Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 23, 1904, Zweiter Theil, Image 13

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    : , .
Die Geheimpoltzistin der Kai
fetin.
Aus den Memoiren dei herzt-g von
Mvrny.
Es war ein heiterer Märzmorgen
im Jahre 1868. Aus den Tuilerien
heraus trat »Lulu«, der kaiserliche
Prinz, in Begleitung seines Mentors,
Herrn Mannier's. Dieser Herr Man
nier hatte, als der Prinz das neunte
Jahr erreichte, die Gouvernante abge
liist, welcher bis dahin die Aussicht
über den taiserlichen Knaben anver
traut gewesen war. Der neue Men
tor war der Sohn eines Landsman
nes. Er war ehrlich, gut, gewissen
hast, freundlich und gelehrt. Die Me
thode, welche er befolgte, war, sich so
eng wie möglich an seinen Zögling zu
schließen und niemals einen Schritt zu
thun, ohne ihm lurze Mittheilungen
über die Eigenthümlichleiten verschie
dener Gegenstände und Dinge, iiber
Geschichte, die Natur, die Sitten u. f.
w. zu machen. Monnier hatte sich
nur ausbedungen, in der Woche zwei
Aktnde bei seiner Mutter zubringen
zu dürfen, einer einfachen Bäuerin, die
aber viel Klugheit und einen guten,
natürlichen Verstand besaß. Sie trug
weiße Mousselinbauben und Cattun
lleider und sprach im Dialekt. Mon
nier hatte von dem Kaiser die Erlaub
niß erwirtt, den Prinzen manchmal
zu einem Frühstück in die Garliichen
der Faubouras zu führen, die von
Maurern und Straßenlehrern besucht
wurden. Es sollte ihm dadurch ge
zeigt werden, wie gewisse arme Arbei
terllassen leben und was sie zu ertra
aen hätten. Mit einem dieser Früh
stiiae beginnt diese Geschichte . .
cis war also an einem heiteren
Mörzruorgen im Jahre MAR, als
»Lulu« mit Monsieur Monaier aus
den Fuilerien in die Rue Rivcli trat
» As.»t.« L :- c--..«.-. t. .-(.
usIU III chl Wallcll UII OUUULI quillt-,
schreitend, nach der la Concorde kam.
Hier wurde der Prinz sofort von zwei
Englandern erkannt, die ihm nun aus
dem Fuße folgten, bis fein Mentor,
um diese Lästigen abzuschiitteln, einen
Maler herbeirief und dem Kutscher be
fahl, nach dem Bastilleplah zu fahren.
»Wir werden diesen Morgen in einem
militiirischen Cafe srühftiielen, mein
Drin-H —- «O, jedenfalls!" rief der
Knabe, dessen militiirische Neigungen
mit seinem Alter zunahmen. —- »Nun,
da sind wirk« sagte der Mentor, als
der Wagen in eine Straße bog, die Le
retit Cordon genannt wurde. Hier
war ein Case. das einen riesigen und
rrthen Hammer im Schilde führte, der
ein Glas noch rotheren Weines mit
einer Scheere, wie toastend, emporhoh,
mit den Worten »A toi« darunter.
Das Zimmer, in welches sie eintraten.
war iehr niedrig. mit weißen Wänden,
auf welche allerlei grelle Karrilaturen
gepinfelt oder mit Kohle gezeichnet
waren. Der Fußboden war frisch ge
scheuert, aber die Luft voll Tal-at
emeh und allerlei Geruchen der Küche.
Beinabe ieder Tisch war von Solda
ten besehi. Dieselben tauchten ihre
Pfeifen und sprachen lärmend von
Laiernem Lagern und Ererzitien in
teinegwegs gewählten Ausdrücken
Monsieur Mannier erfpiihie einen
Tilch in einem entfernten Winlel,
gina mit seinem Zöglinq daraus los
und hatte diesem eben einen Sitz be
reit aestellt, als plötzlich ein junges
Mädchen zu ihnen geeilt lam und in
leisem Tone fragte: »Darf ich Plan
nehmen an diesem Tische?'«
Monsieur Monnier sah sie an. Sie
war von Mittelgröße, tonnte ihr
zwanzigstes Jahr noch nicht erreicht
haben, ihr Teint war glatt und weiß
wie Ettenheim die Augen schwarz, wie
ihr Haar, und ihre Miene deuteee auf
Entschlossenheit und Willen-trost
Jhr Anzug sah fast destinguirt aus,
und tyt Beneyrnen baue nicht-·- von
Leichtsinn an sich. Lulu stand auf
wie ein wohlerzogener junger Cavalier
und bot ihr seinen Stuhl an. »Nicht
den Jbrigen,« sagte sie rasch. Jth
erhob sich Monnier und bot ihr den
seinigen, welchen das Mädchen mit
anmuthigem Dank annahm. Das
Mädchen bestellte ibr frage-les Dezen
neur und, eines der wohlfeiliten Ta
gesbliitter ans ihrer Teriche nehmend,
begann sie zu lesen. wobei sie dann
und wann ein Stückchen Semmel in
die Chocolade tauchte Und es dann aß.
Der junge Prinz war to hungrig, wie
es ein Knabe seines Alters nur immer
sein mag, und machte tapfere Angrisse
auf eine Omelette« der eine Cotelette
beigegeben war. Dies wurde rnit et
was Rothwein hinabgespiilt, bei dem
Lulu aber Gesichter schnitt, obwohl
der Trunk start gewiissert war. Wäh
rend er sich so beschäftigte, legte das
Mädchen die Zeitung auf den Tisch,
bog sich zu Monnier und flüsterte die
sem zu: .Sie haben Unrecht, den Kna
ben hierher zu bringen« Monnier
fah sie scharf an. Sie blickte so eifrig
in das Blatt zu zwei Sons, als ob
dieses das größte Interesse fiir sie
habe.
»Ich nehm meinen Soin überall
Init. »Schu! Bebt-« Sie erhob gar
nicht ibre Nutzen dabei. Mannier
schwieg» »Geber- Sie sie-gleich rnit
tbmt« —- ,.Was meinen Sie der-ist« --—
,Jch meine, daß er hier Ieicht sicher
tit.« Monnier lächelte, indem er uin
Ich blickte auf die Drei-gener, bitterem
Mlleriften und suchen. »Ur-»den
Sie, sich nicht so auffällig umt« fuhr1
das Mädchen in sehe leisem Ton fort,
ihr-s Gesicht auf der Zeitung· »An ei
nem Tische dort sind fiinf Männer,
die Ihnen vom Bastilleplatz folgten;
Jez sind die schlimmsten Charaktere in
xdiesem Quartier- in Paris — ja, in
HFrantreich Jch sage Ihnen, Sie sind
inicht sichert« -—- »Aber Sie irren sich,
;ich bin ja nur« —- — .,Pierre Mon
’ nier und er ist —- soll ich fortfahren?«
s-— »Genug, Mademoiselle. Jch gebe
Hu, daß Sie uns erkannten, aber es ist
Iteine Gefahr. Furcht wäre Unsinn, da
wir von treuen Soldaten umgeben
sind.« —- ,,Blicken Sie nicht um sich.
Man bewacht jede Ihrer Bewegungen.
Sie haben Mutter Guichette in Jhren
Rath gezogen. Sie ist eine Tigerin.
Gehen Sie, sag’ ich!«
Aber Monnier lächelte nur, und
ohne eine erneute Warnung des Mäd- ;
chens zu beachten, beendete er sein Ga- :
belfriihstiick. — »Sehen Sie, Made-j
moiselle,« flüsterte er nach Bezahlung
der bescheidenen Rechnung, »Jhre Be-»
fürchtungen waren unbeariindet.'« —
»Sie sehen nur die Oberfläche der
Dinge; ich blicke tiefer-" —- »Wenn
Mademoiselle mir vielleicht irgend eine
Information zu geben haben.« —
»Wofiir halten Sie mich? Etwa für
eine Mouchard?« und sie erhob sich
mit einer stolzen Miene, aus der fast
Verachtung sprach. —s—- ,,Mademoiselle
ist eine eifrige Anhängerin des Kai
serreichs?« — »Ja wohl!« —s— »Wer
den Mademoiselle mich mit Ihrem
Namen beehren?« —--- »Nein!« W »Ich
tann ihn haben,·wenn ich es wil.« -——
»Dann nehmen Sie ihn, wenn Sie
tönnen.« —- Und das Mädchen sprang
auf und verließ rasch das Cafe —
,,Wa5 war das mit Mademoiselle3«
sragte Lulu. ——— »Wie soll ich ec- wis
sen« Monseigneur?'«
Monsieur Monniek erwähnte dieses
Abenteuers gegen General Fleum der
es dem Kaiser berichtete. ,,;’5inden
Sie aug, wer sie iit, und lassen Sie
mich durch Filon repräsentiren.« iaate
Napoleon der Dritte. Wer Filon
war? Ein Mann, der dem Kaiser so
überraschend ähnlich sah, daß die
Garde einmal in’s Gewehr gerufen
hatte, als er die Tuilerien passirtr.
Eugenie selbsthielt ihn eines Tages
bei einer Aue-fahrt für ihren laifer
lichen Gatten. Filon fuhr mit einer
sehr schönen Dame durch das Bois de
Bouloge. und es soll später in den
Appartements der Kaiserin eine leb
hafte Eifersuchtsscene gegeben haben,
bis das Räthsel sich auftlärte, und
nunmehr wurde Filon eine Nothwen
digleit für den geheimen Dienst des
Kaiserreichs. Das Geheimnifz wurde
sehr strenge bewahrt. Rouher und
noch ein halbes Dahend erprobter
Jmperialisten lannten es.
»Mdnsieur Filon,« bemerkte Fleurh,
«ich habe ein tleines Geschäft fiir
Sie« . . . .
Zwei Tage später schlenderte Mon
sieur Filon die Avenue de la Reine
hortense hinab und trat in den Parl
von Monceaur. Monsieur Filon
dampfte seine Viktoria Reina. eine
Cigarre, die von Blättern der besten
Pflanzung Cuha’s ausschließlich fiir
Napoleon dem Dritten fabricirt wurde
und einen gemächlichen Blick um sich
werfend, näherte er sich einer Ruhe
bank des Parlg, auf die er sich nieder
ließ. »Sie war gestern um diese
Stunde hier," murmette er. »Die
Chancen liegen so, daß sie auch heute
lommen dürfte. Unsere Pariserinnen
sind sehr conservativ darin, wo und
trann sie im Freien frische Luft ge
nießen.« Er nahm ein Exemplar des
»Figaro'« aus seiner Tasche. und eine
der legten Arien Offenbachs sum
mend, überhlickte er langsam den Jn
nati.
Monfieur Filon war eben mit der
ersten Seite seiner Zeitung fertig, als
das junge Mädchen an ihm vorüber
ging. Sie war sehr wohl gekleidet.
Sie trug einen Paletot von blauem
Tuch, mit prächtiaeni Zohelfell aufge
puyt Jhr Hut war fo vitani wie
ihre handfchuhe und ihre Stiefeletten
waren klein und zierlich wie die
Afchenhrödels. »Ah!« murmelte Fi
lon, »da ist sie. Jch erwartete es fd.«
Das Mädchen nahm auf einer Bank
des Partes Platz. Monsieur Filon
war auf der anderen Seite des Ra
fenplatzes. »Der Sitz neben ihr ift
leer. Es ift am besten, wenn ich mich
feiner sogleich versichere.« Er nahm
wieder eine Lsahmheit an, die von einer
Kugel des Krimtrieges hätte herrüh
ren tönnen, oder von der Gicht, hintte
um den Grasvlad. und mit einer
Nonchalance, die von feinem Schau
spielertalent zeigte, nahm ee den leeren
Plan ein und nachdem er fein Bein ein
wenig mit der Hand geftrichen, öffnete
er wieder den »Figaro«.
Die iutiae Dame nahm nicht mehr
Notiz von ihm, als fie es hätte thun
können, wenn er auf dem Matitplatze
zu Marseille gesessen hätte. Mit ei
ner geschickten Bewegung drehte Mr.
Filon feinen Schnuktbart in fchakfe
Spihem ließ feinen Rocktragen herab
und fenkte feine Augenlider. Dann
huftete er ein wenig. Navoleon der
Dritte hatte die» Gewohnheit. mit fei
nem Nolitftock an eine Seite eines
feiner Stiefel zu tlovfen. wobei er mit
aefenkten Lidern nach dein Stiefel sah.
Auch Filon that« dies sent. Das
Mädcken lachte laut auf. Fiton rich
tete einen fraaenden Blick auf fie.
»Sie machen das vorteefflichl« rief sie
—- -:
fröhlich. »Wiixdig der Comebie Fran
raife. Welch ein Schauspieler Sie
sind. Aber Sie scheinen nur eine
Rolle zu baben.«
Filon blieb stumm vor Erstaunen.
-- ,,Sie sind Monsieur Filon,« sagte
das Mädchen. »Für eine Secunde
oder zwei nahm ich Sie irrthiiinlich
fiir den Kaiser." — »Wie, wenn Sie
sich jest irrten?« fragte Filon, neuen
Muth gewinnend. —- »Bah!« Sie
zuckte mit den Schultern. —- »Made
moifelle zweifelt?« — ,,Mademoilelle
zweifelt nicht, und wenn Monsieur die
kleine Schramme an dem linken Auge
zeigen wird, welche Louis Napoleon
—,,Jch gebe es auf, meine gute
Mademoifelle,« lachte Filon. »Ich
dachte einen kleinen Spaß zu haben,
man sagt, ich iihnle ein wenig dem
Kaiser. Aber jetzt, da Sie mich len
nen, werden Sie vielleicht »so gütig
fein, auch Jer Jncognito zu enthül
len?" —- »Das ift gar nicht nothwen
dig, Monsieur Filon.« Und mit einer
graziöfen Verbeugung sagte sie ihm
»Von jour« und irippelte fort auf ih
ren hoheniAbsiitzem
erhob sich von der Bank und folgte ihr, »
aber in respektvoller Diftanz.
aus dem Parlthore trat, begegnete »ers;
einem besonders gewandten MouH
chard. »Sehen Sie jene Dame?'« —
»Ja, Sire.« —- ,,·’folgen Sie ihrH
Machen Sie ausfindig, wer sie ist!«
—- »Jch weiß, wer sie ift. und alles
über Sie, Sire!« s— »Wer ist siei
denn?« —— »Mademoiselle Anastasia
Jouvin, der Chef des weiblichen De
tettivftabes Jhrer Majeftät der Kai
serin . . . ·
—-.
Chimstiche Empfing-en
Eine ergötzliche Illustration zu der
Hunbesieglichen Leidenschaft deg Chiar
H fen »für fremdes Eigenthum« und ski:,
ner. Gefchicllichleit, alles mitgeben zu
heißen, auch was niet und nagelfest
ist, gag jüngst der DistrittJngcnieur
der Schanhaitwan: und Yinglaii-Ei
senbahnstreele einen auslaniychen
Correfpondentert, als beide aus dem
Zuge miteinander Bekanntschaft mach
ten. Der Journalist beobachtete wäh
rend der Fahrt hier und dort, zu Sei
ten der Bahn, weiße, höchst modern
ausschauende Obeligtem Er befragte
einen Jnformanten über die Bedeu
tung und den Zweck dieser Steine. Der
Beamte lachte und sagte: »O, Sie mei
nen meine »Nadeln der Kleopatra?«
die sind als Zeichen zum ,,Pfeifen« für
den Lokomotivführer aufgestellt. Frü
her hatten wir Holztafeln mit der nö
thigen Aufschrifi errichtet. Diese Jour
den aber beständig von den Chinesen
gestohlen, und wir mußten statt ihrer
zuletzt die übermanneshohen Obelisten
aussetzen, die nun wenigstens diebes
sicher sind. Die Lokomotivführer wis
sen damit schon Bescheid und ziehen, »so
oft sie einen solchen weißen Stein er
blicken, die Damvspfeifr. Ja, was
stiehlt der Chinese nicht? Besonders
hölzernes ist nirgends vor ian sicher.
Er würde die Schwellen unter den
Schiene fortschleppen. wenn er lönnte.
Die »Holzstiste« in diesen wurden uns
früher regelmäßig ausgezogen. Wir
ließen sie deshalb braun anstreichen.
Seitdem lassen die Lanasinerer sie in
Ruhe. Warum? Sie balten sie -——
für richtig angerostete Eisennägel!«
W—.-——
Eine sum etsemtsttmltsse oth
items-.
besitzt Herr G. S. m Paris. Er jam
melt nur —- tleine Bücher. Obwohl
seine Sammlung sehr reichhaltiq ist
und einen Gebildeten jahrelang be
schäftigen könnte, ist der Besitzer doch
im Stande, sie beständig mit sich zu
führen. Sie nimmt nämlich nur einen
kleinen Handtosser in Anspruch. Gute
Augen muß derjenige allerdings ha
ben, der sich andauernd solcher Lettiire
widmen will, aber doch nicht in dem
Maße, als man anzunehmen geneigt
ist. Der Druck dieser Bücher ist mei
stens jo schars und rein, daß er leich
ter zu lesen ist, als der vieler größer
gedruckten Schristen. Das größte
Wert in der Bibliothet des Herrn S.
ist ein Band Lasontaine, der 513 link
hoch und 3,3 Em. breit ist. Das
kleinste Buch ist ein 1817 in Karls
ruhe gedruckter 1,4 Em. hoher und s),6
Ern. breiter Almanach
W
Ists-.
»Minna, ich glaube, Sie haben das
Klavier schon zwei Wochen lang nicht
abgestäubt.«
Dienstmädchen: «Wann soll ich ec
denn abstöuben, gnädige Frau sitzen ja
von Morgens bis Abends davor!«
Die guten Freundinnen.
Er: »So bleibe doch bei dein Hunde
Ioetter zu hause; es ist keineswegs
nöthig, daß Du jedesmal im Kränz
chen bist.«
Sie: »O doch, ich bin es schon mei
nem guten Ruf schuldig!«
Sie glaubt e nicht.
»Ach, Lieber »Herr tauseer Sie mir
doch ein paar Wachsstreichhölzer ab!
Meine Mutter ist todt und bat nichts
zu essent«
»Aber Kind. -wenn Deine Mutter
todt ist« dann braucht sie doch auch
nichts mehr zu essen!'«
»Ja, det bat-e iet ihr ja oach schon
gesagt, aber sie jlauth doch nich!«
q
Familie Wachtritz in St. sont-.
Humoresle von Kote Lubowsti.
,,Machen wir, Alte! Ganz gewiß!
Zieh tein Gesicht und spare deine phi
losophischen Betrachtungen über die
sonderbaren Auswüchse der mensch
lichen Phantasie noch vier Wochen
aus!« sagte der Kommerzienrath Her
mann Wachtritz, der sich seit wenigen
Monaten in die vornehme Ban im
Grunewald zurückgezogen und die
Erledigung der geschäftlichen Ange
legenheiten seinem Sohn überlassen
hatte, zu seiner besseren hälstr. Frau
Marie Wachtritz verzog das feine
schmale Gesicht in zorniger Ungeduld.
»Ich bitte dich, Hermann, das lann
doch unmöglich dein Ernst sein. Das
Mädel kennt noch so wenig von ihrem
schönen, deutschen Vaterlande, und da
willst du sie nach St. Louis zur Welt
ausstellung schleppen?«
»Wenn dir der Ausdruck paßt, ja,
Mutter! Will ich und thu ich. Am
zehnten mit dem »Moltte« fahren wir
von Hamburg ab, du, sie und meine
Wenigleit.« «
»Mann,« sagte Frau Wachtritz
ganz sanft und baschte nach ihres un
ternehmungslustigen Eheherrn Hand.
»Nimm doch Vernunft an. Was willst
du uns in Gefahr bringen!
»Weil ich annahm, du miißtest es
mir nachfiihlen, daß mir das Reisen
in meinem Vaterlande aus einem
Grunde verhaßt ist, der oft genug
zwischen uns erörtert wurde. Nir
gends bin ich sicher, dafz dieser ver
flixte Federfuchser unserer Anneliefe
nicht nachfpijrt.«
»Was das frir ein Wort ist, Feder
fucl«.ser.«
»Ist er vielleicht wag Anderes? Ra? l
Schreibt Stizzen . . . macht geistigel
Lustspriinge, bei deren Genuß man
sich das Hirn verrenkt -— und Gedich
te. Gedichte . . . wenn ich blos dies
Wort höre, irieg’ ich schon Schwindel
ansiille. Aber das Wichtigste hätte ich
beinahe vergessen . . . dann macht er
auch noch Berichte. Der P. schlug den
L . .. der A. hat bei der X. erbgeschli
chen die Apfelernte wird voraus
sichtlich eraiebia und die Heringe wer
den ungeriiuchert gesanaen.«
»Du kennst diesen Mann aber doch!
gar nicht, hermann Deshalb ist es
uiaerecht und kurzsichtig, hartherzig
und deines klaren Dentvermögens
unwürdig, daß du deine Tochter so
quälst.«
»Na . . . da wären wir ja wieder
einmal so weit, Mutter. Aber heute
wird nicht gezankt. Wenn du also
partout die wahren Gründe siir die
festbeschlossene Reise wissen willst, so
jhöre ·rnal ordentlich zu. I. Habe ich»
die Mittel dazu. 2. Soll unser Mädel
Gelegenheit haben, einen anderens
Mann kennen und vielleicht lieben zn
lernen. Z. Dieser Windhund von
Dichters Gnaden lann nicht hinterher
Darum habe ich auch bis jetzt mit
meinen Mittheilungen geschwiegen.
Jn vier Tagen geht unser Schiff. Mit
einer Benachrichtigung hat es gute
» Weile, da euer Jdeal zur Zeit in Nor
wegen den Schneeschuhtanz übt. Du
siehst also, liebe Frau es ist alles
wohl überleat und festgesetzt. Solltest
du noch irgend welche Einwande zu
machen haben, so schreibe sie bitte auf.
lnood bhe, Frau Fiommerzienrath
Wachtritz!«. . .
III If II
Jn St. Louis auf der ,,Pike« ift
der Deiwel los! — Nardon fiir das
Wort. Aber jedes andere reichte nicht
an die Natürlichkeit heran Fanfa
» ren schmettern Fahnen winken
" grinsende Negerladies machen ihre
grotesken Luftfpriinge am Trapez . ..
ein Mister aus irgendivoher fchluclt
statt des üblichen Feueres . . . blanke
! Dollars, die ihm gläubige Fremde an
dertrauen es ist wahrhaftig, als
; wenn an diesem Platz ein Narrenhang
i seine Pforten geöffnet hätte
; Das denkt auch der Kommerzien-—
- iath Wachtritz, der wie betäubt an der
i Ecke der 16. Street fteht nnd mit den
i«tlngen nach den Seinen sucht. Wo
,iind sie hin? Untergegangen in dexn
»!ofenden Gewirr der verschiedensten
Hiöllersprachen ihn allein lassend
in der Woge, die seine Gedanken zu
! iammenfpiilt. Wie ein verlassen-es
Kind steht er da wenn er wenig
Istens das verflixt: Kaufertreksch der
; sieben könnte! Aber das hat nur die
Llnneliese rang. Darum weiß er auch
nor nicht, was der Mann mit dem
Jclattrafirtem energischen Gesicht, der
ihn umkreist wie die Biene das- Klet
: ield, von ihm will.
s Erst als er handgreiflich wird und
« Miene macht, ihn mit sich zu schleppen
« . . . versteht er fein Begehren! . . . Der
T Kerl hält ihn offenbar für einen Ta
i pl
—
schendieb oder ähnli s. Seine Land
greift in die Brustta che, um die egi
timationspapiere herauszuholen . . . .
profit Mahlzeit . . . tempi passati —
Hermann Wachtritz . . . oder zu deutsch
»gewefen Der Deteltiv lächelt
nachsichtig und überlegen. Seine Hand
faßt in den Halslragen des eleganten
Rockes. Der Kommerzienrath wehrt
iich verzweifelt. Jhm ist sehr elend zu
Muth. Der infame warme Eiertuchen
und darauf das eislalte Bier, die sich
für 50 Cents unter General Cronjes
Kommando präsentirenden Bitten
lämpfer . . . der Aerger über das
Spiel mit dem Heiligsten, bei dessen
Vertheidigung sie Heimath und Recht
verloren liegen ihm wie Bleistücke
im Magen. Nun noch das hier.
»Der Herr ist mein Freund,« sagt
in diesem Augenblick eine feste Män
nerstimme in fließendem Englisch an
seiner Seite. »Ich legitimire ihn. Hier
ist meine Karte und da zwei Dollars
. . . Good bye . . . Mister . . .« die
breite Hand fährt aus dem komma
zienräthlichen Hals-tragen in die eige
ne Tasche und eine Minute später
sind sie ihn los.
Wachtritz mustert den Fremden, der
ihm soeben den größten Dienst leistete,
mit einem Gemisch von Dankbarkeit
und Neugier. Ein unendlich wohl
thuendeg Gefühl überlomrnt ihn, als
er die gute deutsche Entgegnung auf
seinen Dank hört. Sie sind bald in
ein angeregteg Gespräch verwickelt.
Der junge Deutsche« dessen Namen er
leider in dem Lärm nicht verstanden
hat, beruhigt seine Bedenken weg-en der
verlorenen Seinen und schlägt einen
kurzen Lunch vor.
So sitzen sie denn beisammen wie
Jst-II uccc Uccuulccc uuU UIUUUILU UUU
der Heimath Wachtritz gefälltdie
frische kluge Art des Landsmannes
immer mehr. Jhm ist noch niemals
ein Mensch begegnet, der solchen Zau
ber auf ihn ausgeübt hat Ja .. .
er ertappt sich sogar aus dem Wunsche
daß seine Anneliese diesen Mann
kennen lernen muß . . . .
Als er ihn eine Stunde später bis
in das Hotel geleitet, haben sie sich fiir
morgen zum Diner verabredet . . .
»Und mit diesem wildsrrmdenMen
schen, dessen Namen du nicht einmal
weißt. sollen wir speisen Vater?«
sagt Anneliefe Wachtritz nach dem
Wiederfinden voll zorniger Empo
rung.
»Ja woll, mein Döchting.«
»Wenn es nun aber einer jener hier
zu Dutzenden uniherlausenden Hoch
stapler ist?«
»Hat sich wag von wegen Hochstap
ler. Ein ehrlicher guter Kerl ist eg.
Dafür bürgt meine Menschenlenntniß.
Jch gehe sogar so weit, zu sagen
es würde mich unbändig freuen, wenn
ihr zwei Beide Gefallen aneinander
fändet.«
»Aber du weißt doch nichts von die
sem Menschen, als daß er zwei Dollar
siir dich geopfert lind nachher deinen
Wein getrunken bat.«
»Das andere bekomme ich schon,
Grünschnabel. Meinst du, hier gäbe
es vielleicht keine Auskunstsbureaus
oder so wass«
»Vater,« sagt Anneliese jetzt leise
und traurig, »wenn du tviißtest, wie
weh mir deine Worte thun. Der, den
du um meiner Liebe willen hättest;
kennen lernen müssen, hat umsonsti
um eine Annäherung gebeten. Diesem
zufällig angejundenen -Menschen
deangn ou ne Iornnich aut. Sogar
den brieslichen Verkehr hast du uns
verboten. Ich weiß seit Wochen nicht
mehr, wie es ihm geht ...«
Der Kommerzienrath hört die letzte -
Klage gar nicht. Er ist zu sehr mit·
dem kommenden Diner und der Be
aenung beschäftigt, um sich das alte
Klagelied seines Kindes zu Herzen zu
nehmen.
Er schmunzelt zufrieden, ais sie das
Restaurant betreten und er seinen
neuen Freund schon an der verabrede
ten Stelle sah.
Der Landsmann hat einen schattis
gen Tisch teiegt und tommt ihm er
freut entgegen.
Aus Annelieses Mund tönt ein
Schrei
»Otto ...«
»Anneliese darking das ist
eine Ueberraschung gelt . . .«
Und sie liegen sich in den Armen
und tiissen sich.
»Wie kommst du blos hierher ..?
»Und du erst, Anning?«
»Ach Gott ist das wunder
schön . .
»Aber wer hat dir nur gesagt, daß»
wir .. .?« .
»Niemand der Zufall ließ mich
gestern deinen Vater in der mißlichen
Lage finden . . . du weißt ja, daß ich
L
W
ihn ost genug aus der Ferne sah . . .«
»Bande,« sagte der-alte WM
und er thut, als ob er bitterböse sei·
Aber er denkt gar nicht daran. · Dei
Mann gefällt ihm.
Da fühlt er zwei weiche Arme unt
seinen Hals.
»Vater, guter, einziger Vater, nicht
wahr, jetzt giebst du ihn mir?"
»Herr Wachtrih . . . ich biete Ihrem
Kind eine gute, ausiönirnliche Posi
tion . · . Jch bin nicht mehr der brods
lose Fedetsuchser, sondern habe eine
glänzende Stellung bei einer großen
Zeitung, als deren Vertreter ich hier
funaire . . . sagen Sie »Ja!«
»Erst laß mich mal gefälligst los,
Krabbe. Du haft beinahe noch einen
schärferen Griff, als gestern der Arm
des Gesetzes . . . Jch muß mich mal
erst mit deiner Mutter besprechen!
Was sagst du dazu, Msarie?« Die
zarte Frau lächelte still und glücklichi
»Ich inge: Gieb ihnen deinen Se
gen, Alter. Aber den Vorwurf, daß
du ein schlechter Rechenmeister bist,
kann ich dir nicht ersparen. Wieviel
billiger hätten wir diese Verlobung
zuni Beispiel in unserm Grunewald
feiern können!«
Antworten kann der Kommerzien
ratli jetzt nicht daraus. Jhm sitzt et
was in der Kehle.
Die Branduna tost. Toiletten rau
schen . . . Diamanten glänzen, und
auf den Klippen der »Philippinen
Ansstellung« brennen rothe Sonnen
seuer.
Jn dein weinumranlten Satori ne
benan singt eine jubelnde Frauensiim
me das alte Lied:
»Im East and in West
The love is the best...«
Und das junge, selige Brautpaar
singt es leise mit . . .
Die Ratte als Eier-Rebbe.
Ein Geflügelziichter, welcher gute
Legerinnen besaß, machte seit längere
Zeit die unliebsame Wahrnehmung,
daß der Eierertrag ganz gewaltig zu
rückging und er manchmal tagelang
kein Ei im Neste vorfand, obwohl die
Hühner nach seiner Meinung bestimmt
gelegt haben mußten. Er nahm daher
an, daß sich unter seinen Thieren Eier
frefser befanden oder aber, daß sich
vierbeinige Spitzbuben die Leckerbissen
zu Geiniithe führten. Zweibetnige
Diebe konnten es nicht sein, da die
Stallthiir stets verschlossen gehalten
wurde· Eines Morgens fand er die
Erklärung Als er sich kurze Zeit nach
dem Gackern einer Henne, durch welche
diese das frohe Ereigniß der Welt ver
kündete, zu dem Stalle begab, um das
Ei in Empfang zu nehmen, fand er
sämmtliche Nester wieder leer. Zu
seinem nicht geringen Erstaunen sah
er aber zwei feiste Ratten hinter einem
Bretterzaun verschwinden. Die eine
Ratte lag aus dem Rücken und hielt
das frischgelegte Ei mit der Schnauze
und den beiden Vorderpfoten fest. Vott
der zweiten Ratte wurde sie aus
Schwanze fortgezogen und in Sicher
heit gebracht. Unser Gewährsinantk
will jetzt Fürsorge treffen, daß ihm
solch ein interessantes Schauspiel nicht
nech einmal geboten wird, und hofft,
daß dann die Eier seiner Hühner wie
der den Weg zur Küche finden wer
den.
Sein Wunsch
Seufzern aab der Sultan von Ma
rollo das Lösegeld von 70,000 Dol
larg fiir Perdicaris und Varley hin,
das er sich hatte borgen müssen, und
murmelte: ,,Wär’ ich doch auch lieber
Räuber geworden!«
Ein echter Brot-.
Heirathgvermittler (zum Protz, der
seine Tochter gerne unter die Haube
bringen inöchte): »Ich hätte fiir Jhre
Tochter einen seh-r reichen Grafen, ei
nen Baron, der gleichzeitig Gutsbe
sitzer ist, und auch einen Fürsten, der
allerdings ohne Mittel ist, auf Lager.«
Protz: »Nun, tönnen Sie mir mit
nichts Besserem dienen?!« «
Ahqekiirzter Weg
Bergfex Czur Sennerin): ,,Sag’
Schatzerl, wie weit ift’s noch bis in’s
Thal?«
Sennerim »Wenn S sich nirgends
aufhalten, sind S in zwei Stunden
unten.«
Bergfex: »Und wenn ich mich nun
bei Dir aufhalte?-.«
Sennerin: »Da sind S’ noch viel
eher unten!«
I—
Votsichüq.
·Meuch ·—s was wilth Tu mit eins-r Stybc mit drei Betten?«
»Na, annt man kamgstcns Nachts cmes findet.«