Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 11, 1904, Zweiter Theil, Image 12

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t schon ondertoeiti ',gt te
sowi« sagte Proätsor Werner
- jung en Privatdozenten Doktor
M Seydel kräftig die Hand schilt
W
Inn hatte sich aus der Straße ge
troffen, war ein Stück iiifannnen ge
": und stand nun um Ab
Mit nehmen.
rdings Herr Professor —- das
heißt-ich dachte —ich hatte bereits
einen anderen Reifeplan in Erwägung
NOTI- so. Nun, erwägen ist fast un
mer so gut wie entschlossen Scheibe —
tpirilich schade lieber Kollege Hätten
uns sonst gefreut, wenn Sie mitgenom
men waren. Nicht wohr, liebe Su
sannef«
Er wandte sich dein neben ihm stehen
den blonden, jungen Mädchen zu über
dessen liebliches Gesichtchen bei der ab
- lebnenden Antwort des Doltors ein
leichter Schatten gehuscht war.
»Gewiß. lieber Papa!« bestätigteeg
freundlich. »Aber ich denke, der Herr
Doktor wird noch mit Reisevorberei
tungn zu thun haben, und wir wollen
ihn deshalb nicht weiter aufhalten.
Also liickliche Reise und viel Vergnü:
geankrr Doktor!«
s- -
DIE pay full einem etwas armer-treu
Blick an ihm vorüber. dann noch eine
Verbeugung büben und drüben, und
Doktor Seydel war wieder allein.
Rachdenklich schritt er die sonnenbe
schienene Straße hinauf.
Ein reizendes Mädchen, diese Sus
sanne Wetner, klug, sanft, bescheiden
Der Mann, der sie mal zur Frau be
kommen würde, tönnte sich glücklich
schaden, und schon manches Mal hatte
er darüber nachgedacht, ob er selbst
denn nicht vielleicht dieser Glückliche
sein könnte. Aber immer wieder hatte
er diesen Gedanken verworfen. Nein,
nein, es ging nicht, es ging wahrhaf
tig nicht. Doktor Seydel war von je
ber Sehn-ärmer und Jdealist gewesen
nnd ging noch weiter, als diese anma
ternen Menschenkinder, die Liebe als
tas erste und einzige Erforderniß ur
Eingebung einer Ehe erachten. » a,
er. ging noch weiter, wie diese anma
dernen Menschen, er hielt es siir uner:
läßlicb, daß ein Mann seiner Gattin
Cdie Gattin dem Manne natürlich
aus-by den Goldbarren seiner Liebe
unvertiirzt ohne ihn vorher in kleiner
Scheiderniinze verzettelt zu haben, in
dieEhe mitbringen müsse. Und das
—das war eben der Daten —- das
Dante er nicht.
Richt, daß er etwa ein Nachtreter des
edlen Don Zaun gewesen wäre. Gott
Mie! —- ein. Aber in der hinter
sten linken Kammer seines Herzens
tbwnte ein anderes weibliches Bild, ein
Bild, das zwar schattenhaft und ver
blaßt war, an das sich weder ein
Wunsch noch eine Hoffnung knüpfte.
das aber doch nun mal da war und
fIb nicht abweisen ließ —- das Bild sei
net ersten und einzigen Liebe.
Ja, auch Doktor Seydel hatte ein
mal eine «erste Liebe« gehabt. Freilich
war es schon lange her. Wie lange
· dich leich? —- Cr blieb einen Augen
- M sehen und dachte nach. .— Richtig,
III lange Jahre. Damals, als er.
ein blutjunger Student, Onkel Iris
ersten Mal aus seinem Gut in
Itetn besuchte, da hatte es ihn ge- »
Er wußte es noch ganz genau. Onkeli
Iris hatte eines Morgens in der ihm s
Wust-rächen Art erklärt: »Du, heutd
d woan wir mal dem ollen ver
rsckten Schöning aus Saurasen in die»
M regnen!« Er, Paul SeydeL hatte l
Iscr seine große Lust verspürt; Sau- T
rasen war ein Name, der so gar nichts »
MM in M Nin-Konntest Kasse !
ff---Ys-,
und er war imnier fehr fürs Poeti
fche geweer Aber dann waren sie
doch erfahren Und Saumer hatte
sicha i ein fehr hübsch gelegenes Gut
entsuwt der »olle, verrückte Schö
ning« ein febr fidele«s, altes Haus«
nnd dann ——ja dann war »sie« vor
des Ihrnbessen in s Zimmer getreten,
—fse. Lisbet Schöning, das beißt, für
ihn Hieb sie eben immer nur «fre«,
feine erße nnd einzige Liebe.
Es war eine Liebe auf den erften
M gewesen. Doktor Seybel war etzt
sich M darauf. Ob es Lisbete en
fi Irrt ers-IM, wußte er freilich nicht.
lief hatten sie überhaupt nicht
til einander gesprochen. Aber an je
des der folgenden Tage hatte er das
ers fs mißachtete ,,«Saurafen stun
denlang erröthenbertveife umlreisen
W
«-—- bis die Liebliche sich zeigte,
bis ihr theures Bild
sich ins Thal berunterneigte,
ruhig, engelsrnilb —«
- Sogar zum Dichter einiger Sonette
mr er geworden, in denen viel von
einer-fchlanten Lilie« die Rede war
und die nicht mehr ganz neuen Reime
Wien —- Schmerzen — fcheiben —
useiden' eine auffallend häufige Ver
wendung fanden. Gotte åeei Dank
» Lisbet hatte sie niemals zu ficht be
I kommen, das war ibrn eine rechte Be
www-)
Und dann an einen-i warmen, bunt
EIN-trabend ben- Iesten vor fei
·« M M, als er in Sanan einen
Wiss-O machte nnd Sidet ihn
, - bot in einer kleinen Pronrenabe
den Inrien an erbette bahatte
XX , M psu
M- —anbseliiEII-ch
.e3 bei ds- se
eite. Insel, wie hatte er nur
g- lein M! —- sein einztaer
reß dlied das setvustsetm unmittel
dcr nach diesem Ittentat spie von Fu
rien gesagt. davon gestilrzt zu sein«
Sein Schamgeflidl war doch noch nicht
ganz erstist, und bei Lisdets erschro
rtmenr SMei hatte es sich pldjlich ge
regt.
Freilich, so o jede Ertläkun
hätte er arn näch Tage nicht nan
der Universität abreisen dürfen. Das
war se, das hatte »ste« zur Verzweif
lung etrieben. Sie hatte sich zu sei
nem pielzeug erniedrigt aeglaudt und
aus Kummer darüber sich dem ersten
besten Mann zu eigen gegeben.
Ach, es war ein furchtbarer Tag für
ihn gewesen, als er die goldumriinderte
Karte in händen gehalten, auf der
Herr Schöning-Saurasen sich beehrte,
die Verlobung seiner Tochter Lisbet
mit dern Oetonoinen Herrn Pottsarten
ganz ergedensi anzuzergen.
Rein, er allein trug die Schuld, daß
die Geliebte sozusagen als ein unglück
liches Opfer der Verhältnisse zum Al
tar geschleppt worden war, und diese
Schuld strich ihn einfach für alle Zeit
von der Liste der Ehetandidaten. Nie
durfte er zugeben, daß eine Andere
das Bild feiner «schlanten Lilie« aus
feinem Herzen verdränge, und nie
durfte er es wagen, mit diesem Bilde
im herzen um die Liebe eines anderen
Mädchens zu werben, -—— nein, nein,e5
ging nicht, das war seine feste lieber
zeugung.
Dottor Seydel stand plötzlich still
Jhm war ein Gedanke gekommen.
Wie, wenn er die vor ihm liegende
Ferienzeikt zu einernt Ausflug in die
--.«l
U JUUII IIIII Msllw Niluvlk, Uqu T
einmal die Einstgeliebte aussuchen, die
vielleicht einsam und under-standen an
der Seite eines herrschsüchtigen, rohen
Tyrannen durch das Leben gings —
Er hatte einmal durch Onkel Iris ge
hört, daßbeide das väterliche Gut
Saurasen übernommen hatten. Natür
lich würde so ein Wiedersehen ja sehr
ausregend sein. Jhre Gesundheit war
vielleicht schwankend, und es versente
ihr den letten tödtlichen Stoß. Viel
leicht tras er sie auch gar nicht mehr
unter den Lebenden? ——Es war im
merhin möglich und er mußte aus
alles gesaßt sein. Nun, schlimmsten
falls konnte er wenigstens ein paar
Blumen aus das Grab seiner »gebro
chenen Lilie« legen, um dann, ein ein
samer Mann, die nie vernarbende
Wunde im Herzen, still seines Weges
weiter zu ziehen. —
Doktor Seydel war Feuer und
Flamme für diesen Plan. Noch an
demselben Abend schniirte er in fieber
haster Eile sein Bündel, und am näch
sten Morgen trug ihn das schnaubende
Dampsrosz dem Lande seines Jugend
gliickes und der Heimatb der Epid
giinse und Mettwiirste entgegen.
Es war ein sengendheißer, wollen
lsser Au Zustnachmittag als er aus der
Kleinen abnstation anlangte. Sau
rasen lag noch eine ganze Strecke jen
seits derselben. und der zweistündige
Fußmarsch aus der schattenarmen,
itaubgrauen Chaussee war durchaus
kein Vergnügen zu nennen. Aber Dol
tor Seydel watete tadser weiter durch
den Sand. Er hatte ja eine Mission,
e: durfte nicht matt werden.
Endlich tauchte das Gutshauz hin
ter den Bäumen des dazu gehörigen
Gartens auf. Schtveisztriesend blieb
Doktor Seydel stehen, fuhr sich noch
einmal mit dem Taschentuch über das
Gesicht und näherte sich dann hochllo
psenden Herzens dem Hosthar.
Aus dem hose regte sich nichts.
Ganz verschlasen lag der in der brü
tenden Sonnengluth da. Die Knechte
und Mägde waren wohl alle draußen
beim Roggeneinsabren. Vom Kubstall
her hörte man ab und u das Klirren
einer Kette oder das be gliche Drum
men eines in der Verdauung befind
lichen Wiederliiuers. ein oaar hübner
notiert-en davor im Sande, und der
Hofhund bellte nur einmal kurz auf,
dann lroch er faul und müde wieder in
feine Hütte.
«Dornröschens Schloß »s- wahrhaf
tig, Dornrögchens Schloß!« murmelte
der Doktor. Er war immer sehr fürs
Poetische gewesen.
Jetzt trat drüben aus der Stallthür
ein dicker, vierschrötiger Mann mit ge«
wöhnlichen aber sehr gutmüthigen Ge
sichtsziigem Wahrscheinlirh der Jn
speltor. Er sah wenigstens so aus.
Doktor Seydel ging den hat lüstend
auf ihn zu und fragte mit etwas
schwankender Stimme, ob Frau Poti
sarlen zu hause sei. Eigentlich hatte
er fragen wollen, ob sie noch am Leben
sei, nach einigem Besinnen sich doch
aber lieber fiir die erstere Form der
Erlandigung entschlossen. Das
schlimmste erfuhr man immer noch:
früh genug
Zu seiner unsäglichen Erleichterung?
nickte der Dicke, fügte dann freilich, die (
Mühe abnehmend und sich bedenklich
auf demKopse kreisend, hinzu: »Das
heißt, zu hause ist meine Frau wohl,
’aber ob zu sprachen? Jch weisz nicht.
Es gibt W in der R genernte ein
bischen viel zu thun. a, ich will
mal zusehen. Kommen Sie mit. «
Dann ging er vor ihm her in das
Haus hinein, nnd der Doktor solgte
ihm mit Gefühlen, die jeder Beschrei
bung spotteten. Das roar allo —- das
war derMann, an den man vor lan
hoen seine «schlanle Lilie« so
sa oerlaast hattei Ein Standal
»Um-W dränget EUM
es gatn nd nur tr
i »in »F Mit-III Pictassn skin
- ·
III- OOII W ME- III-I
W
zielte- tnrannlfche Elsnlchaften zu be
«Uarten Sie man hier drin ’n bis
chen. Jch will meine Frau fuchen!«
logiere und verfchwand mit polterni
den Schritten im Korridor.
Doktor Seydel blickte fich neugierig
im Zimmer um. Ei war kühl, wenn
es auch ftark nach saurer Milch darin
roch. Einfache birlene Möbel standen
an den Wänden, in der Mitte ein weih
arfcheuerter Eßti ch, auf dem weit
kauchige Kaffeeta en nnd eine große
Schüssel 1nit Butlerbrodfchnitten grup
pirt waren. Eine Unzahl fummender
liegen saß auf den letzteren und that
ch gütlich daran.
Der Doktor zählte die Tassen. Es
waren neun. Die Fliegen zählte er
nicht« schähte fre aber auf Millionen.
Er entfann sich nicht, jemals so viele
beisammen gesehen zu haben.
Jetzt wurde draußen im Kotridor
eine scheltende Irauenstimme laut, da
zwischen das brummende Organ des
Dicken, aber die Frauenstimme behielt
die Oberhand.
»Ok) Du wohl jemals behältft, was
ich Dir sage! —- Jch bin jetzt ein für
allemal für Niemand zu sprechen. Je
des Kind kann das begreifen. Bios
Du Döslopp nicht.'«
»Aber Lisbetting —«
»Ach was. Konntest Du den Kerl
nicht einfach abweisen? Jch laufe ihm
doch nichts ab.«
Und noch ehe der etlchroclene Doktor
sich über die merlwiirdigenGefiible, die
beim Anhören dieses Dialogg in fei
nem Jnnern durcheinanderauirlten,
llar werden lonnte, flog die Thük auf,
und herein pustete mit hochrothem Ge
sicht eine kleine, dicke Frauengestalt.
Sie trug ein graues Merinohauekleid,
das gerade auf der Brust einen band
grofzen Fettfleck zeigte, der die Blicke
crs Vom-to mugnensui aus Itui zog
Die kräftigen Arme, an denen die
Aetmel bis zum Ellenbogen aufge
streift waren, hatte sie in die Seite ge
stetnmt, und so herrschte sie ibn übel
launig an:
»Guten Tag. Aber meinetwegen hät
ten Sie sich den Weg sparen können.
Von Sommerfeld kaufe ich nichts-wie
der. Bei dem legten Kleid ist mir auch
gesichert es wäre waschecht, und nach
k —
Sie schnappte mitten im Satz ab.
Doktor Sendel machte auch ein gar zu
entsestes Gesicht. Die Arme iinten
lassenb, kam sie einen Schritt näher
heran.
»Nanu. ich denke, Sie sind der Rei
sende von dem Schnittwaarenbiindler
Sommerfeld aus der Stadt?—— Mein
Mann sagte ed doch — und nun sind
Sie’ö wohl gar nicht mal? —- Sie
kommen mir überhaupt so bekannt vor
— Sie sind wohl am Ende der —
der —« l
«Dottor Paul SendeL Ganz recht,i
gnädige — Frau Pottiarlen!« mur-«
melte der junge Mann und verneigte
sich. Dabei blieb sein Blick wieder an ·
dem Fettileck haften. s
Nun wurde sie doch ein ganz klein s
wenig verlegen. · s
«Ach Gott doch man, Herr Sei-del i
—- Herr Doktor Seydek wollt’ ich sa- l
gen, nee so was. Entschuldigen Sie;
nur den wenig ichönen«Empiang, aber
das kommt vom Uebernaichen. Sie!
bätten meinem Mann doch gleich Jbren s
Namen nennen können. Aber hübsch
ist es doch von Ihnen, daß Sie uns»
mal besuchen. Und was Sie stattlichl
geworden sind. Man kennt Sie kaum?
wieder. Na, ich hab’ mich ja wobl auch «
ein bischen verändert, — bababa —
(Himmel, das nennt sie ein bischen!’
dachte Doktor Seydel entsetzt) aber»
das ist nun mal der Lauf der Welt. —
Aber da iteb’ ich und red’ ich. und Sie
werden einen schönen Durst nach;
Jbrern langen Marsch haben. Wir
wollen aber auch gleich Kassee trinken.
Einen Augenblick nur.«--— Dich -——
Hich!«
see-.- I.u. »i. »Z- zunimmt-zis
men, die aber durchaus teine Lust be
zeigten, den Butterbrotberg zu verlas
fen.
»Gott, die etligen Fliegen. Ein
wahres Kreuz ift es damit. Versuchen
Sie«mal Jhr Veil. Ich komme gleich
wieder.«
Damit lief fie lzur Thiir hinaus
Man hörte sie draußen sehr energiich
nach Mann und Kindern rufen. Der
Doktor blieb wie dersteinert auf feinem
Stuhle Men, und so saß er noch, als
Frau List-eh diesmal rnit einer dam
pfenden Kaffeetanne von riesenhafter
Dimension, in ihrem Rahmen erschien.
Dicht auf dem Fuße folgte ihr der
Dicke. der mit ein paar verlegenen
Entschuldigungen die Hände des Dot
tors fo träftig schüttelte, daß dieser
glaubte, alle Knochen darin feien ihm
zerbrochen. hinter dem Dicken aber.
—- der Doktor glaubte seinen Augen
nicht zu trauen —- roinunelte es plöt
lich von weißblonden, rothbäckigen
Kinderispfen. Sie schaden, nein, fie
quellen förmlich zur Thiir herein, und
alle ftarrten sie ihn aus weit aufge
rissenen Augen nnderkvaadt an. Es
stellte sich später heraus, daß ej nur
sieben waren, dem Dotter Mienen sie
aber nach Dufenden zu zählen. Frau
iLisbetli nannte eine Unnrenae männ
llicher und weil-lieber Vom-nen, die
funverstanden an feinem Ohr vorüber
ziättem Dann fe te man fich an den
ffutif von den Kindern
harken ff H laufende Nöichern Die
nahen rechts und links an feiner
Seite lasj Und er vor innrer fo
ist's He endete-.
s
f
Frau Liliet nsihigte lranrdfhaft.
Idee dem armen Doktor war die
Kehle wie znwschniirn such die Un
terhaltung an der sich der Dicke nur
schweigend betheiligte. schleppte sich
mühsam hin.
»Da lind Sie wohl nun eln großes
Thier eworden, wie man so sagt,«
lachte Frau List-et.
»Ich — ich weiß nicht« Frau Polt
farlen —«
»Ach thun Sie man nicht fo. Das
werden Sie schon wissen. Noch ’ne
Tasse gefällig? Kassee ift das Beste
fiir den Durst. O Nacker Du, wirft
Du gleich die Weißbrotschniite wieder
hinlegenl Die ist fiir den herrn Dol
tor.«
Zwei rabenfchwarze Fingerchen lie
ßen die schon gefaßte Schnitte zögernd
wieder fahren. die ihm die Hausfrau
nun gleich auf den Teller schob.
»Was ich doch noch sagen wollte —
ach fo — wirft Du Dir gleich die Nase
putzem Schmutzfinl Du! -—- ja, fagen
Zie mal, bringt denn die Gelehrsam
leit auch ordentlich was ein?«
»Es geht —- allzuviel ifi es noch
nicht, Frau Pottfarten.«
»Na, wissen Sie, dann fcheint mir
das doch man ’ne llackrige Sache zu
sein. Gut essen und trinlen ist doch
die Hauptsache im Leben. Da geben
wir gern die Gelehrsamkeit fiir hin,
« was Mann?«
Der Dicke ließ ein paar understiintx
liche, grunzende Laute hiiren, während
»Frau Lisdet mit breitem, behaglichem
Herzen geschwunden sein.
Lächeln ihren Kaffee schlürfte.
Dem armen Doltor war es zu Mu
tbe wie in einem bösen Traum. Aber
trotz feiner furchtbaren Erniichterung
hoffte er noch immer. Alle und jede
Erinnerung an vergangene Zeiten
konnte doch« nicht aus Frau Ligdets
Und hatte
auch die Wirllichleit mit ihrer Profa
manches Schöne darin überwuchert, ir
klklls Mann Mllslc VIII clll Moll Isl
len, das ihm verrieth, wie troß alle
dem der einstige Liebestraum noch un
.vergessen sei»
Und wirklich legte sich über der
Einst eliebten dollwangige Züge plötz- l
lich ern strahlender Ausdruck
Vicseicht würde sie ihn nun aus-i
sordern: Kommen Sie, lassen Sie
uns noch einmal nach dem alten Lin- l
renbaum gehen —- dort im Garten — ’
Sie wissen schon —«' und wieder wür
- den die Lindenbliitier iiber ihnen rau
schen, und die rothen Rosen duslen, ge
rade wie damals an jenem Tag —
.Wissen Sie, Herr Doktor,« unter- (
E brach Frau Lisbets Stimme da seinen I
Gedankengang, «nun müssen Sie mal ’
mitkommen und sich mal meine Ferlel
»ansel;en. Siaatsthiere, sage ich Ihnen.
Sie werden Augen machen.«
Sie stand aus, hängte sich ihren
Schlüsselkorb an den Arm und merkte
es gar nicht. dass ihr Gast ein Gesicht
machte, als hätte er soeben eine Ohr
feige helommen.
Ganz mechanisch nur erhob er sich
ebenfalls und solgte der voranschrei
lenden haussrau nach der Behausung
des wurstspendenden Borstendiehes
hinüber.
Ach, es dustete dort weder nach Lin
den. noch nach Rosen, sondern nach
nicht-, als nach echtem, rechtem
Schweinestall. Dem Doktor wurde
ganz übel, und er war froh, als die
eingehende Jnspeltion beendet war.
Frau Pottsarlen," stotterle er un
sicher, noch immer nach Lust schnap
pend, »wiirden Sie wohl -—-- dürfte ich
wohl ren Garten noch einmal in Au
genschein nehmen?
Die ehemalige «schlante Lilie« brach
in ein glucksendes Gelächter aus.
»Dahahsa -— Sie Schwereniither 4
Sie! S· wollen Erinnerungen aus
frischen. 3 ja. thun Sie man nicht ;
so Sie sind durchschaut. Wissen Sie
noch damals? —- Na roth brauchen;
Sie nicht drum zu werden Jch hatte
an dem Abend gerade ein Nendez- onus
-« Nscccisssss mo-sso-sa-0 .«-h A-- I
damit Vater nichts merken sollte mit
genommen und dann machten Sie
solche Geschichten! Gott. was habe ich
mich erschrocken! Sie waren ja da
mals n so grün, da hatte ich Jhnen
so was och gar nicht zugetraut. Aber
? später haben wir oft drüber gelacht.
: Es war zu lomisch!«
Sie lachte auch jeht noch. Doktor
Seydel starrte sie wie entgeistert an.
Dann ging er plöhlich mit einem un
deutlich gemurmelten Gruß nach dem
Garten hinüber.
Als Frau Ligbet nach Verlauf
zweier Stunden ihre sieben kleinen
Pottsarken ausschickte, den noch immer
im Garten verweilenden Gast zum
Abendessen hereinzuhalen. kamen sie
unverrichteter Sache zurück. Der Ge
suchie war nirgends zu finden gewesen.
Frau Lisbet aber meinte ärgerlich
zu ihrem Mann:
»Du sollst sehen, der hat sich wieder
ohne Abschied aus sranzösisch gedrückt.
Zuzutrauen ist’s ihm wenigstens. Da
mals als Junge war er gerade so
droatsch.« —
Und sie hat mit ihrer Vermuthung
recht behalten und den einsimaligen
Verehrer nicht wieder gesehen. Nur
noch ein einziges Lebenszeichen kam
noch einmal nach einem Vierteljahr in
das baut geflogen.
El var eine zierliche Karte, aus der
die Worte standen:
Manne Wer-net
Dr. Fräser-del
M
Mein Mel-any
Von M. Wetfienborm
Hier don meinem Lehnftuhl aus
habe ich die ganze Front des grasen
steinernen auses mir Mieniiber oor
Augen. C ne richtige iethstaferne
ilt’e, schmutzig grau, ohne irgend ein
acschmartdolles Ornament; umm,
diister und kalt blickt es zu m r her
über, selbst wenn die Mittagssonne
darauf liegt, die allerdings, der engen
Straße wegen. nur die beiden oberen
Stockwerte trifft. Und doch habe ich
mich mit meinem Nachbarhause richtig
befreundet, kenne allmählich alle feine
Bewohner und kann u allen Tages-—
seiten wir von ihrem hun und Trei
ben Kenntniß verschaffen. Diese Be
obachtungen sind, je nach ihrer Ver
schiedenheit, eine Quelle ernster Theil
nahme und reiner harmloser Freude
fiir mich geworden, und haben mir bei
meinem hiilflosen Zustande —- meine
gelähmten Glieder weisen mich ja auf
das Stillsißen hin und erlauben mir
nur sehr beschränkte Beschäftigung —
schon oft iiber bittere Stimmung und
einsame Grübeieien fortgeholfen. Fast
alle Bewohner drüben kennen auch den
traurigen alten Mann am Fenster. und
nehmen ihm das Hiniiberfchauen nicht
ubel, denn sie wissen, daß er’s nicht
aus Neugierde thut, sondern daß er
i
i
an ihrem Leben Antheil nimmt und
sich gewissermaßen als zu ihnen gehörig
betrachtet.
Ja, der große steinerne Bau birgt
- vielerlei in sich: Gliick und Sorge. Ar
-beitslast, Arbeitskraft und GeifteS
streben, Jugend und Alter, Frohsinn
und Leid! Jedes Stockwerk hat sein
eigenes Gesicht nnd Gepräge, je nach
dem die verschiedenen Lebens- und
Vlltersderhiiltnisse darin vertreten sind.
Unten irn Erdgeschoß ift ein Laden,
ein Consertionsgefchäft, vier große
Schauseniter, siir Damen und Kinder.
Die Jnhaberinnen. drei Schwestern in
gesetzten Jahren, sind vom Morgen bio
zum Abend thätig im Geschäft, haben
viele Kundichaft zu bedienen und toms
men vorwärts im Erwerb. Fu den
Mahlzeiten gehen sie, eine nach er an
deren, nach oben in den Zwischenstoct,
wo ihre Wohnung iit und wo die treue
fleißige Mutter die Wirthichaft siihrt.
Nach Feierabend und Sonntags sehen
sie dann alte Vier on den Fenstern,
mit handarbeit beschäftigt oder leiend,
nnd inan sieht ihnen ordentlich das
Behagen an, sitzen zu können.
Das erste-Stockwerk bat einen stillen,
friedlich-ernsten Charakter. Ein katho
lischer Pfarrer, ein getehrter Herr,
bewohnt es mit feiner alten haughöb
terin. Dichte Scheibenoorhänge ver
bieten mir tageiiber den Einblick in die
Räume, Abends aber, vorn Einbrnch
oer Dunkelheit an bis spät in die Nacht
hinein,-ebenso schon früh an duntten
Wintermorgen brennt die grünt-erhan
aene Studirtampe auf dem großen mit
Büchern und Schristen bedeckten
Schreibtisch und zeigt mir den ernsten
Gelehrte-n toie er in seine Arbeit ver
tiest ist, wie er sein einsames häusli
ckes Leben vergißt bei Forschung und
Studium, bei dem Ringen nach den
bohenZielem die Ehrgeiz undWissens
drang ihm gesteckt. Neulich aber —
an einem schönen« hellen Frühlings
toge war’g —- da sah ich die Fenster
der stillen Arbeits-finde geöffnet, ein
kleines, blondes Mädchen lebnte sich
siber die Brüstung und betrachtete neu
gierig das Getriebe auf der belebten
Straße. »Untel, sieh’ doch nur ——"
hörte ich das Stimmchen zu mir her
überschollen, und zu ihr tretend, legte
der Priester, dessen bedeutende Zii
ein freundliches Lächeln erhellte, die
Hand wie segnend auf das lockige Kin
derhaupt. Und ich freute mich rnit ihrn
und iiir ihn dieses Sonnenstrahls in
seinem stillen, abgeschlossenen Leben!
Nun eine Treppe höher. Da wohnt
oollesz frisches, jgngeo Familiengliitzi
Vom kfruyungsseonnensamn umflos
sen, ttitt gerade eben eine blühende
junge Frau mit einem reisenden. rosi
gen, anderthalbjähkigen Bübchen auf
dem Arme an’5 Fenster. Jauchzend
zappelt das tleine Wesen und schlingt
die Aetmchen um den Hals der glück-.
lichen Mutter Der Vater, ein schlan
tet, stattlicher Ossizier, tritt herzu unsd
lchätett mit dem Kleinen, und mir geht
das alte hekz aus beim Anblick dieses
clternqttlat Gott schti its sink
chen unb lasse es e ne necte immer
Käfern Freuden itr die Eltern ser
. Dei-»als tte bie Mutter e
ahnt, welches an richtige, warmeGe t
soeben meiner Oeele entstteg —, stk
hielt bae feind dicht an bie Scheiben:
sltisterte ihm, aus mich binzeigenb, et
was zu— und nun winkt es berilber
mit den kleinen, bitten ciinbchetn lä
chelt und nickt. Da habe ich auch mei
nen Sonnenschein site heute, ttoibem
mein immer dem lalten Norden ent
qeaenliegtt
Noch ein Stockwerk bisher. Die n
sict sind etwas lleiner, einfache or
hänge davor, grüne, blühende Tons
pslanxien an einigen derselben. nndan
dem Ecksenster, sich gegenübersihenln
ein altes, lieb aussebenbes Ehepaar;
sie strictenb oder näbenkz er nqu der
Zeitung vorlesenb. Sie leben still und
einsam siir sich, haben auch kein Dienst
mädchen. Mit einein Gefühl der Rüh
rung habe ich ost schon den alten, aber
noch recht rüstigen Mann frühmorgens
mit dem Besen lyantiren sehen, wäh
rend die Frau die Blumen begieszt. Ab
und zu werben auch alle Fenster ber
Etage geöffnet, reine Vorhänge ange
macht und die Sonne herein-gelassen
Und dann geben die beiden Alten sort
und tommn mit einem stattlichen jun
gen Mann zurück, der tiirzere oder
längere Zeit bei ihnen wohnt, mit ilk
nen am Fenster sitzt nnb i nen auch
wohl Eintäuse besorgt, die tter mit
einem neuen Blumentops beschenkt.
Es ist ihr Einziaer wohl, ber Stolz
und Trost ibreg Alters, der irgendwo
Studien betreibt oder schon eine Stel
lung hat, fiir den sie sparen und sich
einschränken, der analt ihres Lebens,
der Gegenstand ihrer Gedanken uno
Gespräche. ——— Wenn der junge Mann
wieder abreift, geh nur der Vater mit
lrurn Bahnhos, die Mutter sieht dann
weinend aus dem Fenster den Beiden
nach, so lange es geht. Der Sohn
wendet sich an der Straßenecke noch
mals um wintt grüßend zuriick und
dann schließt die alte Frau, das Tuch
vors Gesicht drückend, das Fenster
und setzt sich auf ihren gewohntenPtah.
Und trotz der Thränen, die ihre welke
Wange nenen, wird schon bald wieder
rin Lächeln ihren Mund tunspielen,
in dent hoffnungofreudiaen Gedanlen
an das nächste Wiedersehent
Oben zu dem vierten, dern Mansar
den-Stockwerk, reichen meine Augen
nur schwer hinauf; ich weiss aber, dass
ein alternder, vom Schicksal gehe ter ,
nnd verbitterter Musiter dort wo t,
der bessere Tage gese n hat und nun
dirs allein in der lt stehen soll
ein Diener erzählte mir neulich daß
er trank sei zwei Wochen lang sind
sauch schon did Fenster geschlossen und
iverhangen und nur flüchtig zeåesich
xan denselben das freundliche ficht
einer barmherzigen Schwester um
einige Augenblicke zu öffnen und die
ilinde Fruhlingslust einzulassen. Ae
i mer Mann, ob ihn die Sonnenstrahlen
Inoch erfreuen? Ob sie ihm die golde
! nen Taae der Juaend des Glückes und
dees Hoffens vor die Seele zaubern2!
Dach was sehe ich! Alle drei Fenster
oben werden weit geöffnet? Unten
ifahrt ein einfacher Leichenwagen vor?
s Sollte der Tod den Armen erlöst ha
ben von altem Leid des Lebens-? und
ssollte ichJ das nach nicht erfahren ha
ben? —- a wirklich da tragenfie den
sschmalenF schmucklosen Sarg schon
lheraus, ein einziger Kranz liegt da
rauf, und die Schwester nebst dem
Pförtner bilden das tleine Gefolge
dcs dem armen Manne das Geleit
zum Friedhof giebt Jn einer halben
Stunde wird er dort seine letzte stille
Behausung bezogen haben und — die
kleine, sonnige Dachstubenwohnung
betornmt demnächst einen neuen
Miether.
Montento mori!
Falsch verstand-m
Arzt: »Wie sichs-I Ihrer Frau?«
Bauen »Schiechtet, Herr Donka
, Arzt: »Das-en Sie ihr Die Medizin
»gegeben?«
Bauer: »erili!!«
Am: »...Unv sie nach Vorschrift
geschüitelt?«
Bauer: »Und wie bab’ ich s’ -
ichüiteltt Da ihr Hören und Sexn
vergangen is.«
sit-te se tustfchsst
MDMU »Bei-etc mer« ich falle Dir hier einen lieben Bekannten« unser-es
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MER- m: . hr aut-s aus« iß mir schleiekbaft, als hätte ich schon irgendwo
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