Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 06, 1903, Zweiter Theil, Image 10

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    (8. FortsesungJ
u der Einsamkeit seiner erniedri
hast hatte er fiir das arme
ehöpf der Thränen genug geweint.
dessen S icksal so grmgam war. Er
sollte au Lisas Grab im Highgate
Friedhof eine Marmorplatte legen las
sen, die von ihrem sanften Leben, ihrer
Ineigenniitzigen Liebe berichten sollte;
und dann würde ihm sein Gewissen
doch erlauben, ihn-« tragischen Schick
sals zu vergessen unso sich nur der Tage
t: erinnern, als sie einander geliebt
tten unsd zusammen gliicilich gewesen
waren.
Ein höheres Glück sollte er in Zu
kunft sein nennen —so hoffte ei ——,
das Glück einer Verbindung mit einem -
rein-en, matellosen Weibe, mit seiner
iieinen Marb, feiner heiteren, fröhli
chen Gespielin, mit dem Weibe, aus
· dessen Augen Wahrheit und Muth her
vorgliinzten, mit der Si erin, die fein
herz als Königin used Zerrin aner
kannte. «
« O I
Jn Kensington giebt es lange Stra
fen mit ansehnlichen Häusern, welche
aber die Sonne nie bescheini. Es mag
wohl eine günstige Stunde geben, in
der die eine Seite von den Sonnen
rahlen getroffen wird, doch ·oer zu
« llige Besucher überrascht Phöbus sel
ten bei oie·em Thon. Die lttge Straße
mit den Häuserm deren» Arcaden fast
alle gleich sind, verharrt zumeist in
einer Atmosphäre von negttralem Grau,
die kaum von den hübschen Psalmen
m Gummibiiumen in den ogen
Ienftern belebt wirb.
Frau Tressilian-Smith’s haus war
derselben Bauart, und vergebens hatte
deren Kunstsinn egen diese Einför
migkeit angetii st. Das Gelbgrün
Einer Poriiere zwi chen Flur und Bor
gnnnen die bunten Jaloufen vor den
ZeppenfenjteZn sprachen iir ihre FI
org-users usqrruiguugeu,.uiw ou »u
ere Eindruck der Straße, welchen der
suchet mit in das Haus nahm, ward
durch diese schwachen Versuche nicht
gehoben.
Arnolds gute Laune wich vor dem
Geist dieses Ortes, under war bereits
ganz niedergeschlagen, als er auf den
Telegzaphentaster non Nr. 19 drückte
Es fiel ihn eineArt Verzweiflung
als er don einem schwarzgelleildeter
Diener in ein düsteres Hinterzimmer
sefiihtt wurde, das Frau Tressilians
Smith ihr Empfangszimrner nannte
»Zum Mart-, wenn dies das beste
Nimm-er im hause ist« so bedauere in
Ief dachte Arnold.
Ihm war, als wäre er wieder rot
schen den Wänden ldes Geon nifseä
Allein die Palmen, der Silber Fhrant
qu dem die Senstöpse und sonderbarer
Löffel von drei Generationen paradiri
ten, die riesigen Bücher, Tintensössei
Irrd Leuchter auf den steifbeiniger
Fischen. das kleine Klavier-, das mit
einem iapanischenBorhang bedeckt war.
und die allgemeine Art und Weise des
Zimmers bezeugten sitt den Anspruch
das Beste zu sein.
Sichtlich war dies Frau Tressklinn
Smitlfs Hauptempfangszimmer, ein
Zinnenr, aus das sie stolz war.
Er saß zehn Minuten lang in dieser
erliiltenden Umgebung da; as Feuer
in dem mit Ornamenten gezierten Ia
trin war spirgich undE gcåb teioåder
« minen n "ye. r at it
Zgi der Bücherhauf den beladenen
ischen aus- und zuzuschlagen ——echte
Salonbiicher mii Goksdfchniii in Kalb
leder gebunden, mit goldenen Eäem die
Ober nichts enthielten — wenigstens
Ris, was Arnald zu lesen gewünscht
L
Es waren lange zehnjliinutem aber ’
Mary cotzrde ja gleich-wie der leibhaf,
enge Sonnenstrahl hineiigehufcht kam
men. Vielleicht verlan te es die Eti:
streite, zuerst nach der me des u:
zu Fragen und erft ist« nach i ren
Scheidle dachte er; aber vie Ums
Hör-se waren so besondere — nicht
jeden Taa kommt ern Mensch ans den:
Gefängnis-»
Dei Thür öffnete sich langsam. Si
derlich nicht von Marpr Hand! Doch,
es war Mary Freeland; aber sie katrx
seit zöqernden Schritten, mit fo lum
neervollem Gesicht auxihkn zu, wie Je
mand. der einen odten betraueri.
blieb auf halbem Wege stehen unt
Iarrte ihn, ohne ihm die band zum
Senk- zn bieten, ohne Lächeln sufsden
bleichen Lippen, ohne Glanz in sden
Harren an.
,Marn, M Sie nicht froh, mich
wer frei und von jener fchreckli «
Muldegung gereinigt zu sehen? a
k- Sie sein gutes Wort fiir wich? ck
III her nnd hoffte, Sie fast wild oor
Miit nies, owieiches war.
sit ich ein M, aus dem Ge
risifasle ging.w
KRANICH-d- ichte diese
Ses Wortes de
A
r- -
.Mein Gott! Jst? möglich, daß Sie
glauben, ich sei derMörder jener
Frau?«
»Ich glaube nichts, nur-—- daß ich
seht unglücklich bin.«
Rennen Sie mich nicht genug,
Mard, —Sie, das Kind, mit dem ich
I zu spielen pflegte-— Sie, die Sie meine
i Mutter kennen, die Art, wie ich erzogen
T ward — all dies läßt Sie noch glau
ben, daß ich ein Mörder din?«
All dies ift nichts gegen das Leben,
das Sie nachder führten —- Sie lebten
mit iener Frau und deiratheten sie
nicht« überließen sie dem Verhungern«
»Nein, nein, ich gab ihr mehr Geld,
als ich mit mir trug, als ich nachAfrita
ging. Jch schrieb ihr sogleich, als ich
im Stande war, ihr Geld zu sen-den.
Doch sie war von Wohnung zu Woh
nung gezogen und hat niemals meine
Geldiensdung erhalten«
»O, es war niedrig und grausam
von Ihnen, sie zu verlassen, niedrig
und grausam sie nicht zu heirathen, die
Vergangenheit nicht wieder gut zu ma
chen, Ihr sündiaes Leben, das Unrecht,
das Sie verübt, nicht zu sühnen«
»Wie-rügen Sie doch nicht!" rief er
heftiih »was wissen Sie vom Leben
eines jungen Mannes, der in die Welt
gestoßen war, wie ich, odne Freunde,
dem Hunaertod oder Selbstmord ent
aeqenyeftellti Berichonen Sie« mich mit
dieser Schuslmädchenrede, Mary, unsc
iaaen Sie mir einfach: Halten Sie mich
für einen Mörder?«
Tbriinen waren ihre einzige Erwide
rang.
»Ich habe Jhre Antwort," sagte er.
»Ich wußte, daß Sie das Leben und
die Welt. in der Sie leben, nicht ten
nerr. Aber ich dachte, daß Jhr weib
licher Instinkt Sie lehren würde, im
Herzen und in der Seele eines Mannes,
d'- AZD III-eh III Ist-n RAE-(- Ist-n-«
Mard, fortan sind Sie mir eine
Fremde, wir haben nichts mehr mit
einander zu thun.'«
Mit diesen Worten ging er aus dem s
Zimmer und verließ das Haus. Siex
fah mitten in ihren Thränen aus«
horchte, und als sie hörte wie sich das
dausthor hin-er thn schloß warf sie
sich schluchzend in einen Lehnstuh« I
Frau Tressilian machte gerade die
Runde bei ihren Belannten, und soi
hatte Maro keine Ueberraschung zu be l
fürchten Arme Mut h! Jeder halte ihr z
oon der Schuld Will-over s gesprochen,
wie oon einer Thatsache die mathema .
rifch bewiesen werden konnte; sie hatte
den Fall wieder und wieder erörtern
asehört, saß bleich und traut vor See
lennein da, während die Leute die Be
.-deise auseinandersesien und nicht die
qeringsste Aussicht einer möglichen Un
schuld Arnolds zuließen.
Und dann quälte sie der Gedanke an
seine Beziehungen zu jener anderen
Frau. Sie war in der Carneliendame s
aufgetreten und hatte die überspannten
Begriffe, wie sie gewöhnlich unschuldige
Frauen von ihren gefallenen Schwe
stern haben. Sie idealisrrte die sündige
Liebe und sagte sich daß solche Leiden
schaften immer von lebenslanger Dauer
seien, daß ein Mann von einer derm
tiaen Liebe nie geheilt würde. Und
während sie sich geschmeichelt hatte daß
er sie, «Mary Freeland«, liebe, war er
mit Sinnen und Seele an jene ro
mantische Vergangenheit gebunden.
Und doch wenn er jene andere Frau
liebt-. warum hatte er sie getödteti
Aus Eifersucht vielleicht Er rn
entdeckt haben, daß se in seiner
wesenheit treulos gewesen und hatte
dann furchtbare Rache genommen.
Miner Ansichten vom Leben waren
...- .-«-«t. h-! sh-4--tz. r.s«. ..—k
jusss HIUDOIOI CAN-It SUPUOSLIIUULII Isla
Romanen entnommen, und Rache war
ein großer Faktor in dem System, das
sie sich aus Nornanen unsd Dramen ge
bildet hatte. Und sie fürchtete, daß die
Leute ihn richtig beurtlyeilen, daß er
diese schreckliche That begangen hattet
Wie sie Chilbrick site seine erfolgreiche
Bettherdigung und dem Gerichte dank
bar war. das die Anklage gegen Alster
Wild-over zurückgezogenl Er war rei,
zatte sein Leben vor sich, um bereuen
m können. Sie da te, er würde ta
tholisch werden, in einen stre en Or
den treten, und malte sich seinenZulunft
in einem Trappistenllpster aus. Welch
trauriges Ende für Arnald, sür ihren
braven Arn-old für den jungen Mann,
tu dem sie bewundernd emporgesehen,
als sie noch ein Schiir n trug! Sie
hatte seit jenen lindis Tagen sein
Bild itn hean getragen, und die Be
aegnuna an Bord des Dampsers war
ihr, als habe sich plötzlich ein Paradies
geöffnet.
Jeder sagte ihr, daß er" schuldig set.
Niemand bemerkte. daß sie mit zucken
denr Herzen und bleichen Lippen dasaß,
während ein hervorragender Udvalat
sah kopfschätteknd und achselzuckend
til-er den Mord in der nedorstrasze
äußerte Mars war noch o jung,daß
sie an die nnarzsecknbare Weisheit des
Mannes von·sunszig Jahren glaubte,
und daß ern hervorragender Jurist
keine falsche Ansicht von- einern solchen
Fall haben Ist-ne Sie hatte jedes
Virt· das iiber diesen berichtet wurde,
W Irr-de- chienihe daß Rie
smd me m ke End-, ice-·
der Geschichte en der passe an Ile
nolde schuld zipe II M
Sie bielt iber silsr einen kalt
dlittiaen Mörder, suchte Milderung
ariiinde siir sein abscheuliches Verdre
chm Er hatte das geliebte Weib nicht
tödten wollen; Eifersucht, Rache, ie
aensd eine große Leidenschaft hatte ihn
verblendet: er war von einer Raserei
befallen worden« war einen Augenblick
lang ein Wabnsmniger gewesen. Sie
bildete sich eine eigene Theorie des
MordeT während sie sich der Weisheit
ienej alten Deren beugte, der die Mög
lichkeit der Unschuld Arnalds ver
neinte; gab fie seine Schuld zu, o
wollte sie ihn aus iljre Weise schuldig
wissen.
Am folgenden Abend ward ihr von
ian ein Brief gebracht. Sie batte seit
Aronlds Besuch ihr Zimmer nicht ver
lassen, blos der Gedanke an Frau Tres
iiliarss Unterhaltungsabende war ihr
unerträglich gewesen; sie batte arges
Kopfweh vorgeschiitzt, und ihr bleiches
Gesicht und ihre müden Augenlider
batten ihr bei der Ausredz geholfen.
»Ich fürchte wirtlich, daß ihr Ken
sinaton nicht gut thut,« sagte Frau
Tressilian-Smith feierlich, als wenn
dies nicht im Bereiche der Möglichkei:
löae «,Sie braucht ein Tonicum,« hatte
Br. Smith lässig erwidert. »Ich werte
vor dem Frühstück nachsehen.«
Das junge Mädchen ließ ihrenWirtb
das Rezept aufschreiben und lag den
s ganzen Tag in ihrem verduntelten
Zimmer elend darnieder. Es war die
letzte Bost, kurz var zehn Uhr, die Ar
Inold’s Brief brachte, und als das
Dienstmädchen sie allein gelassen,
sprang sie aus »dem Bett, lief zu ihrem
Schreibtifch. wo ein Licht unter rosa
iarbencm Schirm brannte, riß den
Umichiaa mit zitternden Zinsern auf
und ihre Augen irrten ii r Arnoldk
Brief, der ohne jede Auffchrtft begann:
»Als ich gestern Nachmittags, von
dem Gerichte entlassen, ein freierMann,
durch die Straßen ging, tam es mir
nicht in denSinn, dasz irgend ein
Sterblicher mich für s uldig halten
kannte. Ums-o weniger a fo dachte ich,
daß Sie, M«ary, mich anilasgen wür
den! Sie, die meinen Vater und meine
Mutter tennen, welchem Geschlecht ich
entstamme, aua welchem Stoff i ge
macht bin. halten mich fåir einen ör
terl fEs ift unglaublich!
»Aus ich gestern don Zonen tot ag.
begann ich denselben Verdacht au in
anderen Augen zu lesen, mich wie ein
Paria zu fiibiern Mein erster Gedanke,
nachdem ich Sie verlassen, mar: gerade
aus nach Afrita zurückzukehren Jch
ging zur Schiffsagentur und war be
reits im Begris·, mir eine Fahriatte
siir den nächst a gehenden Dampfer zu
lösen. als ich plöylich meinen Plan
änderte. Es hieße eine Memme sein«
vor einem ungerechten Urtheil Rückzug
zu blasen; obwohl es mich nach den«
Goldfeldern unsd dem kaut-en Leben,»
das mir so wohl gethan, hin ieyt, ivill
ich, so sagte ich zu mir-Mist hier
bleiben und England so lange nichts
verlassen. bis ich vor Marys Augenj
rein dastehe. , 1
»Das war mein Entschluß gestern!
Abend, das ist er auch heute. Fortanj
will ich nur leben, um mich von dem;
schrecklichen Verdacht zu reinigen, die;
einzige Ausgabe meines Lebens wirde
fein: Ihnen, Mart-, und auch der übri- .
gen Welt zu beweisen, daß meine hart-di
nicht die eines Mörderz ist. i
.Dies sanfte, gutmüthige Geschöpf ;
bätte ich tödten sollen, das immer be- I
ret war, seine tummewolle Bergan en- j
beii durch Selbstausopserun zu fähi;
nen! Alles, was ich in jener acht von!
ibr wollte. spar: mir ein bestes Opferj
zu bringen. Jch war an sie durch«
Bande der Ehre und Liebe gebunden,
uwd ich bat sie, diese zu lösen, aus daß
ich ein anderes Weib wirmen könne«
das mit seiner Ju und Unschuldl
sich in mein Vers geistlichen hatte»
»Und nun werde ich von diesem
Weibe, dem ich, ein liebendes rz zu
opsern bereit war, u ·rt der ammt.
«Doch ich will es sen-, daß ich
obs-J h-- Efeu-l- bö- ciss s-- EI- sei-III
halten. A W "
Das war Alles —- tveiter iein "rt
liches Wori, obwohl in dem tief
stand. daß er sie geliebt hatte. Sie
aeliebt hat te! Seine Liebe war nunet
siorden, bei iheee grausamen Beschat
oiqung verdorrt, dachte sie. Sie konnte
ihn sitt schuldige halten —- sie diei
seit seiner Knn nze it Hefe-an sie, die
jene glücklichen Tage tmt ihm an Bot-d
desSchifsez verheachi hatte. Wie konnte
sie die Jdee eines schrecklichen Verbre
chens mit dem Manne in Verbindung
bringen, den sie nur ein paar Wochen
zuvor geliebt und bewundert hattet Sie
hoßie sieh ihres gestrigeng Bernh-mens,
ihrer Willenivsigieii, ihrer Dummheit
wegen, dasz sie jenem verhaßten Adm
laten und all den elenden Leuten ge
glaubt hatte die schnell bereit waren,
einen Menschen zu verurtheilen den sie
nicht konnten. .
Den sie nicht kunnten. Ja, das war
die Entschuldigung site ihr rasches Ue
tehil Doch sie. seine Gespielin von ehe
mals, see die jede Linie seines Gesich
ten jeden Ton seiner Stimme kannte,
hielt ihn für einen Mördeti Nun wohi,
es bewiee nur, welch ein geistlvses Ge
schöpf sie war.
«Eine Frau von Geist würde ihn
nienknlsßcsäisch beurtheilt haben, « sagte
sie sur
Sie hatte ihn aus jtxeneje zufälligen Be
weise hin verurtheil, ne ein äl
tiqen Menschwa dieii r das ej
der Umstände, das ihn ums-ib, gepqu
pert hatten Sie entsnnn sich seines
Etwa-wide it ein paar Tage
beste ds- in des Oasen eian
..-—.-. - s--.----«-s.--«
L— nide niesen-, set-e mi
sanien sei-weichen, seiner tierninees
mäen Miene ani Morgen ftief Weib
nachtstages am Morgen, alt sie von
einander geschieden waren. Sie entsann
sich seiner Aufregung nach »dem Lesen
des BerW des Morde-, wie er bleich
und sprachlos vor ihr gestanden war.
Auf dicke Beiseite bin. ver-störte durch
riiev Berichte soer Zeitungen und durch
sbie öffentliche Meinung, hatte sie ibn
verurtheilt
Eine Frau, deren Liebe begrbrens
werth, ist, würde ihm trog aller Welt
vertraut haben, dachte sie. Wie er mich
verachten musi, siir welch ein erbärm
liches Geschöpf er mich halten muß!
Sie las seine Verachtung zwischen
den Zeilen seines Briefes; seine An
tpielunaen aus die Todte, die er jahre
lana geliebt hatte, die ilsm wie eine
Gattin gewesen — trafen Mari) bis in
die Seele.
»Sie würde wie eine Heldin geban
delt haben,« dachte sie, »ich aber habe
wie eine Miit-in gehandelt. Er wird
sich nie mehr um mich tiiminern; er
wünscht vielleicht sich von jener schreck
lichen Beschuldigung zu reinigen, auf
daß ich meine Worte bereuen möge,
nicht aus Liebe zu mir, sondern aus
dein ihm eigenen Stolz. Um seiner
selbst willen wünscht er rein dazu
steben, nicht um meinetwillen.«
Am nächsten Morgen war sie ernst
lich krant und Dottor Tressiliam
Smitb brachte Nachmittags einen Be
rusötollegen zur Konsultationx da sie
eine Pensionärin war, Die unter der
Obhut seiner Frau stand, ioar er be
sonders ängstlich urn sie besorgt.
»Sie hat immer müde und elend
ausgeschm, seit sie bei uns ist,« er
iöblte er dem Dottor, »obivohl sie es
nie eingestehen will, baß sie sich un.vohl
süblt. Nichts mitte, was auch meine
Frau versuchte, um sie in eine gute
Laune zu bringen. Man sagt uns, sie
» wäre ein munteres, lebhaftes Mädchen,
H aber ich glaube nicht, baß mir je ein
; so oeraiämtes, junges Frauenzimmer
ins Haus betameii.«
»Eine Liebesgeschichte, ohne Zioeisel,«
meinte bei Dotter; »das arme Kind
bat sich in ein Fieber hineingearbeitet.
Wenn ich Sie wäre, Sinith, würde ich
sie, sobald Sie sie ausstehen lassen tön
neii, an die Osttiiste schicken und sie ein
oder zwei Monate lang reiten und
Golf spielen l-assen.'«
NeuntesKapiteL
Meine gute kleine Frau drängt schon
lange Zeit in mich, meine Tbätigteit
in der Botvstraße aufzugeben und mich
ins Prioatteben uriickzuziehenz sie ver
sichert mir. eine illa mit einem Gar
ten in der Umgebung Lonsoons wäre
gegen Bloomsbury ein Paradies. Wohl
gestehe ich, eine Vorliebe süi meinen
Beruf zu haben, ider anderm Leuten
vielleicht unangenean er cheinen mag;
aber. wenn Gott einem V ann ein gute-z
Weib bescheett hat, so ist es seine
Pflicht, sich dieser Gabe .oiirdiq zu er
weisen. So war ich denn entschlossen
mich in nächster Zeit zutiickzuziebenz
und nun glaube ich, gab die Affaire in
der Dnnevotstraße den Aus-schmei, um
meinen Austritt aus dem Polizeioienst
zu beschleunigen
Es ibat mir leid, von meinen Ka
meraden. mit welchen ich in steure
ichaftlichern Verein gearbeitet hatte,
scheiden zu müssen: aber ich fühlte, dafk
ich genug von der Arbeit hätte, die mich
biet Anstrengung getostet, aber mir nur
geringe Belohnung eingetragen ha:te.
So versicherte ich mich denn eines schö
nen Moment, nicht lange nach dem
Abbruch des Prozesseo ge en Mildeer
meiner Pension und miet eine Van
in Putnetn
Es war ein neuariiges Gefühl, am
trüben Morgen über biete Wiese von
Wimbtedon zu schlendern etwas Neues
die Lerche im blauen Himmel droben
sinnen und die Kühe auf den Wiesen
brüllen zu bäten Jch pflegte meilens
weit gegen Entom und Ewell zu geben.
denn mein Schlaf war nie ein guter
gewesen; zumal ich jetzt nichts zu thun
uno sent wenig zu denken hatte, machte
ich bei Sonan ang auf, und es.
war mir eine Luft, n die Luft hinaus
zugehen unid den Sonnenaufgang zu
betrachten. Ich habe die Sonne oft
genug bei meinen Wansderungen arg
gehen gesehen, aber gewöhnlich. na
dem ich die nächtlichen Stunden ins
Londons Straßen oder auf der Eisen- .
bnhn oerbracht hatte. Ei war mir nen, »
sie zu Beginn meines Tages, wenn ichl
frisch aus dem Bett und dern Bad karn, -
zu sehen, es war mir neu, frei von.
Zwanck von aller Verantwortlichkeit»
befreit zu sein, nicht länger zu fühlen,.
daß ieder Schritt irn Leben ein Schritt
ins! Dunkle ist— daß Schuld unsd Un- ;
schuld, Ehre und Schande, Leben unsdI
Freiheit die Einseihe des Spieles feien,(
das ich gewinnen oder verlieren würde. F
Jch hatte nicht mehr beständig wach- z
iarn zu sein, irrende Kameraden sit-i
rückzuhalten, wenn sie in ihrem Eifer!
zu weit ain en, oder den Werth der
Redlichieit enichen zu lehren, die da
glaubten, et singe auch ohne sie.
Meine aute Frau belchuldigt mich
der Ruhelosigceit, daß ich die Annehm
lichieiten eines zurückaezogenen Lebens
nicht zu wiirdigen wisse und Gott nicht
genug dankbar sei, daß er mir genug
gegeben, tun ruhig davon zu iehen und
fiinfundvierzig Pfund jährlich fiir die
Ban hart-ten zabien zu können.
«Meine liebe Charlotte Clism ich
erlaube. ich werde mich rnit der Zeit an
das rniißiae Leben qewöhnen,« sagte ich.
»Aber wenn ein Mann dreißig Iaze
lang gearbeitet hat, Iaren d· er Miiß -
ng ging Seel werden. geliehe
ich nrich manchmal nach etwas
«
-.--,«
ebne. und ich fürchte, es ist dem
piizeibureau in der VWY :
Diese unbesdnnene Rede mir die
arme ileine Frau weinen, sie gann
sich selbst Vorwürfe zu machen, daß sie
mich von einer Veschiiftigrms. die ich
iiebte, abgeiogen hatte, und so mußte
ich the denn die Versicherung-Beben daß
ich mich in Putney sehr glü, fühlte.
»Ich dachte Du wart-est -· sitt
den Garten interessiren,« meinte har
latte Elisa
»Das tbu’ ich Isa, meine Liebe,«
sagte ich, »aber da ich nur zwanzig
Schritte brauche, um rund um unseren
Rasen und die Blumenbeete zu geben«
ist das Interesse bald erschöpft.«
Jch dachte, Du würdest im Garten
arSeitem Joha. Leut-, die ihren Gar
ten bearbeitetL werdens nie damit fertig
oder dessen überdrüssig.«
Jede Arbeit, die ich auf dem Gebiet
der Giirtnerei unternehme, würde so
zerstörend sein, daß Du mich einzu
baltssn beschwören tviirdeit, ehe ich zwei
Taae dabei wäre,« sagte ich und sie
seufzte und sprach nichts weiter über
den Garten.
»Wirllich, dieses zurückgezogene Les
ben paßt mir nicht; ich bin nicht das,
was man einen häuslichen Menschen
nennt. ich pslege die Köchin nicht zu
schelten oder Epinmveden in den Win
tein zu entdecken; ich habe keine häus
lichen Beschäftigungm außer Zeitun
aen wer Romane zu lesen, und obwohl
ich mich, als ich beschäszigt war, daran«
vergnügt habe, habe ich nun alsMiiszig:
aänaer den Geschmack daran verloren.«
Jn dieser Stimmung war ich durch
einen Besuchrr überrascht, dessen Er
scheinung erfrischend wie eine kalte
Douche nach einem türkischen Bade
wirkte.
Jch saß im riictwiirtigen Theil des
Hauses, in einem tleinen Kabinet, das
meine Frau Studirzimmer nennt, das
ich aber nie anders als die Geräumigs
teit unserer früheren Wohnung in
Bloomszburv bedankt-nd ansehe. Ich
tauchte gerade, nachdem wir unser Mit
tagessen früh eingenommen hatten»
nachdenklich meine Pfeife, hatte jedes?
Stück Neuigkeit aus den vier Morgen- (
f zeitunrern selbst die Marttberichte,
durchaeiescn --—- obzvohl die Preise von
Kälbern. Rindern und Fett ni t dakl
mindeste Interesse sür einen tann
babqr konnten, dessen Haushait aus
vier Personen bestand und daher einen
mäßigen Verbrauch von Fe:t uer
Fleisch haben mirs-te- .—— hin hörte irb
Hilingeln und wie die Thür geöffnet
! wurdej aber da meine gute Frau viel
! Besuch bekommt, bei mir ader dies nur
sehr selten der Fall ist, halte ich gar
nicht demerlt, daß die hausmagd —
sie naiven am Nachmittag den Rang
eines Stubenmiidchens ein —- die Thür
mit großartiger Miene öffnete und
Deren Wiidoder meldete.
Keine Karte wurde hinein-geschickt —
ohne vorherige Anfrage kam der Here,
den ich zuietzi aus der Antlagebant in
der Borvftraße gesehen, ruhig in mein
Zimmer: nnd da das Zimmer nur
dreißig zu els Fuß groß war, stano er,
elPe ich mich zu sammeln Zeit hatte,
aerade vor mir.
Ich Legt-e die Pfeife nieder, stand auf
und besaer mich dem Mann-e gegen
über. dem ich einen Strick um den hals
zu legen mein Befies versucht hatte.
»Ich glaube, Sie tretden überrascht
sein, mich hier zu sehen, herr Faunre,«
sprach et kühl.
»Ich bin wirklich mehr überrascht,
» als ich sag-en kann, Herr,« versetzte ich.
; »Sie wurden mich bereits früher bei
» sich gesehen hoben, wenn nicht zwei
i Umstände gewesen wären: Erstens war
ich irani, und zweitens« ais ich mich
wieder wohl befand, fiel es mir schwer,
- Sie zu finden. Die Leute in der Baro
firasze wollten rnir Jhre Adresse nicht
angeben.«
»O, Sie sind in die Bowstraße ge
gangen, wirklich? Das scheini mir ein
ionderdares Vorgehen bei einem Mann
in Ihrer Lage. Jch dii , eine hübsche
kleine Reise zu »den niipoden oder
eine Tour nach Amerika würde eher siir
Sie genaht haben.«
Q- · - - ----- « s
Jw youe irzn nmpr genosryigi, sich
niederzuseyem und stand noch immer
vor ihm da. Während meiner öffent-.
lichen Tdätigteit hatte ich viel Verkehr
mit Mördern gehabt, doch nun, da ich
mich ins Privatleben zurückgezogen
nabm ich mir vor, mich so wenig als
möglich mit dieser Brut abzugeben
Und 3dennoch mußte ich mir gestehen,
daß diesetMensch ein besonderes Exem
plar jener Klasse von Bösewichtern
war, daß ihn Niemand fiir einen-Böse
wicht nehmen münde, denn vom Kon
bis zum Fuß tonnte ich nicht eine
Spur eines Verbrechermertmalö an
idm entdecken. Seine aufeechte Hal
tung, der edriiche Blick seiner offenen.
blauen Augen« der feste, doch tindliche
Man-d. die hohe Stirn und das fein
modellirte Kinn würden überall uno
auf Jeden einen günstigen Eindruck
gemacht haben. Wenn es ie einen Ber
beechee gab, der perversekweise einsie
ficht besaß aus dem Redlichkeit sprach,
und der dennoch entartei war, so zonr
et dieser Mensch ich lt ihn nämlich
noch immer fiir Oden öedee, troh der
Geschicht-e mit der Pistole.
»Da ich gbnen viel zu sagen habe,
so werden ie hoffe ich dieGiiie ha
ben fich »Hu seyen und mir geduldig
zuzichörenX sagte er, sich in einen
Stuhl mir gegenüber send. »Und dn
Sie tauchten als ich hineintauc, wet
den Sie mir steundlichst erlauben, da
auch ich meine Pfeife anziinde, so wir ,
es dann g des-J behaglichse
fe che Absicht nicht mich
onfzusgchem WiW verseste
Mich ebe mich veranlaßt, Id
urn sit fa n, des ich den Polizeian
verlassen nnd ein weiteres Jn
teeefle me an Verbrechen oder Vet
IM Fimi sie de- ich v
« g en,« a er; a F,
aus Sie sich nie eine-s ein-m tut-sei -
ten werden, der durch Fest Irrthitm
granfam gelitten bat. ommen Sie,
Fannee, Faun-e, Sie ben tiichtlg ge
arbeitet, um mich fiir Mörder bin
zustellem nnd ei gelang n, meinem
Nennen einen fchwarzen tempel anf
zudtiickem der all meine hoffnnng auf
Gliick in diefem Leben vernichtete. Jch
möchte nun, daß Sie dahin arbeiten
sollen. meinen Namen und meinen Cha
rakter von ienern Flecken zu reini n
; —e5 muß geschehen —-—, und Sie md
der Mann dazu.«
Sein ruhiged Benehmen, sein zuver
. sichtlicher Ton machten mich fast be
stürzt. Jch hatte nie noch mit einem
solchen Menschen zu thun gehabt. Oft
aenng hatte ich einen Unschuldigen vor
mir gesehen, aber ein solcher ist ge
wöhnlich ein erbärmliches Gefchöpf,
das stets bereit ist, in Thriinen aus
zubrechen, und das bei einer Ver-Nichtt
qnng den Verstand faft verliert. Dieser
Mensch aber war fest wie ein Felsen.
er bestellte mich dazu, seine Ehre het
zustellen.
Jch wiederholte ihm, daß ich den
Polizeidienft verlassen habe.
»Umso besser fiir mich,« meinte er.
»Sie könnten in meiner Angelegenheit
nicht to arbeiten, .vie ich es wünsche,
wenn Sie noch unter einer Obrigkeit
stünden-« «
Und dann erzählte er mir, daß er,
oiyne gerade reich zu sein, in den süd
afritanifchen Goldfeldern eins fchiines
Stück Geld verdient babe und noch im
mer einen Antheil an den Goldtväsches
reien besche, wenn er dorthin zurück
geben wolle. Aber er habe den Ent
ichiuß gefaßt, England nicht eher zu
verlassen, bis er das Geheimniß jenes
Mordes entdeckt dabe.
»Es mag vielleicht die gewöhnlichsie
Art von Verbrechen sein, obwohl ed
uns ein Geheimnisz ift, solange wir den
Mörder nicht gefunden haben. Es
konnte die That irgend eines Bagn
buncen fein, der fab, wie ich dein ar
men Dina die Banlnoten gab, der uns
aufaelauert und uns beobachtet hatte,
dem es gelang, hinter unserem Rücken,
während wir sprachen, ins hause zu
ich!iipfen, in dem er glaubt-e, Zeit ge
mla tu finden. ibr das Geld m rau
den« ehe Jemand durch den Schuß her
heil-um«
»Er muß ein volliomnrener Narr
aewesen fein, .venn er dies fiir möglich
dielt,'· fagte ich. »Eine Pistole um ein
lldr Morgens in einein bewokmten
Haufe adzufeuerm der Fall eines Kör
pers —- genug, um jedes Haus vom
Boden bis zum Keller zu alarmiren.«
»Nun wohl, die Absicht zum Nauden
scheint doch die einzige vernünftige Er
tlätunj zu fein.«
Fortsetzung folgt·)
-- M— --.---«
,,Iußfrei« — eine Speers-Immu
heit.
Die Grenzboten tilgen die Wort
bitdung «fußfrei« (fußfreie Röcke) als
eine neue Sprachdummheit. Jn den
meiften Zufammenfetzungen mit frei
bedeutet das Befiimmungsivort die
Sache, von der Jemand oder etwas
frei ift und zweit gewöhnlich etwas
Unangenehmes, Störendes, wie in
fehlerfrei, fieberfeei, zugfrei, eisfrei,
fchulfrei. In vogelfrei drücke das Be
ftimmungswort eine Vergleichung aus
(frei wie der Vogel) und in ditzefrei
den Grund der Freiheit. Jn keine die
fer Klassen könne das Wort fußfrei
eingereiht werden« Es bekommt nie
einen vernünftigen Sinn. Der Erfin
der war ein untlarer Kopf. Er hat
ausdrücken wollen« daß bei den neuen
Kleidern der Fuß tleidfrei bleibe; das
bat er einfach herumgedreht und nennt
das Kleid fußfrei. Die Grenzboten
schlagen vor, anftatt fußfreies Kleid
freifüßiges Kleid zu fagen nach Ana
IMZO Mit CPOZMIIIZD Mahl-Ist «us
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driictt wird, daß die band Cbeim
Schieszen) sich nicht stützt, sondern srei
in der Luft gehatten wird. Ebenso
müßte man dann auch seeihändiger
Wettermantel anstatt handsreier Wet
termantel sagen. Richtig gebildet ist’s,
aber schön tlingt’s nicht.
———-.
sie lässt Ich seicht betrügest-.
Als Präsident Roosevett die Ein
wandererstation aus der Eltisinsel be
sichtigte, desand sich eine deutsche
Bauernsrau-unter den EinwanderertL
Sie wurde auf den Präsidenten aus
mertsam gemacht, verstand aber erst
gar nicht, was man unter einem Prä
sidenten zu verstehen habe. Schließlich
suchte man ihr die Bedeutung des Be
suchers dadurch tlar zu machen, das
man ihr sagte, der Präsident sei der
amerikanische Kaiser. Das verstand
sie, zog aber eine Dallarnote aus der
Tasche und verglich ganz genau den
daraus ahgehildeten Jndianer, der in
vollem Krte s- und Federschmucke
rangt, mit ein Präsidenten, lachte
nn laut aus und rief aus deutsch
«Mich tönnt ihr nicht zum Narren
halten!«
Wenn der Getdschrantsprengser unter
Muhungeder Elektrizitiit seine Me
thode ver ssert, dann mag auch die
rit tommen, wo der Taschktkviieh mit
alg die Röntgenstrahien Mußt,
um zu sehen, wo er sein-e rationen
aus usii ren kat. Die Fort chritte der
MEM st man-n auch dem Bösen
zu u