Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 27, 1904, Zweiter Theil, Image 14

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Goldene Blumen.
crimmclwman von Champol
W-«
OOCMOUOOO MOOW WOOOOOCW
vssfsssqssffvv , ff .
(8. Fortsetzung)
Das hatte die plötzliche Explosion?
veranlaßt? War sie lange schon vorbe- ;
restri, oder hatten die berauschende
Umgebung. der Blumendusi, die
schmachtenden Töne der Musik, die
Im Poesie und Schönheit geschwän
gest Luft ihn einen Augenblick der
irtlichteit entrückt? Vincent dachte
nicht darüber nach. Ein unbewußteg
Giiicksgefiihl schwellte ihm die Brust !
Ewig hätte er die Schlußsiguren dieser
Quadrille weiter tanzen, immer wie
der seine Schäferin auf sich zukommen
sehen mögen.
Und als der Tanz zu Ende war, da
hielt er Germaine, seiner selbst kaum
mächtig, so fest im Arm, als sei sie be
reits sein sicheres Eigenthum. Erst
Getmaine’ö geschickte Bewegung, wo
mit sie sich losmachte, brachte ihn zur
Besinnung.
»O, verzeihen Sie, gnädiges Fräu
leins· stammelte er, indem er sie an
ihren Platz zurücksiihrte oder sich viel
mehr von ihr führen ließ.
O It O
Die Lust zum Tanzen war Vincent
iest vergangen. Er sehnte sich heraus
Ins diesem Mummenschanz nach
Sammlung, um zu ergründen, wie
viel nach der Rückkehr ins Alltags
, leben von seinen süßen Träumen noch
chtig blieb.
Die Flucht war aber ein Ding der
Unmöglichkeit. Kaum hatte er sich
Von einer Gruppe befreit, so sah er sich
von neuem gefangen. Eine bunte
Schaut Pagen, Beduinen, Grenadiere,
Zigeuner, unter ihnen auch Sancho
ansa, umringten und besiürmten
ibid .
«»Schlechter Carnerad . .. Egisi
Gaja-Euklqu You Iuw use ruch- l
den Damen, mit denen Du getanzt
hast? Beim Aldebaran, dem Stern der
Zigeuner, Du sollst sie nicht für Dich
allein behalten! Da sie sonst niemand »
hier tennt, mußt Du uns ihnen vor- (
stellen«
,Ja, ja, mit Vergnügen«
Vincent, dem heute überhaupt die »
solle des Vorstellers zusiel, machte !
Kehri, und als FrauLancelot ihn mit »
einem Cometenschweis zurücktehren »
ah, hellte sich ihre trübselige Miene
tfprt aus« Als dann die Tänzer ihre
amen aus die Tanzlarten der beiden
jungen Mädchen geschrieben und die
zuerst AngekommenenEstelte und Ger
Imine entführt hatten, sogte die mit
Ietbault zurückgebliebene gute Dame,
tut mühsam ihre Rührung be- -
Wink-send:
,herr Hauptmann, was Sie da»
eben gethan haben, war sehr nett von
n. Meine armen tleinen Mäd
! Jch hatte solche Angst, man wer
de sie nicht beachten. Sie haben sich
auch hierbei wieder benommen wie ein
echter Soldat. Und noch eines: wenn
Sie Ihrem Edelmuthe noch die Krone
sufsesen wollen« so führen Sie mich
sum Büssett. Jsch sterbe vor Hunger,
und von diesen ungeschlissenen Eil-jü
Hen isi es natürlich keinem eingefallen,
mir auch nur ein Butterbrödchen an
subieten3'
Gerbault war eben im Begriff, die
ses Vergehen gründlich gut zu machen,
als sich plötzlich die Büsetthüren
schlossen, das Orchester verstummte
und die Tänzer innehielten. Beauf
tragte der Frau Rollin vertündeten
eine beginnende Ausführung.
----- »
Ists- Sunodu uns -««-uu·--- -«»- »k
dete den Höhepunkt Von Frau Rallin’5
Triumph, wie des Festes überhaupt
Doppelt groß war aber nach deren
Schluß der Andrang zum Büfsett.
Trotzdem gelang es dem Offizier, der
ten Frau Lancelot die ersehnte
törkung zu verschaffen, und dank
bar verabschiedete sted ann ihren Rit
ter.
Allein er schien entschieden an die
sem Abend nicht vom Glücke begünstigt
zu sein« denn kaum hatte er drei
Schritte gemacht, so stieß er auf den
This-lesen
Dieser besand sich ind er denkbar
kälechtesten Laune, die er auch unge
atz ur Schau trug.
»Ehe hübsche Gesellschaft, in dieDu
niri da geschleppt hast«, donnerte er
lei. nachdem er Vincent gezwungen
hatte, gä- ztvischen ihn nnd Sylvie an
- einen isch zu setzen. »Ich gratuliere
Dir zu Deinen Freunden! Wahre
Mut-raten Weißt Du. was man
Ich erlaubt aht, uns anzuthun?«
Er sah so unendlich komisch aus in
des selben Kleid mit dem bautnelnden
Zank daß Vincent große Mühe hatte,
Klagen mit ernster Miene anzu
«Singeschlossen hat Man uns, dort
Iris beim Küssett, aus Unachtsarnleit,
- Its H, der ich nicht gewohnt bin, mich
- Wes-anbieten zu lassen wie ihr
ensehen, mich nicht verpflich
« U Mk tre, blindlingg dein Be
ess- so , sondern als freier
is Ruhe meinen Hammer vol
IIU ehrte- Und nun haben wir
? E , weder vorn Mennett,
, M des Ihrigen Tänzen. Wozu
I- ts- tms ein« wenn man uns doch
nur als Paria behandelti steinern
Menschen ist es eingefallen, sich unser
anzunehmen und meine rau zum
Tanze aufzufordern, selbst ir nicht.«
»Aber dazu ist ja noch immer Zeit«,
bemerkte Vincent. «Gestatten Sie, lie
be Cousine.«
Es half nichts, auch diese Last muß
te er noch aus sich nehmen. Dann
aber, so nahm er sich ernstlich vor,
sollte ihn nichts mehr hindern, sich mit
aller Entschiedenheit diese unangenely
me Gesellschaft vom Leibe zu halten.
Zuerst wollte er Snldie so weit als
möglich sortsiihren und sie nach been
digtem Walzer einem anderen Tänzer
überlassen, dem dann die Ausgabe zu
siel, sie ihrem rechtmäßigen Besitzer
zurückzuerstatten
Schweigend hatte Sylvie feinen
Arm angenommen. Jn der Nähe des
Wintergartens an der anderen Seite
des Saales fragte Vincent:
»Wollen wir jetzt beginnen?«
»O ja.«
»Sechsschritt oder Schleiswalzer?«
»Wie Sie wollen«
Mit ruhiger. gleichgültiger Miene
sah Syloie zu Boden.
Wie lästig! sagte Vincent, dessenGe
danken sern von seiner Dame weiten,
ärgerlich zu sich selbst; abgesehen da
von, daß sie wahrscheinlich wie ein
Holzilotz tanzt!
Hierin täuschte er sich indeß. Schon
nach den ersten Schritten war er aufs
höchste überrascht. Sylvie Dulaurier
tanzte durchaus nicht wie ein Holz
tloy, aber auch nicht wie Estelle oder
Germaine oder ein anderes junges
Mädchen Es war, als habe sie zu
gleich mit dem Kleide auch Carrnen s
s-. «lh- O-l.k--ZA1- . .. -L -l. «I--—U
IUIIUS OSU III IHHCIIL IIIU BIUSPOIUV
Leidenschaft entlehnt. Nicht er war
mehr der Führer sondern sie zog ihn
mit sich fort, und obwohl Vincent als
der beste und ausdaurrndste Walzev
tänzer seines Regiments bekannt war,
so verlor er doch allmählig den Atti-end
«Sind Sie nicht müde?«
»Nein.«
Diese leise, halberstickte Stimme,
war es wirklich die Snlvie’si Und
ibenso seltsam berührten ihn ihre fol
genden Worte:
»Ich wollte. ich wäre müde; aber ich
glaube, so weit bringe ich es niemals.
Matt und träge, ja das bin ich."
»Ist das nicht so ziemlich dasselbe?«
O nein. Sich ermüden, beißt seine
Kräfte bis zum äußersten anstrengen,
etwas leisten; Mattigkeit aber ist die
Folget on trägem Nichtsthum von ei
nem Dasein ohne Zweck und Freude,
ron einem Dasein. wie ich es führe.«
Hestig schüttelte sie den mit rothen
Nelten geschmückten Kopf, dann sagte
sie in plötzlich verändertem Tone:
»Aber ich will heute nicht an das
Alttagsleben denten; heute wenigstens
darf ich es ja auf ktirze Zeit vergessen.
Haben Sie Dank daß Sie das Opfer
gebracht haben, michs um Tanze zu ho
len, denn ich weiß sehr wohl, daß es
ein Opfer sür Sie ist«
»Wie können Sie glauben . . .
.Doch, doch, icb weiß es. Aber viel
»leicht ist es Ihnen weniger unange
nehm, wenn Sie hören, welch große
Freude Sie mir damit machen-«
« »Ich bin ja nur zu glücklich«
»Nein, nein· nur teine Complimen
te. Es gibt nichts Faderes und Lang
’weiligeres. Haben Sie übrigens nicht
’ auch schon die Bemerkung gemacht, daß
das Leben überhaupt langweilig ist«
ganz oetonoers aoer aue5, was zu
meiner Umgebung gehört.«
Bestürzt schwieg der Offizier auf
diefe unerwartete Frage mit der Deut
lichen Beziehung auf feinen Vetter-.
Carmen aber brach in Lachen aus.
I «Geftehen Sie es nur ungescheut
;ein! Glauben Sie, mir entgehe so
? leicht etwas-? Die Männer freilich len
!nen keine Entfagung, und wenn sie
tfehen, daß wir Frauen unser Looå
f schweigend ertragen, so halten sie uns
kviel lieber für blind und dumm, als
) für Philosophinen.«
. PhilosophinL Davon war augen
blicklich allerdings nichts in diesen leb
haft funkelnden Augenz u sehen, die
wie mit magnetifcher Kraft Bincent’2
Blick an sich zogen, und aus deren
duntler Tiefe ihm die goldenen Blu
men g nz besonders feurig entgegen
leuchte n. Neugierde aber ist eine
rnii ge Leidenschaft, fo daß Vincent
fast eine Liebe darüber vergaß, urnl
wenn auch vergeblich, nach der wahren
Natur des« seltsamen Geschöpfes z
forfchen, das feinem Geift stets neue
Näthfel aufgab.
Ohne ihm Zeit zu einer Antwort
zu lajsem hatte Sylvie indeß dem
Gefprach bereits eine Wendung ge
geben.
«Hin und wieder aber ift es erlaubt.
sich Jllusionen hinzugeben, vorausge
eht, baß man sich ftets llar bleibt«
daß ei eben usicnen sind. heute
Abend zum fpiel gefiatte ich mir
diesen Luxus. Schauen Sie um si !«
Sie zeigte mit dem Fächer auf i re
Rast-sag und fuhr dann in plötzlich
aus echender unnatürlicher Lustigkeit
fort- Wie wär's, roenn wir uns jetzt
einmal eisbildeiem dieser kleine Minn
Mfehanz sei Wirklichkeit. Wir wol
len ihn mitu referer Einbilduugstraft
noch ais-schmücken verng ern und uns
selbst etwas writng er sankf
ist tein Tanzsaah sondern die ganze
Welt: die Kronieuchter sind Sonnen.
die Sonnen aller Länder und Zeiten«
Diese harmiofen Männchen nnd Weib
chen in ihrem Flittertram seiden
und Deldinnen in echtem nrpnr nnd
Gold, Könige des Reichthumt, des
Glanzes und der Poesie. Diese Ritter
dort driiben sind soeben ruhmgetriint
vom hetiiaen Lande zurückgekehrt
Jene Schäferinnen besitzen inWirtiichi
teit nicht nur Verdem sondern auch
Schäfers und werden morgen undalle
folgenden Tage in ihren weißen Klei
dern über grüne Matten schweifen.
Das Leben ist entweder ein Freuden
fest oder ein blutiger Kampf: ein el
dengedicht oder ein Schäferspiei. ur
das Schöne und Anmuthige ist Wahr
heit, das übrige lebt nicht. Wie tonnte
man einem Clown, Hanswurst oder
Chinefen den Eintritt gestatten! Nur
nichts Lächeriiches, denn das Löcher
liche ist die Wirklichkeit die erbärm
liche, häßliche, unerträgliche Wirklich
keit. Lassen wir diefe ioeniqftens heute
beiseite.
..Veraessen wir sie und uns selbst.
Sie, lieber Vetter. sind nicht mehr der
arme kleine Hauptmann, der feinen
Säbel von der Kaserne in’s Kasseei
haus schleppt und ihn alle zehn Jahre
einmal aegen einen wiithenden Hund
zieht. Mit Jhrem Team Ihrer
Hals-traute und Ihre-n Kinnbärtchen
haben Si: in den Reihen der Hugenot
ten oder der Liga getäsnpsn Um der
schönen Augen der Königin Margot
willen haben Sie ein halbes Dutzend
Männer aetädtet. Und ich, ich bin
nicht mehr die willeniofe Maschine, die
Hühner füttert und Strümpfe stopft·
sondern am Tage, da laufef ich frei
und ungebunden durch Wald undFeld.
und bei Nacht treibe ich Schleichhan
ou, wenn ich gerade rem Steuvrchern
habe. Jch bin Carmen —- Sie selbst
haben es gelagt —— also hüten Sie sich.
mein schmucker foicier!«
Der Walzer war zu Ende, sie stan
den in der Nähe des Wintergartenö,
wo Vincent seine Dame abzukchiitteln
sich votaenommen hatte. Er aber
dachte nicht mehr an seinen Vorsatz
Diese junge Frau war in der That
aar zu seltsam, und da er sich der
Dame, der sein Herz gehörte, jeht ge
rade doch nicht widmen konnte, warum
sollte er seine Zeit nicht mit dem Stu
dium dieser hier ausfiillem freilich nur
aus rein platonichem Beweggrundr.
Nein, was Estelle auch sagen moch
te. hiiblch war Snlvie nicht« und doch
hatte sie einen gewissen Zauber. oder
vielmehr einen picanten Reis, der fiir
manchen vielleicht anziehender lein
mochte, als Schönheit. Auch an Ver
stand und Witz fehlte es ihr nichts die
Art, wie sie sich in ihrer Maske beweg-·
te, war der beste Beweis. Vincent
konnte nichts besseres thun. als ihr im
gleichen Tone zu antworten. ;
.Schiine Zigeunerin in meinemZeit
alter war man aar abergliiubifch: ich
flehe Sie an, beheren Sie mich nicht.«
Jm Wintergarten wurd- nicht ge
tanzt. Als verständiae hausfrau hat
te Frau Rollin diesen kleinen. noetis
schen Winkel für Träumereien nnd
trauliche Geiprächesfrei gelaism Bei
dem allgemeinen Drange nach dem
Bufset war dieser Raum jetzt nahezu
leer, so daß Carmen leicht einen hüb
schen Platz unter einer Palme fand, wo
sie sich niederließ und, auf Bincent’s
Scherz eingehend, erwiderte:
»Das kann ichJhnen noch nicht ver
sprechen. Man weiß nie, was einem
im Laufe der Zeit alles in den Sinn
kommt. Augenblicklich aber sind Sie
sicher. Soll ich Ihnen die Karten le
gen?« fragte sie, ein winziges Whist
piel aus der Tasche ziehend. «
»Ach, da wimmelt es »Ja förmlich
von erzen undDamen,« rres sie, nach
dem ie die Kärtchen auf ihrem Schooß
ausgebreitet hatte. Raum wag’ ich,
Jhnen alles zu saaen. was ich hier
heraus-lese. Der Carreauthnig ist ein
Ossirier und die Dame eine schöne
Blondine. Nach den Karten zu schlie
ßen, könnte man wahrhaftig glauben,
eine Verlobung iei heute Abend im
Gange. Eine Verlobung auf einem
Balle, wie in den Badsischromanen!«
»Psui!« rief Vincent mit der unbe
sangensten Miene, »das wäre gar zu
alltäglich.«
»O, so ganz glatt aeht es dabei denn
doch nicht ah. Warten Sie mal, hier
sind mehrere Weines-, die Schwierigleis
ten michen nnd — nein wahrhaftig,
ich kann es Ihnen nicht verrathen.«
Hastig warf sie die Karten durch
einander, als siirchte sie, es könne sonst
noch jemand darin leien, dann fuhr
sie fort: »Eines ist sicher: aus der
Heirath wird nichts, und ich wünsche
Ihnen Glüet dazu, lieber Vetter, denn
die Ehe ist etwas Entietzliches.«
Wieder hatte ihre-Stimme einen an
deren Mann angenommen. Diesnial
schien sie aus der Tiefe ihrer Seele zu
tonrnsem während es aus den golde
nen Blumen wie frisch gesallener Thau
ichiintnertr.
Hastia stand sie aus und sagte de
schinntx «Verzeihen Sie, lieber Vetter.
ich hätte nicht so offen rnit Ihnen re
den und meine Thorheiten für mich
behalten sollen, aber es giebt Busen
blicke, wo man nicht andekj tann. da
muß man sich betäuben. muß Unsinn
sehn-erden, unt nicht var Verzweiflung
zu Grunde zu gehen.« -
Das letzte Paar hatte soeben den
Winteraarten .verlasien, und da die
Gegenwart FremderSnlvie nun keinen i
Zwang mehr auferlegte, ließ sie sichl
l
ans ihrenStu l zuriicksinten und brach
hinter ihren- «cher in leidenschaftli
ches Schluchzzn Hur-.
Ein antnrntlnser Mann läßt sich
dnrch die cheänes einer seen stets
rühren, und da diese an Idrnunw
Gattin war, erschien Oerhault des
tiessten Mitleids werth. und er der
buchttz sie nach besten Kritsten zu trit
en.
»Aber, meine liebe Cousine, wie tiins
nen Sie sich so niederdrücken lasseni
Haben Sie denn noch so wenig Lebens
erfahruns da Sie aus ein wolken
lo es Cl ck ho sen ionnteni Wel
Frau bat nicht Enttäuschungen dur
zumacheni Wenn alle, die heute Abend
hier sind, Jhnen ihre Leiden und Sor
gen anvertrauten....«
Hastig ihre Thriinen trocknend, un
terbrach ihn Frau Dulaurier
»Sorgen, Leiden, davor würde ich
mich nicht fürchten. Jch wollte, ich
hätte sie! Das wdhe doch weniglteng et
was. Mein Unglück ist, daß ch eben
nichts habe, rein gar nichts, weder eine
Hoffnung, no einen Lebenszweck.
noch eine Sorge· Beareisen Sie, was
das heißt, mit vierundpwanzig Jahren
ein leeres, völlig leeres Das-in vor sich
zu haben und sich dessen bewußt zu
sein? Sie werden mir antworten, daß
ich dieses Dasein ja iannte, schon ehe
ich es mir ausbiirdeie. Das ist-aller
dings wahr, und doch machte ich es
mir damals nicht so klar wie jetzt. Jch
wußte zwar, daß ich ein Opfer brachte.
aber ich hielt es nicht für so schwer,
nicht sür so entsetzlich schwer, sonst hat
te ich nicht den Muth aehabi, es zu
bringen.«
»Warum thaten Sie es aber?«
Vincent hatte diese-J Warum nicht
unterdrücken tönnen, denn gar zu«sehr
verlangte ihn nach der Lösung dieses
seltsamen Räthsels. Er hätte die
Frage indeß nicht zu stellen brauchen,
denn Sylvie fühlte selbst den Drana,
ihre einmal begonnene Erklärung zu
Ende zu führen.
»Warum Z« fuhr sie hestig fort.
Moos-m Zqulchnnsnd mboifntfvt Ist-III l
Das fragen Sie mich? Sie errathen
es nichts Welches ist denn der aus
schlaggebende Grund von drei Viertel
aller Heiraiheni Jedenfalls doch nicht
die Liebe! Nicht einmal der Eigennuff
Meiftens heirathet man im Jntere e
anderer, um den Ehrgeiz seiner Eltern
zu befriedigen.... oder ihren Unter
gang zu verhindern. Edmund brauch
te eine Frau und mein Vater jemand.
der ihm die Schulden bezahlte. Vor
die Wahl aestellt, feine Stellung zu
verlieren oder das Glück feiner Tochter
zu opfern was glauben Sie, wofiir er
sich en. fchied?-'«
Daß der alte Mouain diefe Wahl
getroffen hatte, wunderte Vincent nicht
im geringsten. Deutlich konnte er sich
die Kämpfe vorstellen, die dieser Ber
bindung vorangegangen waren, den
Widerstand der Tochter, den auf sie
ausgeühten Druck, ihre schließliche Er
gebung und den darauf folaenden Ab
scheu und Etel. Ja, ja, das alles er
llärte sich von selbst. Die lächerliche
Figur, die Edrnund heuteAberd spiel
te, mochte Shlvies Abneiguna noch
die Krone ausgesetzt und sie unfähia
gemacht zu haben, ihre Gefühle länger
zu verbergen.
Mit aefenttem Kovfe, das Gesicht
halb hinter ihrem Fächer verborgen,
vollendete sie ihr Bekenntnis
»Bösartig ist Edmund ja nicht er
war sogar auf seine Weise stets gut
und freundlich zu mir. Ich hatte mich
an ihn gewöhnt wie an einen alten
Freund und mir den Unterschied zwi
schen einem folchen und einem Gatten
nicht aeniiaend tlar gemacht. Außer
dem war ich vor meiner Heirath nie
mit einem anderen Manne zufammen
gekommen. mit dem ich ihn hätte ver
gleichen tönnen.«
Wer war es wohl, den sie feither
kennen gelernt, und oer sie zu diesem
troftlofen Vergleiche veranlaßt hattest
Vincent tam der Gedante nicht, da
nach zu fragen. Edmund in der Ach
tung seiner Frau zu heben das war
jetzt vor allem seine Pflicht und voll
Eifer widmete er sich dieser schwierigen l
Aufgabe
»Sie kennen ihn noch nicht aenii-j
wod« fis-man » mönlickift übean
gungsvolL »Als er noch Jhr Freund
war, hatten Sie teine Gelegenheit da: .
zu, und erft als Gotte fand er Gele- »
arnheit, auch feine Fehler zu zeigen,
denn die iommen bei ihm immer uerft
an den Ta . Es ift eine Folae Keines
linkifchen fens, denn linlifch ift er, ;
das gebe ich zu, aber das beeinträch
ti t ja feine fonftiaen guten Eigen-;
f aften nicht« und fiir die tann ich ein- s
stehen. denn ich kenne ihn von Kindheit ;
an.« f
»Was find denn das fiir gute EH
genfchaften?« fragte Sylvie, die gro-;
Pen HAan vertrauen-Evas tu ihm auf- »
chlagen,, während Vincent nahe da
ran war, die Fassung zu verlieren. .
Troßdern fuhr er fort: »Nun, eine
Menge werthvoller Eigenschaften- Vor
allem — die Treue.« Damit hatteer
ja nun glücklich das Richtiae gefunden,
und ausführlich ergina er sich über die
fen Punkt.
»Seine unwandelbare Zuneigung
fiir mich ift der beste Beweis fiir die
Beftiindigteit feiner Gefühle. Der
arme Junge ftellt Sie über alles, das
miiffen Sie doch auch chädem und auf
diefer Grundlage läßt fich am besten
hauen. Jni Besitz feiner Liebe wird
Jhnen nichts unmöglich fein, an h
nen nur liegt es, ihn nach Ihrem -
fallen umzubitdem Schon ma t fich
Ehr Einfluß fühlt-ar; fahren ie nur
art in Jhrer Aufgabe, da haben Sie
ja dann Arbeit und Lebenszwech und
ich wette, noch vor Ablauf eines ah
rei find Sie die glückliche Gattin net
von Ihnen erzogenen und umgewan
delten Mannes.
Ein hoffnungöfchimmer flog iiber
Sizii-Ei Gefecht. »Sie glauben witt
lich. das man ihn ertraalich machen
tönntei« sammelte fie zwe feind.
i »Natiiritch,« versicherte Vincent eif
k g
»Nun denn, da Sie so sehr an ihm
·n,gen und ebenfalls nicht ohne Ein
luß auf ihn sind, so helfen Sie mir
a u.«
us diese Bitte war Gerhault indeß
so wenig gefaßt, daß er unwillkürlich
sur iiiiwich.
»Jelfen Sie mir,« wiederholte sie
mit nkelnden Augen »Verwandeln
Sie ihn, bilden Sie ihn nach Jhrem
Geschmack, nach Ihrem Ebenbild wenn
es möglich i.
Er hättei ich eigentlich geschmeickielt
fühlen müssen, daß sie diees Vorbild
wir lte; statt dessen war er aber nur
im öchsten Grade ärgerlich, sich in sei
nem eigenen Netze lgeefangen und in die
unmögliche Aufg a verwickelt zu se
hen, die er Solvien a Rgewiesen hatte.
»Ich werde mein öglichstes thun,«
stammelte er ziemlich verdrießlich, »viel
wird es freilich nicht sein.«
»Doch, doch, im Geoentheii. Allein
schon das Bewußtsein, Verständniß
und Theilnahme bei Jemand zu fin
den, wird mich ftärken."
Sie war wieder ganz hingenommen
Von ihren schmerzlichen Gefühlen. Jhre
Hand hatte nach der Vincent s gegrif
fen, und i m war bei dieser Berüh
rung, als t eile sich ihm die Erregung
der Lbiiingen Frau mit
itternacht!« rief sie, sich plößlich
erhebend. »Das neue Jahr» Deut
lich hörte man die zwölf Schläge von
dem naheliegendenKirchthurm herüber
tlingen. »Das neue Jahr,« wieder
holt sie, »das Jahr das mir mit Ih
rer Hülfe das Glück bringen soll!"
Fest drückte sie Vincents Hand, so
fest, daß er ihre spitzen Nägel durch
die andschuhe hindurch fühlte Plötz
iich ieß sie ihn mit einein heftigenRitck
oÄusgeregt wie ein Hund, der seinen
Herrn endlich wiedergefunden hat« iam
fkk » t!.--—L--.
UUIIIUUU III-»Es UIIU IIUI IIICUIIIWUII
Zon hereingeftürzi.
«Endlich! Ueberall habe ich Euch
esucht. Za, Du Schlingel, verste,ckt
aft Du ich, um meiner Frau den
Hof zu machen!« .
Diese Vermuthuna entzückte ihn.
Seine gute Laune war zurückgekehrt.
und Sblvie zärtlich an sich ziehend,
sagte er:
»NaKleinchen, ’S Mitternacht. willst
Du Deinem Männchen nicht ein glück-»
liches neues Jahr wünschen?« Zwei
fchmatzenbe Küsse erschollen, dann
wandte sich Cdmund Zu Vincent:
(Fortsetzung folgt.)
Der pas-austrat von such
Eine Erinnerung aus fturmbeweg
ter eit hat Ex-Präsident Clevetand
mit einem neulich vor der Princetons
Universität gehaltenen Vortrage über
den PullmansStreit vom Jahre 1894
gebracht. Die Wogen der Aufregung
gingen in der Arbeiterschaft damals
so hoch wie bei dem vielgenannten
homesteadsStreit, wo Carne ie mit
seinen Arbeitern in bitterer Fe de lag
und die Um gend des Fubritstiidt
chens am onongahela einem Heer
loger glich. Das herausfordernde
Verhalten der PullmaniGesellschast
von Chicago und ihres Leiters, der
sich aus keine Erörterung der Beschwer
den seiner Angestellten einlassen wollte,
hatte eine allgemeine Erbitterung her
vorgerufen. Die Eisenbahnarbeiter
ihmpathisirten mit den mißachteten
Pullmansszlngeftellten und, ihnen zu
Hülfe zu tomnien, beschlossen sie den
Boycott gegen die Wagen der Gesell
schaft. Kein PullmawWagen sollte
mehr befördert werden· Das Editt
gen Funttionen betreffs des Postver
sandts, des Zwischenstaattichen Vet
tehrs und des Schutzes von Eigenthum
der Ver· Staaten zu brechen-« Gou
rerneur Ettigeld hatte zur Unterdrück
ung des Ausstandes drei Regimenter
Jusanterie, eine Vatterie und eine Ab
theilung Laballerie der Staatsmiliz
in Chteago zu fofortigem Einschreiten
stationirt, griff aber nicht ein« »weil er
bon teiner Seite, weder amtlicher noch
privater, dazu aufgefordert worden
war.« Dtr Bundesmarschall in Chi
tago aber sand, daß angesichts der
gänzlichen Mißachtung von Gerichts
brfehlen, der zunehmenden Gesetzlosixp
leit und des Aufruhrs das Einschrei
ten von Truvtin nothwendig war.
Richter und Amt-alte vom Bu des
gericht ichkofien sich feiner Ansi t an
und auf sein Aniuchen beorderte das
ing von Chirago aus und verbreitete
ch iiher das ganze Netzwert der
Eisenbahnzu, denn es gab tauin eine
Linie, auf welcher nicht Ball-nan
Schlaftvaqen verkehrt hätten. Kein
Zug wurde durchgelassen, in dein sich
iclch’ ein Wagen befand, und die Folge
war bald eine allgemeine Verkehrs
stockung, an die sich zuerst einzelne Ge
waltthätigteiten, iin weiteren Berlaufe
Tumulte und ernstliche Ruhestörungen
schlossen.
Die Vertehrsstockung legte auch den
Posthetrieb lahm. Die Mehrzahl der
Zi:ge, die mit PullniamWagen ausge
stattet waren, führten auch die Post
der Ver. Staaten mit sich. Indem sie
nicht laufen durften, war nicht nur
der zwifchcnitaatlickj Vertehr unter
hunden, sondern auch das Recht der
Bundeiregierung auf ununterbroche
nem Postverleht verneint. Die staat
lichen Behörden hatten nach Ansicht
der Adminiftration ihre volle Schul
digleit ver Situation egeniiber nicht
gethan und die Bun öheaknten in
Chicago baten unt hülfr. herr Elevei
Land erklärt die Situation folgender
» maßem »die Bundesautorttiit war auf
JSelbitverthudigung angewiesen-· un:
» den Widerstand gegen die Ausübung
iihrer legttinien und verfassungsmäsis
striegsdepnrtement Vundestruppen
uom Fort Stieridan nach der Stadt.
»Die Autrechterhaltung von rieden
und Ordnung in der Stadt, iefz es
in der entsprechenden Depesche, ift al
lerdings Sache der ftädtifchen und
Staatsbeh"jrdcn,« aber der Bund hatte
seine Rechte zu wahren und Pflichte
zu erfüllen und griff dent emaß ein«
Darüber entstand der Conflitt zwi
schen den-. Präsidenten und dem
Staatsgnuverneur. Altgeld beschwerte
sich iiber ungehörige Einmischung,
Cleveland berief sich auf die nothwen
rige Wahrung der Autorität der Bun
desregierung Er hatte befürchtet,
nnd die Lage ließ sich auch fo an, daß
der Aufruhr in dem Vertehrscentrum
Chicago die gefährlichsten Folgen. im
ganzen Lande nach sich ziehen werde.
Zur Rechtfer«"g«-tng führt er deßhalb
in seinem Vortrage an: die gefährliche
Ausbreitung tsud revolutionäre Ten
denz des Vorganges, die forgfiiltige
Promptheit, welche das Eingreifen der
Retlierung charalteristrte, das stete
Bemühen der nationalen Adminiftra
t—on, außerordentliche Maßnahmen zu
Fettneidety die strenge Beschränkung
ihrer Einnsifchnng auf die Absichten,
die ganz llar innerhalb ihrer verfas
sungsmäßigen Befugniß und Pflicht
lagen, und die zufriedenftellenden und
wichti en Erfolge ihres confervativen
oder ferengen Auftretensf
Thatl·ia«:liaf« machte das Einschreiten
des Bundesmi«.itiirs, das ftritt der
Aufrechterhaltung des Postverlehrs
aalt, dein Aufftand ein fchnelles Ende.
Altgeld hat aber zeitlebens dagegen
als eine Vergewaltigungllder staatli
chen Soubcränitth von inois prote
fttrt. Es war ein au erordentlicher
Fall. Ordnungsgemäsz darf Bundes
nitlitär erst einfchreiten, wenn der
Gouverneur mit der Miliz des Staa
tes nicht mehr im Stande ist, einen
Aufftand gegen die gefetzniäßige Auto
rität zu bändigenz hier aber mußte
die Bundesgewalt vorgehen, weil fte
in ihren eigenen Interessen bedroht
Lrar nnd ten erforderlichen Schutz sei
tens der lolalen und Staatsbehörden
nicht fand.
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Nesttauifsse sah-km
Die .nexitanische Negierun ist da
ran, einen Theil der Eisenbasnen des
Landes zu verstaatlichen. Dieser
Tage hat sie die Vera Cruz und Pa
iisicbahn von dein Massenverwalter
erstanden und wird sie in das Siäsemn
ron einem halben Dutzend an rer
Bahnen einfügen« die ihr bereits ge
hören. Dieselben bilden eine Verbin
dungglinie von Laredo an der Grenze
der Ver. Staaten bis Salina Cruz
ani Stillrn Ozean; nach und nach sol
len alle Haupt-Durchgangslinien vom
Staat erworben werden. Man ist der
Ansicht, daß die Regierung durch-»die
in den Ver. Staaten vor sich gehende
Consolidation der Bahnsystenie ves
antatit worden ist, die Verstaatlichung
zu deschicunigem weit das Kapital der
niexitanischen Bahnen zii etwa achtzig
klirozent uns den Ver. Staaten tomin .
Durch die Magus-Entscheidung ist
zwar de: Verschmetzung hier zeitwei
iig ein Riegel vorgeschoben worden,
trotzdem wird sich eine andere Form
dafür finden. Und da das Beispiel
in Mexito nachgeahint werden könnte,
will die Regierung vorgreifen, ehe sich
iin Conioitium von Corporationen
gebildet bat, dafz sich mächtiger erwei
nöchte als der Staat. Jin Besih
eines Instanz das den Durchgangs
iritehr iontrollirt, ist die Regierung
sicher, daß teine Gesellschaft von Pri
vatuntei rehinem dem Verkehr Be
ictjpräntuiiaen auferlegen tann.
Das Eisenbahnwesen in Mexito
hat, wie das ganze Land überhaupt,
im leßtrn Viertel des vorigen Jahr
hunderts eine bedeutende Entwicklung
erfahren. Jm Jahre 1873 bestand
nur die Bahn von Mexito nach Vera
cruz mit einer Lange von 335 Meilen,
zur Zeit sind etwa 10,.()()0 Meilen in
Betrieb. Und der Bau weiterer Li
nien steht-in Aussicht Es sind bereits
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qeten und der Bau von 6078 in An
qriff genommen, von denen für 2255
die Regierung Unterstützung leistet.
Jnr Ganzen sind Subsrdien in Baar- «
und Bonds zum Betrage von Iso
522,000 in mexitanischecn Silber ge
leistet. Die Bands tragen fünf und
sechs Prozent Zinsen. Außerdem sind
Landschentungen im Werthe von sä- .
186,000 bewilligt. Dabei ist die Re
gierung vorsichtig gewesen. Jeder Con
cession ist die Bedin ung beigefügt,
d--ß iäbrtich eine be timrnte Anzahl
Meilen Strecke hergestellt werden muß.
Die Unternehmer können sich soweit
ritch ihren Verpflichtungen entziehen
nnd wo sie denselben nicht nachkom
nen, bat tie Regierung das Recht, den
Bau zu übernehmen. Jm Uebrigen
ticdet augliinbisches Kapital im mer-i
tanischen Eisenbahnbau liberatee Ent
gegentoninien. Ei ist vor Confisca
tion oder Beschtagnabme absolut sicher
gestellt und das Eigenthum von allen
lotaten und Bundesfteuern befreit.
Nach Wilhetm Busch: Viel Wochen
war der Kaiser krank, jeßt redet er
wieder, Gott sei Dant!
III
»Gutes haben« heißt, aulf die Weit
jene Eigenschaften als Jn intte mit
bringen, auf welche die anderen Men
fchen sympathisch reagiren.
i I .
Der Congreß der «Mtitter« lönnte
auch der Eong der pernianenten
Strobwitttoer - mablinnen genannt
werden