Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 13, 1905, Sweiter Theil., Image 12
« l« Zwei Fahr-ten. J Stizze von h. Ritter. - Hi liegt ein Städtchen irn Gebirge, »Aus site jeden, der es zum ersten Male hi, eine Entdeckung, ein unvermu Fries Schatzsinden bedeutet; wie ein delstein liegt es tief unten in felsiger Spalt, die in dem Hochlande des Ge »Ist-ges klafft. Ueber grüne Weiden und düstere Heiden kommt man heran nnd steht plötzlich am Rande einer gäbe-enden Thalschlucht, die ein Fluß urchbrausi. Auf den schmalen Borten en beidenSeiten des rauschenden Was sers ist das Städtchen aufgebaut; an -tlebt an die Felsen in dichten Stra gnzeilen Altmodische, stattliche Pa trizierhäuser mit Wetterfahnen und Wasserspeiern ragen auf, und über ihnen thronen auf schroffen Felskanten düstere Burgtriimmer. Von der Hoch edene herab ziehen von drei Seiten her die» weißen Bänder der Landstraßen in die Gassen, die in ihrer Lebendigkeit mit dem Gewerbesleiß und bürgerli eben Behagen in erstaunlichenr Gegen satz stehen zu der Gebirgswildniß, die man stundenlang durchwandert hat. Auf der einen der Landstraßen ge schahen die beiden Fahrten, damals, in der guten alten Zeit, in der wir noch jung waren . . . Schnee deckt alle Berge ringsum. An den Felswanden hängt er in glitzern den Streifen und Fetzen, unterbrochen von dunklem senkrecht abfallendem Gestein und dem Mauerleisten der Terrassen, auf denen die Fabrikanten ihre Tnchstiicke ausspannen. Auf den allen Häusern ruht er in dicken Kap gm an den Rinnen und Wasserspeiern r Dächer hängen mannslange Eis zapfern Eis-Vorten haben die Fluth des Gebirgsflnsses zu schmaler Rinne eingeengt. Eine klare, kalte Lust liegt iiber dem Thaltessel. Auf den Berg kämnren fließt eine wunderbare Fär bung in ihre trhstallene Helle, ein blauvioletter Aquarellsarbenton auf der einen Seite, ein glänzend goldgel der Streifen, der die Silhouetten des » Buschwerks und der Tannen durch funkelt, auf der anderen Bergeshöhn Dort über den goldumrandeten Käm men stand bis vor wenigen Augen blicken die Sonne. Zögernd sank sie hinter die Berge, denn ein lustiges Schauspiel im Thal fesselte die uralte, immer heitere Weltenmutter. Die Jugend des Städtchens fährt Schlitten auf der Landstraße, auf der wundervollen, sanft abfallendcn Bahn, die es in solcher« Vollkommenheit nir gendwo wiedergibt. Eine dunkle, eis gegliittete Fährte läuft zwischen Schneestreifen über die Mitte der Landstraße Auf ihr jagen lange Ku sen-Schlitten abwärts. Gleich schwar zen Pünttchen erscheinen sie, einer hin ter dem anderen, oben an der Bie gung. Sie vergrößern sich in rasender Geschwindigkeit Eine eng aneinander geklammerte Gruppe kleiner Mensch lein sitzt aus jedem. Man sieht einen Augenblick ihre hintereinander gereih ten winterrothen und vergnügten Ge sichter-, ihre zum warnend-en Schrei weit aufgerissenen Münder. Dann sausen sie vorbei aus donnernden Ku fen, bis dahin, wo ein Schlußsprung auf's Straßenpflaster die Reise been det. . Dort ergreift einer der Mann schiaft die Zugleine des Fahrzeuges, und so trabt man wieder aufwärts neben der glatten Bahn her, inmitten »eines Gewimmels eilfertiger Mensch lein und Schlitten und eines vergnüg ten Stimniengewirrs, das an den kBetghängen widerhallt. Auch Postillons Wilhelm stampst soeben der Bahn zur Höhe der Straße. «Et hat keinen Schlitten bei sich, aber fahren will und wird er doch, kraft seiner Autorität, die ihm, dem gefürch WenSchläger und Straßenbengel des szstiidtchenä einen Platz auf jedem Mitten sichert. Ein vierschrötigeri Les-l von etwa vierzehn Jahren ist er, ! sit breitem, rothen Gesicht und breit- E Wem Munde. Eine aus einems abgelegten Uniforrnrocke seines Vaters ; schneiderte Jacke umspannt mühsam J Eine Schultern und läßt Die rotheni äufte in den rothen Armen lang aus » den Aermeln heraushängen Postil- i Tons Wilhelm lnufft sich trabend durch das Gewühl der Kinder. Eine lachende tmd fchreiendeGruppe, die er von ferne an der Abfahrtsftelle erblickt und die zweifellos ein sich prügelndes Knaben paar umsieht läßt ihn für den Rest des Weges seine Eile verdoppeln Was ist los? schreit er schon von weitem und schlenkert die geballten Fäuste Man kennt seine Stimme, Die die Gazelle das Brüllen desLöwen W, Und man öffnet eilfertig den Ring, Um dem Matador die Ursache des Auflaufes zu zeigen. Enttäuscht, entrüstet sieht der sich einem etwa JO jährigen Madchen gegenüber-, einem Mädchen angezogen wie eine Prinzes In, unter der aus ichmalem Gesicht wei schwarze Augen angstvoll auf M Was ift los? brüllt Wilhelm die nden Jungen ringsum an. »Der beiczeusreich ist da!« jubelt die mäht Wilhelm ein Licht auf. ··dchen ist die Tochter des Amtes-s der im Städtchen gaftiten ) Mtwppr. Er hat die Kleine i ;«- . Sonntag bei dee Gent-sepa « g in der Rolle des Schmet bewnndert Sie hst heute s ·-- « . wollen am Winters-ersau »e« ist ihe ergangen wie dem bun . Insel ferner Zeiten« wenn et ist«-M- gesätt z DieseBuben sind gemein und grau ;iam, sagt das Mädchen in fremdarti genx aber unheimlich eorreltetn Hoch Ideutsch und mit aufgeregier Schnellig "leit. Sie reißen mir den Schlitten Zaum und bewerfen mich mit Schnee i allen. ’ Die Schaar der umsiehendenSchlin Igel bricht in neues Gelächter aus. Zu spaßhafi erscheint ihnen das Mädchen, » dessen Haltung und Miene theatralisch Abscheu und Zorn ausdrücken. Ein Bengel wirft abermals eine Hand voll Schnee nach der weißen Pelzmiiye, trifft aber unglücklicherweife Postil lons Wilhelm. Dieser säumt nicht, er fällt über den Thäter her, wirft ihn zu Boden, lugelt noch einige andere Jungeniiber ihn hin und zwingt die ganze Gesellschaft, eilig ihr Heil auf den Schlitten zu suchen. Einem fein gekleideten Fabrikanten-Sohn jedoch entreißt er sein Fahrzeug mit der Miene eines siegreichen Piraten. Ich fahre jetzt einmal, du kannst warten, bis ich zurückiomme, erklärt er kurz und bündig. Du bist sehr stark, sagt das Thea- j ter-Prinzeßchen u. sieht bewundernd, wie Wilhelm sich zur Abfahrt rüstet. zGefchmeichelt wendet er sich um. War j umdfährst du nicht? fragt er wohlwol« ! ; len . · Jch verstehe es nicht und komme stets l aus der Bahn mit dem kleinen Schlit ten den mir unsere Witthin borgte. T Er sieht das Ding verachtungsvoll lau. Das ist nichts. Komm her, du s kannst einmal mit mir fahren! Sie läßt es sich nicht zweimal sagen und nimmt eilig hinter Wilhelms Rücken Platz. Bringe die Füße nicht ! von den Kuer aus den Boden und halte dich fest an mir. kommandirt dieser. H Es geht los. Wilhelm dreht die Schnur fest um die Faust, rückt mit einigen energischen Bewegungen den Schlitten inFahrt, lehnt sich nach hin ten und steuert gewaltig mit den Bei nen.Ansangs langsam gleitend, schießt das F zeug bald mit verdoppelter und de eifachter Schnelligkeit ab wärts. Ein grauenvolless Entzücken läßt das Herz der Kleinen stillstehen an der gefährlichen Biegung der Straße, wo dem ungeitbtenFahrer der Abhang zum Fluß mit jähem Absturz droht.- Aber Wilhelm legt sich zur Seite, mächtig mit denBeinen rudernd fährt er in elegantem Bogen um die; Ecke. Schnee spritzt auf und blendet . für einen Augenblick das Mädchen. ! Dann sieht es, scheu neben der Schul- j ter des Burschen hervorlugend, wie sie i auf die lange, grade Strecke gelangen, bedeckt mitSchlitten, eingesaßt von der Doppelreihe der Aufwärtsstrebendem deren Figuren schattenhaft vorbeihu schen Gewaltig brüllt der Führer, um Bahn zu bekommen und einige lang samc Schlitten seitwärts zu scheuchen. · Dann sind sie wie der Blitz zwischeni den Zögernden. Sie fassen ein Fahr zeug, das angefüllt ist mit den Peini Jgern von vorhin, in der Flante und stürzen es um, ein zweites schleudert HWilhelms Fußtritt in den Straßen graben. Genoseoa und Schmerzens «reich! schallte das Hohngeschrei der Berunalüctten ihnen nach. Jetzt fahren wir erst recht zusam- J men, sagt, unten angelangt, Wilhelm grimmig zu seinerBegleiterin. und die Frle bekommen Prügel. Willst du noch? fragte er das schmächtige Mad chen. Ob ich will! Dankbar schaut sie auf dem großen Jungen. Der setzt sie auf den Schlitten, nimmt die Schnur und trabt neben der Bahn aufwärts. Wo er den höhnischen Ruf nochmals vernimmt, wirft er den Strick zei Boden und liefert ein eili ges, siegreiches Gesicht. Der rauhe Bursche hat immer mehr Vergnügen an seinem zierlichen Schützling Wie das Mädchen lachen tann und plau dernd, unaufhörlich zwitschernd mit heller Stimme wie der Buchsint in den Zweigen! Stets lustiger wie sie; ihre Backen und Augen strahlen, unsägli ches Vergnügen glänzt aus dem seinen Gesichtchen. Auch der Fabrikanten Sohn, der jetzt seinen Schlitten mit benutzen darf, befreundet sich mit dem seltsamen Persönchen. - Unzähligemal jagen sie zu dritt die Bahn hinunter. Das Theater - Prinzeßchen klatscht in die Hände; es giebt nichts Herrlicheres als solche Schlittenfahrt. Erst als die rothen Lichter des Städtchen aufleuchten und tausend Sterne am dunklen Himmelsschilde glänzen, fährt Wilhelm das fremde Mädchen nach Hause. Ach, wir tönnen nie wieder zusammensahren, klagt Anita vor ihrer hausthün Morgen reisen wir ab, ich muß immer weg, toenn es Iön an einem Orte ist« Sie weint fast, und Wilhelm schaut mit einem seltsamen Gemisch von Rührung und Berlegenheit aus das seine Ge sichtchen. Warte, sagte das Mädchen, ich schenke dir etwas zum Dante. Es eilt hinaus und er wartet. Geduldig teabt er auf und ab vor dem hause und blickt nach dem erleuchteten OFen ster des Oberstockes. Aber nita kommt nicht zurück, und Wilhelm, der sich chon mit dem Gedanken an einige Ue el angenehm vertraut gemacht hat, schliddert verdrießlich über die gefrore nen Straßenrinnen heimwärts-— Fünf hu« Jahre sind derga en. Es ist IZeii sing im Gebirg sie n der La . ahe, die um tädtchen hin t, flammt Ginster a in den der tinen sit sie-»Ein ee ld ·kjdte»leusb am ue W. nacktensuegttgetiieedeiii l d mit leichtem It U lleknctriin gzernalt PFM singen aufi ren gnpteru eein abl brauner FU, steckt mit blühenden Büschem Der Tannenwald aus der anderen Seite der Stra e at helle Kerzen ausgesetzt. Fin enge chnretter schallt aus alln Büschen. Durch die Frühlingsherrlichteit, vorbei an den Ebereschen, die in ruhiger Feierlichkeit mit mattgriinem Blattwert und wei ßen Blüthendolden dastehen, rollt der gelbe Postwagen. Lässig hinteniiber gelehnt sitzt der Postillon aus dem Bock, ein kräftiger Mann mit starkem Schnurrbart im breiten Gesicht. Plötzlich zieht er die Zii el an, man bat ihm aus dem Wagen Her gellopst. Der Wagen hält, und der Postillon springt vom Bock, um sich nach den Wünschen seiner Passagiere zu« erkun digen, zweier Damen, einer älteren und einer jungen, bitt-hübschen Thue es nicht, Anita, bittet die öl tere. Was sollen die Leute sagen, wenn ihr Gast so einzieht. Die junge lacht, ein übermüthiges, silberhelles Lachen« und tritt aus der geöffneten Wagenthiir. Was die Leute denken, ist mir gleichgültig, sagt sie, und ich möchte hier die Gegend besser betrachten können. Wollen Sie mir etwas Platz aus dem Bock gewähren, fragt sie den Postillon. Natürlich will er. Das Vergnügen leuchtet ihm vom Gesicht, während er der Fremden beim Ausstieg zum Bock behiilslich ist. Dann rollen wieder die Räder, tlirren die Ketten, tlappern die Hufe. Mir träumerischen Augen schaut die Fremde in die Frühlings lxrrlichieit, in die tiefe Thalschlucht neben der Straße. wo der Fluß rauscht, hinüber zu den Höhen, an deren Rand einige Kornselder in der Berglust wogen, wobei ein dunkler Schimmer, gleich leichtem Rauche über ihre Aehrenhiiupter fliegt. Wie wun derschön, flüstert sie leise vor sich hin. Hier muß es gewesen sein« ruft sie Plötzlich laut und lebhaft, als drunten die Ruine und die ersten Häuser des Städtchens auftauchen. Sagen Sie, Postillon, fährt die Stadtjugend nicht aus dieser Landstraße im Winter Schlitten? Doch, sagt er verwundert. Eine Ju genderinnerung fährt ihm durch den Kopf, eine Aehnlichkeit fällt ihm auf Ueber das Gesicht der jungen Dame fliegt ein sonniges Lächeln. Hier habe auch ich einmal Schlitten gefahren, sagt sie. Es war das erfte und ein zigste Mal, daß ich derart fuhr, es war aber herrlich. Dann bin ich vielleicht mit Jhnen gefahren, stottert der Postillon. Sie sieht ihn starr an. Sie sind der Wil helm von damals, jubelt sie. Solch ein Wiedersehen, das ist ja ganz roman haft. Wie glücklich bin ich, Sie wieder zu sehen und Jhnen endlich zu danken fiir die schöne Fahrt! Jch siihle noch das Leid von damals, als mir die Mutter, der späten Stunde wegen, vers bot, zu Ihnen herunterzukommen. Wissen Sie, daß allein unsreSchitten partie mir die Erinnerung an Jhr Städtchen lebendig erhielt, daß, als die Herrschaften hier mich so sehr um Mitwirkung bei ihrem Concerte baten und ich den Ortsnamen nochmals hörte, mich eine wirkliche Sehnsucht, den Ort wieder zu sehen, packte. So sprudeln die Worte aus ihrem Munde, unterbrochen von silberhellem Lachen. Von ihrem feinen Gesichte leuchten Glück und Vergnügen, wie da mals bei der Schlittenfahrt. Sie kommen doch heute Abend zum Konzert? fragt sie lebhaft. Auf seinem breiten Gesicht kämpfen das Glück, neben der berühmten Dame zu sihem von der das Städtchen schon tagelang gesprochen, sie zu kennen von früher her, und der Ausdruck tödtlich ster Verlegenheit. Das ist nur für die feinen Leute, stammelt er schließlich. Unsinn, sagt sie bestimmt, Sie win men. Hier meine Karte geben Sie am Eingang ab. Er tritt dann auch einige Stunden später in den hellerleuchteten Eos-zert saal, eingezwangt in einen schwarzen Feiertagsroch der ihm zu eng ist. Die alte Dame empfängt ihn und führt ihn zur ersten Stuhlreihe. Dort seht er sich scheu auf den Erst-las Die herren werfen aus den Postillon verwunderte Blicke, die Damen flüstern lachend kleine Bemerkungen au. « Der städtische Chor singt, und dann singt die berühmte Fremde· Stürmisch wird sie begrüßt, als sie aus der Büh ne erscheint, strahlend in reicher Tot-— leite, eine Reihe blitzender Steine aus dem weißen Hals. Der Postillon iu belt nicht und spendet leinen Beifall, er ist sozusagen erstarrt in Staunen. Er versteht nicht ganz den Sinn der Arien, die Anita singt, aber er hört ihre silberhelle Stimme, die ihn, den armen Teufel, in ein Märchenreich trägt. Das Publikum ist außer sich, es iu belt Beifall mit der stürmischen Be geisterung, die dazu Hause ist, wo dem Gebildeten selten künstlerischer Genuß zu Theil wird. Die Sängerin begeistert sich an ihren Zuhörern und an dem andächtigen Gesicht ihres Schützlingö dort an der Ecke Sie lächelt ihm zu, sie fühlt sich in einer glücklichen Laune, sie findet, daß sie niemals schöner gesungen. ·Lied um Lied giebt sie zu, kleine, herzt-»Volks weisen, duftia wie Blumen in Hag und beide. Die Kindheit· ist in the lebendig geworden. »die Zeit der glit henden Phantasien und Hoffnungen, die ihr, dein Kind der sahtenden Leute, eigentlich recht wenig an rischem und rohem geboten hat, die he aber heut beestrahlt erscheint von dem Erinne missan des einen schönen Kind heit lage-. Das Eonzert ist zu Ende. Wie aus wohligem Zauberhann erissen erhe ben sieh die Zuhöver.« te umringen die Künstlerin, um noch ein Wort, ei nen Blick von der Spenderin so vieler Kunst und Poesie zu erhaschen. Die Herren umdrängen die ’geseierte Da me, alle begehren sie die Ehre, diese u ihrem Gasthof zu geleiten, wo ein Fes mahl ihrer harrt. Postillons Wilhelm ist es zu Muthe, als ei er aus einem unsagbar herrlichen Himmel aus die Alltagserde zurückgefallen. Langsam und unbemerkt will er aus dem Saal schleichen, aber Aniia winkt ihm, zu bleiben. Sie eilt aus ihn zu und schiebt ihre Hand unter seinen Arm. Meine Herren, sagt sie überniithig, ich muß siir Jhre Ritterdienste danken. Jch habe hier einen Beschützer. einen alten Freund uon früher her, dem Sie meineAnwesenheit hier überhaupt ver danken. Er darf ältere Rechte geltend machen und wird mich nach Hause ge leiten. Wie er sich benommen hat in jenem großen Augenblick, wie er, der Postil-. lon, die berühmte Sängerin iiber die Straße geleitet hat, das ist Wilhelm niemals ganz tlar gewesen. Er war wie berauscht von Glück, Schönheit und Stolz. Als ein Märchen würde er später manchmal sein Erlebniß he trachtet haben, hätte nicht daheim im Schubsach ein Ring mit lostbarem Stein gelegen, den ihm beim Abschied die Sängerin geschenkt. Wilhelm ist heute ein alter, grauer Junggeselle. Er fährt noch den Post wagen, den letzten, der noch in das Städtchen rollt, ein Fahrzeug, das sel ten benutzt wird. Das Städtchen ist todt und traurig geworden.. Der stöh liche« Strom des Verkehrs ist aus sei nen Gassen geschwunden, öde stehen die Patrizierhäuser, stumm sind die Spinnereien, die muntern Herren und Damen sind verschwunden, verzogen die reichen, lehenssrohen Familien. Abgeschabt, langweilig todt erscheint die Welt, wenn man heute durch das Städtlein wandert; sie ist gar nicht zu vergleichen mit der schönen, roman tischen Zeit, in der man jung war und Erlebnisse hatte, die da glänzen im Alltagsleben, wie der Ring in Wil helms Schuhlade, wie die zwei Fabr ten und das Conzert in den Erinne rungen des alten Postillons. Der "Thürklopfer. Der Vorläufer der modernen Klin gel, Glocke oder Schelle, mit der ge meldet wird, daß draußen vor Haus oder Wohnung sich Jemand befindet, der Einlaß begehrt, war bekanntlich einst der Thürtlopfer, der älteste Er satz fiir das Antlopsen mit Finger, Faust, Stock oder Waffe. Noch im mer hat der alte Thürllopfer seine Heimathstätte jetzt in England, und man muß gestehen: mit einem gewis sen Recht, insofern nämlich, als man am Klopfen schon ungefähr erkennen kann, wer etwa draußen steht. Besu che pflegen kurz und energisch anzu schlagen, Boten oder— Dienstboten klo pfen in bescheidener Weise, während man dem Poitboten sein Klopfen vor schreiben tann. Befindet sich aber ein Kranlet im Hause, so deutet dem Kom menden der umwickelte Thürtlopser dies schon an, um den Schall zu däm pfen. Besonders Englands Haupt stadt. das gewaltige London, besitzt ei nen wahren Reichthum an nicht nur schönen, sondern auch historisch-inter essanten Thürtlopfern, unter denen ohne Zweifel der hervorragendste und fiir entfchwundene Zeiten charak teristischste der Klopfer ist, welcher an der nördlichen Pforte der Durham Kathedrale sich befindet. König Al fred der Große l871——901 erließ näm lich die Verordnung, daß dort »Asyl recht« sei, das heißt also: jeder Flücht ling und Verfolgte dort Schutz und Gastfreundschast 37 Tage Jana genie ßen solle. Schon die bloße Berüh rung dieses mertwiirdigsten aller histo rischen Thürtlopfer war hinreichend, um Jedem dieses unantastbare Asyl während der gesetzten Frist zu gewäh ren. Wie erreiche ich ein hohe-, ge sunde-v Alter-? Ein Pariser Arzt ftellt in einem französischen Blatte neun Punkte auf, durch deren Befolgung ein Mensch — Unglücksfälle abgesehen — ein hohes, gesundes Alter erreichen könne. Er sagt: 1. Atbme Tag und Nacht frifche Luft ein 2. Mache dir jeden Tag Bewegung im Freien, entweder durch Gehen oder Arbeiten. Z. Eß und trinke mäßig und ein fach. Geniefze Wasser, Milch und Obst und halte dich von altoholifchen Ge tränken fern. Mit 4. Stärke dich durch tägliche, kalteI Abwafchungen und nimm einmal in der Woche ein warmes Bad. 5. Truge weder zu schwere noch zu leichte Kleidung. S. Wohne in einem trockenen, geräu migen haufe. . Verrichte bestimmte, regelmäßige Arbeit. 8. Nach der Arbeit suche deine Er holung nicht in aufreizenden Zer streuungen. Die Mußeftunden gehö ren der amilie. Die Nacht ift zum Schla en a. s. redle dein Leben durch gute Thatenl . Ich ist »Der Wetnhiiiwler Iaßerl int viel zu verdienen.« sche «Ja, er verdtinnt viell« Die Blut-Rubinen ErziiHlnng non Lin a G o u l d. « , sie sind wunderschön, nicht waPrs Und sie den iiberdies ihre Ge chtchtei« sagte ts. Redefer. »Die meisten Rubinen haben ihre Geschichte,« sagte Willie Buttonboh und blies seine Rauchringe durch die Clematisstriiuche, die die Terrasse umsäumtem »Man ist gerader schon daran-gewöhnt.« »Was uns nicht hindern soll, Mks. Redesers Geschichte zu hören,« sagte Mis. Oewton und nestelte ihre Bril lantbrosche sest. »Vor allem also,« begann Mrs. Redefer, »miissen Sie wissen, dass -ich Rubinen . . . . So, da steht mein Mann schon wieder aus. Er geht immer weg, wenn ich die Geschichte erzähle.« ,,Wahrscheinlich hat er sie zu ost igchon gehört,« meinte Willie Button oh. « ,,Wollen Sie ruhig sein, ja, sonst zieh’ ich Sie, weis-, Gott, an den Ohren.« »Was mich sehr freuen wird,«j meinte Willie. Aber es kam nicht da- E zu. Sondern Mis. Redeser fuhr fort: »Ich erhielt sie also von meinem Onkel Jack, der, wie Sie wissen, Ge neraltonsul in Kaltutta war. Er selbst hatte sie vom Rajah von Singh daleep sür einen großen Dienst erhal ten« den er ihm einmal zur Zeit der großen Jnsurrettion erwiesen. Jch weiß nicht genau, was es war, aber ich glaube, er hatte ihm damals das Le ben gerettet. Kurz, was es auch war, der Rasah schenkte ihm die Rubinen.«, »Excellenz," sagte er, »ich gebe-i Jhnen diese Rubinen, die, so kostbar sie sind, doch den Dienst nicht aufwie gen können, den Sie mir erwiesen· Bis jetzt sind die Steine stets in unse ter Familie geblieben. Sie sind ja das lebendige Blut einer der Unserem Das Blut, das aus der- Wunde der schönen Zuleita, der Favoritgattin meines Vorfahren Asoia, Königs von Bebar, quoll. So will es wenigstens die Legende.« Und er erzählte ihm die Legende ganz. Eines Tages, als der König auf die Tertasse feines Palastes trat, um dem Gesange der Nachtigallen zu lauschen, fiel er beinahe über den Leichnam der schönen Zuleita hin, die kalt, starr und todt im Silberlichte des Voll monds lag. Ein juwelenbesetzter Dolch stak bis zum Griff in ihrem blühweiszen Busen. Außer sich vor Schmerz fiel Afola von der Geliebten Leiche auf die Kniee und zog den tödtlichen Stahl aus ihrer Wunde, wobei ein dünner Strahl von Blut auf die Fliesen der Terrasse niederfloß. Am nächsten Morgen brachten die Sllaven des Palastes drei Rubinen von seltener Pracht an die Bettftatt des Monarchen. »O!« rief dieser und drückte sie an die Lippen. »Das ist das Herzblut meiner Gelieb ten. Nie werde ich mich von ihnen trennen, und wehe dem, der unrecht miißig in ihren Besitz tommt.« »Seit jener Zeit, Excellenz,« fuhr der Rajah fort, »waren die Steine stets im Be sitze meiner Familie. Sie bedürfen keiner Betreuung und keiner Bewa chung. Sie bewachen sich selbst. Ein-, zwei-, dreimal wurden sie zwar ge stohlen, aber sie kamen von selber im mer zuriick und immer floß dabei. Blut, da sie ,ja selber Blutgeborene sind. Nur dur freien Willen dürfen sie in Anderer ände übergehen. Jch bin der letzte meines Geschlechtes. Jch gebe sie Jhnen.« Mein Onkel nahm das herrliche Geschenk und —— taas daran war der Raljah bei feinen Vorfahren versam-» me t. .,,1lm Gottes- willen,« sagte Mrs. Hewton, Jetzt gruselt’5 einem ja, wenn man sie ansieht« »Aber ’ne hübsche Geschichte, um Kinder zum Schlasen zu bringen,« sagte Willie und begann laut zu gäh nen. »Sie sind unausstehlich,« verwies ihn Mrs. Hewton. »Wenn Sie schon an gar nichts mehr glauben, lassen sSie uns doch wenigstens die Freude, s l sich ein bischen zu sürchten.« s » »Na. und wie ist’s mit dem Selbst- t Vernacon fragte Willie. »Sie wer- s den doch nicht glauben, Mrs. Redeser, l daß wir den Unsinn auch schlucken werden-" Warten Sie, bis ich fertig bin, dann können Sie selber urtheilen.« »Teusel, ist die Geschichte nicht aus? Na, meinetwegen.« Und er lehnte sich in seinen Sessel zurück, als habe er sich mit Opfermuth dreingesunden, alles über sich ergehen zu lassen." · »Sie können sich denken,« fuhr Mrs. Redeser fort, »daß ich selber der Geschichte keinen Glauben oder doch zumindest leine Bedeutung zumaß, und ich that meine Rubinen ebenso wie meinen übrigen Schmuck stets in die Kassette. Eines Nachts aber war ich todtmiide vom Ball heimgelehrt und le te meinen ganzen Schmuck nur säuell aus den Toilettentisch. Es hatte ja morgen noch Zeit, ihn weg Mschließem Als ich aber am nächsten argen erwachte, waren die Rubinen fort. »Natürlich. Die Katze oder ....« sagte Willie. »Wer es war, wissen wir nicht« Ge nug, re waren gestohlen. Ein Jahr daran kamen wirnach Eure a. Es war im bre der Pariser liqui siellunY urz vor der Erbssnuns der selben, nnd« dori in Paris bezogen wir ein Metement anfder klare d'Ma. Von meinen Fenstern ans konnte ich auf die Ave-me de Trocadero hinun tersehen. nnd das Beoba ien all’ der vielen Vertreter fremder sllerfchafi ten, die sich da z sammenfanden, in teressirte mich leb ft. Eines Tages zog eine kleine indifche Karat-inne an unserer Wohnung vorüber, den Aus ftellungögriinden zu. Plöglich ent stand ein Tumult, ein wilder Schrei, und ich stürzte fort, ohne mich zu de sinnen, einem inneren Impulse fol gend, auf die Straße. Eine der Jndierinnen war unter die Räder des Wagens gekommen. Aus einer schweren Kopftvunde blu tend, lag sie beiinnungslos da. Ich ließ sie sofort in meine Wohnung ira gen, wo ihr das Blut von der Stirn gewaschen und sie gelabt und verbun den wurde. , -, Abends wachte die Arme ans ihrer Bewußtlosigleit auf. Sie fah sich gankerftaunt um, winkte mir dann wie in« Dankbarkeit zu und murxnelte einige Worte in ihrer Sprache, die ich nicht verstand. Dann suchte sie« m ihrem Brusthemd herum und drückte mir ein kleines schmieriges Päckcheln in die Hand. ,,P’vous, p’vors«s,« flu sterie sie, dann lächelte sie nochmals, sank zurück nnd war todt. Einige Tage später fiel mir das kleine Päcichen wieder in die Hand. Ich schnitt die Schnur auf, öffnete das Päckchen und vor mir lag —- einer meiner Rubinen.« »Oh, oh, oh, Mrs. Nedefer, nnd das sollen wir glauben!« rief Willte. »Wie Sie wollen. Wahr ist es aber trotzdem." Und ohne sich weiter beirren zu las sen, fuhr Mrs. Redeser fort: i »Im Herbst kamen wir wieder nach .London. Wie immer wohnten wir ’am Hyde-Part Cornet, von wo aus ich nur einen Sprung zu Lady Senkt ? ton habe, zu der ich zu jeder beliebigen Stunde gehen und sie mit meinem Be such überraschen kann. Sie war da mals gerade auch in London und te lephonirte mir eines Abends, ich solle doch aus ein Plauderstiindchen zu ihr - hinüber kommen, da sie fiir den Abend absolut gar nichts vor habe. Natür lich ging ich, und wir unterhielten uns so gut, daß die Stunden nur so der »flogen. Endlich sah ich auf die Uhr und war nicht wenig erschreckt, als ich s sah, das es schon nahe an Mitternacht »war. « ch brach sofort auf und lehnte, .wie wir Ameritanerinnen das ja ge Iwöhnt sind, jede Begleitung durch seinen Diener ab. Als sich das Haus ;thor hinter mir schloß, sah ich, daß »sich ein leichter Nebel herabgesenkt Thatte, der jedoch bei jedem Schritt, den s ich that, dichter und dichter zu werden »schien· I Am liebsten wäre ich zurückgegan » gen, aber ich fand mich nicht mehr zu recht. Jch wußte nicht mehr, wo ich Lwan und hopste einem schwachen Lichtscheine zu, der durch den Nebel bleich, matt und glanzlos durchbra ; Jch gestehe es offen, ich hatte An , und plötzlich hielt ich meine Schritts T und meinen Athem an. J Wenige Schritte vor mir hörte its ausgeregte, wifpernde Stimmen. i »Hol’ sie der Tenfel,« sagte ein Mann. »Wenn sie ihn nicht gutwillig hergeben will, stos; ihr das Messer zwischen die Rippen.« Darauf folgte ein Schrei, ein Fall und dann wieder das Wispern. « »Hast du ihn?« »Jawohl, da ist er.« Und dann: ,,Teufel, er tommt nun, mach’ fort." Und ich hörte deutlich sich eilig entfer nende, laufende Schritte.· Mein Blut war mir wie in den Adern erstarrt. trotzdem schlepp-te ich mich. halbohnmächxig, vorwärts. Plötzlich, dicht an der Laterne, ans die ichblosgesteuert war, glitt ich über et was Schlüpfriges aus« Jch errieth was es war, und schauerte zusammen. Blut war es, Blut. Das Blut, das eben geflossen. Jm selben Augenblick sah ich etwas Blutigrothes im un sicheren Schein der Laterne auf dem Boden vor mir blinken. Jnstinttiv griff ich danach —- es war mein zwei ter Rubin.« Willie seuszte ties aus« Das war ihm zu viel. Das hielt ein gesunder Mensch ja nicht aus. Mrs. Redeser aber erzählte ganz ruhig weiter: »Wir gingen zurück nach Paris. Der Ausstellungstrukel hatte dort sei nen Höhepunlt erreicht. Ich besuchte einen Ball im Elysee. Den berühm ten Ball, den der Präsident zu Ehren des Schuh gab. Als ich in den herr lichen Festsaal trat, ging ein Herr hastig an niir vorüber, dein Misset zimrner zu. Er stolperte über eine Schleppe und suchte sich mit der Hand an einer der Säulen zu halten. Jch stand dicht in seiner Nähe und sah an seiner Hand » meinen dritten Ru bin. Seltsam, nicht wahr?«? »Schrectlich!« sagte Willie, »und was sür ein Unglück passirte dann dem?« ,,J-hm war das schrecktichste Schick sal von allen dreien vorbehalten. Er hieß Redeser und wurde mein Mann.« Erkannte Absicht. Weltteisender (etzählend): »Ein rnal machte ich in meiner tropischen Behausung, geweckt durch etn wert witrdtges Schnarchen, auf und sah zu meiner nichtegelinden Ueberraschung knapp vortiizieliiråemwtåege esilnen Tin en; na r ' i b t r Mie, bei mir Bettvorle r W wer den« sofort erlannt und i r den Gar met gemacht« «