Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 06, 1904, Zweiter Theil, Image 9

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    Freudigkij T .
Schon reift der Frühlin swind
Mit hörst-en leicht und ltn
Die zarte braune stille
Bon griiner Knospen Fülle.
Nun noch ein Regen sacht
Jn lauer Lenzesnacht
Und liebende Gewalten ,
Den Schleier fanft entfalten
O sonn’ges, weiches Grün,
O wonn’ges, reiches Bliih'n,
Dich möcht' ich ewig preisen
In immer neuen Weisen.
Wie man einen Mann bekommt j
Von Julius Keller.
»Ach, das ift empörend!« tief
Minna mit zornbebender Stimme,
während ihr eifrig lauender Mund sich
schmerzlich verzog. ;
»Was denn, Minnclen3« fragte er
staunt die Taute. :
»Der Kuchen -—— der Kuchen ist alt
backen! Und die Bäckermamsell hat mir J
doch ihr Ehrenwort aus seine Frische·
gegeben! Es ist empörcndt Was foll»
Herr Liebling von uns denlen, daß wir .
ihm solchen Kuchen vorsetzen« «
»Herr Liebling kommt nicht her zu!
mir, um Fluchen zu essen,« sagte die?
Tantc vertveisend, ,,sondern um dich!
tennen zu lernen.«
»Aber das müssen wir ihm doch soj
angenehm wie möglich machen, Taute. s
sonst hat’s teinen Zweck. Jch hab’ mich i
in meinem Heirathsgesuch erpresz als-s
gute Hausfrau empfohlen s— und eine »
gute Hausfrau gibt keinen altbaclenen
Kuchen.«
»Wenn du selbst ihm nicht zu alt:«
backen bift, wird er den Kuchen Hinter
schluclen,« meinte die Tante in ihrer
merkwürdig grimmigen Manier zu i
lchcr.-.en.·' s
»O, Herr Liebling ist sehr verthhni. i
Das hab’ ich schon neulich gemerkt, alsJ i
wir uns zum ersten Male trafen...
Er h:-t überhaupt nur von Essen undi
Jkinlen aefvrodien.« (
»Das sind die besten Männer-. Die
lassen sich am bequemsten behandean
Darum hat ihm wohl auch deine An- s
nonee gleich gefallen: ,,Eine erfahrene«
Wirthschafterin s- anspruchslog —-—:
von freundlichem Aeuszern, jahrelange1
Pflegerin alter, träntlicher, endlich mit s
Tod abgegangener Dame -- kleines
Rente aus Dantbarteit" « das zieht;
allemal bei die erbärmlichen Manns-l
personen, ohne die ihr nu doch mal;
nicht leben tönnt . . . Na, neugierig bin;
ich ja auf den Menschen Liebling«
tlingt ja ganz angeneh1n... Frau(
Minna Liebling, jeborene Ftlimpe, das
macht sich sehr akkurat."
»Tantchen, fpute bloß nicht vor.««
rief Minna ängstlich. »Herr Liebling
ist ein furchtbar tühler Mensch . ..
Sehr eilig hat er’s jedenfalls ni tmit ·
der Heiratherei . .. Und wenn e hierl
nun noch solchen Kuchen triejt . . .« s
»Na, denn hol meinestoejen andern i
Fluchen. Aber ein bischen dan nu, es
is jleiw viere.«
Hastig stürzte Minna zur Thiir hin
aus, während die Tante noch einmal(
aufmertfam den freundlich gedecktenl
Tisch musterte. Nach wenigen Minu-!
ten schon tehrte die anspruchslose
Jungfrau mit freundlichem Aeufzeren
athernlos zuriieh
»Er kommt schon! Er kommt schont
Jch ha’ ihn um die Ecke biegen sehen.
Tantchen —- briih’ du rasch den Kassee 1
(
aan bitte, bitte . . . aber —- -«
»Ohne Zichorien. . . gewiß doch!'«
Minna hatte mit behenden Fingern.
kaum den Kuchen von seiner Hülle be- !
seeit, geschnitten und mit freudestrah- !
lender Miene getostet » da tlingeltej
es schon . . · Sie warf rasch noch einen i
Bliet in den Spiegel, der die schlante’
Gestalt kaum in ihrer ganzen Längej
.. e-kt... ---..«.«-.«. tOJA ts-« »Um-nd
zu sunue »oui«-»Hu, sum-, »v, ---.»..- »
iiber das hellblonde haar und gingt
dann mit mühsam erheuchelier Würde
hinaus, um zu öffnen.
»Herr Liebling . » ich heiße Sie in
unserem bescheidenen heim herzlich
willlommen,« sagte sie, getreulichWort- »
laut und Ton all nach den wiederhol
ten Versuchen der letzten Tage wah-:
rend.
here Liebling trat ein. Steis und
gemessen, als komme er in Geschäften.
Sehr eilig schien er’s wirtlich nicht zu
haben. Aber er sah höchst adreit aus,
der eben etwa den Dreißigern entron
nene Mann. Tadellos nach neuester
Mode gekleidet, die lräftigen Hände in
enge« hellgelbe andschuhe gezwiingt.
Er war roß un breitschulterig, das
Gesicht Ftrotzte von Gesundheit, die
hellen Augen blickten tlug und ge
witzigt, aber auch ziemlich liihl und
gelassen drein. So tiihl und gelassen,
drein. So tiihl und gelassen, als habe
er Abends sein Notenblntt vor sich,
wenn sein starker Arm die Baßgeige
hielt und die breite Rechte den langen
Bogen kräftig darüber hinweg strich
.Jch sreue mich, Sie bei uter Ge
sundheit zu ehen,« sagte er, ich lang
sam die han schube ausziehend «Sind
Sie immer so gesund, verehrtes Fräu
lein?«
»Seit meinem siinsten Jahre bin ich
niemals trant gewesen,« ries Minna
eifrig.
»Seit Jhrem siinsten Jahre! Nun,
das ist ja eine schöne Zeit her. Aber
man hat es nicht ost, daß sehr magere
Leute so gesund sind."
.Sind Sie es nicht« Herr Lieb
lings« "
-» »O danie, es macht sich. Aber ich
fürchte-mit der Zeit stellen sich doch
Yeöraska
Staats-— Anzeiger Und Yerold
J. P. Windolph, Herausgehen Grund Island, Nebe» ti. Mai 1904 (ZweitckThcil.) Jahrgang 24 No. Zei.
allerlei Beschwerden ein. Und da muß
man ’ne ganz gesunde Frau haben."
»Die einen ausopfernd zu pflegen
und gut zu kochen versteht, nicht
tvahr?«
Sie lächelte ihm bei diesen Worten
verheißungsvoll zu, aber in seinem
«l)iibschen, vollen Gecht verzog sich keine
Miene.
»Nun, das ist ja das wenigste, was
man von einer Frau verlangen tann,«
sagte er gemessen.
»Wollen Sie niclyt Platz nehmen,
Herr Liebling?« «
«Dante...« Er setzte sich in die
Sofaecke und ließ seine Blicke durch
das Zimmer schweifen.
»Mit haben Sie er- hier —— sehr nett
nnd behaglich.«
,,Finden Sie, tvirtlich?«
«Sonst wiirde ichs nicht sagen.«
Und dann rnusterten seine Blicke sie -
aufmerksam ergründend --- vom Schei
tel bis zur Sohle. ..
»Waren Sie auch als Kind schon so
gron Fräulein?« fragte er nach län
gerem Schweigen, das er mit einer
fürchterlichen Musterung ihrer Per
sönlichteit augfiilltr.
»Ach nein . .. wahrhaftig nicht. Jch
bin ganz plötzlich so in Schuß gewin
men.«
»Hm, t)m . .. Eigenthiiinlich . . . Ich
bin, ganz offen gesagt, im allgemeinen
nicht sehr enthusiagmirt für große
Leute . . . Jch gefalle mir selbst des
wegen nur sehr mäßig · . . Aber das ist
ja schließlich Nebensache. Man ge
möbnt sich vielleicht daran4 Als-r nett
haben Sie es hier — sehr nett...
Besorgen Sie die ganze Wirthschast
selbst?«
»Gewiß, Herr Liebling. Wir sind
äußerst sparsam.«
»Sparsamteit ist eine Tugend, aber
sie darf nie zum Geiz ausarten. Jng
besondere soll man sich niemals etwas
tisam Munde absparen, verehrtes Fräu
ein.«
»O, das thun wir auch nicht . . . Da
kommt die Tante schon mit dem
Kasfee.«
Frau Rosa Klimpe erschien msi
ihrer riesigen Kanne im Zimmer und
machte ihre würdevollste Bewegt-na
Die biedere Frau und der venikle Herr
musterten einander, als wollten sie ge
genseitig in den verborgensten Falten
der Seelen lesen.
»Seht angenehm,« saate Herr Lieb
lina nach erfolgter Vorstelluna, nnd
Frau Rasa murmelie etwas Aehnlicheg
Dann schenkte sie ein, und Minna
präsentierte den Kuchen· Die ersten
Tassen wurde-n schweigend geleert.
Herr Liebling schien ganz in Gedanken
und Erwägungen versunken.
»Schmeclt Jhnen der Kaiser nick;t?'«
wagte Mino endlich zu iraaen.
»O ja .. . danle. Es macht sich
Wissen Sie, ossen gesagt, ich tann ihn
gar nicht start genug bekommen-. Das
ist eine Schwäche von inir·"
»Es ist-die Ausgabe einer tüchtigen
Frau,« sagte die Taute, »sich allen
Schwächen ihres Mannes anzupassen,
falls es ihr nicht gelingt, sie auszurot
ten.«
Liebling sah sie mit weitgeösfneten
Augen an, während Minna sich an
ihrem Stückchen Kuchen heftig vers
schluckte. »Ich bin mehr siir das An
--se-.. « e-«.t- « sm-- hi» speist nnd
Punkte, IuVu k- »u--» »·-- .-..,. -.»
nahm einen langen Schluck. «Werden
Sie mit Ihren gutentttathschlägeu dem
Fräulein Nichte immer - s zur Seite
stehen, verehrte Frau?« Dabei ruhten
seine scharfen Augen mit durchbohren
den Blicken auf ihr.
»Blon nach Wunsch, Herr Liebling«
bloß nach Wunsch.«
»—- -— m. hm — —
Er lehnte sich in die Safaecke zurück
und starrte nachdentlich vor sich hin
Das Ertönen der Klingel riß ihn
erst aus- feinen Gedanten.
Tante Klimpe eilte hinaus und zog
gleich darauf ein dralles, junges Mäd
chen in’5 Zimmer.
»Kommet! Sie nur ’rein, Fräulein
Klara,« sagte sie dabei, »wir haben
Besuch —- da können Sie ein Täßchen
Kaffee mit trinken.«
»Kliirchen, du?« rief Minna, die
Eintretende mit nicht eben freundlichen
Blicken betrachtend.
»Ja —s-- ich kam mit heran, um dir
deine Taille anzuprobirem weil ich
heut’ Nachmittag gerade Zeit habe .
»Aber ich nicht, Märchen« Fräu
lein Klara Puck. meine Freundin -—
JModistin bei Hirschseld und Sieben
schlaf. .. Herr Theodor Liebling...«
» »Seht erfreut, verehrtes Fräiilein.«
s Minna blickte ihrenGast verwundert
Han. Wie anders er das gesagt hattet
; Und wie er die tieine, mollige Gestalt
Hdas freundlich und leck lachendc Ge
fsichtchen mit den lustigen, braunen
»Ur-gen ansahtp Gar nicht so kühl, sc
: geschöstsmäszig.
»Willst du wirklich ’ne Tasse Lasset
mittrinten. oder-hast du leine Zeit
Klörchen?« fragte Minna rasch. Aber
die Tante hatte Märchen schon aus
sinen Stuhl niedergedrückt und ib·
eingeschentt. .
«
Klärchen begann zu plaudern, in
ihrer heiteren, unbefangenen Art, und
Herr Liebling antwortete ihr, auch
wenn sie ihn gar nicht gefragt hatte . ·.
Sie kamen beide erstaunlich rasch in
ein lebhaftes Gespräch, und Minna
sasz sassungslos dabei und starrte bald
den tiihlen, geschästsmiißigen Mann,
bald die temperamentvolle Freundin
an... Liebling war jetzt wie umge
wandelt. Er hatte plötzlich nicht nur
Jnteresse fiir Essen und Trinken, tei
nerlei Erwägungen und Grübeleien
schienen ihn mehr zu beschäftigen, und
wenn sie sich erlaubte, auch eine Be
mertung in das Gespräch zu werfen,
dann wars er ihr einen theils verwei
senden, theils mitleidigen Blick zu.
Die Tante aber beobachtete stumm und
starr die Szene, und ihre Miene ver
rieth, dasz ihr diese Wendung nicht
unangenehm sei. Herr Liebling hatte
ihr aus den ersten Blick gründlich miß
sallen . .. war das ein Mann für sie?
Und mußte denn überhaupt geheim
thet werden?. . . Die schöne titcnte ..
fijr einen fremden Mann? . ..
Die Stunden verrannen... Frau-—
lein Klärchen und Herr Liebling amti
sirten sich immer besser . .. Sie scherz
ten und lachten . .. und verzehrten den
Kuchen bis auf den letzten Rest .. Die
Tante war hinausgegangen... und
Minna still und immer stiller «ewor
den. Die Thränen drängten ich ihr
in die Augen, und sie bombardirte die
Freundin mit heimlichen Blicken mith
sam unterdrückter Wirth-nnd Eint-ö
4
llllkg. Was lDllc Ocllll llll Uclll Wans
chen so Hinreißendes, daß sie die um
diesen Mann geschlungene Eisliiille jäh
auszutharen verniochtes« Wieso dag?
Etwa weil sie laum zehn Jahre jüuaer
war? Oder kleiner und voller?...
Oder weil sie so lustig und unbefan
gen plauderte?... Da lachte sie schon
wieder hell aus, und er, ihr Liebling,
lachte mit . .. Als ob er hier zu Hause
wäre und Klärchen ihn zu Kassee und
Kuchen geladen hätte!
Endlich faßte Minna einen heroi
schen Entschluß.
,,Filara,« sagte sie mit einem kampf
hasten Versuch zur Ruhe, ,,wollen wir
nicht doch lieber noch die Taille anpros s
biren?s«
»Aber nicht doch, nicht doch!« rief
Herr Liebling rasch. »Es ist ja gerade
so gemiiihlich.«
»Nun, wenn Sie meinen,« sagte
Minna spih, »dann verzichtc ich da
raus.'«
Damit stand sie aus, wars den bei
den einen vernichtenden Blick zu und
trat ans Fenster. -
Erkannte das kluge Märchen jetzt
die Situation? Sie war einen Mo
ment betroffen. dann erhob auch sie sich
rasch und sprach:
»Herrgott, schon halb sieben-» da
muß ich ja sort . .. Wie man sich doch
verplaudert . . .«
Jni selben Moment sprang Lieb
ling von seinem Sitz aus.
»Gestatten verehrteg Fräulein, daß
ich Sie begleite?«
»Danle sehr, HertLiebling, aber —
»Nein ,,Aber«, bitte sehr! Wir l)a
ben so ziemlich denselben Weg» Bin
auch vermuthlich hier schon lange ge
nug lästig gefallen .· Verehrtez Fräu
lein Kliinpe... Es war mir sehr an
genehm, und ich dante bestens siir die
freundliche Ausnahme . . «
hock- mtfnokickstpt stand sminnt-I in
ihrer vollen Länge vor ihm.
»L) bitte sehr,« sagte sie mit erbeu
chelter Kälte, »auch sur mich ioar es
ein Vergnügen . · .«
,,Empsehlen Sie mich der lieben
Frau Tante... Vielleicht sehen wir
uns gelegentlich einmal wieder...«
Dann trat er muthig näher und
sprach gedäiupsten Tones:
»Und im übrigen seien Sie mir nicht
böse, und tragen Sie eg mir nicht nach,
wenn unsere Angelegenheit nicht zum
Abschluß tommt . .. Es war ein Jer
thum von inir... Jch bin zu bedeut
lich siir solche Geschäfte... Bei mir
mus; alles von innen heraus kommen,
wissen Sie — ossen gesagt —- ganz
iinpulsiv, wenn Sie das recht verstehen
. . . So . .. vorbereitete Sachen — die
machen mich ängstlich und topsscheu ..
Also nichts für ungut . .. Der Lasset
war tvirllich ausgezeichnet . .
Alle seine gut gemeinten Wendiins
gen halfen nichts. Minna musterte ihn
mit seindlichen Blicken und lot-spli
mentirte ihn und Märchen mit kalter
Höflichkeit zur Thiir hinaus, ..
Acht Tage später aber erhielt Fräu
lein Klara einen Brief von ihrer
Freundin Minna, der folgenden Wort
laut hatte:
»Mein Fräulein! Theile Ihnen
hierdurch mit. daß ich die Taille so
nehme,«wik sie ist. und aus jede An
probe Jbrerseits verzichte, indem ich
mich durch Augenschein davon über
ieugck’habe, daß Sie meine Kundschast
txt-zu benutzen, sich in meine Privat
, verhältnisse zu mischen und ohne Na
men zu nennen, Arm in Arm mit
einem herrn auszugehen, der sich mir
in reeller Asicht aus mein tostspieliges
Gesuch genähert hatte. Man gibt
aber nicht Geld aus, spendirt Kassee
und Kuchen und spielt nicht die Lie
benswiirdige, damit eine andere das
Gute davon hat. Indem ich Ihnen
hierdurch Freund- und Kundschast
kündige, wünsche ich Ihnen, daß Sie
mit Herrn Liebling so glücklich wer
den, wie es Jhnen nach verrathener
Freundschaft möglich ist, und bitte um
quittirte Rechnung.
X Mit Achtung
Minna Klimpe.«
Postwendend traf die Antwort ein:
»Wertl)es Fräulein! Nachdem ich mich
heute mit Herrn L. verlobt habe, be
daure ich, Ihnen teine Rechnung sen
den zu können, und bitte Sie, das mir
zustehende Honorar als Deckung der
Auslagen Ihre-H siir mich so erfolg
reichen Heirathögesuches, sowie siir
staffee, Kuchen u.s.tv. betrachten zu
wollen Zu Gegendiensten stets bereit.
Hochachtungsvoll
Klar-a Puct.«
-».—--.-..--—« —
Wo ist dat Fiter.
Huuioregke von A. W. D ii h o s e n.
Im kleinen weltentlegenen Städt
chen Sch. war schon lange Feierabend
in den Wirthsstuben geboten. Der
Nachtwächter hatte seinen letzten Gang
durch die enggiebeligen Straßen seines
Revier-z gemacht, hatte iuit seiner ver
rosteten Stimme die zwölfte Stunde
gerufen, die letzte Laterne vor dem
Rathhaufe ausgelöscht und war nun
auf die niedrigen Stufen des Markt
brunnens niedergesunten, um noch ein
lleines Schläfcheu zu machen. Ueber
allem lag ein tiefer Friede ——— ein sat
tes Schweigen und dur durch die Tod
tenstille des Martteg dranaen die
gleichmäßigem fchnarchenden Athen1—-—
ziige des Wächters.
Aber nicht lange sollte er sich seiner
wohlverdienten Ruhe erfreuen. Denn
plötzlich störten verdächtige, aber nur
aller betannte Töne seinen Schlum
mer. ,,Tut -— tut —- tut -—·«
, Der Nachtwächter sprang halb hoch,
rieb sich die Augen und murmelte un
willig: »Dunnerslag —- Füer!«
Aber taum, daß er noch darüber
nachdachte, ob er es nicht geträumt
haben könnte, ertönte schon wieder
entfernt dieses Geblafr.
Da sprang er vollends auf, faßte
sein Horn und stieß hinein --— ein ges
waltiger ähnlicher Ton.
Der Obernachtwächter ftlbbeh der
etwas entfernt in einer Seitengasse
unter einem Thorbogen schlief, wurde
nun durch den Alarins eines Kollegen
auch aufgsveckt ——- und auch er that
seine Pflicht «——- hob sein Horn und
lies. So ranntenBeide durch dies-trak
fzen und alarmirten die Bürgerschaft
«- jeder -in seinem Revier·
An den Fenstern der verschlafenen
Häuser wurde es lebendig, Gestalten
in Nachtmütze nnd tiefstern Negligee
zeigten sich angfterfiillt. Der dicke
Brauer, der auch Mitglied der ftädti
schen Musittapelle war« warf fich
nothdiirftigin Kleidung, nahm« da er
dieSignaltromPete nicht finden konnte,
feine große Baßtrompete, ftiirzte auf
die Straße und blies in tiefsten Tönen
das lange nicht vernommene Feuersta
nal —— gleich ihm hörte man auch bald
noch die übrigen Signaltrompeter
blasen.
Binnen einer halben Stunde war
fast die ganze Wehr auf dem Markt
Platze verfarnmelt, dazu alle Neugieri
gen und Kinder und alle fragten ein
ander: ,,Wo is dat Fiier!« —-- aber
jeder bekam die Antwort: »Ja s it
weet nich —-- da is ja blast worn.« Nur
derKomainndant der Feuerwehr fragte
nicht, es war ihm bewußt, daß seine
Würde gewahrt werden müsse und er
ohne Verzug schneidig aufzutreten
hätte —- fo tonnnandirte er denn ---—
ohne auf die Fragen zu antworten:
»Ernst-en heraust« und sein Kom
mando ging weiter von Mund zu
Mund, indem jeder rief: »Spriitten
’rut!«
Schwersällig drehte sich der Schlüs
fel im eingerosteten Schloß, die Ver
staubten Spritzen wurden aus ihrer
Ruhe herausgerissen s— hatten sie doch
über zehn Jahre hier ruhig geschlafen
s- und auf den Markt gefahren. Jn
zwischen hatte der Kommandant sich
nach einem der Nachtwächter umge
sehen, aber keiner war zu finden. Da
erschien gottlob der Bürgermeister in
höchst eigener Person. Jn der Eile
hatte der Allgewaltige sich nur den
Schlafrock angezogen, aber um seine
Stellung auch äußerlich zu kennzeich
nen, über feine Nachtmütze den Zylin
der gestiilpt —- fo daß nur noch der
letzte Zipfel erfterer hervorschaute.
Der Kommandant stellte sich in Po
situr und meldete vorschriftsmäßig:
»FeUerwehr ausgerüstet, fertig zum
Aufbruch.«
«Dante, mein Lieber, entgegnete der
Bürgermeister huldvollsi, »aber wo ist
denn das Feuer?« «
h «Lt3)er Kommandant kam in Verlegen
ei :
»Ja, ich habe weder Obernachtwäch
ter Abbel noch Wächter Luden gesehen,
und habe daher nähere Jnsormationen
noch nicht erhalten können.«
Der Bürgermeister zog die Stirn in
Falten und ries sehr angestrengt in die
dersammelten Leute hinein nach den
beiden Wächtern.
Aber sie waren nicht zur Stelle und
einer der Feuerwehrleute entgegnete:
»Ja, de blast dor hinnen ja noch.«
Schließlich wurde der Wächter Lu
den durch ein paar Abgesandte heran
gebracht.
Auf die Frage des gestrengen Ober
hauptes der Stadt, wo es brenne,
konnte auch er nur antworten: »Herr
Bürgermeister, ich weiß nicht.«
»Was-? Sie sollten aber als Wäch
ter wissen —s-s cie haben doch alarmirt
und geblasen?«
»Zei, das hab ich schon —— aber ich
bab’ man bloß geblasen, weil Abbel,
der Obernachtwächter, zuerst blieg.«
Also mußte Adbel es wissen, zum
Gliick tatn er schon hinten angelaufen.
»Nun, Abdel, wo ist denn das
Feuer? Wir warten hier und wissen
nicht wohin; ,,warum kommen Sie
nicht gleich und erstatten Meldung’5«
»Herr Bürgermeister, weil ich ge
glaubt, Luden, der zuerst blies-, hätte
es gemeldet; ich weißes ja selbst nicht,
Ins-Roten sit-ein« nur Uffsvsvn »s-: ZFII
,-..-.... sp,...» ......... .»., ...,
Luden tuten hörte."
»Wie? Sie haben doch zuerst alar
mitt, sagt Luden!«
»Wat, ik schall — nein, Herr Bür
germeister, das ist nicht an dem,«
Die beiden Wächter stritten sich noch
eine Zeitlang, bis schließlich der Bür
germeister der Diskussion ein Ende
machte und sagte: »Es scheint sich hier
um einen frivolen Streich eines unsau
beren Patrons zu handeln —— aber die
Sache wird ausgedeckt, ich werde
strengste Untersuchung einleiten« —
und zu der Feuerwehr gewendet fuhr
cr fort:
»Meine Herren, Sie sind leider
durch einen blinden Lärm alarmirt
worden, aber Jhr rasches Hiersein hat
wieder gezeigt, wie tüchtig die Wehr
ist, und daß wir ruhig in die Zukunft
blicken können — ich danke Jhnen.«
Damit ging er voll Grandezza heim.
Der Kommandant ließ die Sbritzen
wieder in ihr Gebäude bringen und
befahl: «Abriisten!« Unter Murren,
theilweise auch Lachen, zogen die bra
ven aus dem Schlaf gerüttelten Bür
ger heim.
Als nach Wochen aber einmal bei
Tage ein hier noch nie gesehenes Auto
mobil durch die Straßen fuhr und
man sein Blasen vernahm, ivnrde man
sich klar über den einstigen Feuerlärm
Der Bürgermeister aber ließ, nach
dem auch er hierin die Ursache des
Feuerlärmg erkannt hatte, uni wieder
ähnlichen Ruhestörungen des Nachts
vorzubeugen, an beiden Enden der
Stadt, wo die Landstraße durchging,
Plakaten mit folgendem Wortlaut an
bringen:
»Automobilien ist das Fahren durch
die Stadt Abends nach 9Uhr wegen
der damit verbundenen Feuersgefahr
bei Strafe verboten. Die Ortspolizei
behörde-«
—-— —
Dic kleinste Frau der Welt.
Die Sensation in Paris ist geaen
wärtia die kleine »Prinzessin Chi
quita« geworden, die allabendlich im
,,Hippodrom« auftritt. Diese tleine
Dame wird von der französischen Ge
sellschaft geradezu bestürmt; erst sah
man sie als eine Art lebende Puppe an,
jetzt ist man völlig begeistert über ihre
Intelligenz. Jeden Nachmittag und
Abend drängt sich die Menae um sie
nnd bittet um ihre Unterschrift auf
Photographien nnd Postiarten. M
Vostock berichtet, daß er Eintrittsgeld
im Betrage von 2(),00« Mk. fiir die
Woche eingenommen hat. Chiauita ist
das zweite von sechs Kindern normaler
Große. Sie wurde im Jahre 18853 in
sehr bescheidenen Verhältnissen gebo
ren. Der Arzt, der ihre Mutter bes
handelte, aab teine Hoffnuna daß das
Kind am Leben blieb, da es nur etwas
über 900 Gram-n wag Und in einer
Eigarrenkiste Platz hatte. Sie gedieh
jedoch, wenn sie auch erst mit fiins
Jahren zu gehen anfing und im Spre
chen sehr zuriick war; aber von ihrem
sechsten Jahre an halte sie das Ver
säumte nach und. ist ietzt sehr ge
spriichig. Die kleine Dame ist auf ihre
Art eine große Musikerim sie spielt
Mandoiine nnd Xhlophom aber tein
Klavier ist bis jetzt gemacht worden,
das klein genua für ihre winzigen Fin
aer wäre. Sie tanzt sehr oft und
fiihrt bei ihren Abendvorstellungen im
Zipdodrom einen ,,Caie Walt« in
söchst eleganter Weise auf. Sie ist, im
Gegensatz zu den meisten »kleinen
Menschen«, eine qroße Kinderfreundin,
und es ist sehr spaßhaft, sie mit funf
oder sechs Kindern von süns, sechs oder
sieben Jahren zu sehen, die alle IesV-e
sind als sie.
wh
Dte ,,Saslaskaunner« M der Zeit
Karl des Orpheu.
Man schreibt aus Göttingen: , Jn
dem eine halbe Stunde von hier ent
fernten Dorf Grone wurde dieser Tage
ein großes Gräberfeld entdeckt. Ein
ehende Untersuchungen, die Herr Iro
fessor Dr. Verworn neulich vorgenom
men hat, ergaben das interessante Re
sultat, daß hier alte sächsische Reihen
gräber aus heidnischer oder friihchrist
licher Zeit, etwa aus der Zeit Karls
des Großen, ausgedeckt sind. Die Grä
ber sind in der Richtung von Westen
nach Osten angelegt; jedes Grab ist
einen Meter breit, die einzelnen Reihen
liegen etwa zwei Meter von einander
entfernt. Die gut erhaltenen Gebeine
rühren von Menschen beider Geschlech
ter ans den verschiedenen Lebensaltern
her. Auch Tl)iertnochen, z. B. vom
Schwein, wurden gefunden; es sind
dies wohl lefälle von den bei den Be
stattnngen veranstalteten Leichen
schiniinsen. Jn einem Grabe fand sich
unmittelbar neben dem Menschenfkelett
ein sorgfältig aufrecht bingestelltes
Stelett eines Pferde-» Und zwar das
eines jungen Thieres, mit Gebiß im
Munde. Daneben lagen eine Spange
nnd die Reste eines Dolchmessers. Noch
zwei ähnliche Messer wurden gesunden,
auch wurden Scherben entdeckt, welche
die c!·)aralteris1iscben, non den Slawen
aus die Sachsen iibertommenen nnd
von diesen Verändert-In Stennzeichnuni
gen tragen. Die bisherigen Funde sol
len durch weitere Eltachforschungen er
gänzt werden. lijrone ist eine der äl
testen ·Lliisied11111gen iin Leinethai. Ein
ähnliches Gräberfeld wurde vor mehr
als In- Jalsren südlich von Göttingen
bei dem Dorfe Rogdorf aufgeschlossen
Mertnxsürdig ist, daß die Stätte des
jetzt anfgedectten Gräberfeldes schon
von altergher mit dem Namen
«Sct)laftammer« bezeichnet wird.
-———-.--—-——s
Die höhere G'wali.
Der Huberbauer Andre-B bot em
Spätjohr bauen müsse, daß em sei alt(
Varacte iiwer de Winter net üwerm
Kopf zammengesalle tsch. De Maurer,
der den Bau gemacht hot, ehtt em e
Wechsel ausgestellt, der em Frühjohr
zahlbar g’wese isch. De Winter isch
’ru:n ’»aange, nnd de Wechsel isch zu
zahlen g’wese, aber em Andreg hot ’g
Geld net g’langt zum zahle. Am Ta’
vorher eh de Wechsel isch zu zahle
g’toese, isch em Andres des Ding an
dersch worre, denn pfänd hett er net sei
loolle.·-Wie er d’no z’nacht im Bett
isch g’lege, isch ein ei’g’salle, daß er
emol g’hd«rt hett, daß durchs Verschul
de von e höhere G’walt, der Wechsel a
ausnahmsweig ohne daß mer psänd
werd ebbes später g’zakjlt were kann,
und de Andre-g hot a g’moint, er
brinath Geld in zwoi oder droi Tag
zsammr. Wie er d’ no so denkt hat, isch
er usgstande und hot e Mordsg’schrei
aeniacht und üwer alle Nochber
g’scholte. Wie die den Spektakel g’hört
hen, hen se usg’wacht und hen de An
dreg Morgens beim Wachtmeister, der
grad aus de Stadt esch komme, anzeigt
wege Ruhestörung und Beleidigung.
Der hot a den Andre-s glei verhaftet
und mit in Stadt ·q’nomme und in de
Arrest g’steckt. Der andern Ta’ esch er
dor’g Gericht komme und iseh vom
Richter g’sraat wor’n, worum er de
Nochber usa’weckt und iiwer se g’scholte
l)ett, do se jo gar nint met ern g’habt
hawe, do hett er em Les g’sagt wege der
höhere G’walt, und der hett herzlich
a’lacht, und hett’s em Huberbauer
assagh wie’5 a’tneint isch; und weil der
Andre-·- sunscht e ordentlicher Mann
esch a’we, hett er’n lause lasse und hett
em’g Geld zum Wechseleinlöse vorge
streckt.
«.-.
Feinev Geschenk
Tantet ,,Also füns Mart hast Du
von Deinem Bruder, dem Studiosus,
geschenkt bekommen?«
Der kleine Arthur: »Ja, Taute,
aber ich habe sie ihm schon wieder pum
pen Iniisfin!«
Auch etwa-.
Prizipal: Sie haben nunmehr aus
gelernt, Wilhelm, und können bei mir
bleiben als Kommis, —— Salär be
kommen Sie im ersten Jahr allerdings
nicht. aber, wenn Sie sich setzen wol
len bei der Arbeit, das dürfen Sie!
Denn schon.
Mutter: »Glaubst Du wirklich mit
diesem Bewerber glücklich zu werden?«
Tochter: »Ja, liebe Mutter, ich bin
sest davon überzeugt, denn alle meine
guten Freundinnen rathen mir ab.
Sie weiss sich zu helfen.
Mann »Drei Mittage hintereinan
der haben wir jetzt schon das Fleisch
nicht genießen tönnen, das Du zube
reitet hast!'«
Junge Frau: »Scbadet nichts; das
giebt zum Sonntag ein vorzügliches
GulaschJ«
Ergetsfene Gelegenheit
Er: »Ok) weh, jetzt ist mir meine
Cigarre ausgegangen -s-- selbst die
beste Cigarre wird verdorben, wenn
man sie ausgehen läßt!« »
Sie: »Ja, ja, ganz wie die Man
nett«
Der Wunsch dei- Octavianus
»Ihr Frauen müßtet eigentlich doch
auch bein- Militär dienen!«
,,W1efo?« ·
»Dann würdet ihr weigstens lernen,
einen Knopf ordentlich anzunehm.