja selber Blutgeborene
sind. Nur dur freien Willen dürfen
sie in Anderer ände übergehen. Jch
bin der letzte meines Geschlechtes. Jch
gebe sie Jhnen.«
Mein Onkel nahm das herrliche
Geschenk und —— taas daran war der
Raljah bei feinen Vorfahren versam-»
me t.
.,,1lm Gottes- willen,« sagte Mrs.
Hewton, Jetzt gruselt’5 einem ja,
wenn man sie ansieht«
»Aber ’ne hübsche Geschichte, um
Kinder zum Schlasen zu bringen,«
sagte Willie und begann laut zu gäh
nen.
»Sie sind unausstehlich,« verwies
ihn Mrs. Hewton. »Wenn Sie schon
an gar nichts mehr glauben, lassen
sSie uns doch wenigstens die Freude, s
l sich ein bischen zu sürchten.« s
» »Na. und wie ist’s mit dem Selbst- t
Vernacon fragte Willie. »Sie wer- s
den doch nicht glauben, Mrs. Redeser, l
daß wir den Unsinn auch schlucken
werden-"
Warten Sie, bis ich fertig bin,
dann können Sie selber urtheilen.«
»Teusel, ist die Geschichte nicht aus?
Na, meinetwegen.« Und er lehnte sich
in seinen Sessel zurück, als habe er sich
mit Opfermuth dreingesunden, alles
über sich ergehen zu lassen." ·
»Sie können sich denken,« fuhr
Mrs. Redeser fort, »daß ich selber der
Geschichte keinen Glauben oder doch
zumindest leine Bedeutung zumaß,
und ich that meine Rubinen ebenso
wie meinen übrigen Schmuck stets in
die Kassette. Eines Nachts aber war ich
todtmiide vom Ball heimgelehrt und
le te meinen ganzen Schmuck nur
säuell aus den Toilettentisch. Es
hatte ja morgen noch Zeit, ihn weg
Mschließem Als ich aber am nächsten
argen erwachte, waren die Rubinen
fort.
»Natürlich. Die Katze oder ....«
sagte Willie.
»Wer es war, wissen wir nicht« Ge
nug, re waren gestohlen. Ein Jahr
daran kamen wirnach Eure a. Es
war im bre der Pariser liqui
siellunY urz vor der Erbssnuns der
selben, nnd« dori in Paris bezogen wir
ein Metement anfder klare d'Ma.
Von meinen Fenstern ans konnte ich
auf die Ave-me de Trocadero hinun
tersehen. nnd das Beoba ien all’ der
vielen Vertreter fremder sllerfchafi
ten, die sich da z sammenfanden, in
teressirte mich leb ft. Eines Tages
zog eine kleine indifche Karat-inne an
unserer Wohnung vorüber, den Aus
ftellungögriinden zu. Plöglich ent
stand ein Tumult, ein wilder Schrei,
und ich stürzte fort, ohne mich zu de
sinnen, einem inneren Impulse fol
gend, auf die Straße.
Eine der Jndierinnen war unter
die Räder des Wagens gekommen.
Aus einer schweren Kopftvunde blu
tend, lag sie beiinnungslos da. Ich
ließ sie sofort in meine Wohnung ira
gen, wo ihr das Blut von der Stirn
gewaschen und sie gelabt und verbun
den wurde. , -,
Abends wachte die Arme ans ihrer
Bewußtlosigleit auf. Sie fah sich
gankerftaunt um, winkte mir dann
wie in« Dankbarkeit zu und murxnelte
einige Worte in ihrer Sprache, die ich
nicht verstand. Dann suchte sie« m
ihrem Brusthemd herum und drückte
mir ein kleines schmieriges Päckcheln
in die Hand. ,,P’vous, p’vors«s,« flu
sterie sie, dann lächelte sie nochmals,
sank zurück nnd war todt.
Einige Tage später fiel mir das
kleine Päcichen wieder in die Hand.
Ich schnitt die Schnur auf, öffnete
das Päckchen und vor mir lag —- einer
meiner Rubinen.«
»Oh, oh, oh, Mrs. Nedefer, nnd
das sollen wir glauben!« rief Willte.
»Wie Sie wollen. Wahr ist es aber
trotzdem."
Und ohne sich weiter beirren zu las
sen, fuhr Mrs. Redeser fort:
i »Im Herbst kamen wir wieder nach
.London. Wie immer wohnten wir
’am Hyde-Part Cornet, von wo aus
ich nur einen Sprung zu Lady Senkt
? ton habe, zu der ich zu jeder beliebigen
Stunde gehen und sie mit meinem Be
such überraschen kann. Sie war da
mals gerade auch in London und te
lephonirte mir eines Abends, ich solle
doch aus ein Plauderstiindchen zu ihr
- hinüber kommen, da sie fiir den Abend
absolut gar nichts vor habe. Natür
lich ging ich, und wir unterhielten uns
so gut, daß die Stunden nur so der
»flogen. Endlich sah ich auf die Uhr
und war nicht wenig erschreckt, als ich
s sah, das es schon nahe an Mitternacht
»war. « ch brach sofort auf und lehnte,
.wie wir Ameritanerinnen das ja ge
Iwöhnt sind, jede Begleitung durch
seinen Diener ab. Als sich das Haus
;thor hinter mir schloß, sah ich, daß
»sich ein leichter Nebel herabgesenkt
Thatte, der jedoch bei jedem Schritt, den
s ich that, dichter und dichter zu werden
»schien·
I Am liebsten wäre ich zurückgegan
» gen, aber ich fand mich nicht mehr zu
recht. Jch wußte nicht mehr, wo ich
Lwan und hopste einem schwachen
Lichtscheine zu, der durch den Nebel
bleich, matt und glanzlos durchbra
; Jch gestehe es offen, ich hatte An ,
und plötzlich hielt ich meine Schritts
T und meinen Athem an.
J Wenige Schritte vor mir hörte its
ausgeregte, wifpernde Stimmen.
i »Hol’ sie der Tenfel,« sagte ein
Mann. »Wenn sie ihn nicht gutwillig
hergeben will, stos; ihr das Messer
zwischen die Rippen.« Darauf folgte
ein Schrei, ein Fall und dann wieder
das Wispern. «
»Hast du ihn?«
»Jawohl, da ist er.« Und dann:
,,Teufel, er tommt nun, mach’ fort."
Und ich hörte deutlich sich eilig entfer
nende, laufende Schritte.·
Mein Blut war mir wie in den
Adern erstarrt. trotzdem schlepp-te ich
mich. halbohnmächxig, vorwärts.
Plötzlich, dicht an der Laterne, ans die
ichblosgesteuert war, glitt ich über et
was Schlüpfriges aus« Jch errieth
was es war, und schauerte zusammen.
Blut war es, Blut. Das Blut, das
eben geflossen. Jm selben Augenblick
sah ich etwas Blutigrothes im un
sicheren Schein der Laterne auf dem
Boden vor mir blinken. Jnstinttiv
griff ich danach —- es war mein zwei
ter Rubin.«
Willie seuszte ties aus« Das war
ihm zu viel. Das hielt ein gesunder
Mensch ja nicht aus.
Mrs. Redeser aber erzählte ganz
ruhig weiter:
»Wir gingen zurück nach Paris.
Der Ausstellungstrukel hatte dort sei
nen Höhepunlt erreicht. Ich besuchte
einen Ball im Elysee. Den berühm
ten Ball, den der Präsident zu Ehren
des Schuh gab. Als ich in den herr
lichen Festsaal trat, ging ein Herr
hastig an niir vorüber, dein Misset
zimrner zu. Er stolperte über eine
Schleppe und suchte sich mit der Hand
an einer der Säulen zu halten. Jch
stand dicht in seiner Nähe und sah an
seiner Hand » meinen dritten Ru
bin. Seltsam, nicht wahr?«?
»Schrectlich!« sagte Willie, »und
was sür ein Unglück passirte dann
dem?«
,,J-hm war das schrecktichste Schick
sal von allen dreien vorbehalten. Er
hieß Redeser und wurde mein Mann.«
Erkannte Absicht.
Weltteisender (etzählend): »Ein
rnal machte ich in meiner tropischen
Behausung, geweckt durch etn wert
witrdtges Schnarchen, auf und sah zu
meiner nichtegelinden Ueberraschung
knapp vortiizieliiråemwtåege esilnen Tin
en; na r ' i b t r
Mie, bei mir Bettvorle r W wer
den« sofort erlannt und i r den Gar
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