Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 08, 1904, Zweiter Theil, Image 12

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    Userd Sinnen
d Samtner war ein etwa
Jahre alter Mann, der als
alt. Er prtvatisirte,
er urch Jahrzehnte Ober
d auf den Schiffen der Nord
M gewesen, das ihm etwas einge
M hatte. Alt Sammet müde des
Inaba-sent der Meere wurde, zog
. er in die hauptstadt zurück. Jn»
einer Vorstadt, wo sich zumeift Fabri
ien ausbreiteten und der Luxus erft
lengfarn nachtam, hatte er sich ein
Mi Stück Grund getauft. Es
bis an die Straße, die neben
dein Jlüßchen dahin schlängelte. Es
war eine mäßig ansteigende Hügelpar
tie, auf der sich der Ober-Steward
ein kleines feftes Haus gebaut hatte.
So ein Landhaus, das auf jeden
Schmuck verzichtete. Mit Ausnahme
einer Art Allee, die Samtner neben
dein Fußwege innerhalb seines Eigen
thums angelegt hatte, hatte er den
ganzen Grund tahl gelassen. Er wollte
sich weder die Aussicht durch andere
·· Bauten versperren, noch sich mit der
Pflege eines Gartens abblagen Ein
gewisser hansg zur Behäbigteit war
dem Manne eigen, der wohlgenährt
aussah und fast immer mit einer tur
zen Pfeife im Munde erschien. Bei
schlechtem Wetter saß er an einem der
Fenster, die dem Flüßchen zugewandt
waren und beobachtete das Leben und
Treiben zu beiden Seiten des Wasser
laufes, der im Sommer fast zu ver
trocknen pflegte. Oder aber er bumi
melte herum in der Nachbarschaft dies
und das beguckend, dazwischen ein
Glas Wein trinkend.
Gewöhnlich saß Samtner in dem
Gasthof zur Wunderquelle, in dem
viele Leute aus- und eingingen Man
sah fast täglich neue Gesichter und
hörte vielerlei. Das sagte dem Ober
Steward zu, der, wenn er nun abseits
von dem Getümmel lebte, doch gern
erfuhr, wie es draußen in der Welt zu
ging. Da gab’s nun in der Nähe der
Wunderquelle einen Platz, wo immer
allerhand fahrende Künstler ihre Zelte
aufgeschlagen hatten, Zirlusse, Mena
gerien, Wundertabinette, Panoramen
und dergleichen Sehenswiirdigleiten
mehr.
Der Ober - Steward kannte viele
von ihnen, besonders, wenn sie zi- den
Besser-en ihres Faches zählten und über
Starr gewesen waren. Kam wieder so
ein Bekannten so gab es gewöhnlich
einen animirten Abend im Extra-Cim
tner der Wunderquelle und es neigte
sich die Nacht zumeist dem Morgen zu,
wenn Samtner seinem Hause zuschritt,
in dem er allein schlief. Denn er war
ein Mann ohne Kind und Kegel. Die
Frau, die seinen haushalt besorgte,
wohnte in einer Miethskaserne jenseits
des Flüßchens. Der ObersSteward
trug an der rechten Hand an einem
Finger zwei Eheringr. Das schien an
zudeuten, daß er ein Wittwer sei. Doch »
sprach er nie von seiner Frau. ESI
mußte ihm wohl in der Ehe nicht viel ;
Stück erblüht sein. (
Jn dem hause des Ober-Steward;
traf man neben den gewöhnlichen Ein- E
richtungsgegenständem wie sie überall’
anzutreffen sind, auch eigenartige.
Dicht zu rede von den Hängematten,
die in jedem Zimmer vorhanden wa
ren. Das war aus seinem langen
Aufenthalte aus der See erklärlich.
Es gab da in den Schranken auch
bunte hüte mit allerlei Flittertand be
hängt. Zierliche Degen mit vergolde
ten Scheiben, grüne und blaue Män
« tel, die Samtner gewiß weder getragen
hatte, noch je tragen würde. Auch
« hohe Kanonen, Sättel, Zaurnzeug sah
« man, kurze Dinge, über die man den
Kon geschüttelt hätte, wenn man nicht
gewußt hätte, wie der Ober-Steward
zu ihnen gekommen. Das waren
Psandeh die ihm von Bekannten aus
, den erwähnten Künstlertreisen überge
. den worden waren. Werthlose Dinge
eitgentlich für ihn, aber er gab nicht
« gern ohne wenigstens den Schein einer
L Gegenleistung Das war den Freun
- des natürlich nicht unbekannt. So
beten He ihm denn öfters solche Pfan
J der an. Sie mußten dabei nur ver
W. daß sit auch die Absicht hät
, ten, sie auszulösen Geschah es nicht,
Espse war wenigstens nicht zu zweifeln,
TM sie die Absicht gehabt hatten. Der
III-Q- Msss d'- Zm mit-thus- Isla
fttfigedig trat, wenn es sich um die Be
Mag det Zechen seiner Plauder
siße handelte, lächelte manchmal still
;;dchin, wenn er all den glänzenden
EIN-Idee fis-ersah den et auf solche
stth gewonnen. Langsam wandte
u ein Stück nach dem andern um und
·- den Werth zu prüfen. Es hob
Mit-h jedes auf, damit et nicht et
stÆn müsse wenn es fein ursprüng
Hätt Eignet einmal tückeinlöfen
III-It Freilich wußte et sich n: cht zu
; entsinnen daß der Fall je eingektetem
III-d et wohnte nun doch fchon beinahe
gi- htzehnt in dem eigenen Heim,
stolz machte wenn er auch
, nd etwas davon merken ließ
W et toutde immer zufriedener-, je
«- thsm Angel-vie gemacht wt:,kden
— Theii des Standes an den nach
z Jahrikhttes zu net-taufen
TM ei jedoch nicht. Er wollte sich
I M nie-L ftsttn lassen
M Dezembetntptgen gab es
U Erd-di eine fchteckliche Sen
stt Ober - Stewatd Bets
.. «.,.-q.»«... «- ,
hord samt-see war in seinem hause
Rechts ermordet worden« Ali die
Dienerin morgens einheizen lam. er
iregte es schon ihr Erstaunen, daß die
causthilr bereits geöffnet war, with
rend sie sonst Samtner erst auf ihr
wiederholtes Pochen aufschloß» All
sie in das Dohnzimmer eintrat, lag
der ObersSteward mit dem Gesichte
auf dem Fußboden, gerade vor dem
Lehnstuhl neben dem Ofen, in dem er
Abends vor dem Schlafengehen die
leßte Pfeife zu rauchen pflegte. Sein
herz war durchbohrt. Der arme Pri
vatier war bereits todt.
Von der nächsten Polizeistation iam
nach Verständigung durch die vor Ent
seßen fast sprachlos gewordene Auf
wartesrau Kommissar Fiedler, ein
noch junger Mann, der sich erst seine
Sporen verdienen sollte. Er brachte
zwei Wachleute mit, die an die Haus
thür postirt wurden, damit Niemand
das haus betrete. Außerdem ließ er
sofort die Thür in der Einsriedigung
san der Straße schließen, damit nicht
ietwa aufsällige Spuren bis zu dieser,
idie sehr wichtig sein konnten, ver
jwischt würden.
; Nach wenigen Minuten fand Fied
.ler das Messer, mit dein der meuchle
Frische Stich gegen Saminer ausge
ssiihrt worden. Es lag in dem Zim
;mer, in dem der Dber-Steward die
»Iänder aufbewahrte Wie die Die
Inerin sofort betheuerte, gehörte das
? Messer zu dem Besitz des Ermordeten.
innige Tischschubladen waren erbro
schen und deren Inhalt durchw·iihit.
;Wie aus einer am Boden liegenden
IBanlnote hervorging, hatte der Mör
der augenscheinlich auch das Geld ge
sunden, um dessentwillen er sein Opfer
gemordet. Gegenstände fehlten nicht«
Die Schlösser der Thüren waren
sämmtlich unverletzt, auch deutcte die
Lage Samtner’s vor dem Lehnstuhl
an, daß er nicht durch einen Einbruch
überrascht worden «fei. Vielmehr
schien er srch mit der Person. die ihn
ermordete, unterhalten zu haben. Da
zu wurde der Polizeibeamte durch die
Wahrnehmung geführt, daß aus dem
Tische zwei leere Groggliiser standen.
Nachdem Fiedler den Thatbesiand
im Hause genau festgestellt, ging er
daran, die Spuren außerhalb im Gar
ten zu prüfen. Da schien die Sache
sehr günstig zu liegen. Denn es war
Nachts bis 10 Uhr Schnee gefallen,
dann hatte sich der himmel gellärt.
Wie aber vie Kellner in der Wunder-«
quelle, bie mittlerweile auf dem Poli-»
zeikommissariat vernommen worden
waren, bezeugten, hatte Samtner zwi-.
schen ein halb und drei Viertel elf Uhr ’
den Gasthof und zwar allein verlassen.
Man mußte daher seine Spuren wahr
nehmen können und auch jene des
Mörders, der logifcherweise erst zu ei
ner Zeit gefliichtet sein konnte, als kein
Schnee mehr« gefallen war. Fiedler
hatte die Vorsicht gebrauchen lassen,
nicht aus dem Alleewege zu gehen, son- .
dern daneben, wo es keine Spuren gab.
Die anderen konnten daher nicht ver-;
wischt worden sein. Denn jene der
Dienerin waren deutlich bernehmbar
Die Untersuchung begann bei ver
Gartenthür. Unzweifelbaft, ja scharf !
ausgeprägt sah man die Tritte eines?
breiten, schweren Fußes der, wie eint
Vergleich ergab, Samtner angehörte,
und daneben ein mehr länglicher
Stapfen, der ein wenig zurückgeblieben ?
war. Die Spuren dieser zwei Män
ner, des Ober-Steward und seines un
bekannten Begleiters ließen sich genau
bis zum Hause verfolgen. Doch uner
klärlicherweise war keine dessen auszu-;
finden, der es verlassen. Der Mörder
aber war verschwunden, denn Fiedler
ließ das kleine Gebäude sozusagen um
kehren. Weder fand sich ein Mensch
vor, noch eine Spur. Und doch hatte
sich ber Mörder gefliichtet. Daß er
auf einem Schlitten die sanfte Neigung
heruntergefahren, war auch nicht mög
lich. Denn dann hätte unzweifelhaft
eine Rinne vorhanden sein müssen
Auf der Allee von Baum zu Baum
klettern war ihm aus zweierlei Grün
den unmöglich gewesen; erstens stan
den sie viel zu weit voneinander ent
fernt, und dann waren sie noch so
schwach, dahAeste hätten abbrechen
munen. -
Kommissar Fiedler stand vor einem
Röthsel. Er schüttelte den Kaps. »Es
scheint beinahe, als ob der Lump da
vongeslogen ist«. sagte er ärgerlich
»Etwa ähnliches behauptet auch
Lorchner«« bemerkte der neben ihm ste
hende Wachtmeister. »Den Kommis
»sar kennen doch den gewesenen Kom
missionär Lorchner, der quartaliter im
sDelirium schwelgt· Er behauptet,
»daß, als er Nachts gegen 12 Uhr aus
sder anderen Userseite nach hause ging,
iiiber den Gatten da ein Mann geflo
gen kam.«
Fiedler lachte. »Das ist stark. Im
merhin ein merkwürdig-es Zusammen
treffen. Um Mitternacht könnte es ge
wesen sein. Aber fliegen kann kein
IMenseh ohne Lustballon, und einen
solchen wird der Berbrecher kaum mit
genommen haben. Uebrigens lassen
LSie den Mann sofort auf das Kom
zmissariat bringen« ich will mit ihm
sprechen. Jch will nur noch einmal
langsam die Allee hinuntergean
Der Kommissar that diej. Er sand
auch diesmal nichts Ausfalligei. Das
»einsige war, daß er rechtsseitig kleine
Löcher im Schnee wahrnahm, wie sie
etwa entstehen, wenn man einen Spa
esststsck schsts ist-Wißt Der Ober
Cteward trug nie einen stos. Ver
seamte tnas die Entfernung zwilchen
den einsean Löcher-n sie war ziem
lich regelmäßig Er wußte damit
nichts zu machen, denn diese Zeichen
waren eigentlich weiter von den Sta
nfen entfernt, als dies-bei »We
Venu ung wahrscheinlich. Lorchner,
ein ann mit ausgedunsenern Trin
tergesicht, war unruhig. Er versickprte
klagend, daß er den Mord nicht began
sn. »Den-on ist jeit gar nicht die
Rede«, beruhigte ihn der Beamte. »Ich
will nur wissen, was das mit der Er
scheinung war.« — »Es war zwöls
Uhr«, begann er. —- -— Fiedler unter
brach ihn: «Wieso wissen Sie das so
genau, wie spät es war?«
»Weil in der »Rothen Henne« um
zwölf Uhr Sperrstunde ist und mich
der Wirth deshalb davonjagte. Als
ich da gegen das User beim Steward
hau- lam, sah ich hinüber. ’o war
Mondschein im Kalender«
»Nu: im Kaiender«, nickte der
Kommissar, denn da er um ungefähr
dieselbe Zeit sich zu Bett gelegt, da
wußte er, daß der Mann bisher die
Wahrheit sprach.
»Grad war’s ein bißl lichter —— der
Schnee leucht« ja auch. Da sah ich
bei meiner Seel’ am Vergl eine Ge
stalt in den Wollen, das beißt: höher
als der Zaun unten, und so hoch viel
leicht, wie die Bäumeln in dem Gar
ten. Da is mir die Graugbirn aus
gestiegen. Jch hab noch weiter hin
. überschauen woll’n, weil sich das Ding
bewegt hat und näher kommen ig. Da
stolpere ich über an Pslasterstein, der
unter dem Schnee lag, stürz nieder,
und wie ich mich wieder erwach, meiner
Seel war alles weg«
«Wieviel haben Sie vorher getrun
ten gehabt«, fragte geringschätzigen
Tones der Beamte
»Nichit viel, weil die Zeiten lnapp
find.« -
Lorchner lonnte abtreten. »Der
Mann war augenscheinlich betrun
len«', sagte Fidler. »Ich halte das siir
ein hirngespinst.«
»Der Wirth zur »Rotben Henne«
hat angegeben, dass er einen »Afsen«,
wie er sich ausdrückte, gehabt hat.
Aber nicht größer als gewöhnlich«,
berichtete aus dem Protololle der
Wachtmeiiier.
Aber jedenfalls war er aeniiaend
l
groß.
Polizeilommissar Fiedler ließ noch
einmal das Haus Samtners unter
suchen. Es sand sich aber absolut gar
nichts vor, was sür die Erforschung
des Thäters irgend einen Anhalts
punkt geboten hätte. So vergingen
Wochen, ohne daß es gelan irgend
ein Ergebnisz zu erzielen. s Publi
kum, dem die Erzählung Lorchner’s
natiirlich zu Ohren gekommen war,
schien der Ansicht zuzuneigen, dasz der
Mörder wirklich aus dem immerhin
ungewöhnlichen Lustwege, mit Zu
hilsenahme unbekannter Kräfte, ent
kommen «sei. Deshalb zerbrach man
sich über die Unthat länger den Kaps,
als dies sonst in großen Stadien, wo
jeder Tag neues bringt, zu geschehen
pflegt.
Eine Brauerei hatte den Theil des
Flüßchens an Sommers Gebiet zum
Eisbrechen gepachtet. Da keine Ge
fahr vorhanden war, daß durch ein
plötzliches Thauwetter das Eis schmel
ze, ließ man sich mit dem Brechen Zeit,
bis das Eis stark geworden.
Zu ihrer Verwunderung sanden die
Arbeiter halb in dersEisschale eine
Stange, die sich bei näherer Besichti
gung als nicht gewöhnlicher Herkunst
erwies. Sie war nämlich weiß ge
strichen und mit einem miiandersörmii
»gen goldenen Streisenmuster bedeckt·
Außerdem hatte sie in ungesährer Höhe
von anderthalb Meter ein geschnihtes
Brettchen mit Schrauben besestigt.
Ein Schuhmann wurde von Arbeitern
aus dem Fund, den man in unmittel
barer Nähe einer sogenannten, ehema
ligen Wäscheschweisstelle gemacht hatte,
aufmerksam gemacht. Er erstattete
hierüber dem Kommissar Iiedler Be
richt. Dieser ließ sich den Fund vor
weisen. Er besah ihn ganz genau, bis
er überrascht und wie es schien betros
sen sagte: »Wenn mich meine Augen
nicht täuschen, ist das eine Steh-, wie
sie in den Zirkusien bisweilen verwen
det werden. Denn Kinder können we
h» feil-b Inl- Diemek ask-tauchen nack- .
sind deren Stelzen mit solcher Eleganz
ausgestattet. Doch wenn auch- die
Farbe an vielen Stellen losgerieben
zund zerkraht war, so kannte man doch
i noch immer eine gewisse Eleganz wahr
jnehrnen Langsarn wandte Fiedler die
zStelze um. Als er die eiserne Spihe
i mit dem Finger berühute, zuate er zu
lsarnmen Denn rnit einem Male
durchblihte sein hirn ein Gedanke, der
eine ganze Kette anderer auslöste und
vieles, was bisher in Dunkel gelegen,
in ein scharses Licht brachte. »Nun
haben wir’i«, erklärte er strahlend bei
seiner Rückkehr in das Bureau, dern
Wachtmeister. Gott sei Danks —- Er
athrnete kies aus, als ob ihtn ein guter
Fang gelungen. — »Den und was?«
war die Frage. «
«Den Mörder Samtner’i und rnit
der Erscheinung Larchner’s hat es seine
Richtigkeit Der Mann war also doch
nicht so betrunken, wie wir annah
rnen . . .«
Damit verschwand der Kommifar,
den Mineister in höchster, aber nicht
befriedigter Spannung zurücklassend
Frevler begab sich mittels Wagen
auf das Gemeindearnt der Vorstadt,
wo das standgeld sitt dle Cletus
und Indenbestfer ans dem öffentlichen
Blase etnsehaben und die Stellen ver
mietbet wurden.
»Wer hatte am 15. Dezember auf
sdem Wrtt atfgeftellt«, fragte er
den betreffenden Beamten.
Man gab ihm sofort Bescheid. An
diesem Tage verließ der Ctrtus Elsini
den Plas. Es war nicht gegangen.
Fünf Tage war dann der Plas ganz
leer, bis turz vor Weihnachten das
Breier Panovtilum karn.
«.datte clsini Seiltänzer oder Stel
zengeher?«
Der Grmeindebeamte lief; aus der
Registratur die Platate, welche jeder
Unternehmer vorzulegen hatte, ausbe
ben. Es war dort eine Mis; Fritzi als
Seiltiinzerin nngeliindigt, von Stel
zentiinstlerin war nichts bemerkt.
Der Polizeibeamte dankte und fuhr
auf das nächste Telegraphenanit, wo er
eine Cirkulardepefche an alle Städte
der Provinz aufgab, ob dortfelbft ein
Cirtng Elifini fei.
Gegen Abend lag aus einer ziemlich
an der Grenze gelegenen Stadt eine
bejahende Antwort vor.
Fievler konnte noch den letzten nach
Norden gehenden Schnellng benutzen.
Vormittags nächsten Tages langte er
i.: der betreffenden Stadt an. Schon
am Bahnhofe war ein Riefenplatat des
Kunst - Cirtu5« Elsini aus-gehängt
lfr überflog voll Spannung die Na
men der Artiften Ein Lächeln der
Befriedigung erhellte einen Augenblick
feine ernsten Züge, als er in fetten
Lettern las: «Signor Alfredo Jung
mann, nniibertrefflicher Seiltiinftler
und phänomenaler Stelzenartift.«
Jn Begleitung des leitenden Beam
ten der ftädtischen Polizei war eine
Stunde später Kommissar Fiedler in
der Privatwohnung des Direttors El
sini. der im legten Stockwerk eines ho
tells wohnte und noch im süßen
Schlummer lag. Er erfchral nicht
wenig. als er die Polizeibeamten bei
sich eintreten sah.
»Ist Jungmann schon lange bei
Ihnen engagirt?« fragte Fiedlen »Ihr
Seiltänzer und Stelzengänger!« -——
Der Direktor dachte einen Augen
blick nach. »Seit Dezember ift er wie
der bei mir· — Seit Weihnachten. Jo,
e: ist eine gute Kraft, wenn auch leicht
sinnig· Das ist so Künstlerart.«
»Na nte er den Oder - Stetvart
Samtner?" war die folgende Frage
Fiedlers.
Elsini war frappirt. »Gewiß, wie
die Meisten unseres Berufe-. Der
Arme wurde ermordet. Leider! Ge
rade an dem Tage, wo wir die Vor-·
stellisngen deschtossen hatten.«
»An dem Tage engagirten Sie
Jungmann. nicht wahr?«
»Allerdingg«, war die Antwort des
Verbliissten. »Ich wollte ihn erst mkt
Neujahr ausnehmen. Aber er bat so;
er hatte kein Ergagernent und natür
tich auch leirs Geth
«Nachher hatte er aber welcher-, das
neiß ich«, bemertte in sehr bestiinnitem
Tone der Kommissar.
Elsini stotterte: «Vorschuß hat er
trahrhastig keinen verlangt.«
Der Schweiß trat ihm auf die
Stirn, als Fiedler sich von einem aus
dem Korridor stehenden Schutzmann
einen eingewickelten Gegenstand reichen
ließ, der sich nach der Ausschälung als
die bewußte Stelze erwies. »Das ist
Jungrnanns Stetzei«
Der Direktor nickte. Er sand teine
Worte. Nach einer Weile erst konnte
er hinzusiigem »Friiher benutzte Al
sredo solche."
Alfredo Jungmann, ein kräftiger,
junger Mann mit verlebten Zügen rvar
auf der Probe rnd scherzte gerade mit
einer Partnerin, als der Direktor mit
zwei herren eintrat und ihn zu sich in
einen Redenraum rief. Mit einem
lecken Lächeln auf den Lippen trat er
em.
Kommissar Fiedler faßte ihn sosort
an die Schulter: »Im Namen des Ge
sehes verhaste ich Sie als den Mörder
des Ober-Stewart Bernhard Samt
nett«
Der Bursche guckte zusammen. Er
wurde todtendleich und zitterte. Er
has-kli- Iissssn hoch sK merkb- snsk sin
lchreckbastes Lallen, denn Polizisten
tauchten neben ihm aus und umtlami
merten ihn. Er setzte sich schäumend
zur Wehre, aber ej bals nicht«-. Doch
mit keinem Worte wehrte er sich siegen
den fürchterlichen Vorwurf. Erst als
der Direltor wimmerte: »Wie konnten
Sie das thun. Alsredo,« wars er barsch
bin: »Es ist eine Lüge, eine erbärmliche
Ersindungl«
Der Polizeibeamte aus der Reichs
bauptstadt entgegnete mit unerschiitteri
licher Ruhe: »Das Leugnen hilft nichts
mehr. Es sind Zeugen da, die Sie sa
hen, wie Sie ausStelzem um die Spu
ren zu verbergen, den hügel hinubeil
ten. Die Stelzen haben Sie verrathen-,
und wenn Sie sie auch zu vernichten
gedachten, indem Sie die Dinger in
das Eiiloch steckten. Eine, diese da —
man wies sie vor —- ist im Eise stecken
geblieben und sestgesroren.« —- Der
Mörder sah wutbverzerrt um sich. Er
erwiderte nichts. Scheu slog sein Blick
an der Stelze verbei.
»Wi) haben Sie das Geld hinge
tlzani« fragte Fiedler. —
»Ja die Sparkasse habe ich nichts
gethan,« höhnte der Seiltiinzer und
richtete seine lunlelnden Augen aus den
Frager. Er war sich nicht bewußt, daß
seine Inn-set das Geständnis ent
lstelt . . . .
Vor den Richtern gestand Ilsred
Junge-rann zu. den Obersctetvart er
mordet zu haben. Er batte Samtner
aus dem Deiner-des qetrossen und toar
von diesem. der redelustig schien, einge
laden worden, ein Glas Grog mit ibm
zn trinken, und wenn er wolle, iiber
Nacht zu bleiben.«Sv geschab’i. Samt
ner nickte von dem vielen Rum, den
Junamann in sein Glas geschüttet,
ein« und diesen Augenblick benuste der
Mörder, urn seine größliche That aus
zuführen, da er in der Schublade ein
dicke-l Pöckchen Banknoten bemerkt
hatte, als Samtner aus sein Ersuchen
nachgesehen hatte, wieviel er ihm da
mals geliehen, als er die Stelzen in
Pfand gegeben. Psandbuch und Geld
lagen nebeneinander in der Schublade.
Als er den Mord verübt, sei ihm beim
Anblick der von dem Ober .- Strwart
herbeigeholten Stelzen der Gedanke ge
kommen, aus diesen zu flüchten, um
jede Spur zu vermeiden·
Es gelang. Doch batte es ihm ge
schienen, als ob aus der jenseitigen
Userstrasze Jemand komme, und aus
Furcht, daß die Stelzen in seinen Hän
den ausfallen würden, habe er fre in
dein tkisloche verborgen nnd gemeint,
si: würden nie mehr zum Vorschein
kommen, sondern unter dem Eis toeis
terschwirnmen.
Der Mord fand also seine Sühne
und Lorchner wurde die Genugthuung
zu Theil, dass Polizeikomniissar Fied
ler erklärte, seine »Erscheinuna« habe
doch schließlich ans die richtige Spur
gesiibrL Er toar besonders erfreut,
als ihm die Erben des Nachlasses des
Lber-:Stetoarts einen kleinen Betrag
kzukommen ließen.
: —-——-.
Der Bier-Me- des Japasee0.
Ein sranzösisches Blatt erzählt: Die
Japaner sind unvergleichliche Nach
.abmer. Man kann vor ihnen die ver
tvickeltsten Handlungen ausführen,
und sie werden s·.-: sosort bis in die
Jkleinsten Einzelheiten, selbst annähe,
«tviederbolen. Ein sehr charakteristi
Jsches Geschichtchen berichtet eine Ame
Itikanerin Diese Dame hatte, nach
END-s m«ns--msh- ----- Q--«--- Als
........... «,..»..... -.
Koch« angenommen, der nur Nirwa
Speifen zu bereiten verftand. Sie
machte es sich nun zur Pflicht, ihm die
Elemente der europiiifchen Küche bei
zubringen, und begann fofort einen
Eiertuchen in Gegenwart des Japa
nerö zu bereiten. Diefer war ganz
Hinge. Man tennt das Verfahren.
IDie Dame die zuviel Eier genommen
hatte, legte vier oder fiinf davon in
ein Schubfach zurück. Am folgenden
Tage und in der Folge noch öfters
bereitete der apaner wieder Eier
!luchen, die die getreue Nachahmung
def- Mufiers bis auf jedes Salztorrk
ich-en waren. Alles ging lehr gut, 7
i oder 8Monate lang. Zu der Zeit be
- gab sich der Koch zu feiner Herrin und
erklärte ihr, daß das große Schubfach
nun aber vollständig gefüllt fei und
daß es niXt ein einziges Ei mehr
fassen lön e Bei jedem Eiertuchem
den er bereitet hatte, hatte der Japa
ner gewissenhaft 4 oder SEier in das
große Schubfach zurückgelegt, —ge
nau wie feine herein.
HO
csschfte Zetftreutbeit.
Professor: »Jetzt habe ich fchon wie
;der mein Schnupftuch vergessen. Jch
iwerde mir ’mal gleich einen Knoten
ljineinmachen!«
Nicht san- zufrieden.
Frau Newrich: ,,th es nicht ein er
lhebendes Gefühl, in feiner eigenen
cquipage zu fahren-?"
l Herr Newrich: »Gewiß, aber noch
lerhebender wäre es, könnte ich an der
Itraßeneole stehen und mich vorbei
fahren sehen-«
sorbereitrmk
»Ja Mare, bift denn Du lranl,
tueilft alle eTage Sunnebäder nimmst?
»Im Spur, bös tua i bloß, damit
i braun werd, i bin fiir das Omber
fift als Jndianer engagirt!«
Wahres Gefchichtchem
Bei einem iiinaft niederaeaanaenen
Eidageiweiter lief ein schwabiichesf
)Biiurelein barhöuptig vor sein hanc
! nnd rief: «Liebs herrgottle, hör auf,
Hi bin net versichert! Auiwehi Au
i wehk·
Kindern-it
Archidald: »Mama, gieb mir einen
Venny!«
Maine-: »Du bist schon zu groß, als
daß Du um Pennies bitten solltest«
Archilsaltn »Na, dann gieb mir ’nen
Quarter!« '
—
Liebe-Mist
»So, jeßi trägt Johann die Verlo
tnngjiarten nach dem Brieiiafien —
nun können Sie unserem Töchterchen
den eriien Kuß geben« lieber Herr
Schwiegersohn!«
In der Instrsctisnsfesndr.
Unierossizien »Wer ist Dein ober
i«er-Kriegsherr?«
Reirni Kleielbauen »Der herr
Wachirneister!«
Erfisier VII-ich
Stiivier (eine bayerische Kellnerin
in die Backe ineifenv): »Sie, liebstes
Fräulein. reden S«· noch mal a bissei
HarnischI Das clrngi so reizend und
macht mir immer io viel Spaß.«
Kellnerim »Du Laufs-vix Du fakti
schen willst a Watschen haben?«
Ver Mutter Band.
Stige von M. Wendlin.
G habe mlr’i in Papas aUMI
S reibsessel bequem gemacht· und
schwi e iiber einem Bekleidet-rief an
eine rührte Lehrerin, mit welcher I.
mich nur noch durch die schwachen
Fäden gelegentlicher Reuiahrklgliielks
wiinsche und ähnlicher tonoenticnellek
Schreiben zusammenhänge. Unfähig.
fiir den gedreehselt angesangenen Sah
die richtige Schlußwendung zu finden,
sitze iet- vorniibergedeugt da und bear
beite in tiefem Sinnen den Volzstiel
meines Federhalters mit den Zähnen;
während meine Augen in gedanken
loiem Hin und her durch die traulich
Stnbe schweifen.
Da haftet der irrende Blick plötzlich
aus der Hand meiner Mutter. die mir
gegenüber regungslos auf der Tisch
platte ruht. Die liebe Be therin dieser
theuren Hand aber hat sich in die
Sophaerte geschniiegt, hält die Lider
geschlossen und scheint, vom Tagewerk
milde, eingeschlafen
Jch sehe lange wie gebannt auf das
stille, gute, runzelvolle Gesicht. Eine
inhaltreiche Geschichte steht in den Zü
gen geschrieben! Die Hand aber, dünkt
mir, wüßte noch mehr zu erzählen,
wenn sie sprechen tönnte.
Es ist, nach den Begriffen strenger
Schönheit geurtheilt, durchaus keine
et-enmäszige, sormvollendete Hand. Ein
wenig breit, von rastlosem Schaffen
ausgearbeitet --— dabei nicht durchsich
tig bleich wie ein schneeiges Nosenblatt,
sondern herb in der Farbe, weil sie
Hitze und Kälte in jähem Uebergana
ertragen lernen mußte. Die Nägel
entbehren der sorgtältigsten Pflege;
manch Stäudchen, manch tleiner Nuß
fleck hat ihren rosigen Schmelz verdor
ben. Auch eine halbvernarbte, derbe
Schramme lann den intimen Umgang
mit den messerscharsen Waffen der
emsigen Hausfrau verrathen.
Dennoch aber weiß ich mir taum
etwas Liedern-, etwas-, waskmehr Be
P--.t
Isuussttuukh UWWIIU I Ncsccsllcp III
diese faltige, luft- unb sonnberbrannte
handt
Fast meine ich, die Lage derselben
allein schon sei charakteristisch siir das
Wesen und Witten meiner geliebten
Muter. Nicht festgeballt hält sie die
Finger, nein, ausgebreitet, in unge
zwungener, natürlicher Offenheit.
»Wer zu mir tommt, darf auf
Milde und Güte rechnen,« scheint diese
Stellung u sagen. »Ich that mich
immer aus, wo ed zu helfen, zu lin
dern galt; habt nur Vertrauen zu mir,
bin ich auch welt und zitterig gewor
den, ich kann dennoch wirken. Kann
sanft verweisen und weich und zärtlich
liebtosen.«
Und unversehens legt sich einschleier
vor meine Augen. Frucht drängt sichs
in die Wimpern, unb eine Viswn, wie
durch Nebelschleier, erhebt sich vor mei
nen Geistesaugen
Jch sehe mich selbst als halbwiichsi
ges Mädchen zu Füßen der Mutter
knieen. Jch trage ern schwarzes Kleid
und bin sehr glatt gescheitett und ernst.
Und mein Mütterchen beugt sich zu mir
herab, tiiszt meine Stirn und legt die
warmen Hände auf mein junges
Haupt.
»Bleib stets so fromm und gut wie
heut’ an Deinem Ehrentag. mein ein
ziges Kinb,« sieben die geliebten Lip
pen. »Nein, bleibe nicht so, werde bef
ser, strebe volllossnener zu werden«
Jch schrieb mir damals die Worte
in die Seele; und dennoch m dennoch
habe ich nicht immer darnach gelebt.
Wer tann fiir sein schkoacheg Herz!
Ach, tausend Entschuldigungen giebt H
ja ———— und doch —- -—- - heut
schwinden sie alle dahin. Jch gebe mir
beim Anblick der theuren Hand, die
mich einst segnete, das Gelübde, besser
zu werden. Alles Böse will ih ver
meiden, damit nicht einst diese kjinger
sich salten müssen im Gebet ür diese
nige, der sie ehedem dao Köstlichfte
mitgaben, was sie hatten -- den
Segen!
Aufs neue will ich mich nach diesen
Betrachtungen meiner vorigen Beschäf
Oissesea ziemt-eh'- hness Inn-no- Ins-ds
--Y--.p o-------- , ---, s-- ------
und wieder lehren, wie durch ein
Wunder gefesselt, meine Augen zu
ihrem Ausgangspunkt zurück.
«Mutterhand — Mutterhand! Du
reichst doch selbst in weiteste Fernenz
siiiht Deine Kraft doch die Müden und
Schwankendeni Wi: sollte ich diesen
Dauber nicht merten, di: ich Deine
schaffende Liebe allübetall sehen, all
grgetoärtig fühlen tann?«'
Es ist heut' nichts mit den Arbeitenl
Meine Philosophie-n bei-scheuchen die
Lust zu jeder anderen nützlichen Tbö
tigteii. Behutsam tlappe ich die
Schreibmappe zu; ganz heimlich erhebe
ich mich. Mein schelm- Tritt soll die
Schläferin nicht werten.
Das gelbliche Licht der clttnodischen
etroleumlampe wirst ein gigantisches
bchattenbild aus die helltapezterte
Wand. —- Jeßt tniett der Schatten in
sich zusammen s— diejenige, die ihn
verursachte, ist in die Kniee gesunken
Nur ganz verstohlen wage ich zu oth
men——leise, sehr leise beuge ich mich
nieder; fast ift’s, als wolle ich ein Un
recht begehen. Und wie ein Zriiblingss
wind über Blüthen tosend, tüsse ich
voll heiliger Andacht meiner Mutter
hand!
MO—————
Durch die hinste.
r: «Berzeihen Sie, i ei
pro aisch Fällen« ch h be
Heitathiiustign »Ich finde den Na
men durchaus nichtpeosatsch ich wäre
ftsc M U so but-«