Merkenloses Gut. Roman von warte Bernhard. (14. Fortsetzung) »Da ist-da ist —« begann der ZU net endlich stockend, und es war, als fiele ihm jedes einzige Wort nur mühsam von den Lippen, ,,bei essen Rodes also —da im Haus ver rt ein Mädchen, eine gute Freundin von dieser Elly oder wie sie sonst heißt, und derentwegen ist es — derentwegen usw« ich; daß du sie zusammen ein laust —« — »Wie heißt das junge Mädchen?« fragte Kitty gespannt. «Hanna Piotrorosky.« ·Ach!« rief der Baumeister, sich vollends aufrichtend, »ist das die, die du an jenem Rode’schen Gesellschafts abend Melusine getauft hast?« «Scheußliches Klatschnest, das anze München!« Mit unwilligem achdruck stellte Prosestor Cotta das schillernde Gläschen aus das Bord brett zurück. »Getauft! Jst mir nicht eingefallen! Sie hat so aus-gesehen . . sie-iist—-die einzige gewesen, die nicht in solch geschmacklosem uniformirten Ge häuse gesteckt hat, sondern in einem in freien Falten fließenden Kleid — und das hab’ ich ausgesprochen, dum merweisel Wenn das gleich kolportirt wirdj Woher hast du denn das?« »Nu, friß mich nicht gleich auf, Wills« lachte Richard gemüthlich. »Der lleine Maxi Rode hat mir’s er zählt-der verehrt dich ja blindwii thig, dem ist jedes Wort hochwichtig, was dir vom Munde geht —'« »Der kleine Maxi ist ein altes Waschweih mitsammt seiner Vereh rungtWenn er den Schnabel zu nichts Besserem austhut —« »Ach, nun laßt doch den Maxi!« ries die junge Frau interessirt dazwi schen. »Das Mädchen ist ja tausend mal wichtiger! Jst sie denn schön?« »N:—nein! Das ist zu viel gesagt!« »Hu-sahe »Das ist zu wenig gesagt!« .»Gesiillt dir ihr Wesen besonders gut?« »Liebe Kitty, ich hah’ noch kein Wort mit ihr gesprochen —- ich tenne sie nicht! Eben dazu sollst du mir verhelfen! Zu diesen Rades gehen und mich von all dem dummen, gleich gültigen und neugierigen Gesindel be gafsen lassen, das mag ich nicht, das thu' ich nicht! Hier bei euch läßt sich das viel zwangloser einrichten!« »Ja, aber wie soll ich eg- anfangen, ein wildsremdes Mädchen, das wir noch nie gesehen haben, Richard und ich, zu uns ins Haus zu bitten? Jch kann nicht mal sagen, daß ich Elly Rade kenne — um wie viel weniger diese Freundin . . .« »Ach, einerlei! Das mach’ wie du willst-Was bleibt dir überlassen! Jhr Damen seid heillos sindig und geläu fig aus solche Geschichten, das weiß ich! « Dir wird schon etwas einsallen —--th« ein Wille ist, da ist auch ein s WFitth sah ihren Gemahl rathlos an. Dieser zwinterte ihr hinter Willsrieds Böcken vergnügt und psissig zu, als ob er sagen wollte: .«Merkst du etwas? So ganz zum Heirathstandidaten cheint mir mein Eber Bruder denn nicht verdorben zu sein . . . woher sonst mit einem Mal sein Verlangen, em junges Mädchen kennen zu lernen —er, der immer be auptet hat, junge Mädchen seien das adeste, Langwei lässt, was es auf ottes Welt gebe, r ihn existirten nur Frauen? ssitth verstand ihren Mann sehr gut, aber ihren Schwager verstand sie ganz W nicht. Jn heimlichem Schuld hemi tsein senkte sie die Wimpern-— ihr usspruch fiel ihr ein, daß sie die Mann siir Die Ehe ausgebe, und ein so grundsatzloser Mensch sür M fheiligte Jnsiitut auch viel zu schiech wäret Bielleicht aber dachte er an gar teine«Ehe-wollte nur slirten, sich amiisiren! Das mußte sie gleich er gründent »Ich muß vorerst wissen« —- sie stellte sich dicht vor den Schwager hin und feste eine sehr würdevolle Miene auf —»ob du überhaupt ernste Ab sichten hast!« »Ernste Ab ——— um Himmels willenl« Cotta wehrte mit beiden Händen ab. »Sieh doch nur nicht gleich so feierlich und standesamtlich drein, Kitty, als wenn du den Segen über mich und meine Zukünftige zu sprechen hättest! Noch is’s gar keine Zukünftige und wer weiß, ob es eine wird! Jch sagte dir ja schon: ich tenne das Mädchen überhaupt noch nicht, dazu Eli du mir erst verhelfen!« »D! wenn sie nun deinen Erwar tungen nicht entspricht, und du spielst nur mit ihr und bringst sie ins Ge eede——entschuldige, lieber Will, aber da u Zuschte ich mein Haus nicht her s n.« zsek redet denn davon? Brauch’ nicht so große Worte, sei nicht so amatisch. Kind! Jst ja nicht » daß H ter auf eurer Privat « « " e te abspielt . . .« -« »si! hat techti Du nimmst dk " - ;- u schwer, SchaderlP «- « zott- ein; j . er mußte Eis-zi , l - tot-it kamen die zwei Wien immer sieht aus einander, und es wurde aus der gan zen Sache, die wahrscheinlich nur ein schüchterner Ansatz war, nichts! »Wenn einem ein Mädel von Angesicht gefällt, und manmiicht’ es kennen lernen Es das verpflichtet doch noch zu nichts! An wen soll sich Will denn wenden, als an uns, wenn es gilt. ihn mit der jungen Dame zusammenzufiihren? Das kann alles ganz harmlos eingefü belt werden, so daß ihr keine Ahnung kommt, der Will wünsche sie sich näher anzuschauen! Wir lassen einfach bei uns tanzen, ich sag’ dem Maxi Rode gelegentlich, es mangelt uns an jun gen Mädchen, ob er uns seine Schwe ster nicht zuführen könnt’ —- man trifft einander zuvor im Cafe Quil pold oder im Ratbskeller gemüthlich, und besagte Freundin ist auch dabei . . . laß du mich nur machen! Das findet sich alles!« »Brav, alter Dick! Du bist mein Mann! Zeigst Verständniß für die Situation, sollft schön bedankt sein!« Der Bildhauer schlug dem Bruder zu s:immend auf die Schulter. »’s ist ja die ganze Geschichte noch Zukunfts musit, und ich besinn’ mich sicher noch zwanzigmal anders —- ’s ist auch gar nicht, weil mit dies Möbel so ganz besonders gefällt —« »Auch das nicht einmal?«' Kiith schlug die Hände zusammen. »Ja — was ist es denn sonst?« Willfried wurde der Antwort liber hoben, denn Resi, das Kindsmädchen, steckte den Kop zur Thiir herein und meldete in verz gtem Ton: »Ena« Frau. der Friedel ist gar so viel ungezogen! Die ganze Stub’n hat er beim Baden mit Wasser voll geplantscht — und jetzt niöcht’ er nicht ’naus aus der Wannen und folgt mir nimmer. Jch tann nichts richten mit ihm.« Wie ein Weil war Kitth zur Thür hinaus. Eine kleine Weile schwiegen die· Männer. »Hanna Piotrowsiy!« sagte endlich der Baumeisier halblaut vor sich hin. »Kenn’ ich gar nicht! Hab’ den Na men noch nie gehört vor jenem Melu sinen-Vergleich!« »Vielleicht Hanna Schmidt!« be tonte der Professor. »Noch schlimmer! Schmidt kann jeder heißen, was will Schmidt besa gen? Gar kein Name, bloß ein Laut! Warum aber hat sie denn die Wahl zwischen zwei Namen?" Der Künstler seufzte ungeduldig. »Das ist eine seltsame Geschichte, mit der ich mich in meinen Gedanken schon genug abgebe . . . soll ich sie dir auch noch haarklein erzählen? Jch möchte nicht gern, DickieL Du wirst das nicht übelnehmen; Mißtrauen ist’s nicht von mir, wir haben ja im mer alles redlich getheilt, wenn wir beisammen waren. Nenn’s Bequem lichkeit — Scheu, was du sonst willst! Zudem möcht’ ich gern, daß du den unbefangenen Eindruck empfängst — ich will wissen, ob du das wahrnimmst, was ich wahrgenommen hab’ . . . aber das versteht sich von selbst, ist eigent lich gar nit anders möglich! Du mußt nur, wenn du sie stehst, kein Staunen, keinen Schreck verrathen . . .« »Lieber Will, sie wird doch kein Medusenantlih haben!« »Nein — das hat sie nicht!« 12. AusHannasTagebuch Jch habe mich gefürchtet, in letzter Zeit in dies Buch zu schreiben — ja, gefürchtet! Ob ich auch ganz genau weiß, kein Mensch aus Gottes Welt bekommt C jemals zu sehen, und es ist alles nur für mich da . vor ntki selbst schäme und fürchte ich mich! So, als ob jemand eine schwere Krankheit hat, von der er weiß, sie hat ihn total verändert und hat nun Furcht, in den Spiegel zu sehen» ; Und wieder kommen Stunden, da bin ich glücklich, überglücklich, daß ich das fühlen und empfinden kann, da komme ich mir so reich vor—gleich darauf wieder bettelarm! Was das für wechselvolle Stimmungen in mir sind! Die habe ich früher nicht ge kannt — aber bin ich denn auch die selbe anna noch, die« ich sonst war? Au dem Ball bei Rodes fing es an! Gott, ich weiß es ja, ich habe nichts in meiner Erscheinung, in mei nem Wesen, was fremde Leute fesseln oder frappiren könnte, obgleich ich we der häßlich noch dumm bin —- und daß ich einem so berühmten Künstler-, der tausend Schönheiten gesehen und stu diert hat, irgendwie auffallen könnte, das kam mir schon nie in den Sinn! Aber nun hatte ich die neue, aparte Toilette, auf die ich so stolz war, und die hatte er denn auch richtig bemerkt und tte gesagt, ich sähe wie eine Melu ine aus. Wie mich das glücklich machte, wie ich mich beherrschen mußte, nichts von diesem Glück zu zeigen! Aber das war auch alles, blieb alles den ganzen Abend hindurch! Jch wurde i m vorgestellt, wie die anderen, er hat ch vor mir verneigt wie vor den« anderen. hat mich sehr scharf und grinst-d angesehen, wie das sicher berhaupt seine Art ist, und hat kein Wort mit «mir gesprochen. Es war gein kindisch von mir, daß ich da ran gerechnet hatte, aber ich war ent feglich enttiiufchtt Ich bin unter T ränen eingeschlafen, trotzdem ich eine fehr begehrte Tänzerin war und viel Beifall fand, nnd trotzdem er we der ein junger, noch ein schöner Mann ist, wie Elly ganz richtig sagte. Ich wurde gar nicht aus mir klug-, und ob diese Thränen aus verletzter Eitelkeit flossen... das wäre zu thöricht ge wesen, ich bin fo fehr auf meiner Hut davor! Dann folgte eine ganze Zeit,. in der nichts geschah, nichts wenigstens,was . auf W. C. Bezug hattet Jch gab meine iLeltionen nnd pflegte meine liebe, ! arme Mutti, die wieder einen fo bösen lslnfall hatte, mit Herzkriimpfen und Ohnmachtem Es ift geradezu schreck lich anzufehen -— helfen kann man nur wenig und möchte es doch fo fgerni Wodurch Mutti fich dieer be E fondeks schweren Anfall zugezogen ; hatte, das weiß ich nicht — Papa war ; ganz außer sich, unfer Hausarzt auch. fund meine liebe Kranke hat sich fehr flangsam erholt, es wollte gar nicht l werden! anwifchen habe ich Theater ;befucht, auch ein paar Gefellfchaften, ; Mutti wollte es durchaus haben; am ; liebften aber hab’ ich in meinem Stäb jchen gesessen und Kunstgefchichte und fArchäologie gelernt —- wirilich ge )lernt, so daß ich etwas davon profi ;tirte. Für mein Stundengeld hab’ ; ich mir gute Bücher getauft, und im s mer hatte ich das turiose Gefühl, wenn s ich so ganz allein für mich adsaß und lernte und las, daß ich W. C. auf diese Weise näher käme, ob leich er nichts l von mir wußte und wi en wollte, und obgleich ich ihn nie mehr sah. Elly konnte auch nichts von ihm sagen,.er ist nicht mehr zu Rodes ins Haus ge kommen, nurchätaxi hat ihn dann und wann gefpro , aber Elly erzählte mir nichts Näheres, und ich hütete mich wohl, sie zu fragen. Sie ist so fort mit anzüglichen Redensarten und mit Neckereien bei der Hand, und in diesem Fall könnte ich das gar nicht aushalten —ich glaube, ich schämte mich todt! Uebrigens ist Elly nachgerade für nichts anderes zu haben, als nur für ihren Oberleutnant. Halbwegs hat sie Onlel Arthur o. Meding herum betommen, aber in Ordnung ist die Sache noch immer nicht. Wie sie so entzückt von diesem Menschen sein kann — oder ist es seine Uniform, die sie so in Elstase versetzt? Mit solch einem Mann könnte ich getrost auf einer wüsten Insel zusammen sitzen-— ich würde ungerührt bleiben! Vor einigen Tagen war ich mit Rodes in der Oper, wir sahen »Die IZauberflöte«, es war wunderschön. Es war verabredet worden, daß wir dann noch in den »Vier Jahreszeiten« soupiren wollten, Rodeg sollten mich heimhringen, Maxi hate sich mitWonne dazu angeboten. Jch muß sagen, ich ging eigentlich ungern —- nicht die Oper meine ich, die liebe ich sehr . .· aber diese Zusammenliinfte mit Rodes sind nicht mein Geschmack. Elly ist bei solchen Gelegenheiten immer besonders laut und kotett, zumal wenn Herr v. Meding nicht dabei ist« Sie wünscht, aller Blicke auf sich zu ziehen —was sie spricht, ist für’s Publikum be stimmt, und Maxi mit seinen Freun den, die tehren dann auch so recht ab sichtlich ihre freieste, ungebundenste Manier heraus. Das alles nenne ich einfach schlechten Ton, und weil ich mich oft schon bei derartigen Soupers unbehaglich gefühlt hatte, so än stigte ich mich auch diesmal ein wenig vor, zumal es in der Oper so schön war, und die köstliche, thaufri che Musik mich in eine recht gehobene timmung versetzt hatte. hätte ich wissen tön nen. Jn den »Wer ahreszeiten«« war ein kleiner Salon be tellt worden, den wir schon des öfteren gehabt haben — und wie wir über die Schwelle treten, thut Maxi einen freudigen Ausruf und stürzt auf einen Herrn los, der beim Fenster steht — und mir eht der Schreck durch und durch, ich ab' ihn gleich auf der Stelle erkannt, obwohl ei mir fast den Rücken zutehrte. Natürlich große Freude allerseits und große Vorstellungscour — ich mitten darunter. Kaum wagte ich es, ihn anzusehen, weil ich dachte, er tönne meine Verwirrung vom Gesicht ab lesen; er hat ja einen Blick, der alles sieht! Wie er meinen Namen hörte. —-« sagte er nur: »Ich erinnere michs« s Aber wie er das sagte, und daß er es J überhaupt sagte, machte mich innerlich i ganz stolz und froh! Wer bin ich, wer ist Hanna Piotrowth, daß ein Mann, I ein Künstler, wie Willfried Cotta, sich ihrer erinnern sollte? Als wir uns an die gedeckte Tafel setzten, war mein Platz zu Anfang ziemlich weit von dem seinen entfernt, aber dann —- ich weiß wirklich nicht j zu sagen, wie es kam —- turzum, es gab einen kleinen Ausstand, und mit einem Mal saß ich neben ihm. Mir zitterten die Kniee, als ich das wahr " nahm; ich dachte immer nur zwei Ge danken. Der eine war: was ist das nur-was ist das nur in dir, daß du so namenlos aufgeregt bist? Der zweite: nimm dich mit aller Gewalt zusammen; damit er um Gottes willen nicht aznh wie dir zu Muthe iftl ch offe, letzteres ist mir einiger ma n lungeni" Durch meine liebe, lranie utti, in deren Gegenwart ich mich hundertmal zusammennehmen muß, better scheinen, wenn ich es nicht bin, reden müssen, wenn ich lieber sgweigen möchte —- durch sie also bin i an Selbstbeherrschung gewöhnt; an erdem schwatzten und lachten die an n, Elly an der Spiyh so viel und zogen ihn derartig in die Unter haltung hinein, daß mich niemand be achtete —er auch nicht! Bis er ßch ganz plötzlich, als gerade allgemeines Gelächter über einen neuen Witz aus der »Jugend« war, den Maxi sehr drollig vortrag, zu mir herumwendete, mir geradezu in die Augens ah und halblaut zu mir sagte: »Nun, mein Fräulein, woran denken Sie?« Und ich, ohne eine Setunde zu zö gern, antwortete ihm: »Ich denke an Jhr »Gewissen«!« Es war die Wahrheit, denn eben hate ich im Geist vor der Statue ge standen nnd mit den überwältigenden Eindruck vergegenwärtigt, den sie auf mich hervorbrachte. Jhn schien die Antwort aber sehr zu frappiren, er legte sie sich wohl anders aus, denn er stutzte und sah mich mit einem merkwürdigen Blick an — flam mend lann ich nur sagen, trotzdem ich den Ausspruch »flammende Augen« bisher nie leiden konnte, auch nie zus tressend fand—dann sagte er lang sam: »An mein Gewissen? Wie kom men Sie darauf? Achs o« —- sich rasch besinteiend —- ,,Sie meinen das Bild wert « »Natürlich! Was sollte ich sonst meinen?« gab ich etwas eingeschiichtert zurück. »Das hat Jhnen gut gefallen?« »Nein—das hat mich verfolgt und gequält und —- und —« ich wußte nicht zu schildern, wie es mich gepaelt hattet »Aber wie kann ein so junges Fräu lein wie Sie sich schon quälen lassen von einem plastischen Kunstwertt Jch möchte fragen: haben Sie überhaupt schon einGewissen?« »Schließt denn die Jugend Reue und Selbstquiilerei aus? Gerade wenn man jung ist, empfindet man lebhaf ter, heißer! Orest wird doch auch auf tsIerll Bühne als junger Mann darge te t —- « »Mit dem werden Sie sich hoffent lich nicht vergleichen wollen!« Es tam spöttisch heraus und war wohlverdient, wer hieß mich auch, eine so überschwengliche Parallele zwischen mir und einein Muttermörder ziehen? Jch fühlte, daß ich roth wurde, und dachte: sage nur vorläufig gar nichts —es" kommt doch nur wieder eine Dummheit zustande Auch wurde mir für’s erste keine Gelegenheit, weiterzusprechen, denn der Professor wurde von verschiedenen Seiten in Anspruch genommen. Maxi hatte mir erzählt, Cotta tönne sehr gewandt und beredt sein, wenn er wolle . .. und vorgestern Abend wollte er das entscheiden. Sie waren alle Feuer und Flamme fiir ihn, Ellhs Mutter sagte ganz laut, er sei ent zückend, und Elly, die mir gegeniiber saß, fliisterte ihrem Oberleutnant hinter ihrem Fächer so deutlich zu, daß ich jedes Wort verstand: »Jetzt versteh ich die verrückte polnische Gräfin und die vielen« anderen Frauen, die so topflog fiir ihn schwärmen, sehr gut Wenn der Mensch will, tann er die Herzen im Sturm nehmen!« Ganz erschrocken sah ich von der Seite zu ihm empor —- ionnte er das Geflüster auch gehört haben? Nein —er trant gerade Herrn Rodes Cou sine zu, einer· gescheiten älteren Dame, die links hinüber saß; aber ich fühlte, wie sich mein rz bei Ellys Worten wie in einem rampf zusammenzog. Mein Gott . .. hatte er denn mein Herz nicht auch schon im Sturm ge nommen und hatte noch gar nichts da zu gethan? Es dauerte nicht lange, da wandte er sich doch wieder zu mir. »So schweigsam, gnädiges Fräu leinf Sie sind böse auf mich, wie?« »Ach nein!« versetzte ich tleinlaut. »Ich weiß ganz gut, daß es eine Dummheit war, die ich zuvor aus iptoch.« « »Ga: keine Dummheit — nur eine starte Uebertreibungt Aber es ist das Recht der Jugend, die großen Worte als ihr spezielles Eigenthum in An spruch zu nehmen! Sind Sie immer so tehrlich gegen sich selbst wie eben e « »Ich möchte schon —- aber immer geht es nicht. Man redet sich oft un bewußt und gegen den eigenen Willen etwas vor, und hinterher —« »Ja, ja, tenne ich — kenne ich!. Au Aber ich warne Sie: nur nicht zu ; scharf vorgehen mit der Selbstbeobach tung und Selbstdiöziplinl Man ver tiimmert sich damit oft eine ganze Men ·e Freudent« rne anze Menge?« warf ich zweifelnd e n. »Gewiß! Haben Sie die nicht? Jch habet« »Ja — Sie! Sie sind ein großer Künstler, ein berühmter Mann! Pro duktiv fein —— schaffen aus dem Vollen heraus —- Ruhm und Anerkennung ernten —- frei und ungebunden fein —- lehen tönnen, wo und wie es Jhnen gefällt... das ift schon ein reiches Dafeinl Aber wer von uns Alltags ntenfchen hat dass Wer ohne ein be sonderes Talent ift ——« »Haben Sie keins? Gar leins?« forschte er. ! »O ja —sie hatt« Ellh mußte die ; letzten Worte gehört haben und mischte ;stch nun in die Unterhaltun . »Glau jhen Sie ihr nicht, Herr Professor! lMeine Freundin liebt es, ihr Li t , unter den Scheffel zu stellen! Sie zeig net fehr hübsch, hat ein großes n teresse für die Kunst, treibt ei rig Archäologie und hat ging ungewöhn liche Kenntniffe darin. ie tellt aber fo hohe Anforderun en an ich felbft, daß fee es verschmä t, Malftunden zu nehmen, i r Talent ausbilden zu leg sen, weil re doch nicht Böcklin glet - tommen kannt« Jch ärgerte mich im stillen, die an deren lachten, aber Cotta blieb ernst. »Wie steht es denn damit?« fragte er nach einer kleinen Weile. »Es ist etwas Wahres darunt« gab ich zu. »Natürlich nicht das mit Böck lini Aber ich fühle, ich würde nie etwas wirklich Ungewöhnliches errei chen — und bloß das Allergewöhn lichste, das sieisten schon Tausende. . . warum ich auch noch?« »Hm! Jch möchte wohl sehen, was Sie tönnenl Darf ichs« »Ach, um Gottes willenl« Jch war bis ins Herz hinein erschrocken. »Es kann Jhnen keinen Eindruck machen, und Sie halten sich dann aus Höflich teit frii verpflichtet, zu loben —« »Niemals!« Lebhaft verneinte er mit Hand und Stimme. ,,Wo meine Kunst ins Spiel kommt, versagt mir die Höflichkeit ———es sei, gegen wen es wolle! Wenn ich Jhnen feierlich ver spreche, ein ganz unbestechlicher Richter zu sein ——« (Fortsetzung solgt.) ——«-— Der Hügel mit dem Apfelbaum Die Erstiirmuna vder Putilow’schen Bergluppe in der Schlacht am Schaho wird, wie wir aus der St. Vetersbur Akt ZEIUUA ersehen. von einem Au genzeugen P. Krasinow im Ruiiki Jn valid wie iolat beschrieben: »Der Zügel mit dein einzelnen Apfelbaum fällt steil zum Schabo ab. Unterhalb des lehmigen Absturzes ist eine Furt. Das linke Ufer ist sandig, das rechte steil abfallend, beide sind mit niedrigem Weidengebiisch bestan den. Dem Hügel gerade gegenüber liegt in Gärten und Anlagen versteckt das Dorf Sachotun. Hier hatte sich bis ziim Abend eine Abtheilung des General Nowikow gehalten und hier versammelten sich die Nysloter, Wil mansirander und Petrowster zur Ent scheidungs-Attacke aus deii blutge träntten Hügel. Beim Einbruch der Nacht sollte General Piitilow mit dem 17., 18., 19. und 20. Regiment der 5. Ostsibirischen Schützendivisiom mit Theilen der 22. Jnsanterie-Division und 24 Bataillonen den Feind er drücken und den Hügel besessen. Die Nacht ist hereingebrochen. Wohl war es erst 7 Uhr Abends, aber das Licht des Halbmonds versilberte schon die Erde und zitterte auf den Kräusek wellen des stillen Flusses-. Da schrit ten die Schützen in langer dünner Kette zum Fluß. Boran gingen das 19. und 20. Schützen-Regiinent, ihnen folgten rechts die Nysloter, Wilman strander iind Petrowsler. Kaum waren sie in das durchsichtige Wäldchen eingetreten, da ertönte nicht verstummendes Geknatier, und die Menschen begannen hier und da zu fallen. Da setzt sich plöylich ein Schütze schwer zu Boden, zieht hastig einen Stiefel vom Fuß und beginnt die blu tigen Fußlappen abzuwicletn . . . »Sit, sssit, iii!" wer kann alle die Töne der sausenden Kugeln ausfangen und fest halten! Zweige fallen, von den Kugeln abgeschlagen, der Sandboden wird aufgewirbelt, Menschen stürzen . . . aber die anderen gehen immer vor wärts. Sie schleichen durch das nie drige Gebüsch. und der Mond glänzt aus den schwankenden Zweigen und aus den scharf blitzenden Bajonetten. Sie kriechen das steil absallende User hinunter und gehen ins Wasser; sie laufen, sich zu dunklen Massen verei nigend und wieder zerstreuend, auf das niedrige sandige Ufer. Hier kann man, an die steile Böschung des Ber ges geschmiegt, ein wenig ausruhen. Die Herzen llopsen und hämmern, daß einer die Herzschläge des anderen zu hören glaubt. Jmmer häufiger fallen Leute, aber man sieht nicht da rauf. Sie laufen weiter und weiter, entgegen dem eifrigen Getnatter der blind drauflos schießenden linten. Sie laufen zum Bajonettiamp ! »Aus die Batteriel Hur-rat« Das ist kein hurra. Das ist das wilde heisere Geschrei von Wesen, die aufgehört haben, Menschen zu sein. »Auf die Vatteriet —- Los!——- Halt! ——.hurra!'« schreien die Schützen. Vo ran ein junger Kapitiim Er ist am Fuß verwundet, aber er bemerkt es nicht, und läuft, von seinen Soldaten gefolgt, den Berg hinab. — Wie eine Schaar erschreckter Sper linge ist die Bedienung der japanischen Kanonen auseinander gesioben und nur der Offizier ist auf seinem Posten geblieben. Von mehreren Bajonnett stichen durchbohrt liegt er am Boden. Die Lawine der Schützen wälzt sich weiter; scharfe Salven folgen den ah ziehenden Japaner-n. « Rechts führt der Dherstleutnant des » Generalstabs Sapolsti in einer grauen hohen Papacha und ausgetniipftem »Paletot, das Georgstreuz auf der Brust, eine Rotte des Petrowstischen Regiments. Er ist der Chef des Sta bes dieses Regiments, aber er ist Georgsritter und die Kampfesluft hat s ihn gepackt. An der Spitze seiners Rotte stürzt er auf die andere Bat-l terie. l Jlintenschiisse, Salven, Schreien, Stöhnen, dumpfes Fallen und Ge trampel —- ein wildes, schweres Ge töse. Die Japaner fliehen und die Seit-jähen sehen ihnen immer weiter na . »Sieg!« a·gten sich diese gequälte-il hergen. ,, regi« wiederholten dies Verwundeten, an den niedrigen frem den Gebirg efchiihen und den Feld-l kanonen an hohen Rädern vorbei-I sehend. »Siegl« murmelten dieSter-«" tenden, ihren leiten Blick zum fters nentlaren himmel emporrichtend; und ihr Tod war still und ruhig. Sechs unlädirte Feldge chiitze, fürs« liefchiidigte GebirgssKanonen und ein Maschinengewehr waren nommen « Wie lange hat die Atta e gedauertf Einige Minuten oder Stunden? Wer ift verwundet, wer todt? Wer tann das sagen. Da weit hinter der Berg luppe richten sich die Helden ein und graben in lautlofer Stille Schanzen. unt sich auf der genommenen Position festzusetzen Die Flinten mit den blu tigen Bajonetten find friedlich zufam mengeftellt. Jch ritt beim Niedergang des Mon des über dies Gefilde des Todes. Die Sanitiitstruppen arbeiteten im Halb duntel und es ertönte Stöhnen und Flehen... Der Mond befchien alle möglichen Dinge, die am Boden herum lagen, und mein ängstliches Pferd fchnaufte und scheute. Das Schießen hatte noch nicht gänzlich aufgehört und zuweilen pfiff mir eine einzelne Kugel iiber den Kopf weg. Auf dem rechten Ufer des Flusses un Dorfe Schahotun bemerkte man schon Anzeichen, daß es ein ernster Kampf gewesen sei. Auf den koch gen Straßen des Dorfes lagen die stöhlernen Stücke japanischer Schran nells, mit denen der Feind das Dorf über-schüttet hatte. Hinter dem Dorfe lag ein todter Chinese, der untere Theil des Gesichts war ihm abgeris sen; schrecklich la er da mit dem scheinbar kleinen opf und den flet schenden Oberzähnen. Je weiter ich ritt, desto deutlicher gab sich das Schlachtfeld zu erkennen. Jm Wäld chen hinter dern Dorf und bei der Furt lagen Flinten, Patronentaschen, Stiefel umher; dort ein blutgeträntter Lappen, Hemden, in der Verzweiflung riom Leilie gerissen, noch dunkel vom frischen Blut, Unisormen... Das hohe sandige Ufer ist von vielenFüszen zertrampelt und der Absturz zum Wasser zeigt die Spuren der herab geglittenen Soldaten. Ueber-all Un ordnung;«iiberall Kampf. Das Ge büsch ist zu Boden gedrückt und der schläfrige Fluß wälzt seine unschuldi gen ruhigen Wogen, im Mondlicht glitzernd, zwischen Leichen hin. An einem Ufer muß ich absteigen. Zu Fuß ist es noch furchtbarer, den stillen Hügel hinabzusteigen Schon von weitem lentt ein unregelniiisziges dunkles Beet die Blicke auf sich. Es scheint als wenn der Mond mit be sonderer Aufmertsamteit sein mildes Licht darauf ausgiesze. Jch will nicht hinsehen — und starre darauf; ich will nicht weitergehen — und tlettere auf allen Vieren mit Mühe vorwärts Oben ist Gras und Kaijan durch den Kampf von Hunderten niedergetram drit. Wie schwer, wie grausig ist es hier! Jetzt schweift der Blick über die Blutlachen und die herumliegenden Sachen weg und hastet auf den Kör pern der Gefallenen und tann sich lange nicht losreißen von diesen thea ren Todten. Da, dieser junge Wälmanstrander, in schwarzer Uniform mit blauen Achseltlappen, liegt aus dem Rücken am Bergabhang. Die hellt-lauen Au gen im tiefer liegenden Kopf glänzen itn Mondlicht und scheinen in weite Fernen zu starren. Die Linte hat er zur blutiiberstrdmten Brust gehoben Mertwiirdig ist diese halbgeösfnete Hand in ihrer Unbeweglichkeit und todten Ruhe.... Etwas tiefer liegt ein alter Reservist des Nyslotischen Negimentes auf dem Rücken, die Arme ausgebreitet. Der nächtliche Wind bewegt seinen Bart und läßt Schat ten auf seinem Gesicht spielen; es scheint, als wenn das todte weiße Gesicht sich bewege. Und da weiter, wo das unregelmäßige Beet schon von weitem meine Blicke anzog, lie n anze Garben von Todten. Die n loter und Wilmanstrander sind hier, tvie sie in Reih und Glied ausriickten, von einer erfolgreichen Salve nieder gemiiht, in schrecklichen Stellungen liegengeblieben. Die Augen der mei sten sind offen, als wenn sie im Mo ment des Todes den Feind hätten er kennen wollen, ob er nicht schon er zitterte und zu flehen beginne. Da liegen in enier Reihe nicht weniger als dreißig. Da sitzt ein Feldioebel, den Kopf nnnatürlich zurückgeworsen. Ihm zu üszen liegt ein Soldat aus dem Ge rcht; seine weißen Hände umklammern die Flintr. Blaue und rothe Achsel tlappen in buntem Durcheinander Die einen haben ihren Kon in die Erde gesteckt, die anderen hoch empor gehoben und den Mund ausgerissen. Etwas zur Seite ein noch qualvolleres Bild — fiins halbentblößte Leichen Der tödtlich Verlvundete reißt sich die Uniform, die Hosen vom Leibe, um die zerschmetterten Beine,-den durch schossenenLeib zu verbinden. So ist einer mit angezogenen, halbentlleide ten Beinen erstarrt. Auf dem Gipfel der Bergtuppe, un ter dem Baume, ist Niemand zu sehen. Aber aus dem südlichen Abhang liegen Schützen und Japaner; einige von ih nen stöhnen noch und murmeln unver ständliche Worte. Die gelbgezeichne ten Mühen, die blauen Hosen mit rothen Lampassen und die weißen haflbsiiesel tauchen immer» zahlreicher au . Der Mond war untergegangen und dunlle Nacht hatte sich über die Erde gebreitet, als ich von diesem bit el »zutilckr»itt —- erschiittett durch den Len blict eines Schlachtfeldes gleich n ldem Kampfe, den ich zum erstens-F vor Augen gehabt hatte.« .