Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 30, 1904, Sweiter Theil., Image 14

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    Revrenloses Gut.
Roman von fcäkie Bernhard.
(1Z. FHtsetzungI
sssch —- kch Dankt Jhnew HMT
com-' sagte Frau Erdmanns leise
Stimme-n seiner Seite, »und noch
Mal disk ichs-recht von Herzen, seien
Sie mit KARL-ji« daß —«
»Hät, ha- « Er fuhr aus seinem
stiften Und drückte sie, die sich
bereits he Krhpben hatte, wieder in
M Scp zurück. ,.Vergessen Sie
unsere , nbredung nicht! Zuerst
s hnen Jhre Fragen beant
W, «hue"n erzählen, was ich
Mist-; W aber sollte die Reihe an
M I«
;«-«« Lieber Gott —- ich sagte
U- Hetr Cotta: länger als
Jahr hin-ich damkxls fort
und als ich dann —
Iu jene Zeit handelt sich s
terlirach er sie ungeduldig
doch, gleich mir, erfahren
daß ein Kind zurückgeblieben
durch Zufall vor dem ihm be
- Tode gerettet —
t« sagte die Frau in feierli
Jen, »dush Gottes Fügung!«
« « ! Auch das, wenn Sie wollen!
f sahen Sie sich gar nicht weiter
Reisäin gekümmert, ihm nie
sth aufmerksam in sein Gesicht
· Sie das nicht etwa auch?«
- was ich that oder nicht
Dies-Weihe ift jetzt an Jhnenl
SI; etwas in Erfahrung ge
—·Feit wenigen Tagen erstl«
. tief aus und knüpfte in
. nng die Bänder ihres
sie gleich daran wieder
ziehen. »Das Mädchen
, » hier in München. Sie
Don ihren Eltern und Ge
"««chts von deren Schicksal
Wisses Ehepaar hat sie an
Wd sie heißt Hanna Pio
«»Kt LJchdachtees mir
« ich· ees!«
· HTT M sie gesehen? Kennen ge
- « »Ja —- kennen gelernt noch
· i SiiD Sie bereit, Frau Erd
« Wir wir jetzt gehen?«
Wirnmer des Baumeisters
Msah es behaglich und
· ich; sus. Hiibsche moderne
« ita- s in gefälliger Anord
M J der rothgriine Majolita
- « angenehme Wärme
waurpugsaorbeneå Trep
Fßu o en u en
scheiden bersetzten Fenstern
· in gebrochenen Tinten ein
« Mkäches Tageslicht herein,
U im Erlöschen begrif
III.
» M Der mächtig weiten ro
·Wel saß Herr Baumei
, aushielt sein hiibsches
w Mssgmenieen Sie
W ren ob an seine
Mit, und er beugte sich
» « sus sie herab, um die Gattin
. "-— uns das üppig gebauschte
- Orts diente ichen Wangen, den
« . — weund wenn sie gerade
Reden war, und er ihr die
III Den Lippen wegkiißte, dann
IUI werden und konnte es
mich wirklich wundern,
» ·t!" betnertte sie jettz
den Buben zu ar
- donit wird es nun
· »- Aeine Viertelstunde
"" Eis stocksinster!«
nichts!« Dann macht er
«— l an’3 Wert!« sagte
« phlegrnatisch Er war
ch aussehenden großge
is r Mann, in keinem
Gesichtes dein älteren
Willsried war das
» Des verstorbenen Va
« W hatte den Typus der
? er sich kaum noch erin
t’s doch vers prochen!«
Ie, Wills Versprechun
viel. Der thut. was
den Sinn fährt, der
— ftsifserling um Ber
- olche Chosent«
! Man kann sich
n verlassen«
n schont Was
,da hat man in
sit-steil Menschen
« . krelich, bis ihm
das dauert! Seine
—- siir die ist er
innerer auf dem
bei uns jetzt doch auch
- - mmen!«
Suche Geschichten, die
Mietei. hie er neben
.-«- Mk Uns zuliebe!«
Witwe von unseren
J « Mtty war ein wenig
si--Wichikfkithlyidigsx»t.
. , te: te
» die beiden Buben
n«lebenötvahr —
k- vik Hand nimm,
»so-ig- — va- ist
allemal ersten Ranges!« Der Stimme
des Sprecherö merkte man den unbän
digen Stolz aus den genialen Bruder
an. »Wenn ich denke, wie entsetzlich
schwer sich der Vater seine Einwilli
gung zu.Wills Berus abringen ließ
.. . und eigentlich war’s gar keine
Einwilligung, er schrie ihm zu: »Thu’,
was du willst — meinetwegen geh« hin
und tnete deinen Lehm!'« und die
Szenen, die vorangingen! Jch seh’
mich noch leichenblaß nnd zitternd an
der Thür stehen und horchen! Sollte
jetzt der alte Herr sehen können, was
der »verlorene Sohn« schafft, und wie
man von ihm spricht! Er hat ja noch
die Anfänge von Wills Ruhm erlebt
—- aber es waren eben doch nur die
Anfänge! Wie würde er stolz auf
seinen Aeltesten sein!«
»Auf dich doch quan
»Die kleine Frau zog mit beiden
Hunden ihres Mannes Kopf zu sich
herab und küßte ihn herzhaft.
»Was ich bin und kann, das ist mit
Wills Sein und Können nicht zu ver
gleichen!« erwiderte er ernsthaft. »Ich
bau’ meine Luxushiiuser schlicht und
recht und versteh’ das Kunstgewerbe
aus dem Grund — das darf ich von
mir sagen, und das ist immer schon
was werth — aber die Kunst! Da ist
Will mir hundertfach über, der hat in
seinem kleinen Finger mehr Gemalt
tiit, als ich in meinen beiden Händen
zusammen genommen!"
»Mein goldener, einziger, bescheide
ner Dick! Mein Herzensmann!«
Wieder die zärtlichsten Küsse.
»Gar keine Befcheidenheiti Einfach
Selbsterkenntniß!« lachte der Geprie
sene. »Aber ich will sie mir schon gern
gefallen lassen, wenn sie einen so sti
ßen Lohn einträgt. Geht doch nichts
in der Welt über solch’ ein goldiges,
herziges Weiberl, wie du eins bist!«
»Und daß der arme Will kein sol-»
ches hatt«
»Eins wie dich findet er so wie so
auf der ganzen Erde nicht!" behauptete
der Baumeifter mit wuchtiger Beto
nung. »Und wenn schon ob er
jetzt noch im Stande wär’, so ein
Glück gebührend zu genießen und zu
schätzen? Versprich mir nur eins,
Schatzerl: wenn der Will heut’ wirk
lich noch kommt, gib Rulf mit deinen
ewigen Heirathsgeschichten Es macht
ihn blos noch bockbeiniger —- an dem
verdienen wir uns nun mal keinen
Kuppelpelz!«
»Nein, nein, ich thu’s nimmer! Jch
hab’s a fgegeben, seitdem er mir das
legte al —- wir waren Unter vier
Augen, du saßest im Architektenklub
l’—a—so deutlich seine Meinung gesagt
t.«
»Wie lautete denn die?«
»Ach —nun —ich redete ihm ein
bissel zu, sein wüstes Junggesellen
dasein aufzugeben —- da hat er mich j
zuerst ausgelacht und hat mich gefragt, :
wie ich mir das eigentlich vorstelle und
ob ich denke, er seiere da Orgien a la
Nero. Na, weißt du, von dem Thema
brach ich lieber ab -——der Will ist so
ein Prachtmensch, aber zunisch kann
er sein, und ich mag das nicht und
tann in den Ton nicht einstimmen.
Jch meinte dann, er miisfe eine kluge
Frau haben-eine, die ihn in allen
Dingen versteht und mit ihm mitgeht
und dem denkenden Mann doch auch
eine denkende Gefährtin ist —s-«
»Und das«
»Ja, er ließ mich kaum ausredem
»Glaubst denn du,« hat er gesagt,
»wenn ich meine fünf, sechs Stunden
im Atelier zugebracht und mich dumm
und blind geschaut und mich müd’ wie j
ein Hund gearbeitet hab’, daß mirs
dann noch der Sinn na Kunstge-’
sprachen und ästhetischen bhandlun
gen und nach der denkenden Gefährtin
steht? Jch bin dann eben lein denken
der Mann mehr —- was also soll mir
die» denkende Frau? Mein ganzes
Sein ist aufgeldst in Faulheit und in
Ruhebedürfniß, und wenn ich das
Stadium einigermaßen überwunden
hab’, dann will ich mich allenfalls
amiisiren und ute Musik hören oder
schöne Weiber eben, oder mit Leuten,
die wirklich was von der Kunst los
haben, beim Wein sitzen! Aber mit
dem süßen Kunstpöbel und gar rnit
den Frauen, die »mitgehen« und »mit
reden« können und sich als »Gefahr
tinnen« ausspielen, womöglich einein
mit der »idealen Forderung« kommen
—- mit denen laßt’s mi aus! Wer sie
will, soll sie haben, und finden wird
er sie heutzutag’ an allen Ecken und
Enden —- siir den Will Cotia aber ist
das nix, der braucht das nicht sür sein
Leben! Junge und hübsche Weiber
seh’ ich gern an, und kann ich sie ha
ben... nun, so hab’ ich sie eben und
bin vergnügt, so lang’ es eben dauert,
aber die Ehe und ich —- wir zwei korn
men nicht zusamment«
Richard Eotta lachte. Die kleine
Frau hatte es so gut verstanden, Ton
und Manier seines Bruders nachzu
ahmen - H
«Psui, Die-lie, du lachstt Eigentlich
ist doch dabei gar nichts zu hegen-—
es i traurig! Aber ich hab' i n als
E andidaten au. Segel-ern den Will,
Kateid es mir tbu —ich laß ihn in
IF denn dieser ist bossnun stos!
Und das ich ihn riiber mal agie,
vorn-n etssetne Man mit dem nn
. I
aussprechlichen Namen nicht heirathet
. . . ieh, das war eine Dummheit von
mir. Freilich atte ich sie dazumal
noch nicht mit ugen gesehen!«
»Ist denn das inzwischen ge
schsgksis«« . . . .
« ber 1a dach! Wie ich neulich nnt
Lisa Meyring langsam die Maxim
liansstraße entlang ge angen bin -—
wunderschöner Sonnenschein war unk.
eine Masse Menschen aus der Gasse —
da gibt sie mir mit enem Mal einen
Rippenstosz und sagt leise: »Sei-an
aus! Hier gleich rechts!« Und wie ich
das thu’, da seh’ ich eine elegante
Dame in einem sehr kostbaren Pelz
mantel daherlommen, neben ihr einen
Herrn, den ich nicht kenne, und sie
tenn’ ich auch nicht! Da flüstert aber
auch die Lisa schon: »Das ist deinem
berühmten Schwager seine Gräsin«
und ich ruf’ beinahe ganz laut: Ach,
die? und dreh’ mich um nnd seh’ sie
mir ganz genau an. Nein, Schaherli
Und wenn der Will auch nicht mehr
der jüngste ist-—und schön sind’ ich
ihn gar nicht, du siehst ja viel besser
aus —— so müßt’ er doch, wenn er hei
rathen wollt’, was Hübsches, Junges
haben für seine verwöhnten Künstler
augen, das seh’ ich ein! Aber diese
Polin, die muß gut und gern ’n paar ;
Jahre mehr haben wie er... sie ists
sicher mal schön gewesen, aber das ist
lange her, und zu den Frauen, die
sich gut tanserviren, gehört sie auch
nicht, trotzdem sie nach allen Regeln
der Kunst gefärbt und geschminlt und
gemalt war! Aber ein Paar Augen
hat sie im Kopf-so, als ob sie nach
lange nicht mit ihren Passivnen und
mit ihrem Temperament sertig wäre,
na, wird ihr wenig helfen! Dem Will
fgegenübek schon gar nichu Nein, de:
muß allein bleiben! Die Frau, die
einen so grundsatzlosen Mann zum
Gatten bekame, die tönnt' mir bloß
leid thun!«
Hier schrillte die Hausglocle —
lle Kinderstimmchen wurden laut,
azwischen ein sonores männliches
Organ. Die Thür öffnete sich, und
vor dem Eintretenden her purzelten
und kugelten zwei blonde Knäbchen
von drei und siins Jahren, die über
die eigenen Füße stolperten und sich
alsbald gleich einem Knäuel auf dem
Teppich wälzten.
« »Was? Noch im Dunkeln, ihr Lie
bcsleut’?« lam Willfried Cottas
Stimme von der Thür. »Da muß ich
? schleunigst Abhiise schuf u, sonst
I bricht eure junge Brut sich rme und
Beine entzwei!"
Er drehte mit einer raschen Bewe
gung das elettrische Licht auf und
raffte mit festem Griff die zappelnden
- Kinder empor-. um sie energisch auf die
Füße zu stellen.
H »So, ihr Gesichter-, da benehmt euch
E mal wie zwei vernünftige Lebewesen!"
l Das war von den beiden Bübchen
Izu viel verlangt. Sie jubelten, lach
ten, schrieen, strebten an dem Onkel
empor, riefen nach der Mutter, tanzten
auf einem Bein, balgten sich miteinan
der-es war ein Lärm im Zimmer,
wie wenn zehn Kinder darin wären.
»Bei denen tommt die unbewußte
Lebensfreud’ zum Durchbruchl Da
schaut her und lernt von ihnen!«
Der Bildhauer sagte ei; halb la
chend, halb melancholisch, während er
Bruder und Schwägerin die Hände
zum Willkommen reichte. Er bückte
sich und hob den ältesten Jungen, der
eben seine Kniee umklammerte, hoch
empor. Das Kind jauchzte und mühte
sich, aus des Onkels Schulter reitend,
mit der freien Rechten in die Brust
tasche des braunen Sammtroetes zu
fassen, den Cotta fiir gewöhnlich trug.
»O weht sage dieser sent, den Kopf
zwischen die chulter ziehend, »hab«
ich heut’ doch euer Naschwerk verges
sen, Trabantent Seid nicht zu schlimm
mit mir, ich hokö nach, das nächste
Mal seht es doppelte Nation, mein
Wort draqu«
»Du sollst mir die Buben überhaupt
nicht so verwöhnen, Will!« Frau
Kitth war vor den breiten Wandspie
Zel getreten und richtete, im hellen
icht der elektrischen Lampen, errö
thend ihre von den liebkosenden "n
den des Gatten völlig zerfahrene ri
sur mit einem Lämmchen wieder her.
»Sie bekommen so wenig Süßes und
es t ut ihnen auch nicht gut —«
s » o bekommen sie’3 eben von mir,
sso lange ich da bin-und da thut’ö
s ihnen auch keinen Schaden!« deleetirte
s Cotta ruhig, hob auch den stleintzen
empor und setzte ihn aus seine andere
« Schulter. »Aus unserer Sißung wird
heute« nichts mehr, want Das Still
shalten würd« euch Fest wohlbesonderö
schienst-s —- - « .
«--.
»denn ne nur 1auien2" net Richard
Cotia ein. »Sie sollen heute noch ge
kadet werden, damit geht allemaleine
Menge Zeit darauf, weil sie im Was
ser kaum zu bändigen sind. Was
meinst du, Kitty —- wir spediren sie
gleich ins Kinderzimmerl Friedel,
Dickie, antreten! Abschwenlen!«
»O« Vaterl —- o, Vaterl! Noch bis
sel bleiben! Noch bissel toben mit On
kel Will!«
»Nichts da! Keine Widerrede! Ab
si en! Sol Patschhanderl geben! Em
p hlun machen!«
Betrübt und langsam, aber ohne
neuen Einspruch zu erheben, befolgten
die Bübchen das väterliche Machtgebot.
Richard Cotta war ein überaus zärt
licher Vater nnd hatte seine Kinder
fürs Leben gern mn s . Allein so
wie es im Zimmer ll geworden
war, hatte er gesehen, daß tm Gesicht
seines Bruders etwas Fremd-s war
—eine alte zwischen den Brauen, ein
nngetoö nlicher Glanz in den Augen
—auch seine Stimme tlang anderi
alt sonst, und zum erstenmal wiihrend
seines Aufenthaltez in München hatte
er die übliche süße Spende sitt die
kleinen Neffen «vetgessen... lauter
Anzeichen starker innerer Erregun !
Man onnte nicht wissen —-—· vielleicht
hatte Willfried Beditr niß, sich mitzu
theilen, sich auszuspre n . . . dabei
waren Kinder übersliis ig! Kitty ließ
es sich nicht nehmen, als Trösterin
und Eslorte ihre verbannten Söhne
zu begleiten —- die beiden Brüder blie
ben allein! Wenn Willfried jetzt spre
chen wollte «——
Nein! Die hände auf dem Rücken
verschränkt, das haupt leicht vorge
leugt, die Blicke beharrlich am Erd
boden wurzelnd, so ging der Bild-!
hauer an der Langfeite des geräumigen
Zimmers langsam hin und her, allem
Anschein nach tief in seine eigenen
Gedanlen eingesponnen . . . dem Bau
meifter nur eine Bestätigung für ir
; gend ein außergewöhnliches Ereigniß!
I Damti das Schweigen nicht zu
drückend werde, versuchte Richard,
dann und wann eine Bemerkung all
gemeinen Inhalts zu machen, aber
Willfried ging auf keine einzige näher
ein. Kaum, daß er ein »Hm« oder
»So« hinwarf, gleichviel ob es paßte.
Offenbar war er mit seinen Gedanken
weit fort — wozu sollte er sich die
Mühe geben« vor seinem einzigen
Bruder Komödie zu spielen? ·
,,Wo bleibt denn Kitty?« fragte der
Bildhauer auf einmal ungeduldig und
machte in feiner Wanderung plötzlich
Hau.
»Kitty?« machte der andere ver
wundert; er hatte gerade gedacht, dem
Bruder würde daran liegen, mit ihm
unter vier Augen zu sein. »Ja —
brauchst du die denn so nothwendig?«
»Brauchen?« Cotta zog ungeduldig
mit den Schultern. » ch hätt’ ihr
was zu sagen! Kommt re nicht bald?«
»Na, weißt du, wenn die erst bei
den Buben ist, lann sie so bald nichts
loseisent So zuverlässig unsere Rest
sonst ist-meine Frau denkt doch
halt, sie ist nun mal die Mutter und
ohne ihre Anwesenheit tommt nix u
Stande. Wenn du es aber willst, ich
geh’ hinüber und hol’ sie dir!"
»Nein, nein! Laß nur! Wir können
ja warten!«
Sie warteten denn noch eine ge
raume Weile, beide jetzt stumm; der
Baumeister in seinem weiten rothen
Sassiansessel sitzend, der Bildhauer
von neuem rastlos aus und nieder
gehend, die Hände aus dem Rücken ge
treuzt, den Blick an die Erde gehthet
Endlich tlappte die Thur, und
Frau Kitth erschien, rosig und eilig·
»So, da habt ihr mich! Das ist ein
schweres Loslommen von den Schel
men! Zumal der Dickie ist so zärtlich
— halbtodt hat mich der Bub’ gedrückt
und geküßt. Jch soll Vater und Onkel
noch tausendmal grüßen, und Friedel
hat versprochen, er wird musterhaft
stillsitzem wenn Onkel Will ihn das
nächste Mal zum Modell braucht —
das soll ich extra bestellen! Jch hab’
noch gleich der Kuni Bescheid wegen
des Abendessens gesagt.... du bleibst
doch bei uns, Will?"
»Jch —- ja —- ich weiß eigentlich
nicht! Wenn ibr mit mir vorlieb
nehmt, so wie ich· da bin ——'«
»Bist du denn anders heut' wie
sonsti« Frau Kitty holte sich einen
lleinen braunen Kinderstrumps vom
Nähtisch herüber, setzte sich und begann
zu stricken
Es tam keine Antwort. Als die
tleine Frau verwundert ausschaute,
begegnete ihr Blick dem ihres Mannes
. . . er zog die Stirnsalten hoch und
deutete mit einer Kopsbewegung nach
dem unaufhörlich aus und ab schreiten
den Bildhauer.
»Mchtest du dich nicht setzen,
Wills«
Wieder leine Antwort. Kitty sah
bticer Cottas Rücken nach ihrem Gat
ten und telegraphirte ihm vermittelst
eines sehr ausdructsvollen Mienen
sgieles die Frage hinüber: »Was ist
i m «
Mit einem ebens: ausdructsvollen
Schulterzucken erwi rte der Gesragte,
er wisse es nicht.
»Du, -Kitty!« Willsried stand neben
seiner Schwägerin still, Lah sie aber
nicht an. »Nicht wahr, d- kennst doch
den Maxi Rodei Und Richard tennt
ihn auch?«
«Maxi Rode? Mark mal! Das ist
doch der kleine sidele Maler, der letzt
bin ein paar Iso hübsche Bilder von
Rom herüberge chickt hatt Jst’s der?
Zog-den tenn’ M Er hat sogar bei
uns Besuchcsem , und wir müßten
ihn eigenti mal eintaden!«
»Das mußt du! Das thu’!« rief
Cotta lebhaft. »Und seine Schwester
—die mußt du auch etnladen —und
— und daan «—« -
»Seine Schwester-« fragte Frau
Kitty gedehnt. »Ja, ertaube mal,
Will, die kenne ich aber eigentlich gar
ni t! Die hab’ ich blaß hin und her
au det« Straße oder in einer Ansstel
lung gefehent«
»Das thut ja nichts-! Das genügt
-jai Deswegen kannst du sie doch im
? mer ruhig eintadeni«
! »Westvegen?« fragte Kitty zurück.
, »Acht« Catta wurde schon wieder
sungedutdicz »Was ist da viel zu
ireden und zu fra en! Wenn ihr mir
damit einen Gefa en thun könnt-«
»Dir? Mit Maxi Rades Schwester
einen Gefallen? Gefälli sie dir denn
so guif Sie i ja ein recht hübsches
Mit n —E y, glaub’ ich, heißt sie
—- n wenn du nun möchtest. . .«
« »Unsinnt Gefallen! ’s handelt sich
über aukt gar nicht um sie . . .«
« ich um sie? Ja... aber-J
»Parasit« ihr Weiber könnt einem l
eraushaspeln mit eurem Gered' und
fragt Kannst du dir’s im Ernst
denken, Kit . dasz fsio ettchoas wi: Eies
edrechselte uppen iir en mi em
Horzellanlops mein Geschmack ist-P
»Ei entlich nicht —- und ich »bin
anz roh, daß sie dir nicht esallt.
ie ist ja hübsch, aber mir ers ien sie
schrecklich kolett und oberslächlich. Wer
tennt euch Männer aus. Am Ende
findet sie doch viel Beifall, das hörte
ich von verschiedenen Seiten! Wenn
du dir also nichts aus ihr machst . . .
warum soll ich sie denn zu uns ein
laden?«
» Es dauerte eine Weile, bevor die
jAntwort kam. Willftied Cotta hatte
sein Hin- und herwandern wieder
ausgenommen —- jetzt stand er neben
einem geschnitten Bordbrett still, hob
mit vorsichtiger Hand ein reizendes,
seines Tissanhglas herunter und be
trachtete es so angelegentlich, als habe
er etwas derartiges noch nie in seinem
Leben gesehen. Richard hatte sich
halb in seinem tiefen Sessel empor
gerichtet, er war gespannt aus die
Erklärung, die sein Bruder jetzt ab
geben würde.
(Fortsetzung solgt.)
geradewegs die Seel’ aus dem Leid·
Wo man in Fittichen itzt und
trinkt.
Nicht vom Hosbräuhaus soll hier
die Rede sein. Obwohl die Art, wie
in diesem bürgerlichen Bierpalast alle
Stände sich mischen, urbildlich ist sür
die Zwanglosigteit des Münchner Ber
tehrs, und obwohl der Umstand, daß
man es zu jeder Tageszeit voll beha -
lich zechender Gäste findet, bezei -
nend ist für den Mangel an Hast und
Geschäftseiser, der München von Ber
lin so wesentlich unterscheidet. Aber
das Hosbräuhaus ist berühmt genug.
Auch nicht von den großen Bierhallen
will ich erzählen-, Pschorr-, Augusti-.
net-, Thomas- und Bürgerbräu, die
in der Neuhauser- und Kausinger-.
straße so dicht neben einander liegen.
als ob sie in ihrem geschlossenen Aus
marschiren die Bedeutung der Münch
ner Bierindustrie darthun wollten.
Diese Gasthäuser liegen so sehr am
Wege, daß sich jeder Fremde dahin
findet. Sie sind auch ganz aus den
Fremdenverlehr zugeschnitten, und
der Münchner meidet sie deshalb. Sie
sind ihm mit ihren weißgedeckten Ti
schen und ihrer Atmosphäre groß
städtischer Restaurants viel zu charak-.
terlos und verfeinert.
Der Münchner bevorzugt neben sei
ner geliebten Bierburg am Platzl be
sonders das Matthäserbräu, das ei
gentlich noch unversälschter ist als
das Hosbräuhaus, wo zur Reisezeit
allzuviele mit Bädeter und Rucksack
bewehrte Fremdlinge einbrechen. Jm
Matthäser geht es noch urwüchslg zu
da ißt man noch von blanten Holz
tischen und der Bürger, der Künstler
und der Arbeiter sitzen in dem großen
Saale aus derselben Baut. Indessen
hat der »Garten« des Matthäser nicht ;
gerade zur Freude des Wirthes im»
Laufe des vergangenen Sommers eins
eigenthümliches Publikum betommen.:
Jn stiller Verabredung haben sich dort ;
nämlich die Elemente wieder zusam-!
mengesunden, die durch den Abbruch
des alten, in einem besonderen Sinne
berühmten »Sterngarten« heimathlos
geworden. Dieser »Sterngarten«, an
dessen Stelle jetzt das neue Waaren
haus von Tiesz ersteht, war ein hoges,
graues haus gegenüber dem Bahn os.
s war umgeben von einem Garten,
hinter dessen dichten aun man wie
versteckt vor der Groß adt unter al
ten, schattigen Bäumen saß. Während
aber in der lints vom hause gelegenen
Hälfte der Kleinbürger und Handwer
er sein Maß trant, war die andere
Hälfte ein berüchtigter Schlupswintel
des schlimmsten Gesindels, und nicht
selten erschien hier die Polizei, um die
anze Gesellschaft in corpooe abzu
u ren.
ber vom Sterngarien wollte ich
eigentlich ebenso wnig reden, wie vom
Hosbräuhaus. Jch wollte dem Leser
vielmehr erzählen, daß es in der Bier- »
stadt München auch eine Wirthschasti
ohne Bier gibt. Nicht das neue, allo- s
holfreie Restaurant »Jungbrunnen«;
meine ich, das, ebenso wie die vielbe-!
suchten vegetarischen Speisehäuser,:
einem immer sühlbarer werdenen Be-?
dü niß der geistigen Arbeiter ent
gen ommt, sondern ein uraltes, vol s
thüinliches Lokal, das, trotzdem lein
Bier dort verabreicht wird, dennoch
typisch münchnerisch ist. Der remde
aber tommt nicht dahin, es se denn,
daß er als armer Student oder Kunst
klixgkr die billige Gelegenheit aus
p« r .
-
Nicht wahr, lieber Leser, in der
Kronfleischlüche bist du nie gewexems
war, wenn du München besucht ast,
ist du oftmals daran vorübergegan
gen. doch die Pforte ist schmal und
unscheinbar, sie will gesucht fein. Jn
dem albdunlel unter den Arladen
des al en Rathhauses steckt sie halb in
der Erde, und ein paar Stufen führen
u ihr hinunter. Ueber der Thür
teht in allfränliäsen Lettern, halb
verwaschen, das ort «Kranflets -
litche«. Oeffnet man die Pforte, o
ste t man in einem langen, schmalen
wetßgetiinchten lur, der nur an fei
nem oberen En e rechts wieder eine
schmale Thür hat. Sie führt in einen
weißgetiinchten, lellerarligen Raum,
den ein feuchter warmer Küchenschwa
den wie Nebel erfüllt. Auf lan en
Bänken an weißgescheuerten Tis
sen Männer und Frauen, emsig aus
ihren Suppennäpfen löffelnd oder ihr
Fleisch verzehrend, das auf hölzernen
Tellern gereicht wird. Die S zialis
tät des ufes ist »Kron, ge otten'·,
ein get-ob nlich als minderwerthig be
» trachtetes Stticl vom Ochsen, das aber,
ian besondere Art zubereitet End noch
j blutig, ehr schmackhaft ist. Der
s Leckerbi en ist so viel belfehrt, daß er
smeist schon gegen elf r Morgens
ver kiffen ist. Vielleicht eht es mit
idie er großen Nachfra e im fusams
)menhang, daß in der ronflei chtiiche
’das Mittagmahl früher fällt als ir
igendwo anders. mischen 10 und
11143 Uhr Morgens ist die stärlgesres
quen . Da ist die Stube vollge taugt
mit ienstmännern, Kutscher-n Hand
werlern und Arbeiterfrauen· Man
merkt es, die meisten sind Stamm
gäste; sie stehen mit der Kellnerin auf
vertraulich freundschaftlichem Fuß, so
daß sie es nicht mehr für nöthig hält,
mit der Bedienung sonderlich Umstän
de zu machen. Auch über die Straße
wird viel geholt. Kinder und Laus
frauen stehen mit Kötben in der iisr.
n einem schmalen, flurartigen e
ben immer finden sich die besseren
Gäste usammen, aber selbst hier fällt
eine ruppe von Ladenmiidchen schon
fast als elegant unter den übrigen,
; derberen Gestalten auf.
s Obwohl in dieser Wirthschaft die
s Preise fast die gleichen sind wie in der
;Vollstiiche, deutet man einen Besuch
; in der Kronfleifchtiiche keineswegs als
s ein Geständniß von Armuth. Jch kenne
sman nicht schlecht gestellte Maler
» und chriftfteller, die ab und zu dort
jeinkehren, theils um des guten Flei
! sches willen, theils, weil das Treiben
i fIir Leute, die Volksleben und Volls
; thpen sehen wollen, höchst reizvoll ist.
Es ist nun seltsam, wie sehr sich das
eben geschilderte Publikum von dem
jenigen der Miinchner Volkskiichen un
terscheidet. Dieses hat bei weitem
weniger örtliches Gepräge und ist un
interessanter, trotzdem oder weil es
mehr nach Arbeit aussieht. Bezeig:
nend ist schon, daß in der Bollstii
die Zeit des stärksten Besuches mit der
Mittagpaufe in den Geschäften und
Betrieben zusammenfällt. Die Leute,
die in der Kronfleifchkiiche sitzen, ha
ben zu jeder Stunde Zeit, die in der
Vollstiiche sind in ihrer Zeit be
schränkt und entfernen sich wieder nach
hastig eingenommnm Mahl.
Die Münchner Volkskiichen gehören
zu den bestorganisirten in Deutsch
land, und obwohl die Unternehmung
erst seit sechs Jahren besteht, werden
in den drei in verschiedenen Stadt
Itheilen belegenen Hallen heute täglich
etwa 4000 Personen gespeist. Die
größte Anstalt ist in der Hotterstraße,
einer schmalen Seitengasse der Alt
stadt· Dort sieht man gegen Mittag
ganze Trupps von Männern und
Frauen auf der Straße vor dem
schwarzen Brett stehen, aus dem die
Speisen des Tages ver-zeichnet sind.
Es giebt: Suppe für 5 Pf , Erbsen
piiree für 5 ng., großes Fleisch mit
Gemüse 25 Pfg» Hammelragout mit
Knödel 25 Pfg» Reis mit Rosinen 12
Pfg-. Kompvtt 5 Pfg-. Koffer 5 Pfg—
Man kann sich also für 35 Pfennig
ein sehr ordentliches Mittagessen, be
stehend aus Sappe, Fleisch- Gemüse
und Kompott zusammenstellen. Jst
die Auswahl etroffen, so schließt man
als letzter si der langen Reihe an,
die sich durch den Flur an der Kasse
vorüberschiebt. Dort sagt man seine
Wünsche und erhält fiir seine Bezah
lung entsprechende Matten, mit denen
man sich zum Büfett begiebt, um dort
die Speisen in Empfang zu nehmen.
Dieses lange Büfett bildet die einzige
Scheidung zwischen Speisesaal und
Küche, so da alle Hantirungen der
Zubereitung ich offen vor den Gästen
vollziehen.
Es giebt aber immer noch viele den
unteren Ständen Angehörige, die sich
scheuen, in die Voltskiiche zu geIm
weil sie fürchten, dadurch zu den r
men gezählt zu werden. Diese, wenn
ihnen auch die einfachen Wirthshäu
ser, die fiir 45 und 50 Pfennig »Gu
ten Mittagstisch« anzei en, zu theuer
sind, speisn im »Austo geschaft«, das
auch eine Münchner Spezialität ist.
;Die Hauptersparniß gegenüber dem
HWirthshauö besteht darin, daß man
stein Bier zu trinken braucht. «Das
tAuskochgeschiist findet sich meist in
lverkehrsarmen Straßen in einem fei
i ner schlechten Lage wegen unvermieth
Ibaren Laden. Dem Vorüber ehenden
T macht es sich bemerkbar durch ie Ber
Yge von Dampfnudeln, Auf-gezogenen
Hund Gugelhupsen, die zwischen Eisen
istöcken im Schausenster prangen. Da
s neben lehnt eine Schiesertasel, aus der
idie Speisesolge des Tages verzeichnet
I steht. Wer die Leibgerichte des
» Münchner Kleinbiirgers kennen lernen
zwill, hat hier Gelegenheit. Da wech
jselt Nudel- und geriebene Teigsuppe
Hmtt Lebernockerle und Spe le; es
lgiebt Pslanzeln und Lun l, otschen
imit Kartoffeln und Mehl peisen aller
Art; als Getränke Milch und Limb
naden und in den Nachmitta sstunden
Kassee« die Tasse zu zwölf sennigen.
Das Publikum wechselt schnell. Es
kommen Lausmiidcheu und Lausburs
schen im Vorübergehen, Ladenmiid
chen, stellenlose Kellnerinnen und
Dien tmädchen, überhaupt viele Weib
lein, ie lieber hier, als in einem Bier
haus eintehren.
Der Leser-sieht, in all den genann
ten Lolalen mertt man nichts von der
»Bierxtadt« München, und man tommti
da sat zu der Annahme, daß es mit
dem Bierverbrau am Ende gar nichts
so sehr schlimm st, tote man immerj
annimmt, oder da wenigstens ein«
weiter Kreis der völlerung unbe
theiligt daran ist.
Detta Zilseru