Yeöraska StaatI-3n2e1ger nnd Yerold — JPdehH usgeinF Gm udJsumWeb Tez.1904 (Zw MtTht) Jmhgug25 No.17 · zum echt-Weste Don PaulPasig Nun senlt aus leisen Engel-schwingen Sich nieder die geweihte Nacht, Und Iriedenstvorte hör’ ich klingen Und Lust und Freude sind erwacht, Das herz, gebeugt von Alltagssorgem Stimmt froh in solche Klänge ein; Es ahnt: Ein rechter Weihnachtsmor gen Muß auch ein Fest des Jubels seinl Und ob des Kummers leichte Zähre Der Armuth von der Wange rinnt: Daß es die Leidensnacht verkläre, Erschien des Höchsten Weihnachtskind. Es scheucht hinweg die trüben Sorgen Und läßt den Wethnachtsstrahl herein, Fürwahr, ein rechter Weihnachtsmot gen Muß auch ein Fest des Lichtes sein! O ew’ge Liebe, einst geboren Jn Armuth und in Niedrigleit, Du suchst, was elend und verloren, ( Und wandelst es in Herrlichkeit! Kein Hüttchen bleibt vor Dir verbor gen, Nicht ungehört die stumme Pein; Du lehrst: Ein rechter Weihnachts morgen Muß auch ein Fest der Liebe sein! So lehre denn in trauter Stille Auch heute wieder bei uns ein, ( Und spende Deiner Gaben Fülle s Und Tannenduft und Kerzenscheint Jn Deinem Schooße trägst verborgen 4 Ein Kleinod Du für Groß und Klein, » Wir ahnen’s wohl: Ein Weihnachtg- ! morgen ! Muß auch ein Fest des Segen-J sein! Schutzengel und Chrtsttind. Eine Weihnachtsgeschichte - von L. M ö n i tz. i Der Winter trieb es diefes Mal mit ; seiner Gewaltherrfchaft gar arg und die Menschen mußten alle Mittel an- » wenden, um feinen Grimm ertragen zu - tönnen. Den armen Thieren, die sich nicht in die Ferne gesliichtet oder in ir gend einer sicheren Kammer zu mehr- I monatlichen Schlafe sich hingelegt hat- ; ten, erging es nur zu jämmerlich; denn die Barmherzigkeit derMenfchen, wenn sie auch daran gedacht hätten, den noth leidenden Thieren Hilfe zu bringen, hätte keineswegs ausgereicht; überdies mußten diejenigen, welche sich des Ue berslusfes erfreuten, doch vor Allem dessen inne werden, daß die Menschen briider in ihrer Nähe nicht allein in der Lage sind, sich gegen das harte Regi inent des Winters ausreichend zu schli tzen. Hunger und Frost sind gar arge Quälgeister, denen die besitzlofen Men schen ausgesetzt sind, besonders wenn sich ihnen noch Mangel an Arbeit zu gesellt. Denn die Arbeit ist allezeit und in jedem Stande ein Segen; nicht nur daß fie die Mittel zur Erhaltung und Berschöneeung des Lebens herbei fchafst, sie erhält auch das Gemiith frisch, froh und zufrieden. Draußen am Saume des Waldes ftand eine armselige Hütte, bewohnt von einem Arbeiter und feiner Frau und drei Kindern. Das sind fünf Personen, die zu ernähren waren. Da zu kam noch der Großvater, der schon seit Jahren sich nicht mehr von dem dürftigen Lager erheben konnte. So lange die schöne Jahreszeit war, gingen Mann und Weib in die Arbeit und verdienten Tag für Tag, so viel eben gebraucht wurde, aber auch nicht mehr; doch als der Winter einzog und der regelmäßige Verdienst aufhörte, kehrten alle Schrecken der Arbeitslosig keit in dieser Hütte ein· Der Mann ging täglich einige Stunden weit in die benachbarten Ortschaften, fand hie und da etwas Arbeit und armseligen Lohn; aber fo wie der Winter vorrtickte, wur den Beschäftigung undLohn immer sel tener und dasElend immer schrecklicher. II if If Die vierte Dezember-wache war her angekommen. Trotz der grimmigen Kälte, die andauernd herrschte, schlu gen unzählige Kinderherzen in freudi: ger Crregung dem schönen Abende ent- s egen, der ihnen der liebste im ganzen Fahre ist. Um diese Zeit kehrt doch im mer in die Kreise der lieben Jugend ei ne Unruhe ein, welche den Eltern und Lehrern viel zu schaffen macht. Man denlt und spricht, ja, man träumt so gar vom Christkind und seinen Gaben. Wir belauschen ein solches Gespräch im Hause des Dr. Grosser. ,,·Ob denn das Christlind auch wirklich selbst lomtnt,« sagte am 23. Dezember der aclitiiihrige Ernst Grosser zu seinem zehnjährigen Schwesterchen Elsa. Sie saßen Beide in der Dämmerung des Abends bei’tn genster und sahen dem Treiben des indes mit den jetzt nicht gar zu reich lich fallenden Flocken zu. Die beiden Kinder sliisterten nur; denn sie dachten, die Mutter wolle schleifen. Frau Dr. Grosser war seit einiger it leidend und mußte sich öf ters au das Ruhebett legen, was sie denn auch eben jetzt gethan hatte. »Ich glaube nicht,« sagte Etsch »daß es selbst kommt, aber ich weiß doch nicht, tvte es die Geschenke in jedes Haus u den Kindern bringt« »Un warum glaubst du’s nicht«-» fragte Ernst wieder. »Etgentlich,« sagte Elst, ,,iann es doch totnrnens nur kommt es so, daß wir esnicht sehen können; denn schau,« segte sie einziger und darum auch lau ter fort« » D ist gerade so. wie mit dem SchuhengelY Jch habe ihn schon oft gebeten, daß er sichtbar zu mir komme. Gestern Nachts habe ich zu ihm wieder gebetet und ihm gesagt, daß ich ihm zu Ehren ein weißes Bett und schneeweißes Hemd habe, auch fromm sein will, und da habe ich lange hin ausgeschaut durch das Fenster auf den Mond und zum Himmel — er aber ließ sich nicht blicken und ich schlief ein.« Darauf sagte Ernst:-,,Er ist vielleicht doch zu dir gekommen und hat dich be schützt, aber wie du schon geschlafen hast« Vielleicht lann er sich nicht sicht bar nrachen, denn er ist doch ganz ge wiß sehr ütig und thäte es sons .« — Ietzt wur zum Nachtmahl gerufen: «e Mutter erhob sich und ging, jedes ihrer beiden Lieblinge an einer Hand führend, in das freundlich erleuchtete und behaglich erwärmte Speisezimsmer, wo der Vater, von Krankenbesuchen zu rückgekehrt, schon am Tische Platz ge nommen hatte. « Nach der Mahlzeit setzte Herr Dok tor Grosser seiner Frau auseinander, daß er am folgendenNachmittage in die Hauptstadt reisen und wohl bis zum heiligen Abend dort verweilen wijrdr. »Ihr. liebe Kinder,« sagte er, ,,werdet gewiß sehr brav sein, damit sich dann das Christkind mit schönen, reichen Gaben einstellen kanni« »Gewiß!« sagte Elsa, indem sie den Vater umarmte und ihm einen herzhaf ten Kuß versetzte; Ernst aber sagte, daß doch der Vater ja sicher schon am Nachmittag des heiligen Abends zu riicktäme, weil das Christlind vielleicht durch feine Hände ihm und der Elsa Gaben schicken wolle. Der heilige Abend kam. Die Nacht brach herein. Jn allen Häusern der Straßen waren deleuchtete Stuben, in denen Christbäume prangten, und in den meisten waren auch glückliche Kin der zu finden, die sich an den Lichtern, an der Pracht und an den schönen Ge schenken freuten. Nur in dem Hause des Doktors Grosser fehlte noch der Festglanz des erleuchteten Christbau mes. Mutter und Kinder saßen irr der nur von einer Lampe erhellten Stube und harrten in Sorge und Ungeduld des Hausvaters. Die Schlafzeit rückte immer näher-, auf der Straße war es ganz still. " Endlich, endlich vernahmen sie das Vorfahren eines Wagens, unter wel chem der hart gefrorene Schnee knirsch te. Die Kinder rissen die Thiir aus, stürzten die Treppe hinab, und o Ju bel! der Vater kam ihnen wohlvehalten entgegen. »Bist Du über mich recht böse, Ernst, daß ich das Christlindlein nicht zu Haufe erwartet habe?« fragte Doktor Grosser. Er wartete aber auf die Ant- l wort des Knaben nicht und eilte dies Treppe empor, um die Mutter zi: beru- » higen. I ,,Ehe ich euch denGrund meiner Ver- i spätung erzähle, lasset uns den Christ- s baum anzünden,« sagte der Vater, und ; einen festlichen meiß nehmen, aber zugleich den Himmel preisen, das-, ers uns mit seinen Engeln schützt.« » »Warum bleibt aber der Chrisibaum s leer, Väterchen!« sagte jetzt Frau Gros ser, ,,hat dir das Christiind in der Stadt nicht« wie wir alle gehofft, Ge schenie für unsere Kinder mitgegeben?« »Geschenie gab es mir wohl, aber ich glaubte, dasz dieselben dieses Mal an eine andere Adresse gerichtet waren. Jch will euch das genauer bei Tische erzäh len,« sagte derDoltor und so ging man zum Essen.— Als das Mahl zu Ende war, erzählte der Vater: »Im wohlbe packten Wagen machte ich mich heute nach Mittag auf den Heimweg. Jhr wißt wohl, wie sehr lalt es draufsen ist. Mir konnte der Frost nichts anhaben in dein verschlossenen Gefährt. Desto größer mußte natürlich mein Schrecken sein, als ich auf offener Straße ein Mädchen sah, das beiläufig so alt wie unsere Elsa war und in leichten Klei dern halb erstarrt sich miihselig fort schleppte. Jch ließ den Wagen halten und redete das halb erfroreneWesen an, indem ich sie sogleich einsteigen ließ. Sie brauchte lange, ehe sie sich im Wa en erwärmt hatte und zu sprechen fä Fig war. Jch entnahm ihrer schluch zend vorgebrachten, unzusarnmenhäip genden Rede nur, daß demVaier etwas zugestoßen, daß sie etwa eine halbe Stunde unterwegs sei, um Hilfe zu su chen. Der Kutscher erhielt sogleich die Weisung, nach der Richtung zu fahren, wo die Eltern des Kindes wohnen. Das Elend, das ich in der Hütte am Waldesrande draußen sand, will ich nicht beschreiben. Ich traf den Vater, der einTsaglöhner it, in einer schweren Ohnmacht. Der Wein, den ich zur heu tigenFestseier mit heimbringen wollte, half mir, denArmen wieder zuBewuszt sein und Kraft zu bringen. Auch das Mägdelein, das-beinahe das Opfer ih rer kindlichen Liebe geworden wäre, mußte vondein Weine trinken. Der auövater, das war mir klar, hatte elbst hunger gelitten, und wäre auch Hungers gestorben, um die lehten Bis , sen seinem alten Vater und seinen Kin dern zukommen zu lassen. Die Ver zweiflung über die Noth, aus der er eine Rettung sah, that das-Uebrige, ihn aller Kraft zu berauben und «-— sagt, Kinder, hat nicht das Christkind mich selbst zu diesen braven Leuten ge führt, daß ich sie rette? Der Schinlen, den ich in einer Auslage der Stadt ap petitlich herauslugen gesehen hatte, der in unsere Speiselammer wandern sollte, hat ihnen nag; langen Wochen wieder die ersten Bi en Fleisches dar geboten! Und damit diese bedauerns werthen Kindlein das erste und viel leicht das einzigemal in ihrem Leben auch die Freuden der Christgeschenle losten können, ließ ich ihnen Alles dort, was für meine guten Kinder bestimmt war. Jch kann Euch ja nach dem Feste anderes kaufen, was Euch freut.« »O nein,« riefen beide Kinder zu gleich, »wir wollen keine anderen Ge »fchenle! Wir sind schon ganz froh. daß du nur wieder bei uns bist,« setzte Ernst hinzu. Und Elsa bemerkte: »Es soll gewiß nicht das letztemal sein, daß diese armen Kinder Weihnachtsge schenke bekommen! Wir werden jedes Jahr auch wieder an sie denken!« »Das sieht meiner kleinen Elsa ähn lich!« sagte der Vater. »Dich segne der Himmel, daß du uns ein so gutes Eng lein bleibst, wie du jetzt bist.« Am folgenden Festtage, als die Kin der ihren Eltern den Morgengruß gaben, sagte Ernst zu seinem Vater: »Wir, Elsa und ich, möchten dich um ein Weihnachtsgeschenl bitten. Dürer wir?« ,,Selbftverständlich!« versetzte Dr. Grosser, neugierig auf das, was da kommen wird. »Ich habe es doch euch versprochen; wünschet euch nur etwas!« »Wir möchten gerne selbst diese Kin der und ihre Eltern und die Freude sehen, welche sie mit den Sachen haben. Auch wollen wir ihnen von unserem Weihnachtskuchen bringen!« Der Vater erfüllte gerne diesen Wunsch und zu seiner Frau sagte er später, als die Kinder aus der Stube waren, mit Freudenthränen in den Augen: »Von unseren Kindern gilt der Spruch: »Selig sind die Barmherzigen und seliger im Geben denn Empfan gen!« Frühzeitiger Weihna chts - Ein kauf. Humoreste von Eugen valani. —-—-« l Tante Aurelie ist eine ungemeins praktische Dame; wenn alle anderenf Leute noch gar nicht an Weihnachten( denken, dann wendert sie bereits von Geschäft zu Geschäft, um Weihnachtsi einläufe zu machen. Erstens, »so er klärt sie allen Bekannten, bedienen mich dann die Leute viel aufmerksa mer, wenn in den Geschäften noch nicht so viel Gedränge ist, und zwei tens findet man auch noch Alles, was man kaufen will; die Lager sind noch nicht so ausgesucht. Und dann, so fügt der neckluftige Onkel Gustav hinzu, kann man, wenn man im Oktober seine Weihnachtss einkäufe macht, bis zum December noch mancherlei umtauschen, wenn man an der Taufchfucht leidet. Tante Aurelie ist bei allen Ge schäftsleuten der Stadt wegen ihrer Kaufluft bekannt, aber nicht gerade sonder-lich gefürchtet, denn die Herren wissen aus Erfahrung, daß sie nach dem Austaufch sich stets die ältesten Ladenhiiter ausreden läßt, weil sie dann in einer gewissen Zwangslage sich befindet und kaufen muß, was man ihr vorlegt. Und gangbare Ar tikel legt man ihr dann einfach nicht Vot. Indessen würde man Tante Aurelie Unrecht thun, wenn man behaup ten wollte, daß sie, wenn sie in Ge schäften Waaren umtauschen muß, immer nur einer krankhaften Nei gung folgt. Manchmal ist sie auch nur das Opfer eines ganz ausgesuch ten Pechs, und das ist z. B. in dem Fall die Ursache gewesen, den wir hier erzählen wollen. Tante Aurelie hatte für ihre Au guste, die schon ein paar Jahre lang als Köchin in ihren Diensten stand, einen Winterpaletot zu «Weihnachten gekauft. Das war um die Mitte des October geschehen. Da Tante Aurelie recht zufrieden mit ihrer Köchin war, so hatte sie sich nicht lumpen lassen wollen, hatte Au guste mit in’s Geschäft genommen und sie selbst sich einen Winterpaletot auswiihlen lassen. »Den bekommen Sie natürlich erst am heiligen Abend«, hatte sie dann zu Hause zum Mädchen gesagt, »Sie wissen, was er kostet. Es ist ein gutes Stück. Den können Sie eine tleine Ewigkeit ha ben! Na; ich hoffe, Sie werden ihn s« bei mir austragen. « Natürlich wollte sie zu dem Pale ;tot, daß das Mädchen auch zum »Weihnachtsfest überrascht werde, noch einige Kleinigkeiten taufen, die ein Mädchen immer gebrauchen kann. . Tante Aurelie freute sich ordentlich über den Einkauf, und Abends, als der Gatte aus dem Geschäftslomptoir heimtam, zog sie den Paleiot selbst iiber und stellte sich dem Gatten mit den Worten vor: »Sieh’, Männe, was ich für die Auguste zu Weih nachten gekauft habe. Ein feiner Winterpaletot, was! Solcky feinen habe ich selbst beinahe nicht. . »Na. wenn wirst’n denn umtau schen Rel’chen?« antwortete der atte , »Ach, neck’ doch nicht immer! Ich hab’ Auguste mit in’s Geschäft ge nommen, und er paßt ihr, als wenn ver für sie gemacht wäre.« »Na, umtauschen wirst’n aber doch, Rel’chen!« »Weshalb denn?« »Na, liest« Und mit diesen Worten reichte der Gatte ihr einen Brief, der in unleser licher Schrift geschrieben war und also lautete: »Fererre Hehrschaftenl Da Jch doch die Auguste, welche bei? Sie dinnt, nach Weihnacht heuratent ill, so frage ich Ihnen höfflich an,t b die Auguste würklich, wie sie sacht, ohb Sie auch würklich nicht zänkschs ißt. Denn dahn nehm ich Sie nicht Aber Jch bitte sehr, nichts fon dies an Auguste zuh sagen. Jch verbleihbes in Ahchtunl ihr Georg Hofmann, Kleinpner. Müllerstraße 23 im Keller.« Als Tante Aurelie diesen Brief ge lesen hatte, was sie sehr ärgerlich. Nein, das hätte sie denn doch nicht geglaubt von der Auguste, die nun schon zwei Jahre bei ihr war. Daß ein Mädchen an’s Heirathen denkt, ja, das konnte sie keiner verargen, aber daß Auguste so hinterlistig sein würde, sie bald nach Weihnachten sitzen zu lassen, das war ihr, der sTante Aurelie doch noch nicht in ih rem Hause vorgekommen Das wollte «sie sich durchaus nicht gefallen lassen. »Noch heute werde ich ihr kündigen und morgen trage ich den Winterm letot zurück! Jch packe ihn schon wie der sauber ein Und zu mir sagt die( Augusie, daß sie einen Bräutigam hat, i der jetzt in ihrer Heimath bei den Sol daten steht und den Sie erst nach zwei Jahren heirathen könne. Nun, von ihr hätte ich’s nicht geglaubt. Zeig’ doch noch mal den Brief her, Männe!« »Ich gab ihn Dir ja, Rel’chen!« »Aber ich habe ihn Dir doch zurück gegeben!« »Nein, Rel’chen, ich hab’ ihn nicht!« »Du wirst ihn eingesteckt haben, Männet« Während Onkel Gustav nach dem Brief in allen seinen Taschen suchte und Tante Aurelie in den auf dem Tisch liegenden Zeitungen herum kramte, kam Auguste herein, um den Tisch zum Abendessen zu decken. Da fuhr es denn der noch sehr erregten Tante Aurelie heraus: »Sie können zum ersten gehen, Auguste!« »Was sou Ich, gnaoge Frau-« ant wortete ganz arglos die Köchin, die nicht recht zu verstehen glaubte. »Sie können den Dienst verlassen zum ersten.« »Warum denn, gnäd’ge Frau?« ,,Denken Sie denn, ich werde war ten, bis Sie mir den Stuhl vor die Thür setzen und Sie sich verheira then? Jch denke nicht daran: anstän dige Mädchen ziehen nach Weihnachten nicht. Da würde ich schön hineinfallen. Da werde ich mich wohl hüten, Jhnen noch erst zum Weihnachtsfest ein so kostbar-es Stück, wie diesen Winterpa letot, zu schenken. Den trage ich mor gen zurück!« » Auguste wußte zwar nicht, was plötzlich in die Herrschaft gefahren war; daß der Herr vielleicht plötzlich entdeckt habe, daß sie die kostbare Meißner Vase, deren Henkel sie kürz lich abgebrochen, habe titten lassen, konnte sie nicht glauben, denn davon war ja nicht die Rede gewesen. Und was sonst die ,,Gnäd’ge« gesprochen, das verstand sie einfach nicht« Jn dessen Augufte gehörte nicht zu jenen Mädchen, die um eine Stelle betteln. Erstens war sie stets brav und or dentlich gewesen und hatte vorher ein sehr gutes Dienstbuch und dann hatte sie auch Eltern, die in guten Verhält nissen lebten und sich sicher freuen würden, ihre Tochter wieder einmal ein paar Monate bei sich zu sehen. So schwieg sie denn voll Troy zu der Kündigung - Anderen Tages hatte Tante Aure lie am Vormittage nichts Eiligeres zu» thun, als den gestern gekauft-en Pale- i tot wieder zurückzubringen Natürlich kannte man sie dort im Geschäft gut genug, um ihr sofort zu willfahren und einen Umhang dafür umzutau schen, den sie selbst tragen wollte, wenn sie ihn auch nicht gerade gebrauchte. Auguste aber hatte die Frau mit dem schönen Weihnsachtseinkauf wie der fortgehen sehen; das wurmte sie denn doch nicht wenig. Sie hatte sich fchon so sehr auf den Winter paletot gefreut. ,,Nun,« so dachte sie, »so arm sind wir ja auch nicht gerade; da kaufe ich ihn mir selbst zu Weihnachten von meinem Ersparten!« Und damit sie denselben Paletot nur ja auch wieder bekomme, bat sie Nachmittags die ,,gnäd’ge« Frau, ,,ob sie ausgehen dürfe; sie müßte sich doch ’ne Stelle beschaffen.« ,,Meinetwegen, gehen Sie!« sagte Tante Aurelie ärgerlich. »Sie haben ja das Recht, zweimal wegen einer Stellung auszugehen; denn Sie wer den doch nicht wegen der paar Mo nate in einen Dienst treten!« Das verstand nun zwar Auguste auch wieder nicht, aber sie war froh, gehen zu dürfen, und so ging sie di rett nach dem Mäntelgeschäft, in wel chem sie den Tag vorher mit ihrer Herrin gewesen und ließ sich denselben Paletot wiedergeben, bezahlte ihn aus ihrer Tasche und ging damit heim. Jn ihrer Küche hatte sie dann nichts Eiligeres zu thun, als ihn von Neuem anzuprobiren und sich in dem schönen Kleidungsstück zu drehen und zu wenden. Natürlich griff sie dabei auch in die Tasche, und da hielt sie plötzlich ein Stück Papier in der Hand. Sie nahm’s heraus, entfaltete es und las den Brief des Klempners Georg Hoffmann. Und der Jnhalt dieses Schreibens, das der Leser kennt und das Tante Aurelie gestern aus Verschen in den Paletot gesteckt hatte, den sie gerade angehabt, interessirte Auguste so leb haft, daß sie nichts sah und hörte, was um sie vorging, sondern ganz vertieft in die Lektüre war, bei deren Beschluß sie nun ganz laut ausrief: »Na s’on Ochse!« »Wer ist ein Ochse?« fragte Tante Aurelie, die plötzlich hinter Auguste stand. »Na der kleine, schiefe Klempner!« »Welcher, den Sie heirathen wol len?« »Was?! Jch!! J’ ich denk ja gar nicht d’ran! Jch werd’ doch meinem Willem treu bleiben, der zum Herbst von’s Militär frei kommt und sich im Jahr später selbstständig macht!« »Dann heirathen Sie also nicht nach Weihnachten?« »J wo werd ich denn?« »Na, warum haben Sie denn das nicht gestern gleich gesagt!« »Na, das konnt’ ich doch nicht, denn Sie haben ja gar nicht darnach ge fragt!« So tam’s denn durch den frühzei tigen Weihnachtseinkauf heraus, daß sich der kleine, schiefe Klempner Schwachheiten eingebildet hatte, zu denen ihm Auguste niemals Berechti gung gegeben. Natürlich wurde die Kündigung so fort riickgängig gemacht. Den Pa letot konnte Auguste natürlich nun nicht mehr zum Weihnachtsfest be kommen, daß aber Tante Aurelie gleich andern Tages andere kostbare Geschenke siir Auguste besorgte, das kann ich verrathen, ebenso, daß sie auf demselben Wege auch den Um hang wieder in das Geschäft zurück brachte. Sie hatte es sich überlegt, sie könnte ihn doch nicht gebrauchen. Sie tauschte ihn gegen eine Jacke um, welche vielleicht ihre Nichte Klara ihr abnehmen konnte, als Weihnachtsge schenk für deren Dienstmädchen Als sie mit dieser Jacke nach Hause ging, dachte sie so bei sich: es ist doch gut, wenn man die Weihnachts-Ein läufe recht zeitig besorgt. Da kann man noch immer die Dispositionen ändern, wie man will. - Weihnachtswanderung. Hörst auch Du die leisen Stimmen Aus den bunten Kerzlein dringen? Die vergessenen Gebete Aus den Tannenzweiglein singen? Hörst auch Du das schüchtern-frohe Helle Kinderlachen klingen? Schaust auch Du den stillen Engel Mit den reinen weißen Schiviiigen?. . Schaust auch Du dich selber wieder Fern und fremd nur wie im Traum? Grüßt auch Dich mit Märchenaugen Deine Kindheit aus dem Baum? Ein Freundschaft-bewen. . Der Pariser Atademiter oisenon war einst vom Prinzen Co ti zum Mittagessen eingeladen. Wer aber nicht erschien, war Boisenon, und zwar einfach deshalb, weil er den« Tag vergessen hatte Er begegnete kurz darauf einem Freunde, der ihm mit theilte, daß der hohe Gastgeber sehr ärgerlich auf ihn sei, belehrte ihn über. den begangenen Verftoß. Der gelehrte Herr aber wußte sich .zu helfen Ruhig, als wenn nichts vorgefallen wäre, fand er sich an ei nem der nächsten Empfangstage als ungeladener Gast bei Seiner Hoheit ein, in der Absicht, den erzürnten Gönner wieder auszusöhnem Sowie der Prinz den anscheinend so unhöflichen Akademiker auftauchen sah, wandte er ihm mit nicht mißzu perstehender Deutlichkeit, als Zeichen seiner Ungnade, den Rücken zu. Doch Boisenon ließ sich nicht ver blüffen. »O, mein Prinz,« rief er mit offenbarer Freude aus, »wir froh bin ich, und wie sehr danke ich Ihnen!« Erstaunt drehte sich Prinz Conti um und musterte mit sichtlichem Be fremden den sonderbaren Gast. »Man hat mir nämlich gesagt,« fuhr mit der gleichen Unbefangenheit der Gelehrte fort, »daß Sie mir zürnten, doch, wie ich eben jetzt zu meiner großen Freude sah, ist das ja gar nicht wahrl« »Woraus schließen Sie denn das?« fragte Conti verwundert. »Weil Eure Hoheit mir den Rücken zeigten!« erklärte, sich verneigend, der geistvolle Gelehrte. »Das thut ein Conti niemals —- einem Feinde ge genüber!« Der tapfere Conti war versöhnt und reichte seinem Gaste lachend die Hand. — Weihnachten. Die Tage der Berheißung sind nun vorüber, und die Erfüllung tritt in ihr Recht. Was wir in wochenlangem Fleiß mit stiller Freude gesäet, ernten wir jetzt im Kreise unserer Lieben, die uns unser Mühen mit leuchtenden Blicken und freundlichen Worten dan ken. Heute verstehen wir das Wort: ,,«Geben ist seliger, denn nehmen«; heute empfinden wir die Weihe dieses Festes, das anders geartet ist, als die anderen Feiertage. Denn Weihnachten ist nicht blos ein tirchliches Fest, wie Ostern und Pfingsten, es ist ein Fa miliensest im schönsten Sinne des Wortes; es weckt die edelsten Gefühle in unsern Herzen und sacht den gött lichen Funken in unserer Seele, wo er das gtnze Jahr hindurch halb erstickt unter der Asche der Selbstsucht ge glommen hat, zu neuer Gluth an. Es knüpft die Familienbande fester, und Dankbarkeit, die schönste aller Tugen den, findet reichliche Gelegenheit, sich zu bethätigen. Weihnachten )ist nicht bloß. das Fest der Geburt Christi, son dern auch die Feier des Wiederer wachens der Menschenliebe in unserem Gemüth, des Erblühens schöner Em pfindungen in unserer Seele. Wer kennt nicht Dickens Märchen »Die Weihnachtsglocken«, wer kennt nicht Scrooge, den hartherzigen Filz, den Menschen ohne Gefühl und edlere Empfindung, wer hat sich nicht an den Visionen des Einsamen ergötzt, dem in der heiligen Nacht sein verstor bener Compagnon, mit einer langen Kette belastet, jammernd erscheint, und wer hat sich nicht an der Wand lung erfreut, die mit dem alten Scrooge vorgeht? Es ist ein Märchen nur, der Phantasie eines Dichters ent sprungen, und dennoch enthält es Viel Weisheit. mehr Weisheit als manche dickleibige Foliantenx denn es predigt die Menschenliebe und zeigt, wie we nig dazu gehört, unsere Nebenmen schen zu beglücken, sie zu erheben und fromm zu stimmen nnd ihnen wenig stens einmal im Jahre zu zeigen, daß wir alle Brüder sind. Wie Pfingsten das Fest der erbuh ten Jugend, Ostern mit seiner Aufer stehunggseier der Trost des Alters, das aus ein zukünftiges Leben hofft, fo ist Weihnachten das Fest der Kin der; ihnen gilt die schöne Feier, und sie stehen im Mittelpunkt unserer Sinnens und Trachtens. Wir theilen ihre Freude, ergötzen uns an ihren Spielen; wir selber werden wieder zu Kindern, und die leise Wehmuth lie ber Erinnerungen beschleicht uns. Wir sehen uns selber wieder als Kinder, wie wir angesichts des strahlenden Weihnachtgbaumes gejubelt haben. Mag es auch draußen stürmen, in un serem Gemüth lebt der Frühling, und aus den Augen der Kleinen strahlt der helle Sonnenschein. Und wenn die Kleinsten der Kleinen die Händchen fromm falten und ihr mühsam erlern tes Sprüchlein hersagen, dann über tommt selbst das verhärteste Gemüth andächtige Rührung; aus dem Kin dermunde spricht eine höhere Macht zu uns, und wir verstehen die Botschaft: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede aus Erden und den Menschen ein Wohlgefallen! NO Sollt’ ein schönes Glück mich tränken, Weil es allzu rasch entfloh? Kurz begegnen, lang gedenken Macht die Seele reich und froh. Geibel. «- - si Du bist in Gesellschaft gewesen? ,,Wären’s Bücher gewesen, Wir hätten sie nicht gelesen!« Goethe.