Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 26, 1904, Zweiter Theil, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Yeöraska
Staats-Meig« Und Herold
J P. Windolph, Herausgehen Grund Island Ncbt., 26 August 1904 (chitck Tlieil.) Jahrgang 24 No I
O
Timgtuch «
M Morg. Michel - Karstew
Mit eine nein-, weiche sei-spek
band
fMir so zärtlich mein Gesicht und
· Hande,
ZE. als ob durch einen Engel dold
bcöbotschast mir der himmel sende.
Wonn’qer auber — eine Kinderband
Birgt des linkes wundertiesenSegen,
Schlingt so sest der Liebe il'ges
· « Ban ,
Wird wie Balsam sich aus Wunden
legen.
Elternsreude schönstesMenschenglücl—
girnmelsdliithe du, aus EdensGarten,
elig, wem im Leben du erblüht,
Wer dein liebend darf in Freuden
warten!
Ein Erzieher.
Von C. Osten.
An einem heiterm Sommerabsend
saßen wir lürzlich mit unseren Freun
den in einem Garten draußen vor dem
Thore. Die Kinder, welche wir fort
geschickt hatten, um ungestört bei unse
rem Glase Bier plaudern zu können,
tummelten sich aus dem Sportplotz.
Besondere Aniiehunggtrast iibien dort
die Turnneriithe aus sie ausk,Beirren,
Necl nnd Kletterstange.
Wir konnten die Kinder von unse
rem Platze aus beobachten llin die
Lippen des Oberlehrers Heinrich, mei
nes lanoiöliriqen Freundes, iuckte es
spöttisch. Ich wußte, daß dieses spöt
tische Lächeln unserer Erim galt,
welche soeben, plump wie ein Wollan
un der Reelstange hing, ohne die Glie
der riihren zu können.
,,lelso, sagen Sie, wag Eie wollen
—- um nus den besagten Hammel zu
runznlonnnen,« begann nun Heinrich,
»Sie verstehen die Mädels nicht zu er:
ziehen.«
»Beweig?«
»Na, beweist das nicht genun, wenn
man ein Kind von sieben Jahren so
zimrerlich und ungeschickt an der Ren
stanqe barmneln siehtf So ist sie in
Allem « unbeholfen, verzagt. un
Islbstsinhin «
»Und Aqnes?'«
»Die Meine hat Temperament «
aber Sie werden auch aus ihr so ein
Riihrmichnichtan machen —- da Sie die
Kinder nicht zur Selbständigkeit ers
stehen« ,
»Sehen Sie da unseren Hans-X se
tundirte jeszt Frau Dottor Heinrich
ihrem Gatten, indem sie mit der Rech
ten nach dem Barren hinüberwies.
»Der Junge hat Feuer —- aber wir
lassen ihm auch die nöthige Freiheit,
sich selbständig zu entwickean
»Ich gebe zu,'« sagte nun meine
Gattin, »daß mein Mann in der
Furcht, es könnte dein Rinde etwas
escheben, die Vorsicht in den ersten
Jahren etwas übertrieben hat.«
»Jn den ersten Jahren? Sie lassen
ja heute noch das Mädel durch das
Fräulein izur Schule bringen —— wie
oll sie da selbständig werden?"
»Aber. werthe Freunde, was hat
das mit der Selbständiqteit zu thun?
Sie wissen. das Kind muß eine un
serer vertehrsreichsten Straßen passi
ren: selbst der Erwachsene hat Mitbe,
all den Rädern, Motorwaaen und riet
trischen Bahnen zu entgehen. Soll ich
die Kinder täglich diesen Gefahren
aussetzen. wenn ich sie davor schühen
kann? Die Zeiten der »aemiithlichen
Pserdebahnen« sind vorüber.«
»Aber wie sollen sie denn selbstän
dig werden?« riesen nun Herr und
Frau Dr. Heinrich unisono.
»He-i das wirklich so große Eite?
Hier können sie nicht durch den
seibsterlittenen Schaden tlua wer
den. Wenn man mir ein Kind
—- um es rund herauszusazaen --—
todt oder mit schweren Verletzungen
in’o Haus bringt« dann dürfte mir
das Bewußtsein, das Kind zur Selb
ständigkeit erzogen zu haben, nichts
mehr niisen.«
»Ah, Sie übertreiben die Gesahren
Wir haben unseren Hans schon mit
küns Jahren durch die ganze Stadt ge
chiett, er hat die Stadt- und die Pier
debahn beniihd Alles piinttlich besorgt
und ist stets unversehrt zurückgekom
nren.«
»Ein ktksssicher Beweis. haben Sie
nicht jedes-nah wenn der Junge ein
Viertelstundchen länger ausblieb, vor
Ist-sie »in »Hm-n Körner siebet-L und
haben wir Ihnen nicht ost genug Ih
ren Leichtsinn vorgeworien? Den ei
nen Jungen hoben Sie nur: er sollte
Ihnen zu tostbar sein« urn mit ihm
Erzieinmnsexperimente anzustellen.«
»Ich sehe schon,« sprach der Ober
iehrer lockt-end, »wir werden uns nicht
gegrnieitia überzeugen. Aber betrach
ten Sie die Such-e einnioi recht prot
tiich. Ich brnertie soeben, daß ich den
Dausschiiissel vergessen habe. Wenn
Hans nicht eilt, urn ihn zu boten, so
wägen wir sosort wieder ausbrechen«
Im noch vor Thorichtusi ins Haus Zu
kommen. Das märe doch its-sticht denn
wir haben einen io herrlichen Abenv.«
«Sie«tperden den Jungen doch des
halb nicht den weiten Weg zurück
schirtent Lotsen Sie uns ruhia aus
trinten, dann wollen wir langsam
nach Hause schleudern." —
Ehe ich noch weitere Einwände vor
bringen tonnte, hatte Doktor Heinrich
einen Hans derbeigetnsen und in
ruirt. Er gab ihm den Korridov
chiiissel zur Wohnt-n , sowie etwas
hegen-, urn die Ele tri ehe bean
is unen.
, Jst Nu war der hübsche, kann echt
sähriae Bursche davon. Die Mutter
sah ihm mit strahlendem Blicke nach.
Es dauerte eine volle Stunde, ehe
« der Junge mit dem Schlüssel wieder
zurückkehrte.
»Hast Du wieder gut zugeschlos
sen?'« sragte sein Papa, ihn mit liebe
vollen Augen betrachtend.
»Jawohl — —- es war ein Mann
da, der ein Partei brachte.«
»Was sür ein Packet denn?«
,,Eine Kiste —- er sagte, es sei eine
Mille Cigarren, die Du bestelltest.«
»Cigarren? — Ich habe doch keine
Cigarren bestellt! —— Wo hat er denn
das Packet aelassen?«
»Sei-alte als ich die Korridortbiire
aufschloß, kam er die Treppe beraus.
Er sagte, er wäre schon einmal daaeg
wesen, hatte aber die Tbiire geschlossen.
aesunden.«
»Nannte er denn eine Firma?«
»Ja —— Niemann und ——« und ——-—
den anderen Namen habe ich verges:
sen.«
»Aber Junge, setzt Abend um s) Uhr
hättest Du doch Reinen in die Wob:
nnnp lassen sollen.«
»Wenn ich den Mann» mit den Cis
aarren sortaescbickt hatte, so würdest
Du mich gewiß aescholten haben —
Da er sagte, die Ciaarren sei-n bereits
bezahlt, so bade ich ihm das Arbeits
zinirner geossnet nnd die Kiste unter
den Schreibtisch schieben lassen. —
Er hat sich dann sofort wieder ent
feint. «
»Ich verstehe das nicht« " sagte Dr
Heinrich. » Ciqarren W am Ende
ein Geschent?«
»Ich habe auch daran gedacht —- be
unruhige Dich doch nicht unnötbia,«
erw: derte seine Fran. — »Es kommt s
doch nicht selten vor, dasz man den
Herrn Lberlehter etwas wohlwollen
sit-e »in-n ein-n h» Iiitmmslg ZU stim
men sucht. Morgen schickst Du die
Kiste zurück und die Sache ist abge:
macht.«'
»Das wäre schon ganz schön « aber
welche Firma schickt denn so spät des
Abends noch durch Boten ein Paclet2«
»Aber, lieber Mann,« entgegnete
nun wieder Frau Heinrich. »Du hörst
doch. der Mann ist schon einmal da
gewesen und konnte das Partei nicht
los werden. Er wartete vielleicht in
einer benachbarten Aneipe in derHosss
nung, daß wir zurücttomrnen würden,
ttnd war dann sroh. das Packet nicht
wieder mitnehmen zu müssen.«
»Da haben Sie nun die Kehrseite
der Medaille,« wagte ich nun endlich
einzuwenden. »Hätten Sie den Jun
gen nicht zurückgesandt, so hätte er den
Mann nicht in die Wohnung gelassen
und Sie würden jetzt noch mit Ruhe
den Abend genießen. Hans tonnte,
um Ihren Erziehunggprinzipien Ehre
zu machen, gar nicht anders handeln,
wie er es gethan hat. Sollte er viel
leicht dem Manne das Betreten der
Wohnung untersagen —- Das sviirde
ihm wahrscheinlich wenig genützt ha
ben. Sie verlangen von dem Knaben,
daß er selbständig handeln solle, und
ee hat diejenige Entscheidung getros
ten, die er als achtjähriger Junge
tressen tonnte.«
Meine Worte. welche vielleicht in
diesem Momente nicht angebracht
waren, beunruhigten Dr. Heinrich nur
noch mehr. Der Abend war uns nun
schon verdorben; wir bezahlten unsere
Zeche und brachen aus.
Während der halbstijndigen Fahrt
bemerkte ich, daß das Ehepaar Hein
rich immer erregter wurde. Jch selbst
war überzeugt, daß zur Beunruhi
gung nicht die geringste Veranlassung (
vorläge, sreute mich aber im Stillens
über den Vorfall. denn ich hosste,l
meine leichtsrnnigen Freunde würden
eine Lehre daraus ziehen. i
Als wir aus der Elettrischen aus
stieaen, baten sie uns, mit nach ihrer
Wohnung zu kommen; der Abend sei;
so schön, man tönne noch ein Weilchen
aus dem Balkon sitzen.
Ich that eg gern » war ich doch
selbst aus den Ausgang der Sacke et
was begierig; meine Frau ging jedoch
mit den Kindern nach Hause.
s Die Hausthiir war bereits geschle
en.
Wir öffneten, Heinrich steckte eine
kleine Wachsterze an, und wir stiegen
die drei Treppen empor. Alles tvar
still im Hause. Die Korridorthüre war
regfelrecht zugeschlossen --— man athmete
au .
Wir traten ein ——s doch ais wir die
Zimmerthiire austlintten s-— da sahen
wir die Beicheeruna. Aus demSchreib
tisch, welcher durchwegs mit Sicher
heitsschlössern versehen war, waren
die Füllungen derausaeichnitten Eine
tleine Kassette, in welcher der Ober
lehrer das Gelb sür den Haushalt
auszubewahren pslegte, war mit 760
Mart - nhalt verschwunden Versiche
rungs- olizem Sparkassenbiicher, so
wie ein Chectbuch hatte der Dieb un
berührt gelassen. Ei toar also kein
Gelegenheitsdieb. sondern ein ersah
W Kunde. m Saan hatte er das
Beet-item- erbr nnd aus dem obe
ren Schubfach zwei Armbänder, eine
goldene Uhr und ein Smaragdkollier
entwendet. Außerdem fehlte ein klei
nes goldeneö Tafelbesteei, welches
Fans als Pathengeschenk erhalten
atte. Eine kostbare Standuhr, sil
berne Leuchter, ein vergoldeter Tafel
aufsatz standen unversehrt aus ihrem
Platze. Der vorsichtige Dieb hatte
nur die kleinsten nnd werthvollfteri
Stücke ausgewählt, welche er-bequem
in seinen Taschen verbergen konnte»«
Der Portier, welcher selbfst ganz
verzweifelt war und zu ürchtett
schien, dafz sich der Verdacht gegen ihn
selbst richte, sagte, er habe selbst de
Manne mit der Kiste die Thüre g -
öffnet. Wann derselbe aber wieder
das Haus verlassen habe, könne er nicht
sagen.
Erst jetzt dachten wir daran, die
nicht sehr ninfangreiche Kiste zu öff
nen, welche unter dein Schreibtisch
stand. Sie war sauber in Packpapier
eingewickelt und machte ganz den Ein
druck einer Zigarrensendung. Das
grosse Gewicht war etwas verdächtig.
Als wir die Kiste geöffnet, fanden wir
nichts als Matulatnr, welche ganz
dicht über einander geschichtet war.
Nun war des Räthsels Lösung nicht
mehr schwer zu finden. Der Dieb hatte
nach bewährter Methode eine günstige
Gelegenheit ausfindig gemacht, in eine
zur Zeit unbeniitzte Wohnung zu ge
lanan. Ein kurzer Aufenthalt in
derselben genügte hinlänglich, um sich
über die Lage der Zimmer und den
Platz der Werthgegenstände zu unter
richten. Um keinen Verdacht zu er
regen, hatte sieh der Mann sofort wie
ker aus der Wohnung entfernt, jeden:
falls aber nur, um eine Treppe höher
zu steigen oder von einem Versteck aus
den günstigen Moment abzuwarten.i
Un oer Junge mir Mur- uno Hirn
merschliisseln versehen war, so war an
zunehmen, daß er abgeschirli fei, ei
was zu holen. Er mußte also sofort
wieder das Haus verlassen. Jn dieser
Erwartung sah sich der Dieb nicht ge
täuscht. Und nun konnte er mit Diel-«
rich und Brechstange, die er bis dahin
unter dem Rocke verborgen gehalten
hatte, munter an’s Wert gehen
Doch Eines war merkwürdig Wir
hatten doch die Korridorthiire ver
schlossen gefunden; sie mußte also mit
einein passenden Schlüssel geöffnet
und wieder geschlossen worden sein
Nun wurde Hans in’s Gebet genom
men.
Anfangs stellte sich der Junge, als
wenn er fich selbst den Zusammenhang
der Dinge nicht erklären könne — aber
nach« einem regelrechten Kreuzverhör
lam die Wahrheit doch an’s Tageslicht.
Er hatte nach dem Oeffnen der Flur
thüre den Schlüssel aus das Spiegel
tischchen im Korridor gelegt, und ali
er dann die Wohnung verlassen wollte.
war dieser Schlüssel verschwunden,
während er den HaugschliisseL den er
auf dem Schreibtisch gefunden, sofort
in die Tasche gesteckt hatte. Er wußte
nun nicht recht, loo er den storridor
schlüssel gelassen, dachte auch nicht da
ran, daß ihn der fremde Bote genonc
men haben lönne und holte sich ais-z
der Küche den zweiten zuerrridor
thüre passenden Schlüssel, welcher dort
ständig am Schlüsselbrett hing. So
toar er in der Lage, die Wohnung wie
der sorgfältig verschließen zu lönnenx
doch der Dieb hatte den anderen
Schlüssel, tonnte ungestört in die
Wohnung gelangen, ungestört hinter
verschlossener Thüre arbeiten und
schließlich unauffällig verschwinden
Natiirlich wurde sofort die Polizei
unterrichtet. Doch alle Bemühungen
waren vergeblich-— es lam nichts, als
solut nichts dabei heraus. —
«Ja, das war ein unglücklicher Zu
fall,« sprach Dr. heinrich, als wir uns
LE-- L-- m--I-cl --«I- ---:--- sk--.
uvps wir Cis-spu- uuuj Dunst-s ways-i
unterhielten. »Zufälligertveile hatten
wir auch das Mädchen beurlaubt, die
ihre trante Mutter besuchen tvollte.«
»Seht richtig —- ein Zufall ist ji
immer dabei. Aber wenn der Junge
einem dahersausenden Radfahrer ausg
weichen will und einem gerade um die
chte faulenden Auiomobil unter diel
Räder geräch, so ist das auch nur ein
Zufall. Der Erwachsene, der ersah
rener und umsichtiger ist« soll aber
über den Unerfahrenen wachen unr»
dem blinden Spiel deg Zufalls nicht
zu weiten Raum gewähren. —- Bei
alledem können Sie noch von Glüct
sprechen; tväre Jbr Junge noch etwa-:
tliiger und vorwitzig genug gewesen,
dem Fremden etwas schärfer auf die
Finger zu sehen, so hätte es ihm auch
das Leben kosten können«
··—-—s«--—-——
RisserstindniL
Lieuienani Alfred Schrecklich lwähi -
rend die Tochter des hanses singt, in
den Saan tretend und sich leise sei-:
Feste Nachbar vorsiellend): »Seht-eck
- l .
« Der Nachbar lrnit einern »bedeu
tnngtvolleu Blick nach der Sänger-ichs
«Grauenhaftt«
Zwei Birnen.
Ein heiteres Erlebniß von L. F r a nz
Vor längeren Jahren war ich bei
einer der größeren Elektrizitätsfirmen
im Rheinland als Montage-Jngenieur
angestellt. Es war gerade zu jener
Zeit, als die Anarchiften durch ihre
berürhtigten Bombenattentate alleWelt
m Schrecken setzten, worunter auch ich
harmloser Staatsbiirger um ein Haar
zu leiden gehabt hätte. Das kam fo:
Unter meiner Leitung war dcks
Schloß eines weltbetannten Großin
dustriellen mit elektrischer Beleuch
tungseinrichtung versehen worden. Der
stommerzienrath ein etwas eigener
Herr, war mit der Augfiihrung der
Anlage und mit dem strahlenden Ef
fett, den die Beleuchtung des Schlosses
machte, überaus zufrieden. Ich hatte
nich aber auch fo recht mit Fleiß in
feine Eigenheiten vertieft, seine zuwei
len wunderlichen Wünsche nach Mög
lichkeit erfiillt, ja manchen Einfall, der
ihm selbst nur undeutlich vorschwebte,
m seinem Sinne herausgearbeitet. Die
Folge war, daß er sich in seinem spä
teren Verkehr mit unserer Firma stets
on mich persönlich wandte.
Einer der originellsten Lichtefsette
in seinem Schloß war eine beinahe
lebensgroße Figur, die in der erhobe
i.ne Rechten eine Fackel, natürlich mit
ftellungen trösteten mich einigermaßen
über den veinlichen Gedanken, nun mit
einer statt der verlangten zwei Birnen
auf das Schloß zu kommen. Der
Kommerzienrath sollte auch seinen
Spaß an meinem Erlebniß haben.
Morgen stand wahrscheinlich im FI
schen Blättchen ein großer Bericht
iiber das Bombenattentat auf dem
Bahnhof.
Es war mittlerweile ganz finster
geworden. Jch kannte den Weg von
friiher her genau, es führte eine ziem
lich gut erhaltene Landstraße zum
Schloß. Etwa zehn Minuten war ich
gegangen, da hörte ich hinter mir ein
Getöse. Als ob ein Haufe, laut und
erregt schreiend, in schnellem Laufba
hertäme, so klang eg. Jch war nicht
furchtsam. Dennoch hätte ich mich ein
oder zwei Strolchen gegenüber in die
fer Einsamkeit nicht wohl gefühlt.
Dieser Haufe von schreienden Men
schen aber, der hinter mir herkam,
machte mich höchstens neugierig. Jn
Banden ziehen die Räuber aufDeutfch
landg Landstraßen ja Gott sei Dank
nicht mehr einher, also gerade die
aroße Zahl zerstreute alle Besorgniß.
Vielleicht zoan sie zum Feuerlöfchen
auss? Mein Blick suchte den Horizont
ab, ich entdeckte aber keinen Feuer
schein·
Allmählich konnte ich ihre Stimmen
erkennen und ihre Reden und Rufe
elettrischer Birne, trug. Ich hatte
ihm bei der ersten Vorführung der
Lichteinrichtung statt der gewöhnlichen
iechzehnterzigen Gliihlampe eine Birne
von außergewöhnlicher Leuchttraft,
hundert Normalterzen, in diese Figur
eingesetzt und zum Uebersluß noch eine
Lampe von geringerer Spannung als
die Betriebsspannung —— 110 Volt —1—
gewählt. Der Fackel entströmte dem
gemäß eine blendende Lichtfiille. Nun
wollte er niemals eine andere Lampe
liier hineinhaben. Den Nachtheil mußte
cr allerdings dabei mit in den Raus
nehmen, daß diese Lampen infolge der
Ueberlastung durch höhere Spannung
niemals länger als 2bi58 Stunden
aushieltenx dann waren sie durchge
brannt und mußten ausgewechselt
werden. Das Vergnügen kostete atso
Geld, aber das machte ihm nichts aug
Mir natürlich noch weniger.
Eines Nachmittags tam ich miide
von der Reise ins Bureau.
Herr Kommerzienrath X. hat nach
Ihnen verlangt.
Um Gotteswillen, ich soll doch nicht
wieder nach F. hinausfahren mit dem
Bummelzug und dann eine Stunde
über’H Feld laufen? ·
Allerdings-. Heute Abend wäre Ge
sellschaft, unverhofft, ein hoher Besuch,
und Sie möchten mit zwei Birnen,
Sie wüßten schon, was siir welche, so-:
fort hinaustommen.
Ingenieure sind ja nun eigentlich zu
anderen Dingen in der Welt alg zum
Gliihlampeneinschrauben, aber wag
thut man nicht alles um einstuszreicher
Kundschast willen! Zum Ueberslufz
kam auch noch ein Telegramm, daß icli
persönlich mit zwei Birnen Zu je 1W
Kerzen sofort kommen solle. Also nun
schnell eingepactt und aus die Bahn.
Gerade zwanzig Minuten hatte ich
noch bis zum Abgang des Zuges-.
Rasch die beiden Gliihlampen her!
Einpackenk Dazu ist keine Zeit. Eine
in die Brusttasche des Mantel-J, die
andere in die Zeitentasche.
Die Stunde Eisenbahnfahrt benutzte
ich zu einem Ectiläschen Es war im
Tokyo-»n- qlls ist-i one-THAT taki-Es- fi
reits dämmerig; die Laternen brann
ten schon. Schlaftrunten wies ich meine
Fahrtarte dem tontrollirenden Beam
ten vor und drückte mich durch die
Bahnsteigsperrr. Mit einem Male:
BatttzZ Ein siirchterlicher sinnli, der
unter der niedrigen Wölbung des
Bahnhöfcheng schaurig wider-baute
Den Blick werde ich nie vergessen, mit
dem der Billetschasfner mich ansah, in
itierer Angst» bleich, an allen Gliedern
bebend. Ich wußte ja sofort, wag ge
tchehen war: die ltjlijblampe in meiner
Manteltnsche war acplatztz ich hatte sie
in meiner Schlaftruutenbeii gegen daiJ
Gitter gepreßt Da diese Birnen lust
leer sind, so geben sie beim Springen
einen vistolenschusiähnlichen sinall von
sich, der unter den vorliegenden Ver
hältnissen -·-— die besonders große
Birne und der widerhallende Bahn
steig is eben auch besonders kräftig
aussiet
Jch war instinktiv ruhig weiter gei
aangen, und erst als ich den Bahnhof
hinter mir hatte, siel anir wieder das
entsetzte, angstverzerrte Gesicht des Be
amten ein. Jch mußte lachen. Er hielt
mich fiir einen Anarchisten und Bom
benwerser und hatte gewiß erwartet,
im nächsten Augenblick in die Lust ge
schleudert zu werden. Aus das Publi
tum hatte ich nicht geachtet. Es waren
meist Bauern und tleine Leute, die an
dieser haliestelle ein- und ausstiegen
Sie mochten wohl alle so verblüfft
und entsedt gewesen sein wie der
»Sei-offnen Solche belustigenden Vor
-.-.-»--·q »k. -
erscheioen weit einem Male er
tönte der Schrei:
»Da ist er! Da ist der Düvelsterl!«
Die ganze Rotte stimmte ein. Mir
erstarrte das Blut in den Adern. Es
war klar, daß ich gemeint war. Jch
drehte mich um und sah eine ganze
Horde von jungen und alten Männern,
meist Bauern mit Knüppelm Dresch
flegeln, Sensen und ähnlichen Waffen
im Laufschritt auf mich zukommen.
Dabei stießen sie wilde Fläche, auch
Schimpfworte und Verwünschungen
aus.
Sollte ich fliehen oder bleiben? Jn
einem Augenblick stellte ich mir die
Frage und beantwortete sie auch. Jm
nächsten Augenblick befand ich mich
xchon in vollem Lauf. Offenbar ver
olgten sie den Attentäter, den Vom-:
benwerfer, den Anarchisten in mir,
nnd wer einmal die Belanntschast
eines witthenden Bauernhausens ge
macht hat, der toird die Eil zu wür
digen wissen, mit der ich den Weg un
ter die Füße nahm. Jch wußte ganz
genau, das mindeste, wag mir bevor
stand, war, daß ich nach gehörigen
Prügeln zuriickgeschleppt und in ihr
Gewahrsain gebracht wurde. Wie derb
sich aber ihre Wuth äußern würde, ob
sie mich halbtodt oder vielleicht auch
ganz todt schlagen würden — das
wußten meine Versolger ebensowenig
irie ich
Mittlerweile war der Zwischenraum
zwischen uns immer lleiner geworden.
J chhorte nicht nur ihre Rufe ganz ge
nan, sondern vernahm auch das Klap
vern, Schleifen und Klirren ihrer Ge
legenheitswaffm Meine Kraft und
Tunsdauer aber nahmen immer mehr
ab Mein Athern ging kurz und ston
weise. Lange hielt ich eJ nicht mehr
aus Ich blickte um mich, ohne mei:
nen raschen Lauf zu mäßigen. Da
fah ich seitwärts cmi Wege einen Heu
fwober stehen. Raschs sprang ich hin
til-er und dertte mir den Rücken. Im
Nu war ich umringt. Mit wildem
th- c««..-.: « it- -«- .- «
H» Hu neu-»I- uuxo um unu- Uterus-,
aber doch in gebührender Entfernung,
wahrscheinlich waren sie der Meinung
daß ich so ein halbes Dutzend Vom
ten mit mir hernmtrüge. Diese Angst
meiner Verfolger rettete mich, sie gab
mir auch meinen Humor nnd mein
lJetbstvertrauen wieder. Kühn trat
ich vor und begann zu reden, um sie
iiber ihren Jrrthum aufzuklären. Aber
meine Rechnung war falsch Kaum
hatte ich meine Rückendecinng ausae
neben, so drängten sich einige — - die
«tiiithigsten — zwischen mich nnd den
benschoher, um so von hinten an mich
in gelangen Nun war alles verloren.
Blitzschnetl iiberleate ich Jm nächsten
Moment konnte der erste Dreschfleael
aus mich niedersanfen.
Jch weist jetzt selbst nicht, woher mir
ter rettende Gedanke tam· Wollten sie
durchaus ihre Bombe haben -- gut,
sie konnten sie kriegen!
Ein rascher Griff in die Brusttasche,
ein energischer Wurf -—« und die zweite
Glühlampe explodirte am Meilenstein.
Noch tönte der kurze, scharfe Knall
in meinen Ohren nach, und schon war
ich allein. Eine Anzahl herrenloser
Kniippel und Sensen bedeckte den Bo
den, weit hinten aber hörte ich die
trampelnde Flucht meiner Feinde, die
gewiß keine Lust mehr verspürten, den
Anarchisten zu fangen.
Jch selbst —- das muß ich gestehen
« legte den Restdes Weges bis zum
Schloß ebenfalls in beschleuni tein
Tempo zurück. Nicht aus Sehnsucht
nach dem Kommerzienrath Jni Ge
qentheilt Nun mußte ich ja mit leeren
änden vor ihn treten. Der hohe
der ganzen Beleuchtung verzt ,
dafür gab ich mein Abenteuer zum
Besten und erntete schallendes Ge
lä ter.
n der Nacht wurdeich mit den an
deren Gästen im Wagen nach dern
Bahnhof gebracht und fuhr unbehel
ligt nach Hause. Die Nummer des
F....er Gemeindeanzeigers, in der
das ,,doppelte Bombenattentat eines
Anarchisten« geschildert ist, bewahre
ich heute noch auf.
W
Auf dem Heimweg.
Jn Katzenbuckelbach war heut’ große
Kirchweih; aber weil net g’raufi wor
den is, hat ’s richtige Animo g’fehlt
und der Rumpelbauer is deswegen
schon um dreie in der Früh ordentlich
unbefriedigt z’ Haus g’waclelt. Unter
wegs begegnet ihm der TullingerSepp,
der heut’ auch vergebens auf eine Kei
lerei g"ivartet hat und nun schwer ge
laden seinem Dorf zuschwantt. Just
beim Wegweiser torkeln sie aneinander
vorüber.
,,’n Ab’nd!« murmelt der Rumpel
lsauer. ,,’n Nachtl« lallt der Tullinger
Sepp und lehnt sich in einer begreif
lichen Schwächeanioandlung an den
Wegweiser. Der Rumpelbauer wankt
knapp an ihm vorbei, fühlt sich aber
plötzlich hinten am Schiringriff fest
a(halten.
,,Auölassen!« brumint er unwillig
und zerrt, ohne sich erst umzusehen, an
feinem Paraplni. Aber der Tullinger
Sepp lasit nicht aug, weil ---— nun weil
nicht er, sondern der Weaweiser den
Schirniqriff festhaltet.
Da wird der Rumpelbauer wild,
hängt sich init allen zwei Händen an
den Schirm, schreit: »Hinimi sakra!«
und macht einen Ruck, alLs ob er einem
Ochse-i ’n Schweif augreißen wolli’;
aber der chweiser hat nicht aus-lassen
wollen.
Lluf einmal niacht’S einen Kracher,
der klinrnpelbauer flieat auf d’Nasen,
Besuch mußte also auf ben Kna t
s- www-IN RHIHNITQFZJHM
-—..»»z
uno oer ao orochene Wegweuer saur
ihm auf’n Schädel, daß’s nur so plum
pert und ihm ordentlich ’s Hören und
Sehen vergeht. Er ist aber gleich
wieder in der Höh’, der Rumpelbauer,
und schreit fuchsteuselswild: »Wart,
Du elendiaer Kerl! J wer Dir geben«
s-- auf mi losz’schlagen!«, fallt über’n
Tullinger Seppl her, wackt’n bei die
Füß und haut’n wie net g’scheit. Der
Tullinger Seppl is ihm aber auch nix
schuldig blieben und hat z’ruckg’haut,
was er nur können hat, und so hab’n
sie sich priigelt nnd a’rauft, bis sie
nimmer recht schnanusen konnten, und
wie ein jeder endlich g’nug g’habt hat,
sindUJ 3’Haus tappt, haben sich ’n
Buckel und sonst noch wo g’rieben und
jeder hat heimlich in sich hinein
g·schmunzelt:
»Schau, schau, hätt’ ma’s net denkt,
daß i mi’ heunts no’ so guckt unter
halten thät’!«
s———-—-—-—
Das Fest des Herrn v. Katze-stated
Ein Jahrhunderte altes Fest, Gre
gorius genannt, wird alljährlich in
Koburg begangen. Es ist eine Ver
theilung von Liebeggaben, deren Ur
sprung bislang historisch noch nicht
festgestellt wurde, an die städtischen
Beamten und die Schulkinder. Eine
Rolle spielen dabei Brezelm Brat
wiirste und Wein sowie der sogenannte
in klinaender Münze bestehende »Gu
goriugbatzen«. Allmählich hat sich als
Kern der Feier ein Kinderfest daraus
entwickelt. An die Knaben kommen
zur Vertheilung je 20 Pf. als Grego
1iquat3en, 4099 Brezeln und 166
Liter Wein, an die Mädchen 280.8()
M. an Geld und 1645 Brezeln. Je
der städtische Subalternbeamte erhält
sechs Brezelm eine Flasche Wein und
zwei Rostbratwiirste mit Seinmeln,
jeder Polizeibeamte Vier Brezelm eine
Flasche Wein und zwei Brattviirste.
Die YJtaaistratgräthe, die Direktoren
R-.- sUk--....
»e-« U»tuuusiusu:, urt incutsujuth UcV
Seminars und der städtischen Volks
schule erhalten als Ehrengiiste der
Stadt je zwölf Brezeln. Die äußer
liche Feier aipfelt in einem Festzug
der etwa 4000 Schultinder durch die
Stadt nach dein Anger. Der Festzug
wird von einersUtusittapelle angeführt,
hinter welcher ein Knabe mit der
Maske eines Katzentopfeg schreitet und
nach allen Seiten Reverenzen macht.
Jn einem fort aber ertönt aus den
Kindertehten der Festgesang: »Es lebe
der Herr von statzentops und seine
Frau- dopp- hvpp. dopp- Vivat hoch.
vivat hoch, vivat hoch.« Was der Herr
von Katzentops mit dem Fest zu thun
bat und weshalb ihm diese Ehrung zu
Theil wird, ist nicht bekannt. Auf
dem städtischen Anaer finden dann für
die Jugend allerlei Spiele statt, wäh
rend in einem besonderen Raum die
itiidtischen Beamten und die aelndenen
Gäste auf Kosten der Stadt bewirthet
werden
s--—-.-.--s-s
Höchste Zerstreittlpeit.
,,Wo ist denn Jhr alter Diener
Jean?«
,,(5-ntlassen. Der arme Kerl wurde
schließlich so zerstreut, daß er mitb
rend meiner Vadereise die Teppiche
anstatt ausllopfte, berilopfte.«
Kinder-wund
Mutter: ,,Fritzcl;en, Frischetn kannst
Du denn nicht ein bischen artiaer wer
den«-»-m
Friychem »Ja, liebe Mama, jeden
Abend bitte ich den lieben Gott da
rum, aber er thut’g nicht!«'
Kellnen »Mein Herr, Sie sind
Zeuge, daß man mich soeben einen
Esel nannt hat« » «
Ga : »Ja. das lann ich bestäti
gen!« .