Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 06, 1905, Sweiter Theil., Image 10

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    Krach.
Roman von Hanns von Yosektikz.
(18. Fortsetzung.)
Heute in der schlaflosen Nacht war
ihm der Gedanke zuerst gekommen.
Er hatte ihn sogleich wieder verwor
fen. Denn alles sprach für das Ge
gentheib die ganze Art des Mannes.
dieser groben, ungelünstelten, reinigen
Natur; die Stellung, der Ruf der
Bank, an deren Spitze er stand; die
günstigen Resultate ihres Geschäfts
betriedes, die ja offen vor jedermanns
Augen lagen.
Und dennoch —.dennoch! Salester
tvar doch nun einmal die Hauptstütze
des ganzen Unternehmens, war dessen
erster sinanzieller Betrath. Und für
einen Wagehals hatte er ihn im
Grunde des Herzens stets gehalten.
An Strousberg hatte er ihn bisweilen
erinnert oder an Bontoux, den Grün
der der berühmten und berüchtigten
Länder-dank
Dem Sohn dieses Mannes wollte er
heute seine Tochter ander-loben! Es
sing siedend heiß in ihm empor. Er
bereute fast, daß er auf Lotas Für
fprache die Wartezeit um einen Monat
gekürzt, daß er den feuchten, bittenden
Augen Hardis nicht festeren Wider
stand entgegengesetzt hatte. Wenn nun
seine Befürchtungen doch zutraer?
Sollte er jetzt noch einen Rückzug
erzwingen?
Es wäre eine tödtliche Beleidigung
gewesen« Es war eine Unmöglichkeit
Und wenn das Schlimmste zutraf,
was konnte der junge Offizier für die
Leichtgläudigkeit, für den Leichtsinn,
selbst für geschäftliche Verfehlungen
seines Vaters!
Langsam, schwer stieg Müller-Sieg
hard die letzten Stufen hinan.
Als er die Wohnungsthür öffnete,
trat gerade Maria Apelhode von der
anderen Seite in die Diele ein. Sie
hatte einen großen Packen Wäsche aus
den Armen, legte ihn aber schnell bei
seite, um ihm Paletot und Hut abzu
nehmen, und er duldete es, denn er
wußte, sie war glücklich über jede kleine
Dienstleistung für ihn.
Und so ernst seine Gedanken waren,
er hatte doch ein freundliches Lächeln
für sie. Er streichelte ihr die Wan
geansz »Nun, Heimchen . . . ist er schon
Sie nickte hastig: ,,Jatvohl, Onkel
Fxrhard . . . und Hardi ist so glück
1 .«
Was für ein süßes Stimmchen sie
hatte —
»Aber du hast dich ja gar nicht ein
bißchen geputzt zu dem großen Ereig
niß, Maria.«
Eine flüchtige Röthe huschte über
ihr Gesicht. War das am Ende ein
Vorwurf?
»Wenn du es willst, Onkel Eber
hard, kann ich mir ja ganz schnell ein
anderes Kleid anziehen.«
Nun lachte er wirklich. Als ob sie
in diesem schlichten, hellen Kattun
kleidchen, das ihre kindliche Figur
weich umschloß, nicht gerade reizend
ug aus-gesehen hätte! Wie das Kind
s in dem einen halben Jahr ent
wickelt hatte! Das kleine Heiderös
chm —
.,Bewahre, Heimchem Du bist mir
ganz recht so.«
Da war schon wieder die feine Röthe
bis- unter die Haar-wurzeln hinaus.
Immer kam sie, bei der kleinsten Ge
mäthsertegung — —
Er nieste ihr noch einmal zu und
ging zu den Seinen.
Die kurze Begegnung mit der Klei
nen hatte ihm doch etwas die Schatten
von der Stirn gescheucht. Als er nun
die drei vor sich sah —- Lora und
Hardi und Konrad Salester —- da
rang sich der alte Optimismus siegreich
durch und der Wunsch: laß diese elen
den Sor n draußen, halte sie fern
m der welle deines Hauses . . .
Hardi flog ihm entgegen, umhalste,
küßte ihn. Er mußte sie schließlich
abwehren, um Konrad die Hand
drücken zu können: »Machen Sie
Bernhardine glücklich, lieber Sohn. .«
»Das soll meines LebenssAusgabe
seini« Tom-ad S-a·lester—sagte es sehr
ernst. Er legte seinen Arm um die
Braut und sah ihr in die leuchtenden
Augen Und fügte hinzu: »Nicht wahr,
hardi». wir werden glücklich sein?
Denn wir haben Uns sehr lieb. Glück
lich in guten und, kommen auch die,
in schweren Tagen.«
Es klang so ernst, fast feierlich...
Als ab der junge Mann in dieser
Stücksstunde das düstere Gespenst ir
d einer Gefahr auf seinem Wege
: ne, die Wolken irgend eines drohen
den Unwetters am Horizont, der doch
m ihm liegen mußte in leuchtender,
sonntger Klarheit.
haedt bemerkte es nicht. Sie nickte
gewaltig- »Ja- Comm- seh-c, seht
»Als-L . . immer!«
Aber Eberhatd und Loea sahen,
Essen und fühlten noch über Sehen
M Wen hinaus. Jhre Augen be
- - s sich, und sofort trat L ea in
«" schneklen Entschluß an di Seite
" Wams-es nnd faßte seine Hand.
W Sen-ge nett dem frohen Em
, : wie wir uns immer ver
fe der Gebet-math, und
Qui wiedersdet alte warme
Klang in seine Stimme: »Liebe-r Kon
rad, Sie daben... aber wir sagen
wohl du zueinander und Vater und
Sohn . . . du hast deinem Herrn Papa
Mittheilung von meinem Briefe ge
macht . . .'«
»Gewiß, Herr . .. Gewiß, lieber
Vater. Mama kommt nachher selbst
und auch mein Vater... sobald es
seine Zeit erlaubt . . . er ist augenblick
lich im höchsten Maße überlastet...
fie sind sehr glücklich . . . beide . . .«
Es klang wieder so schwer, fast sor
genvoll. Und über dem offenen, fri
schen Gesicht lag es wie eine Trübung.
Selbst Hardi konnte es nicht ent
gehen. Sie reckte sich plötzlich und
fttich ihm mit den Spitzen ihrer Fin
gerchen über die Stirn: »Was sind
denn das für häßliche Falten, ConnyZ
Fort damit —- fort.«
Lora versuchte ein Scherztoort:
»Damit mußt du dich gewöhnen,
Hardi . . . an die faltige Denkerstirn
des zukünftigen Queralstäblers.«
Aber es ver-fing nicht, denn es kam
nicht aus der Tiefe der Seele. Und es
-trar unter den vier Menschen, die so
gern froh sein wollten, ein Augenblick
beängstigender, schwület Stille, wie
vor einem Gewitter-—
,,Jch weiß gar nicht, was ihr habt,«
sagte endlich Hardi mit hängender
Unterlippe und feuchten Augen.
«Jhk««.« . .·
Da ging die Thur
Willy stürzte herein.
Er sah "lreidebleich aus, aber der
Schweiß perlte ihm auf der Stirn.
Und ohne auf die anderen zu achten,
eilte er auf den Vater zu, faßte ihn
am Arm, zog ihn mit sich in die nächste
Fensternische. »Ich muß dich sprechen
. . . verzeih . . . kaum warst du von der
Börse fort, da brach ein wahrer-Sturm
los,« brachte er keuchend hervor.
»Ganz plötzlich wurden große Posten
Prometheus aus den Markt geworfen
.. . gar nicht zu übersehen, wieviel . ..
ganz sinnlosl Salester und ich nah
men auf, was wir konnten . .. aber es
gab kein Halten . ·. der Kurs fiel ra
pide...«
Der Geheirnrath stand schweigend,
mit fest zusammengepreszten Lippen.
»Wer waren denn die Abgeber?«
fragte er endlich.
»Es war kaum zu übersehen. Zwei
kleine, saft unbekannte Pfuschmakler
schienen die Hauptmccher — Bornseld
und Kratwim Vorgeschobene Perso
nen natürlich . . ·'«
»Und —"
»Und? Jch sagte dir ja: es- nahm
gar kein Ende. Es müssen Unsum
men gewesen sein. Bis Salester und
ich das Vergebliche einfahen, den Kurs
stützen zu wollen. Bis aus 83, glaub«
ich, haben sie ihn heruntergebrüllt, wie
die Tiger... bis sich kein Mensch
mehr fand, der auch nur ein Stück
kaufen mochte. Es ist das Ende...
irgend eine gemeine Schurkerei . . . ein
Galgenstreich . . .'«
Möller-Sieghard hatte sich an das
Fensterkreuz gelehnt.
Ein paar Augenblicke stand er
stumm mit gesenktem Kopf. Dann
richtete er sich langsam auf.
»Eine Schurkerei — das mag sein,
Willh. Jch fürchte nur, wir hören
noch von größeren. Und nun merke
auf: heute noch mußt du alle Vorbe
reitungen treffen, jede, aber auch jede
Verbindung mit Baldin und Salester
zu lösen — auf die Gefahr jedes Ver
lustes hin. Besprich das unten, ich
komme in einer Stunde selbst ins Bu
reau. Aber weiter: du fährst sofort
zum Bankpräsidenten, oerschaffst dir
unter allen Umständen Gehör und
fragst, wieviel dir die Reichsbank mor
gen zur Verfügung stellen kann — auf
mein Akzeptt Jch denke, man wird
das dort noch gelten lassen. Wir müs
sen auf alle Fälle gerüstet sein. Muth,
mein Junge!«
Sein Auge hob sich —
Und Lora, die drüben stand, meinte:
es bliße ein jugendliche-s Feuer darin.
Er war ganz ruhig.
»Komm, Willy! Gratulire Hardi
und Konrad!«
Mit raschen Schritten ging er zu
den beiden. Bernhardine weinte —
,,Konrad... wir gehen schweren
Zeiten entgegent« sagte der Vater.
»Aber wir wollen alle fest zusammen
halten. Dann werden wir überwin
den. Kinder, das Geld ist nicht das
Höchste in der Welt, beim ewigen
Gott, nein! Lora, komm her zu mir
gib mir deine liebe and... ich
ich nehm’ den Kampf au ! Von heute
ein-betrachte ich mich wieder als den
Senior-bei unseres alten guten Hau
es —«
—L
VierzehntehKapiteL
Man nannte den sonnigen Junitag
an der Börse später den »schwatzen
Freitag« —
Am Frühmorgen nach der Eröff
nung zeigte die mächtige Geschäfts
halle der Mitteldeutschen Genossen
schaftibank noch ganz ihr Alltagsge
sicht. Alle Schulter geöffnet Dahin
ter die diensthabenden Beamten auf
ihren Plänen Es war wenig Ver
kehr. Aber et wickelte sich durchaus
ordnungsmäßig in gewohnter Ruhe
ab. Auf den Zahltischen rollten die
Goldstücke, oeihten sich die Bantnoten
aneinander.
Um elf Uhr kam Direktor Salester
von der Reichsbant zurück. Mit trotzig
erhobenern Haupte schritt er durch die
Halle zum Fahrstuhi. Wenige Minu
ten später gellte die elettrische Klingel
durch das ganze Haus. Die Abwei
lungschefs eilten nach oben.
Und wieder zehn Minuten später
sanken die Schieber über die Schalm
öffnugen herab, wie auf Kommando.
Nur in der Mitte der Halle, dem säu
lengetragenen Eingang gerade gegen
. über, blieb ein Schulter halb geöffnet.
Ein einziger Kassierer saß mit ver
siörtme Gesicht dahinter. Raunend
Fund flüsternd, auf leiten Sohlen,
! schlichen die anderen Beamten über die
Iweichen Teppiche der Fiorridorr. In
den Telephonzellen wurden die Filiri
len angerufen
s Es war gerade ein Augenblick-. ganz
licher Geschäftsstille gewesen« als die
Rolljalousieen sich vor den Schaltern
schlossen. Der letzte Kunde, ein jun
ger Lebemann, hatte noch einen Checl
über zehntausend Mark erhoben —- er
schob die braunen Lappen gleichgültig
Pl dlc Tasche
Jn der Thür begegnete ihm ein altes
Mütterchen gebückt und gebrechlich
Jn der Hand ein abgebrauchtes Pom
monnaie, braun und runzlig tvie das
Gesicht der Greisiru
Der Beamte am Mittelschalier
kannte sie seit Jahren- Sie kam in
jedem Monat einmal· Eine kleine
Plage für die Vielbeschäftigten Und
während ihr Check von hundert Mark
honorirt wurde. erzählte sie jedesmal
von ihrem guten Jungen in Ehicago,
der auf ihre alten Tage so liebevoll
für sie sorge. Umständlich und weit
schweifig.
Man hatte sie manchmal im Drange
des Geschäfts hart angelassen. Heute
zitterte dem Kassenbeamten das Herz,
als er sie auf sich zukommen sah.
»Ich möchte gern meine hundert
Mark erheben, lieber Herr. . . Hier . . .
bitte. Mein guter Junge . . .«
»Die Bank zahlt nicht . . .«
Es sollte ganz ruhig und kühl klin
gen. Aber die Stimme bebte. Müt
terchen verstand nicht. Sie starrte den
Beamten sassungslos an. »Aber...
mein guter Junge . . .«
Die Bank zahlt nicht.
,,,Aber lieber Herr, meine Miethe..
»Die Bank zahlt nicht — —
Das verrunzelte braune Poetemon
naie glitt auf die Erde, und ein paar
Silberstücke rollten über die Marmor
platten. Die gebrechliche Gestalt
wankte —
Da sprang aber auch schon der Por
tier hinzu, faßte sie am Arm und
führte sie zur nächsten Bank. Schon
kamen neue Kunden —
,,Die Bank zahlt nicht —
»Die Bank nimmt keine Einzahlun
gen entgegen —«
Jetzt kam es schon ganz eintönig,
ganz kühl geschäftsmäßig heraus —
ras Schreckenswort.
Ein Schreckenswort.
Die weite Halle füllte sich in weni
gen Minuten. Jmmer neue Reihen
schoben sich an den Schalter heran.
Immer wieder der eine Satz: »Die
Bank zahlt nicht . . .«
Anfangs tiefe Stille· Wie betäubt
standen die Menschen.
Es war ja gar nicht zu fassen, es
war ja unmöglich: die Mitteldeutsche
Genossenschaftsbank zahlungsunfähigi
Schweigen zuerst —- ein Raunen
dann — und dann der Sturm. ..
»Betriiger! Hunde! heraus mit dem
Gelde!«
Der dicke Schlächtermeister von
jenseits der Straße drängte sich, im
weißen Arbeitsan ug, durch dieMenge,
brach sich rücksi tchtslos mit seinen
wuchtigen Ellbogen Bahn bis zum
Mittelschalter, schleuderte sein Konto
buch dem Beamten vor die Füße, don
nerte mit der ballten Faust auf,
blutroth im Gesizä »Derauö mit dem
Gelde! Schuste! Betrüger!«
Und sie schoben sich neben ihm vor
wärts, fluchend, brüllend, klammerten
sieh mit den Händen in das Holzwerk
des Schalteri: »Unser Geld wollen
wir wiederhaben! Jhr Diebe! Der Di
rektor soll kommen! Salesterl
Schwindler-! Gaunerl Unser Gele
· Die Depositen!«
s Der Beamte war zurückgewichen bis
an die Wand —- todtenblaß —
Da tam ihm Beistand.
Zwei Schutzleute, mit leichgiiltigem
Dienstgesicht, pslanzten ich neben der
Schaltermitte hin, zwei andere suchten
in der Halle Ordnung zu schaffen. Der
Helm des Revierleutnants tauchte in
der Thür aus.
»Die Polizei! Die Polizei muß uns
zu unserem Gelde verhelfen! Die Geld
schränte müssen geöffnet werden!«
brüllte der Schlächter. Ein paar
Frauen jammerten laut aus. —n der
äußersten Ecke der Halle wars ich ein
alter Mann lang hin über die Bank
und lachte grell in nervösem Krampf,
lachte, daß sich aller-» Augen nach ihm
hinwandtem heute roth — morgen
todt! Verhungern —- .
Und immer mehr Menschen dräng
ten hinein. Wie ein Lauffeuer mußte
sich die Schreckenstunde in der Um
gegend verbreitet haben. Aus der
Straße staute sich die Menge bis iiber
den Damm hin. Der Verkehr stockte.
»Räumen Sie die Halle! Dann die
Thüren schließen ——-« -
Schritt um Schritt wichen sie zu
rück, trabend, zeternty heulend —- die
Betrogenen, die Neugierigen —
Endlith ra elten die schmiedeei er
nen Pforten, te W teile ev.
gchff Ein Schutzmann faßte vor ihnen
v o-—
Wie ein"sestgesngter Wall ballte die
Masse sich draußen auf's neue. n
der Frühlingssvnnr. Und die Fäu te
hoben sich gegen die graniienenMauern
und die gleiszenden gewaltigen Spie
gelscheiben und die großen evseidenen
Buchstaben: »Sechzig iillonen
Grundlapital Fünfzehn Millionen
Reserve.«
Drüben aus den Treppenstusen des
Schlöchterladens stand Eugen Prall.
Er hatte den braunen Kalabkeset weit
ins Genick qeschoben. Unheimlich
scharf zeichnete lich die schivakze Binde
auf dem wachsbleichen Gesicht ab.
Der Einäugige lachte —
Aber dann sah er im ersten Stock
des niedrigen Nachbarhauses einen
Fenstervorhang sich verschieben und,
aus einen einzigen Augenblickf ein todt
klasses Frauenantlitz.
lind er senlte den Kopf —————
tsaiiimlung Mit schreckensvollen Ge
I
! riichte durchschwirren den Saal, falsche
Jin Börsensaal ein Stirren und
lüstern und Raunen Völliger Still
siand des Geschäftes Wie eine Läh
iinung aus der tausendlöpsigeii Ver
sichtern eilen die Matler von Gruppe
zu Gruppe. Kein Ansangsturs ist
festzustellen.
Als ob die Tage von 1873 wieder
lehrten-. der Krach« . Hundert Ge
und wahre
»Die Reichsbanl hat Salester den
Kredit gelundigt.«
«Unsinn! Salester! Ja ganz un
möglichs«
.Salester hat Selbstinord began
gen.«
»Der ganze Aussichtsrath ist heute
srüls verhaftet worden-« .
»Jst nicht wahr! Jch sal) Assessor s
Möller-Sieghard vorhin aus der
Straße-a
«K.olofsale Fälschungen . .. das Al
iienlapital ist verloren.« . .. »Alle De
positen sind verpsiindet.«... »Baldin
ist spurlos verschwunden.« . . . »Das ist
der Hauptschuldige . . .«
»Ja! Und wissen Sie auch: Sales
ster und Baldin haben noch zu guter
" Letzt mit dein beriichtigten Leivn ter
tiandelt, ganz im geheimen, wegen
Geldbeschassung in London!« —-—
»Gleich und gleich gesellt sich gern —--«
Der Versuch eines Geschäftes dann.
»Ich gebe Prometheuslicht . . . 20.5!
—- Salesterbanl... 10...« Kurzes
Hvbngelächter . . .
Ein paar Abschliisse kommen doch
zu Stande . . .
«Möller-Sieghard haben die Zah
, luiigen eingestellt . . .'«
»Wien meldet Deroute auf hiesige
Telegramine.« . . . »Die Franksurter
Zeitung bringt neue Enthüllungen
über den spalestersEoncern . . .«
Die Cbe dergroszen Häuser treten
zusammen. Achselzuclen. Und immer
die Blicke aus den Möller-Sieghard
schen Platz: Nur ein junger Vorstu
vertreter dort —- heute!
»Salesterbanl . .. 5,50! Brom
iheugiicht . ..2,70...«
»Die Reichs-baut schriinlt die Kre
ditea llgeniein ein.« — »Denlt gar
nicht daran, lauft Wechsel am ossenen
Marktt« — «London lommt start ver
stimmt aus Berlin.« —- »Die Deutsche
Bank will eine Hilssaltioii einleiten.«
-——,,Ach wol Jst viel zu helle. Läßt
die anderen schmoren. Wetten, daß
ie morgen neben Möllers eine c’filiale
ausmacht.« — »Es muß was geschehen
—der Staat... !'· — »Bleibt mir
bloß vom Leibe mit der Regierungt«
Plötzlich eine Stille, dann wie ein :
verstohlenes Ausathinen. Geheimrath’
Möller- Siegbard ist eingetreten.
Er ist sehr blaß, aber augenschein
lich ganz ruhig. Nickt dem zu, schüt
telt dem die hand. Ein paar alte
Freunde von den ganz Großen schaa
ien sich iiiii ihn —
»Was hat er gesagt?«—— »Er lii
chelt ja.« —- «.Na. das Lächelnt«
—- «Braiicht leine Hilfe —- lehnt alles
ab.« —- ,,Alte Freundschast mit der
Reichsbaiil.. »Aber auch ganz
in der Ort-Musik«
amoser ann! Nerven wie
Sta l!« — Anders als der Jungel«
—- «Der Wilh der a«rine Kerl. . . net
tes Kerlchen .
«Mdller- Si ieg rds stehen sest —«
Und wieder ein Summen und Rau
nen, wieder ein leichtes Ausslainnien
des Verkehrs. zagendes Tasten, ein
neuer Angriss der Konterinine, ein
Eingreifen der potenten händr. Wie
der Getratsch und Klatsch . . .
»Der Kerl, der Baldin, ist an allem
schule Ein Lump —- er ist spurlos
verschwunden —« -
»Er hat den Salester hineinge
legt —«
«Wissen Sie, wer gestern die Un
summen Prometheus auf den Markt
wars? Frau Baldin.«... »Well
blech!« ...,,Jst doch so —der Born
stein hat sich verschnappt.« . . . ,,’ne Ge
meinheitt«.» »Was woll’n Sie —
jeder reitet, was er kann. Un so ’n
chikes Frauchen will doch leben. .gut
leben.«... »Ich hab' sie gesehen in
Monte Curio . dreimal hat sie ’s
Maximum gesetzt an einein Abend.
« »Der alte Möller ist wieder in’s
Geschäft eingetreten . . .«
»Er hat gesagt, daß er alle Be
ziehungen Zu Satester und Baldin so
fort gelöt hat« »Berdammt
spät. —- »Ein paar Millionen
tostet’s ihn sicher, —vielleicht sein ganzes
Vermögen. Ach wo! Unter
schätzen Sie den Mann nicht. st
schwer reich, und bei den Verbindigp
gen«
M sinmai ein Ausslackern des
Geschästs bei stark weieznden Kursen.
Möller-Sieghard läßt große Engage
menislösungen ausführen. Dann· eine
noch lebhaftere Bewegung, rücklausig
aus allen Gebieten: die Provinzban
liers senden ielegrapbisch Verlaufs
otder aus Verlaussorden Die Bebe
schenboten durchsausen den Saal. Und
als ob kein Unglück allein kommen
könne: London meldet, daß sich die
Friedensverhandlungen mit den Bu
ien zerschlagen haben. Aus dem
Rheinland die Nachricht, daß das
Roheisensyndilai eine Förderungs
einschränlung von fünfzig Prozent be
tatbez allerlei Gerüchte über den Kon
lurs eines angesehenen Hauses in
Dresden, über eine schwere Erschüiie:
trag in der elektrischen Industrie —
die Jobber der Kontermine setzen mit
all-er Kraft ein, schreien jeden Versuch
eines Widerstandes nieder, stürzen
iteli nach einander aus Banlwekthe, aus
Jndusiriepapiere, zwingen selbst den
Rentenmarlt —- .
Ein blutiger Sieg. Eine vernich
tende Niederlage. Wie die Mohn
kisspse weiden die Kurse gemäht vom
Schnitter Krach — Hunderte von
gjiillionen verloren in wenigen Stun
e1 —
Am »schwarzen Freitag« im sonni
gen Junirnonat.
II Ist sit
Auch auf das Haus Miiller- Sieg
hard fand ein heftiger »Nun« statt,
ein hastiges Zurückziehen der Deposi
ten. Bis in den Nachmittag hinein
währte der Ansturm. Aber die Kassen
blieben weit geöfnfet, die Beamten
zahlten gelassen jede Summe, lie
ferten mit einem kleinen überlegenen
Lächeln die hinterlegten Papiere aus,
wohlgeordnet, mit Talons und Divi
dendenbögen.
Jm Prioatkontor sasz Willy allein,
ein gebrochener Mann. l
Völlig zusammengebrochen erst seit
jener Frühstunoe, in der Salester bei
dem Vater und ihm eingetreten war —
»Was soll das heißen? Sie wollen
uns im Stich lassen?«
»Es ist Pflicht der Selbsterhaltung,
Herr Salestet, und noch mehr Pflicht
gegen unsere Kunden«
Der Vater sagte es sehr ruhig, sehr
bestimmt. Einen Augenblick hatten sie
sich gegenübergestanden, Aug’ in Auge.
»Sie stürzen uns —- uno sich selbst
ins Unglück.«
»Wir werde allen unseren Verpflich
tungen nachkommen.«
Salester lachte grell. »Etwas mehr
Vertrauen, etwas mehr Glauben an sich
selbst —- etwas mehr Muth . . . und
wir alle könnten nicht nur unsere Ver
pflichtungen erfüllen, sondern auch Rie
sengewinne erzielen.«
»Den Vorwurf mangelnden Muthes
muß ich entschieden zurückweisen, Herr
Salester. Jch handle, wie es mir mein
Gewissen vorschreibt.«
Der Mann mit der eisernen Stirn
biß die Zähne auseinander. Ein paar
Mal ging sein Blick über Willh hin,
als wolle er den zum Eingreifen, zum
Widerstand gegen den Vater ausfor
dern. Vergebens. Dann griff er nach
seinem Hut —- und setzte ihn doch wie
der hin.
Und plötzlich brach es ihm, wie wi
der Willen, heraus: »Es wird ein ent
segliches Desastre. Dieser Baldin!
Wie er mich hineingezerrt hat-Schritt
um Schritt! Meine arme Frau .
mein unglücklicher Junge —'«
Es war nur wie ein Augenblicksaus
schrei. Gleich darauf hatte Salester
seine starre Maske wiedergewonnen. · .
»Man muß versuchen, zu retten, was
zu retten ist —-« und war gegangen.
Aber der eine Moment lies; Vater und
Sohn erkennen, daß die Situation des
Mannes noch viel verzweifelter war,
als sie je angenommen hatten.
Kurze Zeit, nachdem dann der Vater
zur Bdrse gefahren war, ließ sich einer
der Prokuristen der Prometheusgesell
schaft bei Willh melden, um —- mit al
len Zeichen des Entsekens —- von ihm
als Mitglied des Au sichtsraths Ver
haltungsmaszregeln zu erbittern herr
Baldin sei nirgends zu finden; er habe,
wie gewöhnlich, um zehn Uhr seine
Villa verlassen, um ins Geschäft zu
fahren, set aber dort nicht angekommen.
Und herr Salester sei soeben in seinem
Kontor verhaftet und nach Moabit ab
aeiiihrt worden.
f Willy mußte all seine Kraft zusam
menraffen, um die Anordnung zur
schleunigsten Einberufung einer Aus
sichtsrathssitzung niederzuschreiben.
Baldin flüchtig . . . ohne Zweifel!
Und Salester . . . verhaftetl
Jm Geiste sah er schon den Krimi
nalbeamten auch in diesem alten, ehr
würdigen Hause . . . solterte er sich
mit dem Gedanken: hast du nicht, un
wissentlich, eine der Pflichten des sorg
samen Kaufmanns derabsäumt, diev
das Gesetz dem Aufsichtsrath vor
schreibt?
Vor wenigen Tagen noch hatte er
dem Vater ruhig in die Augen schauen
können: »Meine Ehre ist nicht gefähr
det.«
Aus vollster Ueberzeugung hatte er
es gesagt. Aber nun lam die wükgende
Angst: warst du auch gewissenhast ge-—
nug in der Prüfung der Bilanzen, in
der Durchsicht der Bücher-, der Belege?
Hast du zuviel vertraut? Salefter —
Baldin —
Er wagte kaum auszusehen, als er
den Prokuristen fragt-; »Herr Wan
notvsti .. .. um des-Himmels willen
. . . . es tfi doch alles in OrdnunglP
Lange lam leine Antwort —- endlos
lange, so schien es Willy wenigstens,
Dann schließlich ein schwer »Ich
hoer . . . · aber Herr Baldin wollte ja
immer alle Fäden xlbsi in der band
behalten, und . . . . ie wissen est . . . .
das ganze Unternehmen ist so überaus
verwickelt . . . . Herr Baldin faßte jede
Bilanz persönlich ab . . . .««
Auch der Proturist war gegangen.
Beide hände um die schmerzende
Stirn gespannt, saß Willy. Von au
ßen drang der Lärm vor der Bank,
bald ebbend, bald wieder einschmei
lend, in das Zimmer, als sollte er ihn
immer wieder erinnern: das gilt auch
dir! Dann und wann eine johlende
Stimme: »Salefter! Der Dieb! Be
trüger! Banditen!« Morgen riefen sie
vielleicht schon: »Möller-Sieghakd!«
Ab und zu trat einer der Beamten
ein mit irgend einer nicht zu umgehen
den Anfrage. Und Willy zitterte in der
Erwartung: ist das wieder eine Schre
ckensnachrichtZ —-—
Zweimal war Krause herunterge
tommen: Die gnädige Frau ließe fra
gen, ob sie nicht etwas Frühstück schi
cken solle? Oder ob der junge Herr
herauftämes
Als der Alte jetzt wieder erfolglos
die Treppe e,rnporstieg, stand Maria
Apelhode im Flur, wartete auf ihn.
Sie sah ihn fragend, bittend an, und
er schüttelte von Neuem den Kopf. Und
dann seufzte er: »Na, Fräulein Ma
riechen . . .. was man nicht alles erle
bersCl muß!« und verschwand nach der
Küche zu.
Maria blieb noch ein Weilchen ste
hen, gegen die Wand gelehnt, mit tief
gebeugtem Köpfchen. Fast als driicke
sie die schwere braune Flechtentronr.
Eine Thräne nach der andern rann ihr
über die Wangen. Sie verstand das
alles nicht ganz. Aber das große Un
glück fühlte sie in ihrem dantesvollen,
liebesheißen Herzen. Seit Tagen schon,
seit der plötzlichen Heimlehr. Dunkle
Bilder aus der eigenen Vergangenheit
stiegen wieder vor ihr auf, aus jenen
Tagen, wo sie den Vater hinaustrugen,
fremde Menschen kamen und iiber sie
entschieden, sie aus dem Schloß in die
Hütte wandern mußte
War das jetzt hier, in ihrer zweiten
Heimath, etwas Aehnlichesi Bereitete
sich etwas Gleiches vor?
Alles war so verändert. Aller Froh
sinn erstorben.
Nun gar seit gestern. Die arme
Hardil So glücklich hätte sie jetzt sein
müssen, und doch immer nur Thränen.
Und Willh — Willy! Wie er gestern
die Treppe heraufgestijrmt war zum
Vater, mit stieren, verzweifelten Au
gen. Wie sie sich erschrocken hatte, als
er an ihr vorüber in’s Zimmer raste.
Dann, am Abend, war er von Tisch
ausgestanden, hatte sich in’s Nebenzim
mer gesetzt, ins Dunkle —
Fortsetzung folgt.)
--.—--—
»Warst wieder Wurst-«
Vorn Großherzog Franz dem Ersten
von Mectlenburg wird folgende Ge
schichte erzählt:
Der äußerst vopuläre Herr liebte die
Studentenwirthfchaft und aab sich nur
widerwärtig her zur Demagogenhatz.
Baldmöglichft begnadigte er die ver
führten jungen Leute und gab ihnen
auch —- allerdings nur schwach do
tirte — Anstellungen. Als nach Jah
ren zwei derselben sich ein Herz faßten
und um Erhöhung einlamen, erwiderte
er ihnen lächelnd: »Mehr tönnt Jhr
doch nicht verlangen, als Jhr Eurem
Großherzog geben wolltet. Aus den
derzeitigen Untersuchungen habe ich
ersehen, daß, während die Meisten ihre
Fürsten absetzen und tödten wollten,
Jhr gesagt habt: Wenn auch unser
alter Friedrich Franz nicht weiter re
gieren darf, getödtet soll er nicht wer
den, dazu haben wir ihn doch zu lieb.
800 Thaler und ein Reitpferd muß er
bekommen. Jhr dummen Kerl, warum
habt Jhr mir so wenig geben wollen,
ausgekommen wäre ich auch nicht da
mit. — Nun seht zu« wie Jhr damit
fertig werdet.« — Bald darauf er
füllte er denn aber doch ihre Bitte.
s- b—
Die stule in Japan.
Neben der einheirnischen Musik
pflegt Japan schon seit längerer Zeit
auch die abendländische, und zwar mit
guten Erfolgen Bekanntlich besitzt
Totio schon ein vollständiges Konser
vatorium. Der Krieg hat der Pflege
der Musit durchaus keinen Abbruch
gethan, sondern scheint ihr sogar ei
nen neuen Aufschwung zu geben. Nach
der in Yokohama erscheinenden deut
schen »Japan Pos« sind die Haupt
ueranstalter von Eoncerten, die unter
tem Schutze des Marquig Nabefchima
stehende Nippon Ongatutwai und die
Elllusitalademie von Ueno. Die Aus
führungen erstrecken sich ausschließlich
auf europäische Werte, worunter solche
von Gluck, Händel, Wieniawsli und«
Richard Strauß vertreten sind. Un
ter den Mitwirkenden werden die Pia
nistinnen Taschibana und N. Koda,
die Geigerin R. Koda, die Sopranii
stinnen Schibata und Kilatna, und
als besonders begabt-: Friiiisllerin ein
Fräulein Susuli hervor-gebot en Den
Vaterlandischen Gefühlen der inva
ner thut die ausla nti sclze Musik tei
nen Abbruch. Auf einem der neuesten
Konzertprogranmie prangte neben
Bruchstiiclen aus - Orplsens der Tri
umphgesang aus Judas Makkabäus
von handel, aber unter dem Titel —
Siegesgesang rein Psalm
-.--——
Die Klagen iiber rie llnzuverliisfigs
lett unserer Wetterberichte sind
durchau unngssrechtfertigL Das an
getündigte etter stellt sich immer
ein« nur muß man es mit dem Datum.
nicht so genau nehmen.