Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 18, 1904, Zweiter Theil, Image 12

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    Mite, mein Jungel
« Riese den Max Grad.
Im danach sah ihrem blonden
. - nach. dis seine gertenschlante
«-«» um die Ecke Verschwunden wur.
is Kuß hatte die November-Mor
noch sein etwas lang gehalte
ei und äußerst fein-es hear
. Es quoll unter der rothen
lockig hervor und schimmerte wie
. Dann schaben sich die matten
s« hie-n über Frau Horn-ich's Mor
H in’s Zimmer hinein unsd
·i Tit-n über die giftgriine Iapete und
an der Wand befestigten, ausge
. « oder ausgefägten Sächel
s Betbleichensd glitten sie noch eilig
zjn den vier Glaslästen einer sorgfäl
vEis angelegten Schmetterlings-samm
j M vorüber, die an der abgeschrägten
TIERE des Fenstervorbaus hing. Die
Mrauen Augen der Frau ruhten
eine Weile eigenthiimlich warm und
» innig daraus. Milde schienen sie und
L Miit-h wie durch viel Weinen. Allein
Jan diesen Kinderfchätzen schienen sie ?
, Ich dennoch zu erfreuen. »
F Obwohl immer rasch ermüdet. hatte ?
He Mile an manchem Sommertag
; draußen, weit vor der Stadt, bei der .
L Schmetterlingsiaqd geholfen, und
dann wieder dabei, die Beute seiner
Sammlung einzuverleiben. Wie ge
schickt und peinlich genau doch seine
Finger hantirten! Wie augdauernd
nd geduldig er stets bei jeglicher Be
schäftigung war! Vorn Lernen schon
gar nicht zu sprechen. Es war noch
v nie vorgekommen, daß Mile eine
schlechte Note mit nach Hause gebracht
« hatte.
Ein warmes Noth glitt über ihr«
s Uns-kl-- «u-r:«-..« ....». -.-I:-I. ;i..«..
.·,
- IIOUOUDIGY VIYIIUI us ev »Ch
tisen Schimmer der längst verfloge
Its Jugend, die so bald schon unter
Wangen war in Schmerzen, Kum
Ut, Noth und Entbehrungen.
Als müßten ihre lautlos arbeiten
den Finger für Einen, — den einzi
II, — ein Prachtgernach voll Luxus
Und Bequemlichkeit bereiten, so glit
Un sie auch über das Kleinste ordnend
rau Harrachs Augen wurden
hegt; eine überroältigende Zärtlich
Ieit und Liebe wallte in ihr auf:
Nile, mein Junge!
III Il- II
Ein herrlicher Wintertag, Ftoft
IRS der erste Schnee! Frisch gefallen
CI ganze lange Nacht hindurch,
Miete er sich seitlich deg viereckigen
Munsiums- Hofes. Ein lustiges
Isfem Geschwäy, Lachen und Jauch
du klaren Luft, und sofort entspann
eine fröhliche Schneeballschlacht.
der blonde Kon Ernil Harracb5. Noch
W Thor war ihm von einem
Uhlgezielten Geschosse die rothe
Schülermiitze geraubt worden. Aber
k »Alle der sich fonst fast immer gleich
« seitlich zur kleinen, schwarzen Neben
Horte wandte, wo meistens seineMut
M auf ihn wartete, hatte es heute gar
M so eilig mit dem Weggehen, son
M prodozirte munter selbst noch
» « eretAngriffg deren er sich tapfer
r e.
Im Allgemeinen liebte er den in
Zimeren Umgang mit den Kameraden
W sehr. Sie ihre Art und Weise,
» Mihre Spiele schienen ihm meist
:— und zu wild und dann hatte er
M keine Zeit dazu. Er war chr
ig und lernte mii Feuereifer. Was
—-n aber noch an freien Stunden
- l, das widmete er ganz der Mut
, das-heißt, diese nahm sie sich
; hin. So war es immer gewesen
— lange Mile denken konnte, war
die Mutter um ihn, Tag und
- Wenn aber besondere Um
- ihn je zwangen, ihr ungewöhn
s lange fern zu bleiben, so wußte er
s-- daß sie wieder die sonderba
:. Augen« haben würde. Und diese
chteie Mile; er konnte ihren Blick
Ie- aus hundert Kehlen verhallt in.
ier allen Köpfen am hellsten war»
ist ertragen. Angst, vorahnender
Schmerz, und solch große, qualvolle
sehnfucht lagen darin.
- Die Jungen hatten Miles Mutter
Oft genug warten sehen, und dieser
imnßie deshalb viele Neckereien über
seh ergehen lassen.
Emil Harrach pflegte daran sehr
kosth zu werden, mochte aber doch
nichts fasgen oder aar oreinhauen, wi
ZZ andere bei Nectereien nnd Beleidi
gingen zu thun pflegten. Deghafb
Hi er für feig. Doch war er das
Acht. Er haßte freilich dieses sinn
He ewige Sichhernmboren und
lagen, das fortwährende Ringen
Hauen. Aber auf diese Hänfe
- .die ihn empörten daß es oft
kochte, hätte er gern mit den
-i en geantwortet. Was aber
, e die Folge gewesen? Er fühlte,
«T - er allein gegen fo viele machtlos
- is wär-de; außerdem zerrissen feine
der. Dann, — fpätes Heirnlonp
vielleicht gar Rügen von den
- und endlich schlechte Noten.
- kämen bei Mutter sicherlich
diese schrecklichen Augen( Nicht
regens, nicht die Prügel fürch
« ,bloi diefc Augen machten
Hartachä ungewöhnliche Leb
- and Kampfeslufi war ein
; nnd wirkte äußerst anspru
uf alle Immer mehr Bälle
H speziell auf ihn. Seine
. nnd unerwartete Gewandt
Werkeit importirten Eine
Unzahl von Keim-fern
seit-Seite und erkannte
W alt Fükeer an.
Irittllih versahen ihn zwei Jun
Zn Mit reichlich mit Munitlon, in
rn fertige Mille bereit hielten und
ihm retchten Gewandt bückte lh
Mtle und wich gefehiltt den Gelcho en
aus; zugleich griffen feine hlaugefros
renen Dände nach einem besonders
großen, wie eine Silberlugel schim
mernden Schneehallen Aber ohne
ihn abzufeuern, blieb er plöylich re
gungslos stehen, sodaß ein wahrer
Kugelregen sieh erbarmungslos, wenn
auch nicht dernichtend, über ihn et
goß. Zwei Arme legten sich fest um
ihn; an feinem Ohr, das ein warmer
Athem überhauchte, klang es zärtlich:
«Mile, mein Junge!"
Frau Hart-ach hatte heute wieder
gewartet und erft mit Bangen, dann
mit reude und Stolz der Schnee
ball- lacht zugesehen Jhre Au
gen hatten beinahe geglanzt wie die
der Jungens. Jhr Herz klopfte vor
Stolz und Freude Rein! Es war
doch noch eisn Glück, das ihr da übrig
geblieben, ein großes, großes-! Und
da hatte sie es denn umfassen müssen
mit beiden Armen.
Wie man plötzlich durch einen lal
ten Wasserftrahl aus einen Traum
oder Rausch ernsiichtert erwacht, so
tam auch sie zu sich, unter den zorn
flammenden Blicken voll Zetan1,tuit
denen sich Mile aus ihren Armen riß.
ft hätte er sie auch unraeworien
Ho klar fah sie noch nie die spotti
schen Gesichter der Jungen und hörte
deren Kicherm höhnende Llugrufe und
lachendeg Logplatzen hinter vorgehal
tenen Händen Mile hatte Plötzlich
wie unsinnig die nächstbeite Mütze
vom Boden aufaeariifen und war,
alles andere vergessend, fortgeftiint
Mechanisch, wie betäubt, nahm die
Mutter feinen Ueberzieher, der aerade
vor ihr lag, auf und aqu wie eine
Nachktvandelnde durch den fJof ums
zum Thore hinaus. Zwei, die am ·
lautesten gelacht und gehöbnt hatten,
ließen sie ruhig pa-ssiren. Wie todt
blaß sie war! Diese Augen! ——— »Die
ist eins-ach verrückt,'« sagte dann Ernst
Baumgartner zu Bürgermeisters Fritz
Mile war zu Hause an den isch
getreten. Mit förmlich stehenden,
untergchenen Blicken ichob ihm seine.
Mutter das Essen bin. Kaum würate i
er einen Bissen hinunter. Sie be
rührte gar nichts. Es war, als hät
ten beide die Sprache Verloren. Dann
rannte er wieder davon. —- —
Jn dem Zimmer, worin es lölter
und liilter wurde, da das Feuer längst
ausgegangen war, troch eine sahle
Dämmerung in alle Winkel.
Schon sechs und Mile noch immer
nicht da! Es rasselte eben vorberei
tend im Uhrlasten zum Anseigen der
halben Stunde, da lnarrte die Treppe
Frau Harrach sprang aus und
lauschte. Kein Zweifel! Das war
der bekannte Schritt. Nur so viel
langsamer als sonst. So müde!
Schon war sie draußen und öffnete
die Verschlaggthiin
Als er in dem Zimmer. in dein sie
eilig die Lampe entzündet hatte, und
in deren Lichtlreis getreten war, blickte
sie sckeu aus ihn. Mein Gott, wie sah
der Junge aus! Seine rotlJe Mütze
schildlos, zerdrückt und beschmutzt; die
eine Rocktsasche hing in einem Fetzen
herab, »Der Hälslragen war zerlniilll
und ausgerissen. Erst gestern halte
die Mutter siir den Sohn aus den noch
guten Lappen ein-es alten Seidentlei
des eine so feine Kravatte gemacht
Sie war sein Stolz gmesem —- nun
glsich sie einem Strick und baumelte
gleich einem solchen herab. Und hier
erst? Frau Hart-ach trat nabe an
Mile Heran. Aber das war ja schreck
lich! Ueber die linle Wange lies quer .
ein dicker-, rether Striewen. Und da! i
Hinter Mile«s Ohr löste sich langsamj
ein Blutstrcpsen und siel aus seine
Schulter. Frau Harrach schrie gellend
aus. Ein zweiter Schrei aber blieb
der Entsetzten sozusagen ans den Lip
pen eben, als wäre er erstarrt. War
das denn ihr Emil? Ihr lieber, ein
ziaer, sansier, der nun vor ihr stand?
Wie lonnte, onrste der Sohn sie nun
In verfehan Cis fu«- hokfs nickqii wr
brochen, beaangentk Jhr Aufscheei
hatte diesen so gereizt» Mit der zorn
essender Stimme seines Vaters stieß
er hervor-: »Hal« dich doch bloß nicht
sc! Ueberlsaupt, —- so gedt’s nicht
weiter —— nicht so — ich kann« ·—- —
Und kann flutljete es nur so über die
Frau hin, die wie betäubt auf Den
Stuhl fanl und keine Ermiderung
fand. Mile machte auch gar keine
Pause, um ihr Gelegenheit zu einer
solchen zu geben« Das rollte und
grollte weiter, unaufhaltsam leiten
sckaftlich, um das viele Aufgestapelte,
Ansgesainmelte laszuwerdem
»Ja, zu Tode geschämt habe ich mich
deinetwegem —- du, —- ja deinetw
gen.«
Dann war er aus der Thür. Frau
Hatt-ach blieb stumm sitzen, regungs
los und ohne Thrä n. Die Lampe
blatte, trag sie sonst haßtr. Sie saß
und saß, stumpfsinnig und gefühllos.
Mile hatte sich daneben im gemein
schaftlichen Schlafeaum anaetleidet
aufs Bett geworfen. Er fühlte sich
Hfutchibar erschöpft. Ihm war, als
Müßte er jetzt einen tiefen, langen
H Schlaf thun. Einen so langen, daß
I es kean Erwachen Frühling und all
idas vergessen, axn besten überhauspt
k nicht wahr gewesen wäre. Seine Glie
: der, sein Kopf schwersten ihn. heute
iBormittag die Schneeballschlacht und
idann Die Aufregung. Aber erst arn
INachmittagt Bebend vor Zorn-, seft
entschlossen, sich — innerlich dachte ee,
seine Mutter, —- an ihnen zu rächen,
hatte ee sank zeitig die Klassengenofses
erwartet I s der hinzuweisen-fass
ers) W Beweises so met-spär
Rg gedeckt nnd ists an ihm vorbei
Jukiqu tpollie sieh seine sanst anse
egte tm schon wieder sast dem
Frieden zur-eigen Dann aber lamen
andere. Eine ganze Schaut wa« ec-l
Wie etwas Ganze-, Großes, Zusam
mengehörlges traten sie dicht an ihn
heran, und ein jeder hatte etwas mit
bracht! Sogar Geld hatten sie es
·eh kosten lassen. Eine Sau slsasche,
ern Schlopperlappem ein ummi
Psropsen wurden ihm qereicht uno in
die Tasche zu stecken versinkt. Einer
hatte eine wollene Kinderhasube der
kleinen Schwester mitgenommen und
stülpte sie Emil harrich aus den Kopf.
Wie in einem Schraubstock hielt ihn
dabei der Größie in den Armen, und
im höchsten Dislant ivinselte er:
»Mile. mein Junge!'« Alle stimmten
lachend ein. Verzehnsachi irur der
Zorn dadurch wieder iislser den Gequäl
ien gekommen und schien ihm ice-kon
dere Krast zu verleihen. Er befreite
sich mit plötzlicheni, verbliisfendem
Ruck aus den Arnrllammetn nnd
stürzte sich, während er eigentlich nur
bunte Feuerräder vor den Atmen sah,
aus den großen Angreiser Blindlings
schlug, trat-le und biß er, und erblich
lag der Gegner überweiltiqt im Schnee
Eine allgemeine Schlaer aber leine
so harmlose wir am Vor.:.i:ts.ig, ent
fisasrfd Es mar, als- ,lä.i-e oei vielen
die wahre, sonst nur übertünschte uns
mühsam bei-errichte sttien Natur
zum Vorschein. Ohne das-; zwischen
ihnen ein Streit vorweg-Musen
wäre, stürzten sich selbst solche ausein
an·rer, die kaum wußt.:, um iracs es
sich hier handelte Wie schen am Vor
mittag, eroberte sich Mile durch seinen
lraslvollen Muth bald Fiaiiirf.1rnossen;
ja, er hatte in kurzer Zeit die Mehrzahl
aus seiner Zeite. Wke wes Ivithirnlze
Hunde hatten er und sein Gegner sich
miteinander ver-dissen, ::k zriei Lehrer
kamen und iicts nxii ::«:: Pedell l:nge»
orraeoucu oenuldrem ne In nennen.
Wie das dann geschehen, mi-: Etnil
uberhaupt in-’s Klassen.lintrr-er qetotn
men» wußte er hinterher nicht recht.
Er empfand zunächst nur eine große
Erleichterung Dann ürertarn ihn
stumpfe Gleichgültialeit aeaen seine
ganze Umgebung, die aus ihn.inner
lich bewundernden urd halb scheu auf
rhsn blickenten Jungens bestand, vor
denen der Professor mit aetreuzten
und Unheil tüncenrer Miene aus und
nieder ging» Nach und nach ater fühlte
Mile zunehmend eine dleieme Müdig
keit, die es ihrn unmöglich machte, zu
hören, was der Lehrer irug. sagte und
diktirtr. So blieb ee auch, als er Rede
stehen sollte über die Ursache des
Streits-. Wenn er überhaupt Ant
wort gab, war es eine verkehrte, und
der anuisitor schüttelte immer svieder
zürnend das haupt. Gleichgültig ließ
sieh der Junge dann auch vorn Pedell
:.u einer durch sein Verhalten verur
sachten sogenannten leichten Aar-zer
Strafe einschließen, die zwei Stunden
währen sollte. Anstatt hier Die schrift
liche Strasarheit tu machen. die so
wohl eine »Austlärur:.1 der ganzen
Sachlage, wie der Entstehung der-s all
gemeinen Kampfes« geben, als auch ei
ne Bitte um Veraebuna für »das ganz
irr-verantwortliche rohe Benehmen«
entschließen sollte. brütete er erst lange
stumpf oor sich bin. Dann legte er die
Arme aekreuzt auf die tnit reicklichen
Tintensleelen und einaeschnittenen
Jstschriften übersiiete Tischplatte, bet:
its den blonden Raps daran und
schlief fest und gut, bio ihn der Pedell
ei-.e volle Viertelstunde früher als ver
okdnet, frei ließ. Besorat blickte die
ser auf die leeren Blätter und dann in
das verschlasene, bleiche Knabenaesichtx
eilig drückte er Mile noch einen schönen
Apfel in die Hand, obwohl auch dies T
strengstens verboten trat, und empfahl «
ihm murmelnd: »Kra« melden, -—s
Zeugniß bringen!«
Eigentlich war Emil Harrech erst
zu hause und bei dem Ausschrei der
Mutter, der ihm so albern vorlarn,
völlig erwacht. DasSchreien hatte ihn
wieder so gereizt und, seinen Zorn
aufs Neue erregend, all’ das ausge
ilöst. was ihn bereits wieder zu reuen
»begann.
A—
Der müde, wirklich erschöpfte
Junge konnte nicht schlafen. Es war,
als bliebe um ibn etwas Besonderes
Tlebendig, das ihn durch Vorgauleln
sallerlei Bilder beständig wach erhal:
lten wollte. Mile wußte nicht« das-.
Yes eigentlich die Reue war. Es muß
Jien Stunden vergangen nnd die Zeit
sherangekommen sein, da er und Mut-·
ter sich zur Ruhe zu begeben pflegten.
Aus der Ecke leuchteten ihm zwischen
der Mauer und der spanischen Wand
fafi gespensiisch das weiß bezogene
Bett entgegen. Er suchte sich selbst
sdurch andere Gedanken abzulenken.
sEr suchte sich mit Vergnügen vorzu
lstellem daß er heute sicherlich sehr in
der Achtung der Genossen gestiegen
isein würde. ha! Jetzt würden sie!
ihn nicht mehr fur feig, fiir ein
schwaches Muttersdbnchen halten.z
Heute bat er’s ihnen einmal gezeigt!
IJatvth und dann, —— aber Mile
ikonnte sich anstrengen, wie er wollte,
Heine Gedanken folgten keinemeang,
; sondern nur dem einenen Weg. lind
ider ging direkt hinaus in’3 Neben
zimmer, wo ohne Zweifel die Ell-t
zkesr in Tdriinen gebadet faß. Ums-ill
kiirlich horchte er. Allein kein Laut
nebenan. Kein Seufzen, Schluck-sen
—- nichtsl Sonderbar beiingitiaend
wurde es ihm um sein schweres Herz.
Sachke stand er einf, schob er die dun
keln Wollvorbiinge an den Glas-schei
den der Verbindung-thue zurück. Vor
dem Bilde. das sich ihm da bot. und ;
das as sich durchaus nichts Schreckli- E
che- hatte, befiel den Knaben ein ei
genthiimliches Grauen, das ihm den
Riiekeu entlang lief, als fleisch- eine
.- - »sp-» -
kalte send darinn- friedlichen
Scheine der griin bei rnrten Lampe
las die Mutter am runden Tisch,
de en Platte tie ausgezogen hatte.
Ueber ihr wie aus Stein emeiftzeltes
Gesicht, dessen Wangen le ne Thrlis
nenlpuren aufwiesen, ftelen einzelne
wirre Haarstriihnew Eine sonder
bare Aussiellnng der verschiedensten
Dinge lag urn sie und vor ihr ausge
breitet. Zwischen allen Gegenständen
stets wieder Bilder. Uralte Lithogras
phieen, Zeichnunaen, Silhonetten und
eine Anzahl mehr oder minder ver
blichener photographischer Vortriitd
Eine Hausmiitze mit trübgoldener
Troddel daran neben einer Meer
schaurn - Pfeife. Verblaßte, lleine
MyrthensStriiußchen eine Rose und
ein Storch aus Tragant, an denen
noch vertrocknete Reste der Torte kleb
ten, woraus sie einst aeitanden hatten.
Ein Stückchen weißes Band nnd zwei
haarloelem eine braune nnd eine
blonde, mit rosa Bändchen zusam
mengehalten, allerlei Bahn-Spielzeug
nnd ein besonders artiebtecs, in Ehren
gehaltenes Bild.
Der Junke, der da mit großen
Anan in«g andere Zimmer nnd aus
den Tisch starrte, kannte dieses Bild,
tvie aucti die anderen Dinae ganz »ar
nau. Mutter und Vater in ihrem er
stcn lklternaliicks Der eine weiße Fleck
da war Vlnnebern der andere Robert.
Knapp ein Jahr waren sie auseinan
der gewesen: Annchen war zwei Jahre
alt, Robert etwa eines, da starben sie
beide in derselben Woche am Schar
lach. Später lamen nach Elliariechen
nnd Lillathilde Blum nsiedrr schnell
na««.:einaniser. LUiarieriscn halte von
Anbeginn ein seltsames Nervenlciden,
von dem sie erst im achten Jahre der
Tod erlöite. Thilae erreichte ihr
.»’-'It4.- r·.· ...(-— P
IUUUlsäck oUUlf L’Ullli ILIUFI III VII
Dinhteritis, die verheerend die Kin
dertvelt heimsuchtr. Gleich darauf
larn er, Mile, - zur Welt. Gron
ntutter, die bei ihnen ins Hause lebte,
Vater wie Mutter begrüßten das
starke, gesunde Bübchen wie einen
Liettt nnd Hoffnung spendenden ifns
ael. Mike enttäuschte ste auch nicht.
Bis er zur Schule lar:, fehlte ilnn nie
etwas: er war ein heiteres, aber sanf
tes Kind. Allein ztrei Jahre vor die-«
sent Zeitpunkt starb die Großmutter,
und genau elf Monate später fiel der
Vater einer Lunaenantzijnduna zurn
Opfer. Der damals fünfjährige
Mile hatte eine unheimliche. wenn
auch nur duntle Erinnerung daran
bewahrt. Kaum zwei Monate in der
Schule, beaann auch er zusträntelm
Blutarmuth nannte der Arzt die»
Krankheit Und int Stillen dachte:
er. dasr ihm der kleine Annae ertebeinej
wie eine Pflanze, die im ewigen
Schatten tief hängender Trauerweisi
den und stets beaossen von bitterenj
Thränen aufwachfen mittle. » .
Die bleichen oerarbeiteten Finaer
Frau Harrach’s glitten schmeichelnd
über all’ die todten Dinae alr- tviiren j
es lebendige Andenken derer, die in
ihr nie starben. Ein ctitrt nach dens. «
anderen nahm sie in die Hande. rn»
ihre halb starren, halb trostlofen Au- «
gen, — jene, die Mile stets so fürch- «
tete, —-- trat dann ein Ausdrucks
schmerzroller Liebe. Aber sie blieben
trocken. als waren sie aus irrtner ans
gebrannt.
Und hinter der Glabthiir mit den
Wollvorhiingen spielte sich eine ganze
Skala tlar werdender Gedanken und
daraus entspringender Empfindungen
ab. Großes bildete, webte nnd sornite
sich. Jn dein Knaben, der vierzehn
Jahre seines Lebens int Grunde doch
in den Tag hineingelelst hatte, wie
alle Kinder-, wenn er auch früher reis.
besonnener und vielleicht auch weni
ger egoistisch als die meisten war,
ging eine große Wandlung vor.
Was ihm, dent unverständigen
Knaben, oft unbeauetn, sogar lästig
geworden war, was ihn endlich, durch
Aeußerliches unterstüst. zum maßlo
ssftin Den-n nor-sitt nnd ibn indivkale
und herzloå gegen die eigene Mutter
gemacht, hatte sich jetzt völlig von ihm
ablristallisirt. Liebe, Liebe, « ohne
Ende!
Zu schwer hatte er die Zarte,
Weiche verleyt und getränkt. Unge
heuerlich, in’s Riesenhafte gewachsen,
erschien ihm sein Vergehen, zu dem er
sich in tnabenhastem Zorn hatte hin
reißen lassen. Durch wen? Durch
einige gleichgiltige Jungens, —
dumm und herzlos nannte er sich in
nerlich! « So sehr verlangte es ihn
nach der Mutter, nach ihrer Verge
bung! Aber einei seltsame, zwingende
Scham hielt ihn ab. zu ihr zu stürzen;
seine Füße waren ihrn wie gelähmt.
Gerade da hinaus, diese zwei Schritte
wollten sie ihn nicht tragen.
Er verließ die Thür, wars sich wie
der aufs Bett und brach in Thränen
aus.
«Mutter!« —- »Mutter!«
Frau Hart-ach hob den Kopf, und
ihr Blick veränderte sich ganz plötz
lich, indem sie lauschte.
Nein, sie hatte sich nicht getäuscht!
Ihre- Thriinen versiegten. E war
sast, als stände ein Lächeln schon dicht
dahinter. Ein philosophisches, ge
fundeö und einsieht-volles Verständ
niß. vergehend in lauter Güte und
Liebe.
Frau Harrach hatte alles wie-der
weggeriinmt und eingeschlossen Be
vor sie auch Mich Bild an feinen
Plas zurückstellte, wischte sie noch ein
mal rnit der hand darüber.
Was- eine Liebtosung, oder war
eine Thriine daran haften gebliebeni
Jhke TM sbetpegten sich dazu. als
ernsten sie horchend Worte. Wille
iWette ste so gut. Es waren nur
r :
.Mile, mein Junge!«
Er hörte fle, ohne auch nur den
schwächsten Laut zu vernehmen.
F Leicht, freudig und erlöst silblle et
»sich nun.
i Fast unbewußt leistete er sich in sei
nem herzen einen heißen Schwur-.
—- —
Vek falsche Graf.
Eine Erzählung aus dem dritten Kai
ser-reich Von A d o l f O ö l
ler l, Dennoer
Napoleon Ill. ruhte nachlijfskg in
einem purpurncn, mit zahlreichen gol
denen Bienen übersiiten Lebnsesscl und
bliclte gelangweilt und apatliisch ans
eine silberne Statue, die in einer lan
lchigen Ecke seinesArbeitLlabinettg aus
einer schwarzen Marmorfiiule tbronte
nnd seinen großen Ahnen, Napoleon
I» vorstellte Jlnn gegenüber stand in
respektvoller Entfernung der Geheim
selretär nnd loc« mir inonotonerstiw
me eine lange Lilie der »bedeu« und
»höchsten«Herrschuften vor, die zu drin
nächsten Hofbnlle einzig-laden werden
sollten. Als der lttebeirnselretär ges
endet hatte, schien cum-J Leben in die
mii Gleichgiiltiqteit nnd Stumoisinn
augcoattirtc Gestalt Istapoleons zu
kommen. Er schlug seine haltsieseuli
ten Augenlider auf und Hirscij
»Ich vermisie den Namen der ziem
tesse GalliseL Wie lonnut d.!s:-.’«
»Si.liajestät,« erwiderte der lstcbeiins
felretär devot, »eg muss, eEn Jerthum
vorliegen: ich will sogleich das-Bronn
lrsn nochmals durchsehen«
»Gut,« sprach der Kaiser, -—-- »aber
so oder soii Jch befehle, dab, der
Konttesie und ihrer Mutter eine Ein
ladung zugestellt werde. Melden Sie
dies auch der Kaiserin."
Diese Worte sprach Ratsoleon in
einer tnappen hämmernden Weise und
mit einer Stimme, die sick anhörte wie
eisig kalte, herabsickerndeReaentropsen.
Daran machte er eine lässige Bewe
anng mit derHand, die andeutete. daß
er allein zu sein wünschte. Der Ge
heimseiretiir verneigte sieh tief und
verließ das Gemach.
U- f If
Jn dem Hotel der Gräiin Galliset
geht es heute sehr aufgeregt zit. So
eben tras die Einladung Sr. Mstjettiit
des Kaisers der Franzosen ein« titxd es
ist das erstemal, daß die schöne, ju
gendliche Konttesse ans einem Hofball
erscheinen darf. Kotntesse MeianEeGal
liset sah schon im Geiste die in Tau
senden von Lichtern strahlendenNäunie
der Tuilerien, die goldgeiticiten Uni
scrtnen der Generale nnd Minister-. sie
hörte bereits die ranschendett Klänae
der Musik, athmete die betäubenden
Parsiims der vornehmen Welt von
Paris ein und « o Entzücken! —sie
wurde dem Kasser und der Kaiserin
Euaenie vorgeitelli.
Komtesse Gallifet ist trotz ihrer Ju
aend tein Kind mehr; fte ist auch leine
sentintentale Vergißtneinnicht :Schön
heit, sondern eine unter der Gluth des
südlichen Himmels ausgebliihte Mäd
chenblumr. Sie lannte bereits die
Jntriaiten und Kämpfe der vorneh
men Welt.
Endlich nahte der große, verhei
sntngsvolle Abend und es ging auch
alles nach Wunsch; ja sast aerade so,
wie sichs Fiomtesse Melanie in ihren
Träumen ausmaltr. bis ans einenUms
stand, an den sie am allerwenigsten ge
dacht und den sie ant allerwenigsten
siir möglich gehalten hätte. Befand sie
sich nicht auf dem Hosballe des Kai
sers der Franzosen?
Komtesse Melanie machte plötzlich
die unangenehme Entdeckung daß ihre
beiden, einen geradezu unschiitzdaren
Werth repräsentirenden Ohrgehänge
verschwunden waren.
Dieses Ereigniß schwirrte sehr bald,
gleich Nachtsaltern, in allen Tonarten
in den Sälen herum nnd drang auch
schließlich zu den Ohren des Kaisers,
der sofort den Polizeiminister Claude
zi-. sich beschied.
»Was ist zu thun?« fragte er mit
seiner teilten tonlosen Stimme.
»Wenn Ew.Maiestät besehlen, lasse
ich sogleich sämmtliche Thüren schlie
szen.«
»Und dann?«
»Dann müßte ioohl oder « übel
eine, eine W roie soll ich doch sagen-—
eine Taschenrevision der Anwesenden
stattfinden.«
«Sind Sie von Sinnent« herrschte
ihn der Kaiser an. »Die hQsten und
ersten Kreise der Residenz soll ich wie
»Es-Blinden behandeln lassen? Nim
»merniehr! Jch lege Ihnen diese Ange
»legenheit ans Herz; sehen Sie zu, das-,
»Sie den Thöter eruiren ----'«
; Das Fest neigte sich seinem Ende
Izu. Equipagen fuhren vor, ein Heer
i on galonirten Dienern sammelte sich,
i im hole der Titiletien und stand mil
’ ßig und plandernd herum.
Die Grösin Galliset schielte sich
lsgleichsnlls an, rnit ihrer Tochter die
Tisilerien zu verlassen. Diener tonien
herbei, um den " beiden Dornen beim
Umhöngen ihrer Möntel hehilsl-ch zu
sein, da —- rnan deute sich das Er
staunen -fond nie-n das eine Dinge
«-..-.·-.... -«- « . . ..« .
hänge in einer Falte von Mein-riss
seidener Schleppet
Der gesundene Gegenstand wurde
dem Polizeiminisler Claudsals »m
pui delicti« übergeben, denn mit dem
grauenden Tag sollten die Nachset
schungen ihren Anfang nehmen.
II I 0
Polizeiminister Claude sth des an
deren Tags nachdenllich und unsvirsch«
in seinem Beltram Er besieht sich die
nor ihm liegenden schimmernden und
gliyernden Brillanten des einen Obr
gehönges und zerbricht sich den Kopf
darüber, wie er wohl dem Thöter aus
die Spur tommen könnte. Dabei flü
stert er die Worte des Kaisers dar sich-·
bin: »Ich lege Jlinen diese Angelegen
heit an’s Herz«, und diese Worte ste
hen ihm ver Augen, wie Flammen
schrist aus einem schwarzen Hinter
grunde.
Jn diesen seinenBetrachtungen wird
er durch den Eintritt eines Dieners
unterbrochen, der ihm aus einem silber
nen Teller eine Visitentarte überreicht.
Gleichgültig nnd zerstreut nahm
Claude die Karte in die hand, suhr
aber sogleich von seinem Sitze auf,
als er sie gelesen Es standen die we
nkgen Worte auf der Flatte:
Marquig Galliset,
Osfizier der Ehrenleqion
»Er-irrt vorlassen,« befahl der Prä:
ssdent dem Diener. Glelch darauf ers
schien unter der Thijr ein hochgeweih
sener, schöner Mann ixs ben mittleren
Jahren, der sicti vor dein Präsidenten
mit den Alliiren ejnesJ Aristotraten in
noliler und nonchalanier Weise ver
beugte.
lclmshk tmt Hm Rims-» r--.-t.;-i. .;
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nen Stuhl an und fragte höflichst,
wag ihm die Ehre feines Besuches ver
schaffe
»herr Präsident,« begann der Graf
mit näfelnder Stimme, »ich bin der
Bruder der Kvmtesse Gallifet und
komme, anen mitzutheilen, daß mei
ne Schwester heute friib ein tleines
Partei nebst einem Brief erhalten bat.
Jn dem ersteren befand sich das eine
Ohrgebiingr. Hier ist es. Jn dem
Briefe entschuldigte sich der-Betreffende
über das unglückliche Verfehen, wie er
es zu nennen beliebt, und bedauert den
Vorfall.« Auch den Brief händigte er
dem Minister ein. »Wenn Sie mir
nun," fuhr er fort, »das andere Obr
gebänge, das in Jbrenr Besitze ist,
übergeben tvellten, so hätte diese un
angenebme Sache ihren Abschluß ge
s;.nden.«
Natürlich bceiite sich Stande, dem
Wunsch-: dJH Grafen sofort zu entspre
chen und folgte ian unverzüglich das
zweite Ohrgebänsge aus. »Ich freue
ntich," sprach er, »und bin glücklich,
dass diese odiofe Geschichte einen so
guten Berlauf nochan und geleitete den
Grafen bis zur Thür, wo er sich von
ibrn in der berbåndiichften Weise ver
abfchiedetr.
Noch an demselben Tage ftellte sich
let-aus« daß die Komtesse Melanie Gal-1
lifet gar teinen Bruder hatte, daß der
angebliche Marquis fetbft der Dieb
war-. und sich auf diese keifniellos
schlaue Art in den Besitz des zweiten
Lbrgehängeg setzte.
Napoteon war wiithend als- er die
sen Geniestreich erfnbr und dem armen
ctaude biiue diefe Llfiaire beinahe seine
Stelle getoftet.
s— ——-· - Os-—«s—
tfinneschränit
Gatte: »Artl;ur. lan dass nur meine
Sache sein; es iit nur aut. rofi ich nack,
meinen eigenen Willen l—esit;e."
Freund: »Das heißt allerdings nur
hier, nicht aber dadrinn«
Im Scheidunnptermitu
Vorsitzenden »Sie Haben Jliren
Mann offentlich »L(trse« ,xeiiannt! Wi
I ----- Sz- h-...-««
----- usw« Its neu-Jus
»Frau: »Wir Linken inne Geheim
russe vor einander!«
sei-sinnt
Profeiioe ian einen Betrunlenen
zeigend): »Ist jence Mann, ver dot
wanckend heimgeht, :etbeimii)ei?«
Mr Gefrsagiu »Nein!«
Professor: »Wind besser fiir sein«
Ironi«
Ein Mißgriff.
Bursche izum gndemk »Warum
Fogie Dein Leut-inne diesen Morgen
o «
»Ach, Ter haiie beim Aussieben das
Ckaeii seiner Frau erzoiichi und de
konnte et erst nicht hinein und nachher
nicht heraus-«
cis-ne Thür.
»Wisien Sie kielleichi ein-ais übep
die «øssene Thür« im fernen Ostens«
frag der eifrige Leieiiunqskeier.
,,Nein,« etxvidetie der Mann ntii der
iaiien Füßen. »Wenn es drei iebock
eitenfo cereintiekzt, wie hier« sollten si
die Thär schließen.«
Zehe-ziehen
Dsie kleine Macgie hatte sich einer
Zahn zieäien Mien und beschrieb das
feinendermaßem »Der Mann packe
mich mit einer Zunge cin und zcg, spat
et konnte, und ehe er mich umgebrac
hoiie. kam der Zahn heraus-IF
Ein Oft-miss
.Was iii ein Optimifi, Vaterk -
»Ein Seit-wish inein Seh-. ist ein
Mann, der ein-ein« daß in eine-n oben
zwei Monaten die Kohlen billig fei
iverdes. «