Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 13, 1903, Zweiter Theil, Image 13

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    Die letzte Rose.
Novellette oon E. F a h r o w.
Wenn sie Sonntags aus der Kirche
lam, grüßten sie die jungen Männer
mit eineni sitahlenden und die jungen
Mädchen mit einem boshaften Lächeln,
denn iene fanden sie reizend in ihrer
ernsten, stillen Art diese aber nann
ten sie hochmüthig und geziert.
Annelieö war aber nicht ge iert, o
nein—sie war eben nur die ochter
ilirer nordischen, ausländischen Mutter,
der biauäugigem blonden, hochragen
den Jngeborg Sdenslin
" Warum hatte auch die Schivedin ins
Dorf tommen müssen, damals vor
zwanzig Jahren! Sie paßte da nicht
bin unrer die derben Lausitzer Bauern,
und Karl Halt-erg, der Fioßbauer,
hätte was Geicheiteres thun können,
ais sich diese Fremde von seiner »Will
reiie«, die ihn hinauf bis nach Sta
banger geführt hatte, mitzubringen
Aber lurz und gut, da war sie und
war Karls Frau und gab sich redliche
Mühe, heimisch zu werden unter den
Leuten von Weiidroiditz. Das gelang
ihr freilich nicht, und leiner von den
Dörilern weinte ihr eine aufrichtige
Tbräne nach, als sie starb. -
Nur Karl Holderg und fein zwölf
iiihriqes Töchterchen, die Annelieg
die ineinieni
Gan-i still aneinandergedriickt saßen
sie in der Kammer neb- dem Sarg
und blickten aus strömend-en Augen
auf das liebe, schöne Gesicht, das so
schrecklich weiß dort auf :e:n Kissen
ruhte.
»Mich dünlt,·' sagte Annelieg leise,
»die Mutter liat zisir teiiie Falten nicht
iin Gesicht. Sie sieht so jung und so
schön aug.«
»So sah sie aus« .vie ich sie freitc.«
murnirjte der Boten
»W« denn der Huiten ivirilich
.lchu1o Ba terr"
»Ich wer ß nicht« « stöhnte der Arme.
,Viellercht ist Ire aus Sehnsuchi nach
Varro aestorbenl Gesagt hat sie s nicht,
aber ich wußte ja doch, wie bange ilIr
nach Hernösand war.«
uHerniisana —- so hieß Mutters hei
matb?«
»Ja, so hieß die Stadt, wo ich sie
mir herholte. O meine Inge, Juge,
Jnael«
Und schluchzenb laq der Mann aus
den Kziieen neben dem Sorge und
Klein-Annelies fiel dem Vater um den
Hals and rief:
«Bater,"rch bin xa noch oa siir dichl«
Ja, sa, darin hatte sie Wort gehal
ten. Sie war immer »da« siir den Ba
ter: sie führte ihm ganz allein die kleine
Wirtbfchast und leistete so viel mit
ihren schmächtigen Ae men und ihrem
großen Herzen, daß der Vater mit den
Jahren aetröstet ward uno nun in sei
ner Tochter ebenso wie früher in cer
mau sein aanqers Gliirt sah
Annelieil dachte nicht viel an die Zu
kunst: sie lebte eigentlich genau nach
der bibtischen Vorschrift, indem sie das
that, was die tägliche Pflicht oon ihr
forderte. -
Eines Tages starb auch der Vater,
und Annelies war nun aanz allein auf
der Welt saanz allein bis aus ihr en
Jugendsreuno den Clemens Fischer.
Einentlich hieß er Schwarz. Weil
aber das aanzeDors voll von Zchrvar
zens war, bezeichnete man die Einzel
nen se nach ihrem Beruf, und so hieß
Clemens eben Fischer. Er besaß die
älteste. und größte Fischerei am Ort,
und feine Zauber und Schleie wander
ten in tunstreichen Wafertat en zwei
mal wöchentlich nach Berlin in die
Martlballen
Ja, Clemens war sie beste Parkhie
in Metrdroraiß, und deshalb wurde
Annelies bitter von den anderen Mäd
chen beneidet, daß sie gerade die Aus
erwählte org jungen Fischermeisterg
sein mußte. —- Sie war es nun aber
finmab und im Mai sollte die Hochzeit
ein.
Bis dahin wollte Anneliez ganz still
fiir sich in ilkrem Häuschen bleiben, un
betiimnsert darum, ob man ihr deshalb
böse nachredete oder nicht.
Sie that ia nicht-J llnrechtegl Tag
und Nacht hätten die Nachbarn bei ihr
bereinschauen tönnen, sie hätten leinen
Matel aefunden. Gerade aber weil sie
so edrdar war, darum erst recht mußte
sie unaerechten holsn und giftige An
deutunaen erdulden.
Clemens lachte, wenn er dergleichen
hörte. Es waren ja bloß dumme Mäd
chen. die da inuntelten denen tonnte er
doch nicht an cen Kragen dafür; ja,
wenn es die Burschen gewesen wären!
Aber «oon denen war nicht einer, der
nicht freundlich und achtungsvoll
grüßte, wenn Annelies oalkerlam
Stück für Stück, langsam und sicher
hatte sie sich im Laufe der Jahre eine
hübsche Aussteuer zurückgelegt; lvenn
sie nun noch im Mai ihr kleines An
tyesen verlaufte, io toar sie ebenfalls
eine , »gute Paris-les und Clemens
tonnie sein eigenes bang aushalten«
was er schon längst beabsichtigt hatte.
In diesem Winter aler hustete An
nelies fo viel, daß der alte Kreiiplxys
situs. der noch ihre Mutter behandelt
satte, den Kopf schüttelte. Er verschrieb
ihr allerlei bitteres und übelriechendes
Zeug, und sanft wie immer nahm es
Anneliei gewissenhaft ein. Es schien
freilich nicht viel zu nü n; aber das
bißchen httsteln war sa chlteßlich nicht
schlimm. und ob man dabei ein wenig
inaaerer wurde« daraus tarn es eben-—
falls nicht an.
Nur als das Frühjahr kam, toar
Internet zu schwach, um die Vorberei
tungen sur Dochzeit überstehen zu tön
nenz Ian- ernstitch verbot der alte Dot
itpk m hat«-then nik den sage-thun
nnd Element. obwohl ttes enttauicht,
fiiate sich.
Der Kreisphostius aber nahm die
Gelegenheit wahr als er einmal Cle
mens allein am i asser traf, ihn heran
zutvtnten nnd ein ernsteb Wort mit
ihm zu sprechen.
»Siehit du, mein Junge,« sagte er
(denn er duzte das ganze Doka »Es-s
mit der Annelies, das ist eigentlich ’ne
ganz dumme Geschicht-; ihre Mutter tst
an der galoppirenden Schwindsucht ge
storben, und der haften jetzt bei oer
Annelieg — ich will ja nicht gleich das
Schlimmste sagen —- aber —- na ja,
mein Junge — laß sie man nicht mer
ken, daß es schlecht steht, verstanden?«
Und rechtsnm lehrt machte der Alte,
nachdem er das gesagt, und haftete
seine Straße weiter.
Clemens blieb wie vom Schlage ge
rührt.
Sein Gesicht toar grauwriß. Seine
Lippen zitterten, und feineHiinre, die
ihm an den Zeiten herabhingen, waren
zu Fäusten geballt.
Was war denn geschehen? Was hatte
denn des Doktor da gesagt? War es —
tvar eiz denn möglich, daß seine —- das-,
Llnttelies — sterben sollte? Herrgott!
Sterben?
«Sterden?«
Gan-i laut und gellend hatte es Cle
mens aeschrieen, so daß der Fischer-—
junae« der drunten bei den Netzen han
tirte, herumsuhr und erschrocken hin
aufitakrte.
Das brachteClemeng zur Besinnung.
Er wandte sich um und schritt —tau
tnelte Vielmehr — — in sein Haus.
Was an diesem Abend und in der
darauffolgenden Nacht der Arme litt
und still mit sich allein anstämpfte, das
hat nie ein Mensch erfahren.
Am falaenden Morgen ging er mit
teidlich festem Schritt nnd leidlich wie
der aefestigtem Vertrauen zu seiner
Braut. die hinter dem Haus im Garten
saß und nähte. Es wiirae ja wohl
nich: so arq totnmen, wie der Doktor
IIIICLU IIIHIUIUUC Yasccs Oslllc llccllc
Annelics hatte doch so blanle Augen
und so rothe Backen, gewiß, wenn der
Sommer mit seinen langen, warmen
Tagen lam, dann würde sie wieder
ganz Jeiund und kräftig werden« Und
im Ort-it . ..
»Im Herbst," sagte Annelies nach
denttich, indem sie ihren Ron an Cle
mens Schulter Legt-e, da ist es lange
nicht io lustig, hochzeit zu machen,
nicht wahr? Ader weißt du, Clemens,
ich dente doch, der leeerosenstranch
dort, der wird noch blühen; ohne Rosen
mag ich nicht Hochzeit machen —- die
Mutter hat immer gesagt, bei ihrer
Hochzeit rrsar das ganze Haus voll
Rosen. Und- der gelde Strauch, das
war ihr Liebling, die Rosen daoon
nannte sie immer ihre Glückgrosen.«
lind dann nach einer tleinen Panie,
sagte Annelies ganz nebenher:
»Mit cenen haben wir ihr auch den
aanzen Sarg oollgefiillt.«
Clemens iiberlicf es lalt. Er hielt
die beiden Hände seines Mädchens fest
und iaqie:
»Natürlich, Rosen werden wir eine
Menge haben; nm unsere Hausthiir
muß ein dicker Eichentranz laufen mit
den letzten Rosen ans deinem Garten. «
»J( «iagte sie träumerisch, ,so mus
es sein; die .- tzten Rosen muß ich mit
nehmen in mein neues Haus«
Sie War sehr miide wie ietzt immer,
un:- sie tednte sich dichier an Clemens
und schloß die Augen; schxaftrusntem
mit einem glücklichen Lächeln um den
biassen Mund wiederholte sie- jedoch
nicht ans die Reihenfolge der Worte
achtend
»Die letzten Rosen in mein letztes
Oauo.«
Cluan zuckte innerlich zusammen,
aber er hütete sich, es äußerlich merken
zu lassen; wozu auch auf ein solch-S
...k«-'kl:-- ; sn--k----s--- -«l-Ä---l
suiuulkljis «)88iPILu,-.u Leu-usi
Annelies war eingeschlafen; ganz seit
schlief sie in der heißen Frühlings
TVorrnittagHscnna als sei eg später
Abend Uns aanz still hiel! sie der srarle
: iunae Arm, damit sie nicht erwachen
« sollte. »Als es nach einigen Minuten
i dennoch geschah, lachte Annelies und
l stand auf; nein, ivie man nur so saul
i sein tonne, am hellen Morgen zu
! ichlasen! Und hier habe sie noch alle
die Auftränger an die Handtilchek zu
nähen, damit sei sie doch nicht sertig
aeworaen
Ja, sie nähte fleißig. Und noch sleis
fziger oilegte sie ihre vier Rosenstriin:
cher, damit nur ja der zweite Flor
recht üppig werden sollte.
Als der September lam, blühten sie
alle noch einmal herrlich.
Annelies aber lag drinnen in dem
großen Gardinenlcett, darin einst die
schöne Insel-org verschieden war, uno
dachte. es sei doch recht schade, dasz nun
die Hochzeit erst im Ottoher sein tönne.
»Wenn nun dann teine Rosen mehr
blühen-P sagte sie ganz traurig zu
Clemens, der nehen ihrem Bett saß
und mit Heldenlrast immer noch zu
lächeln verstand.
»O, ein paar werden schon noch
hliihen,« sagte er.
»Es ist doch ganz gut. dasz ich jetzt
noch einmal so einen Ansall hatte, nicht
, wahr. Clemens? Der Dotter sagt,
J nachher würde ich eine um so gesundere
; Frau iein."
s »Da hat der Dottor ja auch ganz
s recht. Sprich aber nicht so viel, mein
) Liitties. Schlaf lieber wieder."
Sie schlies bald ein —- sest, sest!
I Der Oktober war noch nicht zur
Mitte um. da laa Annelies in ihrem
Same, so bleich und schön, wie einst
ihre Mutter.
Clemens rannte weit draußen im
« Walde umher. Und dort, wo ihn nie
mand hörte, streckte er die beiden Fäukte
E gen Himmel, schiittelte sie wie e n
Wabnsinniger und schrie dazu, laut,«
; schrecklich, wie ein gequälte-I Thier»
sichreit Das dauerte Stunden. Undi
i dann ging er heim nnd sah nach demi
iRosenftoch Eine einzige blasse, herr
i liche Blüthe hing daran. Die brach er
ab und legte sie Annelies —- in ihr
: letztes Häuschen.
i ·———-·-.—.--———
’ Kampf in sen Alten«
. Eines Abends im August war mir,
so schreibt man der »D. Jägerztg.«,
eine eigenartige Beobachtung aus dem
Vogclleben beschieden. Jm Dörfchen
G. nistet ein Storchpaar. Oft beob
.achtete ich das Paar auf den feuchten
Wiesen der Umgegend, wie es seiner
INahrung nachging, so auch am Nach
kmittag dieses Tages-. Auf einmal er
ftönt — eine leichte Dämmerung brei
t tete sich bereits über die Fluren — ein
heftiges Getlapper, und die Storch
E mama erhebt sich schwankenden Fluges,
gefolgt von einem Etwas, das sich bald »
als ein sehr starker — Hühnerhabicht
entpuppte. Gleich darauf erschien aber i
auch, gleichfalls zornig klappernd, Va- ;
ter Storch und stieß gleich einem Raub- l
vogel auf den Habicht. Die StörchinJ
strich nun in raschem Fluge nach dem
heimischen Nest ab, und der Raubrii-i
ter halte auf dem diirren Zackenwipfel
eines Nußbaumes auf. Und nun bei!
gann ein wunderbaress FlugspieL an
weiten, immer cnehr sich verengenden
Schraubenlinien umtreiste der Storch’
den Baum; eg war spaßhast zu sehen,
wie der Habicht sich stets mit dem trei
senden Vogel drehte. Plötzlich schwang
sich der Storch ein, und der Habicht
strich ab; aber wie ein rasender Roland
stob der Storch hinterher, ein Zu
l)aclen, daß die Federn stoben, ein
Stoß ——— und der Habicht sank, sich
überschlagan, schwerfällig zu Boden.
Noch einige Kreisliniem und derStorch
flog, siegesfroh tlappernd, nach Hause.
US war nicht schwer, auf dem Stoppel
acker den Vogel aufzunehmen und den
tödtlichen Stoß festzustellen.
- Daß der Storch, der doch den Ein
druck eines behäbigen Fliegerö macht,
den fluggewandten Hühnerhabicht auf
voller Flucht einholen kann, muß über
raschen.
W-—
Das grosse-etc Gent-.
Fast jeder Mensch trifft fiir den
Fall seines Ablebens Bestimmungen,
um noch über feinen Tod hinaus sei
nem Willen Geltung zu verschaffen;
ob sie aber toirllich ganz nach feinem
Wunsche erfüllt werden-»diese Gewiß
heit tann Niemand mit in’i Grab
nehmen. Wie leicht eine bloße Laune
der Natur eine anscheinend für im
mer festgeseßte Bestimmung, die sonst
nie Widerspruch gefunden hätte. um
stoßen kann, zeigt ein merkwürdian
Grab auf dem an interessanten Remi:
niszenzen reichen Gartentirchhofe zu
Hannooer. Es ist das Grab der in
den siebziger Jahren des 18. Jahrhun
derts verstorbenen Karoline von Rüh
ling, die in ihrem Testamente ie An
ordnung traf, daß ihr Grab einen
großen Steinaufsatz erhalten sollte
mit der Inschrift: »Dieses auf ewig
gelaufte Begräbniß darf niemals ac
öffnet werden« Was aber Menschen
hand nie vollführte, das that die Na
tur in wunderbarer Weis-:- Der Wind
trieb ein Samentorn iu eine Fuge
zwischen den Grabsteinen. das dort
Nahrung fand und eine Birle sich ent
wickeln ließ, die im Laufe der Jahre
mit ihrem fortschreitenden Wachsthum
rie gewaltigen Quaceru hob und so
das Grab öffnete.
«- - —- —- —
lfiuseitiae Sache.
»Ich dachte, Sie wollten siir Liese
Leute nicht mehr arbeiten?«
»So taate ich allerdings, aber seither
haben sie ,mich wissen lassen, daß ich
lIlcUcc Ullsillchti Isllllc.
——
Mißverständnis-.
Füran Jmmertlaas aus Viere-en
trug tomnrt in die Stadt. sEr bat Ap
petit aus ein Glas Bier und aeht in
ein vornehmeö Restaurant. Gleichgül
tig fragt ihn der bedienende Kellniu
,,Pilsnet, Kultnbacher, Grätzer?'«
» »Nee,« schmunzelt Jiiraen Immer
’tlaas, ,,ratshen lönn’ Ji nich. Ja bin z
su
"ut Piepenlrog.
Bette-blies Bei-us.
»Er musz ein tüchtiger Aiinstter
Iem.« "
»Nicht, daß ich gerade wüßte«
»Aber er verkauft doch seine Bilder
zu hohen Preisen.'«
»Das ist etwas Armes Niemand
leuanet, daß er ein guter Vertauser ist.«
Ein-risse Mittel.
»Ich begreise nicht« daß Dir die
Meter bei jeder Gelegenheit einladest «
macht Tir das Gespräch mit dieser
bosbasten Person gar so viel Vergnii
aen?«
»Gewiß nicht, aber wenigstens weis-,
ich: so lang sie bei mir ist, lann sie
nicht über mich schimpßn.«
Der Zeitung-Tiger
Jn einem Case wartet ein Herr
schon lange Zeit auf eine Zeitung, die
sein Nachbar liest. Eine Stunde ist
bereits vergangen und der eifrige Le
Her ist noch nicht rnit der ersten Seite
zu Ende. Da verläßt den Deren die
Geduld und et rnst seinem Nachbar
zu: »Sagen Sie mal, welchen Buchsta
ivekk einsam Sie eigentlich nicht lex-ur«
lieber das »Altwerden«.
Bereits vor über 2000 Jahren
prägte Demokrit, der Begründer der
Atomlehre, den Satz: »Nichts ge
schieht zufällig, sondern alles aus ei
nem Grunde und mit Notwendig
eit." — «
Auch das »Altwerden" ist eine Na
turnothwendigieit — denn nichts in
der weiten Natur ist beständig; alles
Sichtbare ist dem Wechsel unterwor
fen. Wie Pflanzen und Thiere ent
stehen und vergehen, so wächst auch
der Mensch langsam heran, erreicht
seinen Höhepunkt und geht dann eben
so sallmiihlich dem Niedergange zu.
»Das Leben gleicht einer schaffen
den Gluth — sagt Masius in seiner
poetischen Sprache —- die die organi
schen Körper formt, um übermächtig
zuletzt sie alternd zu verzehren.« Je
stärter diese Gluth auf die organischen
Körper etn’wirtt, um so eher wird die
Entwicklungsfähigteit unterbunden
und der Körper dem Verfall entgegen
geführt. Jn der Physiologie bezeich
net denn auch das Alter nicht nur die
Zahl der verlebten Jahre, sondern
auch den dieser Zaht entsprechenden
Entwicklungszustand des Körpers.
Man kann danach »alt« sein und doch
körperlich gesund und geistig frisch —
man kann aber andererseits noch
«jung« an Jahren fein, und dennoch
ist man »alt«, d. h. lebensmatt und
lebensmiidr.
Der Begriff ,,aliwerden« ist dem-s
nach sehr relativ; ·er ist nicht gleichbe
deutend mit dem Lebensalter, son
dern mit dem Verfall der Kräfte, mit
der Rückbildung der Organe, mit dem
allmählichen Erlöschen der Lebens
iraft. Das Alter beginnt somit nicht
schematisch mch dem Kalender, mit
einem bestimmten Lebensjahre son
dern entsprechend den Natumesetzem
sobald die Bedingungen für das »Alt
werden« vorhanden sind. Diese Be
dingungen sind vorhanden —-— wie be
--:A-· --. -«d.---Ä-« k««ss-IR KI- (Iass-n-s1.
ILIII Uslvkbkusbk IUUUOU UII IIIIIIII
trast durch irgendwelche Lebensvor
. gänge geschwächt ist, sie wurzeln aber
namentlich in einem verlangssamten
Stoffwechsel. Mit dem allmählich
fsich kverringernden Stoffwechsel be
ginnen die Körpergewebe zu schrum
pfe«1, die Blutbildung tvird sparsa
mer, die Absonderung der Drüsen
geht weniger träitiq vor sich, die Er
nährung wird fchiriichen die Neigung
zum Schlaf nimmt zu, jedoch ist die
-ser weniger ruhig und außerdem tiir- i
zer. Ebenso schwindet die Kraft der!
willkürlichen Bewegung, nnd die gei
stige Elsastizitiit vermindert sich, theil
nalymslog und apathisch geht der also
nltgewordene Mensch seinem gänzli
chen Verfall entgegen. Jn des Men
schen Macht steht es nun, diesen Pro
zeß, der immer gleichmäßig verläuft,
naturgemäß zu nestalten und durch
gewisse Mittel eine lrsanlhaste Be
schleunigung des »Altwerdeng« zu
verhindern; allerdings nicht durch
WundermitteL sondern auf ganz na
türlicheni Wege. Wenn phnntastifche
Schwärmer zu allen Zeiten glaubten
nnd hofftenxez müsse irgend welche»
wundersame Kräuter, Balsame oder;
» Elixiere geben, die das Leben verlän
ger nkönnten, so läßt sich mit gutem
Gewissen sagen: »So etwas giebt’g
nicht!« Das einsachste Mitte! tbnt
uns der Dichwr Feuchtersleben kund,
wenn er sagt: »Wer sein Leben ver
längern will, muß zunächst darauf be
dacht sein, es nicht abzutiirzen.«
Um nicht »alt« zu werden, sollen wir
demnach zunächst alles stießen, was
ersahrungsgemäß gesundlzritgi und
lebenggeiiitirtich ist. Das sicherste
»Mittel, das gleichfalls schon im Al
itertlsum bekannt n««·1r, und das ent
Ischieden verjüngend gewirkt nat und
; noch wirlt, ist: »Mäßigkeit und Ent
’ hsaltsainleit!«
Forschen wir nach den hauptsäcle
tlcyllcll KIND-til uev nutzen-geil cu
terns, so ergeben sich alS solche vor-·
zuastoeise Unregelinääigxten in der
Lebensweise Arn meisten trägt aber
der rafräs Verbrauch der Kräfte zum
frühzeitigen Altern bei, weshalb denn
auch dauernde übertriebene törverliche
und geistige Anstrengungen, häufige
Nachtarbeit, Entbehrungen der nöthi
gen Erholungen deg Störprrs durch
Ruhe, Schaf and passende Nahrung,
sowie der unmäßige Genuß von Spi
rituosen und anderen Genußmitteln
den Eintritt des Alters ganz außer
ordentlich beschleunigen. Ein deut
scher Arzt, Dr. Weber in London, hat
sich in einer interessanten Abhand
lung mit der Frage beschäftigt, wie
man ein allzufriiheg Alter verhüten
kann. tssr weist, und zwar mit Recht,
daraus hin, das-, die zahlreichen Leute,
die ein hohes Alter erreicht haben,
zwar nicht sämmtlich ein und dieselbe
Lebensweise geführt haben; daß aber
die Mehrzahl an einer geregelten Le
bensweise. an frühem Aufstehen, gei
stiger und körperlicher Thätigteit,
Frohsmn und Mäßigteit festgehalten
hat. Freilich ist die Langlebigteit mit
Erhaltung der körperlichen und geisti
gen Kräfte eine Eigenschaft, die in
vielen Familien erblich ist. Wo aber
diese Vererbung fehlt. braucht man
deshalb noch nicht gleich an ein ,,frii
hes Altern« zu denken; es läßt sich
selbst hier unter den ungünstigsten
Verhältnissen noch dem Altern vor
beugen. Die Verhiitung des Alterns
hängt immerhin von der Person selbst
ab; namentlich von der Pflege der
ltvichtigften Organe des Körpers, so
des Magen-, der Athmungsoraanr,
des Herzens und der übrigen Blutge
siisze, namentlich aber auch der Aus- ’
scheidungsorgane. s
Sehr gewichtige Faktoren sind noch,
neben anregender Thätigteit, in Be
zug auf die Erhaltung der geistigen;
und körperlichen Kräfte: die Freude
und die Hoffnung: ihre verjüngenden
Kräfte sind ja bekannt. Ein beredtes
Beispiel hierfür ist der Maler Tizian. ’
Er war einer jener seltenen Menschen, :
deren Lebenskraft weder durch äußere
noch durch innere Stürme gebrochen
werden kann, und der sich selbst im
höchsten Alter noch frisch erwies. Jhm
galt gleich unserm großen Dichter
Goethe der Spruch als Richtschnur:
,,Tages Arbeit, AAbends Gäste ——
Saure Wochen, Frohe Feste!« Ein
hoher Gleichmuth, ein fester Sinn, der
in Arbeit und Genuß Maß zu halten .
weiß, spricht aus den ruhigen, klaren ’
Zügen des jugendlichen Greises-, der
seine Ballette erst in seinem hundert
sten Lebensjahre aus der Hand legte;
nicht der Schwäche des Alters wegen,
sondern einer andern zwingenden Ge
walt folgend; er wurde ein Opfer der
Pest, die im Jahre 1576 Venedig
heimsuchte. Man sagte damals: Ti
zian wiire niemals gestorben, wenn
nicht die Pest gekommen wäre, Alter
und gewöhnliche Krankheit hätten
nichts gegen ihn vermocht.
Man sieht hier, wie die Willens
lraft, die Thätiakeit, die Schaffens-:
sreude in Verbinxung mit einer gere
gelten Lebensweise zur Verhinderung
des ,,Al.twerdens« beitragen können.
Unthiitigleit, Lebensmijdigleit, Grimm
Kummer und Sorgen können das Ge
gentheil belvirlen. Wir finden, na
mentlich in den Großstädten, Perso
nen, die oft schon in den vierziger
Jahren das vollkommene Bild eines
Greises darstellen; Runzeln im Ge
sicht, Troclenheit und Steifigleit des
Gelenke, Krümmung des Rückgrats,
Mangel an Sehkraft und Gedächtniß,
graue Haare und zitternde Stimme,
turzuin alle Gedrechen des Alters
machen sich bereits an ihnen bemerti
dar. Zu diesen autzeren Merrrnaien
des Alters gesellen sich dann in Folge
des Zerfalles der Lebenskraft außer
den gewöhnlichen Verdauungs- und
Atbmungsbeschwerden Gicht, Hei-nor
rhoiden, Magen- und Darmtatarrhe,
Geistesfiörungem Hypochondrie, Hy
sterie und das ganze Heer der Nerven
tr·.1niheiten.
Alle inneren Organe leiden, beson
der Haber noch das Herz; wo dieer
erst zu altern beginnt, da folgen bald
alle die übrigen Organ-e nach. Wo es
gelingt, neue Interessen zu erwecken,
Hoffnungen auf die Zukunft anzure
gen, da tritt nicht selten eine Wieder
belebung der dorniederliegenden Le
bensiräfte un eine meribsire Verjiin:
gung ein; wir können dies so recht
beobachten, wo sich Personen in vorge
rücktem Alter noch einmal und zwar
aus Neigung verheirathen.
Die Herzthiitigteit nicht erschlaffen
zu lassen, ist eines der besten Vorbeu
nungeiniitel egen das ,,Alttoerden«;
um diese in richtigem Gang zu halten,
sind außer den geistigen und seelischen
Anregungen noch solche körperlicher
Art angebracht. Besonders erblich
veranlagte Personen müssen schon
frühzeitig der Neigung zu Herzieiden
entgegen wirken, und zwar durch ge
nau geregelte Bewegungen; vorziigäich
durch Gehen mit niiiszigeni Steigen,
durch Reiten, Rad-fahren, Rudern
usw. Von besonderem Werihe sind
hier jedoch die ineibodifchen Athen-fe
wegungen, die Aibeingytnnafiik. lksz
gelingt auf diese Weis-e, die Herzjhiis
tigiiet so zu lieben und frisch zu er
halten, dafi solche Personen häufig
das biblsische Alter erreichen, ohne sich
wirklich alt zu fühlen. Derartige re
gelmäßige Bewegungsturem die den
Körper von den unbrauchbgrenSchlsii
cken befreien und ihm neue gute Stoffe
zuführen, vermehren Gesundheit und
straft und verjüngen das Leben.
—--—.—.-i-—-«
Goethe als Steuer-zahlen
Goethe bezog als Minister ein Ge
lnilt von 36()(), später von 5400 Mark,
von seinem Verleger Cottn erhielt er
von 1795---1882 im Durchschnitt jähr
lich etwa 6820 Gulden. Seine Ge
iammteinnahmen aus der schriftstelleri
schen Thätigteit waren aber erheblich
größer und soll-en sich nach seiner eige
nen Ananbe für die letzten zlvanziger
Jahre ani jährlich 60,«00 Mart ke
lausn haben Die Ers.oerbssteuer, die
er für diese Schriftstellerhonornre zn
zahlen hatte,«scheint nicht gering geioe
sen zu iein. Goethe selbst sagt in einer
der zahmen Xenien:
Der Dichter sreui sich am Talent,
An schöner Geistesgabe
Doch -oenn’s ihm auf leie Nägel brennt,
Beaehrt er ird’scher Habe.
Mit Recht soll der reale Witz
Urenleln sich erneuern:
Es ist ein irdischer Besitz,
Muß ich ihn doch versteuern.
——-.-.---s -—
Eine homogene Könnerschaft
Und der König Eduard kam wieder
einmal zu einem Monarchen Dieser
äußerte nach der ersten hetzlichen Be
griißung: »Ach, lieber Freund, mir
geht es gar nicht besonders, Du glaubst
gar nicht, wie viel ich zu kämpfen habe
und immer ziehe ich den Kürzeren!«
»Na, dann stimmt es ja,« erwiderte
König Edrvard, — »eben wollte ich
Dich zum Feldmarschall der britischen
Armee ernennen!"
de but
Nun lehrst diksacht ins Land zurück,
Und deine Laune spielt —
Ein Negenscherz —- ein Sonnenblich
«-—- Ganz meiner Stimmung Bildt —
Ein Windeshauch —- halb weich, halb
bang —
Wald, Hain im Scheidetleid —
Die Tage lurz . . . die Nächte lang —
Man hat zum Träumen Zeit . . .
E. Korth.
W
Die Tannenstamm-tu
Ein Pariser Journalist, Doktor
Baudin, hatte in seiner Zeitung eine
YJiittheilung zu bearbeiten über einen
Bettler, der verhaftet wurde, weil man
ein Zwanzigsranlstiicl bei ihm gesun
den hatte. Man wollte diesem nicht
glauben, daß er aus rechtmäßige Weise
in den Besitz des Goldstückes gekom
men sei, doch gelang es dem Armen
glücklicherweise-, den Herrn, der ihm
das Goldstück in einer Anwandlunsg
von Großmuth geschenkt hatte, ausfin
dig zu machen.
Diese Geschichte brachte Baudin auf
eine eigenthiimliche Jdee, und er berich
tet iiber seine daran sich anlniipsenden
Erlebnisse in sehr amiisanter Weise.
»Ich bewaffnete mich eines Morgens
mit einer Tausendsrantnote, kleidete
mich in Lumpen und begann meine
abenteuerliche Fahrt. Jch glaubte
nämlich, daß ein in Lumpen gekleideter
Bettler keinen einzigen Geschäftsmann
finden werde, der ihm eine Tausend
frantnote wechselt, und er mit seinem
;Geld verhungern kann, oder aber zum«
mindesten der Polizei übergeben wird.
Als ichi meine Wohnung verlassen
hatte, trat ich in den nächsten Bäcker
s laden.
» ,,Einen halben Laib Brot möchte ich
jmir tausen,« sagte ich zu dem Bäcker
? und reichte ihm die Tausendsranknote.
Aber er nahm die Banknote nicht
einmal in die Hand und entschuldigte
sich sogleich, daß er kein Kleingeld habe
s und darum nicht wechseln könne.
»Aber ich habe Hunger.«
. »Da haben Sie das Brot. Zahlen
Olc Mlk clll CllDcclllclt.
Er war augenscheinlich froh, als ich
den Bäckerladen verließ sammt Brot
und Banknote.
Mein Blick fiel auf eine Schuhwaa
renauslaae Frostig bewillkommnete
man mich dort, meine Fetzen weckten
offenbar kein besonderes Vertrauen«
Als ich mir ein Paar Stiefel ausge
sucht, sahen mir dabei zehn Augen auf
die Finger Die Stiefel kosteten zehn
Urani, und ich legte meine Tausend
frantnote dem Kassier auf den Tisch.
Sosort wurde ich aus dem Laden
geleitet, die Stiefel aber behielt man
zuruck.
Ich setzte mich an ein Parkgittev und
oerzehrte mein Brot. Aber trockeness
Brot ist ein zu dürftige-K Frühstück.
So bekam ich denn Appetit auf Aepfel,
die ein altes Weib in meiner Nähe ver
kaufte. Jch suchte mir sechs Stück da
von chte-, biß einen Apfel an und reichte
ihr den Tausenden Das Weib
schimpste lviithend, und ich machte, daß
ich weiter kam init meinem angebissek
nen Apfel.
Jch trat in eine Apotheke ein, und«
verlangte ein Mittel fiir meinen Hu
sten.
Der Avotheter reichte mir Leber
tbran ,,.itostet drei Frank,« bemerkte
er dabei
«Oier!« sagte ich nnd leaie meinen
Schein auf venJ Esch.
»Oab kein Kleingew; zahlen Sie,
wenn Sie wieder vorübergehen«
Und der Apotbeler begleitete mich
bis znr Thür, alg wäre ich fein bester
stunde.
Ich hatte jetzt ernstlich Hunger und·
Durst, trat daher in eine Wirtbschaft
ein. Dort trsollte man mir nicht ein«
i , !«ft .-.—. L- I- ZL
Iutuuclh ucuut su, tut-» zusic, sah su
Gelo habe zum Bezahlen Alg ich aber
den Tausenter vorwieg, warf mich der
Hausknecht ohne tveiterecz hinauf-. -
Jch besuchte noch ein Dutzend Metz
gerläden, Bäckerläden. Schankbäuser—
iiberall ohne Erfolg. Schon wurde mir
übel vor Hunger und Durst. Jn ei
nein Weinschant aab mir der Wirth et
nen Wink, in sein Prioatzimmer zu
kommen. Dort wollte er mir den Tau
sender wechseln, doch dierhnndertFrnm
ten sollte ich nachlassen siir seine Ge
fahr.
Jch ging nicht ein ans diesen edim
Vorschlag
Endlich wußte ich«mir nicht mehr
ander-:- zu helfen, ich ging aus das
nächste Polizeibureau und bat, mir
meinen Schein zu wechseln. Sosort
hielten mich schon vier kräftige Fäuste
beim tttocktragen seit.
»Lassen Sie mich tos! Was hab’ ich
denn gethan?« schrie ich.
»Jetzt haben Wir dich endlich, du
Lump! » Hat einen Tansender und
s«
--- zerrissene Hosen.
tkg blieb mir nichts übrig, als un
sere ganze Reduktion aus das Polizei
cnnt zu berufen, um meine Freiheit
wieder zu erlangen. Eilig zog ich mich
um« tief ins seinstc Restautant, be
stellte mir Austern und Champagner.
Und nun wurde mir mein Tat-sendet
ohne jede Weigerung gewechselt.«
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Mittiisk ««
Dichter: »Es ist nicht so leicht, ein
gutes Lustspiel zu schreit-ein«
Theatetdirektott »O doch, wems
man nur fleißig — sucht.« .