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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Aug. 28, 1903)
Nebraska Staatss-3nzeigrr Und Yrrold J P. Windolph, Herausgehen Gran Island, Nebr» 28 August1903 ( Zweiter Theil. Jahrgang 2s3 No. .)2. M Im Freien. O Olilck des Inseind in der freien Luftl sie weiden pcöhlich lieh des Denker Schere-Mem sie läutern sich, wie wachsen dic Ge danken. · Gesundheit weht entgegen uns derWind. cd ladet ctn zu tiefern Liedern-holen EO brumt in regeni Fluß, was stockend r unt Bliist helle Gluth aus ballt verstimmten Kohlen. , Froh liebt die Brust iich. neuer Kraft« bewußt; Verfchcucht find Gram und Studen · Griideleiem O wunderbar versäume Tascindlnit Auf Wies· und Feld, im Freien, ach iin « reicnl : otsert Waldmiiller W Verlassen Erzählung von Gustav Löffel. Und so laß sie seit einer Stunde ge duldig auf ein und demselben Plgye und blickte in den grauen Nebel hin aus, welcher wie eine weise Wand vor den Fenstern aufragth Menschen und Wagen zu wesenloien Schatten ver wandelnd. Es war ihr erster Tag in London, jenem Themiedabel, von enr sie kaum mehr als eine Ahnunghaiiez Nach Beendigung ihrer Hochzeitgrene waren fre hierher gekommen, wo ne fFrtqn leben sollte. Jhr Gatte. den ne in Berlin tennen gelernt und dort nach kurzem Brauiftande auch geheirathet hatte, war Proturift in einem gro en handelshausr. Gelchäfke hatten ihn nach Deutschland geführt. Er hatte zum Zwecke feiner Verheirathung einen Urlaub bewilligi erhalten, der nun ab gelauien war. Jhr Vater hatte auf Erlundigung durch ein Auslunftgi Bureau Alles Bestätigt erhalten ·Er Witwe seinen Schwtrgtlsoyn m einer guten, gesicherten Stellung, und obwohl er selbst andere Ansprüche erheben tonnte, wollte er dem Glück seiner Tochter nicht entgegen sein. Johanne liebte vcen Mann ihrer Wahl über Al les« und so hatte Mr. Gordon Bennet an seinem hochjzeikstage die Mitgift in höhe von 20,000 Mart baar ausge Zahlt erhalten. Jhre in mehreren Kof ern oerpackte Aussteuer hatte sie mit enornmen und einstweilen aus dein ahnhose eingestellt. Gordon hatte sie in dieses in der Nähe von »Victoria Station« gelegene Restaurant geführt und sie gebeten, hier seine Rückkehr zU erwarten. Er wollte erst einmal nach dem Gtschäsh Dann wollten sie gleich eini Wohnungen besichtigen und zur Na t in einem hotel eintehren. Er war in großer Eile gewesen« wie er sagte, uin noch den Ches anzutressem in längstens einer halben Stunde woll t: er zurück sein. Nun war bereits ei ne ganze Stunde vergangen und eine neue angebrochen. Die Kellner sahen aus sie. Das wurde ihr lästig. Sie zahlte und ging hinausl. Er mußte sa jeden Augenblick tornmen. Auch jetzt, als sie unter den Fenstern aus und nieder ging, oersol - ten sie Jene mit zudring ichen se glaubte, mit spöttischen Blicken, und so ging sie langsam in derNiehtung fort, nach der er gegangen war. Sie lam zu einer Straßentreuzung. in oeren Mitte ein Jnselperron lag. Zu dem ging sie hinüber. Von hier strahlten siins öuszerst ·helebie Straßen aus. So tonnte er ihr nicht entgehen, und auch er hätte im Vorübergehen sie hier sehen müssen. Wieder perrann eine Viertelstunde in langem Warten. Sie blickte« nach allen Richtungen, aber nirgends tauch ie die geliebte Gestalt aus« Der Nebel nahm eine duntlere Färbung an. Vier und dort leuchteten Lampen aus. Es wurde sast Nacht um sie her. Sie kannte den schrecklichen Londoner Nebel nicht, sonst wiirce sie sich sicher nicht in denselben hinausgewagt haben. Nun beeilte sie sich, nach dem Restaurant liu riickzutomrnen, wo Gordon sie vielleicht schon in nicht minder banger Sorge er wartete. Er- -:..- e.:. E...-r.- ..»;;-s imm» VII- Heils Un Use-us «.«.--, .---... an den Höusern hinaufsebend, um das: ienige wiederzufinden, das sie erst vor ganz Kurzem verlassen hatte So kam sie bis zur nächsten Straßentreuzung, ohne es gefunden zu haben. Sie mußte wohl in eine falsche Straße eingebogen sein. Sie las den Namen derselben und wurde nun gewahr, daß sie sich den Namen ver ersteren gar nicht gemerkt hatte. Auch die hausnummer hatte sie unbeachtet gelassen. Jn großer Be stiirzunsg blieb sie stehen. War sie viel leicht doch in Gedanken iiber eine solche Steaßenlreuzung binveggegangern Es lonnte sein, denn sie hatte im Dahin schreiten ja immer nur nach ihrem Gatten ausgefchau:, ohne viel auf ihre Umfebung zu achten. Zögernd über schr tt sie den Damm uns ging weiter "DCI gesuchte Daus fand sie nicht. Vielleicht hatte sie sich in der Straßen seite geirrt. Sie ging zur anderen Seite hiniiber und auf dieser zurück. Nun lam F aber längere Zeit an gar teine Stra atra-sang mehr. Sie hak te, da sie innrer nur nach einer Seite blickte, nicht bemerkt, daß bei einem spitz ! zulaufenden häuserrvinbel die Straße sich gabeltr. So gerieth sie, immer wieder nur an «den Masern entlang sehend, in eine ganz andere Straße. Die sternartige Kreuzung mit dem Jn selperron fand sie nicht mehr. Jbre Ingft fteigerte sich. Der Gedanke, in der wildfremden Riesenftadt sich der irrt zu haben, verwirrte sie vollends. Reiche Stier it fvvn ihr, um ein M zudringl r Blicke willen das anrant verlassen In habenl Sie konnte nicht genügend Englisch, um sich verständlich zu machen. Ein Constabler, den siesragte, wurde nicht klug aus ihr Er erkannte nur, daß sie eine Fremde, eine Auslanderin war und sich verirrt hatte. »Sind Sie heute erst angekommen?« sragte er. »Ja, heute erst,« gab sie mit zittern der Stimme zurück. · »Aus welchem Bahnhos?« »Aus Victoria Station.« ,,Allein?" »Nein, in Begleitung meines Gat ten.« Und nun berichtet sie in gebroche nem Englisch, wie es ihr ergangen war. Die Londoner Konstabler sind .tlu e und sehr höfliche Leut-e, und so begries er, auch ohne sie ganz zu verstehen, um was es sich handelte ,,Die Sache ist aber doch sehr ein sach«, sagte er dann. »Sie gehen nach der Viktoria - Station zurück, die allerdings etwas weit von hier ist. Sie würden sich zu Fuß kaum hinsin den und eine direlte Omnibusverhin dung nach dort giebt es hier nicht. Ha ben Sie Geld, um ein Cab (Droschte) zu bezahlen?« Sie bejahte und so ries er eine Drfschte heran. Er derständigte den Ku scher und sagte ihm, daß er die Dame, die hier fremd sei und nur wenig Englisch spreche, nach dem Ge: päckraum hinweisen möge. Fohanne dankte herzlich und stieg ein. un war ihr schon um vieles leichter zu Muthe. Gordon mußte ja tommen, um das Gepäck abzuholeru und da er sie im Restaurant nicht mehr vorfand, mußte wohl sein erster Gedanke der sein, daß sie nach der Statsion zurückgekehrt war. —nzwischen waren allerdings mehrere stunden derstrichen. Ob er wohl so lange gewartet hatte? Gleichoiel· Dorthin mußte sie. Er mußte sich doch sagen, das; ’sie früher oder später nach der Staiion zurückkehren werde. Der Wagen kam nur langsam dor wärts. Fu dem dichten Nebel gab es oiele Zu ammenstii e und Vertehrså stockungen. Endli langte man an. Johanne stieg aus. Ein Portier, den der Kutscher insokrnirt hatte, führte sie nach dem Gepäekraum Ihre Augen gingen suchend umher. I Zunderte wogten hrer aus nnd nieder« - hren Gatten sah sie nicht« Er hattes die Gepöckscheine an sich genommen und ohne diese war da nicht-s zu ma »chen. Es gab aber eineAuslunststelle, J wo man auch deutsch sprach. Ein dort angestellter Landsmann nahm sich ih »rer an. Er bat sie zu warten, wäh s rend er Erkundigungen einzog. Diese waren erfolgreich. Die Koffer waren ! vor einer halben Stunde abgeholt wor ! den. »Abgeholt?« stammelte sie schreckens »blei . »Von wem?« » » n einem Rollkutscher, welcher die Gepäckscheine überbrachte.«' »Ja wessen Auftrage?« Das hatte er nicht gesagt und man hatte auch keine Veranlassung, danach »Hu fragen. Johanne konnte ihre Bestiirzzung ’nicht verbergen. Abgeholt, dor einer halben Stunde —- das war doch selt sam! Gordon hatte gesagt, daß sie vor der Hand da bleiben sollten! Jhre Kniee wantten. Sie mußte sich setzen. Dem Beamten karn die Sache nicht ganz richtig vor-. Er forschte deshalb nach den näheren Umständen, und Johanne war froh, sich «emandem mittheilen zu können. Sie agte ihm alles Er hörte ihr- anfmerkknm m, Sein . erster Gedanke war, daß sie vielleicht einem gewandten Betrüger zum Opfer gefallen fei. Er wagte das aber nicht aujusprechen « ,-Jiun, Sie tennen doch jedenfalls die Firma, bei welcher Jhr Gatte angestellt ist?« fragte er. halb in der Erwartung. eine verneinende Antwort zu erhalten. Ja, den Namen der Firma hatte sie sich Imertk Er schlug im Adrefzduch nach. « a stand sie auch. Es war ein bestu tendes hau-. »Was wollen Sie mehr?« fragte er. »Ich f reibe » hnen die genaue Adresse auf. ie ne men einen Wagen und fahren dorthin. Man wird dort «eden falls wissen, wo - r Gatte zu flink-en ist, »und ihn sch eunigst benachrichti gen. P ihrer Angst und Aufregung hatte Ja nne auch daran «- das Zunächst egende —- nicht gedacht. Nun ivar ja alles gut. Sie uhr nach dem Geschäft. Irr Gordon nnett war anwesend. an ifiihrte sie nach einem vornehm aus-ge tatteten Empfang immer und hat sie, einen Augenblick lag zu neh men, Mr. Bennett fei gerade fehr be schäftigt. Jhr herz sausen in geiiger Freude. Nach fo langer wefen esit war es ihr ertliiriich, dass ihr Gatte hier drin end beschäftigt wurde. Ohne Zweifel atte er schon jemand nach dem Reftaurant esandt, um sie zu benachrichtigen und knach einein hotel zu geleiten. Der te hatte sie nicht mehr angetroffen. Berwunderlich war ihr nur das Cen rnpnielle des Eins-fanget und daß Gor don nicht schnellstens berbeieilte. Sie lhatte allerdings nur nach Mr. Gordvn Bennett Pefragh aber eine innere Stim me muße ihm doch sagen, daß sie es sei, die nach ihm fra te. Sein langes Ausbleiben e iirnte ie ast. «Endli·ch ha tig sich nähernde Tritte. Die Thiir sprang auf. »Gvrdon!« ivvllte sie ausrufen. Noch rechtzeitig hielt sie inne· Er war es nicht, son dern wieder ein Feinden - » »Ihr Diener, adame,« sagte er mit tiihler Höflichkeit, »wvniit tann ich Ih nen dienen?« »O, ich wollte Mr. Gordon Bennett sprechen,« sagte sie zögernd. »Der bin ich.« »Sie?!" Das ganze Zimmer drehte sich mit ihr. Sie mußte sich stützen, um nicht umzusinten. Er war nicht minder bestiir t als fie. »Auf entgegnete er. »Der Hrottiirift der k- irma.'« »O, dann verzeihen Sie. das war ein Jrrtbum,« stammelte sie. »Ich suche einen andern Herrn Ihre-z Namens.« »Meine- Namens .-«« Er begriff sie nicht. Jch tenne allerdings einen Herrn, der ganz denselben Namen trägt wie ich, der Inhaber der Firma Gar: ; von Bennett u. Comp. Wir ftebeii in; Geschäftsverbindiing miteinander-, sindi aber nicht verwandt und haben übers ! haupt keine gesellschaftlichen Bezie- : bungen." i »So « ein jüngerer Manni« E »O nein, ein alter Herr.« Das war genug gesagt. Der letzte Hoffnungsschimmer entschwand aus dem« Leben dieser Unglüctlichen. Ver ratben und verlassen ivar sie, das ah nungslose Opfer eines weltgeivandteii m-tp;;«»s. und Gliicksiåimra h» dm I Namen dieses hochachtbaren Mannes s benuht hatte, um seine schändliche Ko- z mödie ins Wert zu setzen. Er mochte I sich wohl sagen, daß man sich auf ihn I tertundigen würde. Und das Aus-I tunftsbureau hatte sich wohl, wie im mer in solchen Fällen, darauf be schränkt, festzustellen, daß Mr. Gor don Bennett Proturist dieser großen Firma war. mithin eine hervorra - de kaufmännische Stellung betleid Jn Mr. Bennetts lag eine unaus gesprochene Frage, aber eher hätte Jo hanne sich die Zunge abgebissen, als diesem Fremden die erlittene Schmach einzusgestehen Sie wollte alle weiteren Schritte in dieser unseligen Sache ihrem Vater überlassen.« »Ich dante Jhnen.« sagte sie gemes sen, mit Aufbietung allerKröstr. »Ich bin fremd in London. Es war ein Jrrthum. Verzeihen Sirt« Sie ging rasch nach der Thür, die Mr. Bennett ihr öffnete. Verwundert blickte er der vornehmen schönen Frau nach, deren Besuch ihm ein Näthsel bleiben sollte. Jn einein Zimmer des Riesenhotels »City of London« saß Johanne, in Thränen aufgelöst und schrieb an ihren Vater. Ein Telegramm wollte sie nicht schicken. Seine Gesundheit war nicht so recht. Ein heftiger Schreck hatte ihm schaden tönnen. Sie schrieb und kam nicht weiter. Immer wieder brachen ihre Thränen hervor. Sie wollte es sich nicht einaestehen, und doch empfand sie es tief, sie liebte diesen Unwiirdigen noch immer. Sie tonnte ihm nicht verzeihen und ioiirde ihn doch nicht dergessen können. Uncerernoniös wurde plötzlich ihre Thiir ausgerissen. Sie sprang auf. »Ich-Inne! Endlich finde ich Dich, Mem sllsev Jetz, Mem neue-o ver-u renes Täubchen!» Gordon, ihr Gatte, stiirzte auf sie zu, um sie in seine Arme zu schließen. Sie stieß ihn zurück. Eine erregte Scene folgte, die alles klärte. Gordon Bennett war der Sohn des reichen Handelsherrn und hatte, im jagend-: lichen Leichtsinn, wie er zugestand,die Stellung eines Namensvetters vorne schaben, um Johannes Liebe zu erpro: s ben. Er war m dig und bedurfte der Zustimmung seines Vaters nicht. Dieser hatte andere Pläne mit ihm, von denen er ihn nur abbringcn konnte, indem er ihn einmal »sait ac compli« gegenüberstellte. Der Besuch dort und nicht in dem andern Han delshause hatte ihn länger als beab sichtigt serngehalteIL Endlich hatte er den väterlichenWiderstand besiegt und seiner· iunaen Gattin einen freund lichen Empfang im Elternhause,Dant der Jntervention seiner Mutter, ge sichert. Er hatte dann gleich Austrag gegeben, die Sachen vom Bahnhof dort hinzu-bringen und war nun so lange uinhergeirrt, in nicht minderer Verzweiflung wie sie, um sie zu iu chen. Er nahm die Hälse der Polizei in Anspruch. Man telephonirte nach allen hotels. Und das brachte dann endlich die glückliche Lösung. Gordon erbat und erlangte Verzeihung Ein siehendes Weib verzeiht alles, nur eins nicht« verlassen zu werden. Der Sonntag. Von Dorothee Goebeler. Eine Log ia am Kurfürstendamm, hochherrscha tliches Haus-. - Draußen aus der Straße lag die Nachmittags sonne grell und blendend hier herein drang sie nicht. Die hohen Bäume mehrten ihr den Eingang und hüllten den ziemlich großen Raum in angeneh me, dämmerigie Kühlr. Blumen blüh ten aus der Brüstung; Treibhausslie der undAlpenrossem Goldlack und Nar zissen und roße, leuchtende Azaleen Wenn der ·nd darüber hinstrich, trieb er ganze Wogen von Dust in die Log aia hinein Der Kassee war getrunken, aber das Service stand noch aus dem Tisch, sei nes Meißncr Porzellan — und die Lös sel schweres Silber. Die Mutter hatte die Tasse zurück geschoben; sie las schon wieder in ihrem Roman. Auch Edith saß bei der Hand arbeit — eine seine Stickerei allerneue ster Mode. Sie ließ sich bequem ar beiten, selbst wenn man sich in den Sessel zurücklehnte und die Füße so be quem übereinanderschlug, wie Edith es that. Lucie rührte in ihrer Tasse, sah aber drüber sort in die maigriinen Wipsel hinaus. Es lag eine Stille über der Loggia, die schläfrige Stille des warmen-Nachmittags wo man zu saul ist, um zu reden, und doch nicht müde genug- um einzuschlafen Nur Ltnrieä Arm-n Inn-» »Un- ».. k;-.-... ,- ..... . ......... . »..... Stille. Sie sahen groß und br nnend in’s Weite. Eine innnere Unzusrieden l;eit—eine mühsam unterdrückte Sehn sucht sprach aus ihrem hübschen Ge sicht. Aus tiesem Nachdenken heraus sagte sie plöhlichc ,,Uebermorgen ist Sonntag." ,,3a«, meinte die Geheimräthin glei gsiltig, und Edith fügte gähnend hinzu: ,,Leider schon wieder mal!« Die alte Stille. Dann sing Lucie von Neuem an: »Wie sich Luise aus den Sonntag freut!« »Was?« fragte die Mutter halbzer streut und schlug eine Seite um. Und dann mit einem plötzlichen Erinnernx »Ach so! — Ja, sie sreut sich sehr!« »Sie ist ganz aus dem Häuschen!« sagte Lucie, und es lag fast wie Neid in ihrer Stimme. »Wieso denn?« Edith horchte aus. . »Ach Gott, weil ich ihr erlaubt ·habe, um oier Uhr auszugehen; sie geht doch sonst immmer erst um süns. Eine Stunde zählt ja bei solchen Leuten furchtbar mit.« Die Stimme der Ge heimräthin tlang sehr geringschätzig. »Sie will an den Müggelsee« — er-« zählte Lucie — »und ihr Schatz kommt mit, und dann kochen sieKassee und ge hen in den Wald, und nachher tanzen sie — und —« »Und das weißt Du so genau?« siel die Geheimoäthin ein. »Mertwiirdcge Jntimität mit der Katnmerjungser!« Sie nahm einen strengen Ton an und schiittelte den Kopf. »Sie ist ja immer so, Mama«, be schwichtigte Edith ,,immer so für’5 Absonderliche, sie paßt gar nicht zu uns.« Es sollte wie ein Scherz klingen, kam aber doch etwas bing heraus-, und Lucsie crröthete. »Sie hat eg mir doch beim Frisiren erzählt, und überhaupt es war so -— so hübsch, wie sie sich aus s-— aus den Sonntag sreute --—- und — Karussell fckhrt sie auch -—-« Tjns Letzte fuhr ihr noch so ganz unwilltuki lich heraus, und es««tv«1rjvieder der yatoneconche zon in ihrer stimme, at lein rie Geheimräthin schalt: »Nun hör« doch endlich mit den Dienstmäd: chensachen auf. Was uns das interess sirt? Und überhaupt Karussell fahren, so etwas Ordinäres!« Sie war ehrlich empört. Lucie ichwieg und spielte mit dem Theelösieb ihre Augen sahen finster drein. Dann legte sie plötzlich den Lös- l sel hin, lehnte sich zurück und schlug die Arme übereinander. »Und was machen wir am Sonntags-« j »Was soll man denn machen?« fragte die Geheimriithin. »Das möchte ich auch toissen«, lachte Edith. »Wir diniren, und wenn Papa ausgeschlafen bat, fahren wir aug, und « wenn nicht Besuch kommt oder eines Einladung, sind wir am Abend im Theater, das ist doch alle Tage so.« »Ja, das ist alle Tage so«, bestätigte . Lucie ernsthaft und wie voll leiser Traurigkeit »Und nicht wahr, wir fahren nach Halenfee und trinken Kas see im vhttdertus ?« »- a. sehr wahrscheinlich —« nickte die heiknräthin, »das machen wir doch jeden Sonntag so.·« »Ja, jeden Sonntag«, wiederholte Lucie mit der alten, leisen Traurigkeit. die aber weder Mutter noch Schwester Fu bemerken schienen. Es entstand eine neue Pause. Lucie richtete sich halb aus und schlang die Arme um die Knie. »Könnten wir nicht ’rnal wo anders hint« »Wahin denn?'« Die Geheimräthin zuckte die Achseln. »Das einzige wäre noch Wannfee, und da in ein feines Re ftaurant.« . " »Da sind wir ·«a auch Wochentags oft I genug«, meinte Hut-ie. ! »Ja, wo willst Du denn sonst "hin?« ! fragte Edith. »Jn irgend eine Grum waldlneipe — am Sonntag, wo alles Voll unterwegs ist? Das haben wir doch viel schöner in der Woche. Sonn tags gehen alle Berliner Mädchen tan zen.« »Ja, das gehen sie«, sagte Lucie, »und freuen sich dsie ganze Woche d’rauf.« »Wie Du das sagst!« schalt die Ge beimräthin »Nein, Lucie, Du paßt wirklich nicht zu uns, ich weiß nicht, wo Du all’ Deine Marotten her hast.« Sie wandte sich von der jüngeren zu der älteren Tochter: »Alfo lassen wir es schon beim Hubertus. —- Das ist noch das Befie, und man fährst ja auch bloß, um die Zeit todtzu·schlagen." »Ja eben«, Lucie nickte vor sich hin. Sie hatte es leise fiir sich gesprochen, die beiden Anderen hatten es nicht ge hört. Nun hob sie plötzlich den Kopf und sagte laut: »Ich —— ich dachte, wir könnten doch auch ’mal was ——-· Beson deres machen.« »Was Besonderes-I« Die Geheimni thin »und Essth horchten auf. »Was denn fiir Besondere5?« lachte Epith. Lucie ftiitzte den Kopf in die Hand und spielte wieder mit Dem Silberliif fel. »Ach nichts —- ich dachte nur ,——« man könnte mit der Bahn fahren — und —- und durch den Wald laufen und im Gras liegen und Aasfee kochen und —« »Und Karussell fahren, was?« Edith schüttelte sich fast oor Lachen. »Nein, Lucie, was Du fiir Jdeen hast! Luise hat Dich wohl anaesteckt?« »Alles so gewöhnlich!« saate die Ge heimriithin empört. »Im Gras liegen, Kassee rochen, als wären wir solche Dutzend-Berliner!« »Es wäre doch aber ’mal was Ande res, als die anderen Tage«, meinte Lu cie zaahaft — »mal -— was —- was Besonderes fiir den Sonntaa!« »Was Besonderes für den —— Sonn tag!« Die Geheimräthin wiederholte es ironisch, lang aedehni. »Du bist ein-« fach verdreht, Lucie! Gerade wie solch« kleines Ladenfräulein, das die Woche über verkaufen muß und nun wunder denkt, was ein Sonntag ist. Kinde rei.« »Sie ist ja immer so kindisch. Ma ma!« Edith lachte wieder. »Der reine Backfisch trotz ihrer sechzehn Jahrel« — Sie sal) die kleine Schwester spöttisch mitleidig an. ,, ch glaube, Du benei dest noch die Lui e —- Du mit Deinem Sonntag! Der Sonntaa ist für Leute, die arbeiten müssen. Wir haben alle Tage Sonntag!« »Leider«, sagte Lucie. Sie sagte es wieder flüsternd fiir sich —— die beiden Anderen hatten es aber doch gehört. Die Geheimräthin zog die Stirne traus, aber Edith juchzte: ,,Leider? Das gefällt Dir wohl noch nickt ’mal'.2 Du möchtest wohl — na ich wünschte, ich wüßte, was Du so möchtest!« »Was ich möchte?« Lucie richtete sich jäh empor, und Plötzlich flog es iiber ihr Gesicht wie Verzweiflung, und sie schrie aus innerster Herzens-qual: »Was ich möchte? Jch möchte sechs Wochentaqe arbeiten müssen, um zu wissen, was —— ein Sonntag -ist!« —--. --—--s-— Der schlaue BUon Ein reicher Kaufmann oon Paris vertraute Vidocq an, daß er einen Ab: gang von 150,0()() France in einer Kasse ionstatirt habe. »Wie alt ist Ihr Kassirer?« fragte Vidocq seinen Klienten. »Fünfundzwanzig Jahre; ich bin jedoch seiner vollkommen sicher; er wurde bestohlen, doch ist er unmög lich selbst der Dieb« »Sind Sie bef heirathet?« ,,Ja.« »Wie alt ist Ihre Frau? « st «sie hübsch? Jst sie ehr bar?« a, mein Herr, sie ist ein Tu gendspiegel, das Muster ehelicher Liebe und Treue.« »Nicht hierum handelt es sich; Jhr Kassirer ist 25 Jahre alt; ich frage daher nochmals: ist sie hiibsch?« »Nun ja, wenn Sie es durchaus wissen wollen, sie ist reizend, aber« . . . »Aber, aber! es handelt sich hier nicht um »Aber«. Sie wollen Jhr Geld wieder haben und se en offenbar Vertrauen in mich; gehen Sie daher nach Hause, ges ben Sie eine dringende Reise vor, und führen Sie mich unbemerkt in’g Haus.« Wie gesa t, so geschehen Der Kauf mann rei te ab, und Bidocq verbarg sich in einem an das Schlaf-Zimmer der jun gen « rau angrenzenden Cabinet. Als das nühsttiick aufgetragen war, trat ein junger Mann in’s Zimmer. »Er ist abgereist!« rief ihm die junge Frau ent gegen. »Dort) hegt er Verdacht; wir sind verloren!« Der Vorgänger Car pentiers, anfänglich bestürzt, weiß sich jedoch bald zu fassen. »So bleibt uns nichts übrig,« schließt er eine Tirade voll gliihender Worte, »als uns mög lichst rasch einzuschiffen und . . .«' Jn diesem Augenblicke stand Bidocq vor dem Liebeswut Stummer Schrecken. Endlich unterbricht Vidocq die Pause mit folgenden Worten: »Ruhig, liebe s Kinder, oder hr zwi tinich, III beiden die S «del einzu chlagen. ört. ·-; mich an, wir werden uns rasch ve n- « -. digen. Wo ist das gestohlene Gelt-W « »Es sind nur noch 100,000 Fr. vorhan- «" den! stammelte die erblaßte rau« . »Wirtlich nicht mehrt« »Jchs wöte es.« »Gut, geben Sie das Geld her.« »Hier ist es.« »Schön, die Sache ist somit abgethan; erwähnen Sie nichts davon gegen Jhren Mann, so wird er auch nichts iisoer die Sache erfahren. Sie aber, junger Herr, reichen Sie mir Jhre niedlichen Hände.« Er legte ihm die Handschellen an, brachte ihn nach Havre und schiffte ihn an Bord eines zur Absahrt «bereiten Schiffes ein, in - dem er igm zum letzten Lebemohl nur sagte: » assen Sie sich anderswo hän gen-« Nach Paris zurückgekehrt, über gab er das Geld dem Kaufmanne mit » den Worten: »Ihr Kassirer swar der s Dieb; 50,000 hat er mit einer Tänzerin s durchgebracht. Fragen Sie mich nicht I weiter, er ist bereits auf dem Wege nach sAmerila.« — Wie ein freilich unver ! bürgtes »on dit« missen will, lebte der TKaufmann mit seiner Frau fortan in ) » schönster Harmonie Aus Anlaß der Dinmarrrhochzktt des Strelitzer Großherzogpaares theilt man folgende interessante Erinnerun ngn mit: Als am 28. Juni 1843 der damalige Erbgroßherzog von Mecklen barg-Streich sich im Buckinghampa last in London mit Augufte, der Toch ter des Herzog-H von Cambridge, ver mählte, befand sich auch König Ernst August von Hannover unter den Fest gästen. Der König, der bereits einige Zeit vor der Hochzeit eingetroffen mar, gab sich im Verkehr mit seinen alten Freunden nicht als König von .Hannover, sondern als Herzog von Cumberland, wie er auch dem Hofe ge genüber aiigsprach. Es tam infolge der Bestimmung der Königin, daß ih rem Gatten, dem Prinz-Gemahl, der Rang vor allen englischen Prinzen ein zuräumen sei, auf der Hochzeit zu meh reren undermutheten Zwischenfällen, bei denen der König Ernst August sei nen Vorrang nicht nur beanspruchte, frmhern mit-h bebaut-stets Qimisirfisi verweigerte der König nach der Ehe schließung die Unterschrift des Ehebu tratts als Trauzeuge; als er sah. daß der Prinz-Gemahl seine Unterschrift bereits unter das Dotument gesetzt hatte. Es sollte aber noch anders kommen. Als der Hochzeitszug eben im Begriff war, sich in die oberen Ge mächer zu ·bege’ben, wo die Gesellschaft sich versammelt hatte, trat der König plötzlich an die Königin Viktoria her an und ergriff ihre Hand, um mit ihr den Zug zu eröffnen. Die Königin, die nach dem Programm mit dem Prinzgemahl als erstes Paar den Zug eröffnen sollte, suchte den König zu bewegen, ihre Hand freizulassen, und, als dies nichts half, ihm die Hand zu entziehen. Aber der König war un erbittlich; er hielt die Hand der Köni gin so fest, daß der Königin schließlich ein Aufschrei entfuhr und sie rief: »Sie thun mir ja weh!« Der König erwiderte ruhig: »Das tshut mir leid, aber los lasse ich Sie nicht, da ich weiß, wohin ich gehöre!« Schließlich ergab sich die Königin und eröffnete an der Hand des Königs den Hochzeitszug des fürstlichen Paares, das jetzt au eine 60jiihrige Ehe zurückblicken kann. Antite Reinen-send Jn Rom ist bei den jüngsten Aus grabungen auf dem Forum ein Jn schriftstein zu Ehren des Zirtuslut schers Avilius Teres, der unxer Kaiser Domitian lebte, gefunden worden. Auf der Ehreninschrift werden wie auf an deren schon früher gefundenen die Pferde verzeichnet, mit denen er seine Siege im Wagenrennen gewonnen hat. Tie Steine belehren uns über Namen, Heimath und Farbe der Rennpferde. Einmal sind es 80, ein andermal gar 136 Pferde auf einem Stein. Die Wams-n sinh »Hm-her Jänner-naiven oder mnthologische oder individuelle, wie etwa Wolf, Sperling, Räuber, Flieget, Schnellläufer, Fleckig Biene, Taube, Srnarago, Dolch, Adler, Edel stein, Fahnenträger, Ro:hfuch:—, Glücks lichster, Verwüster und ähnliche. Ber weitem die meisten Pferde sind auch auf der neuen Jnschrift als Afrikaner be zeichnet. Ganz vereinzelt finden sich auch spanische, gallische, thessalifche und aetoltsche Pferde als Sieger. Ein aka bischeg Pferd wird auf den Steinen nie genannt. Denn die Araber benutzten zur Zeit der römischen Kaiser aus schließlich Kameele, und erst im Jahre 1100 n. Christo wird in einem griechi schen Text das Lob eines arabischen Rennerg gesungen. Damals aber wa ren längst jene ge.valtigen Völkermam derungen vollendet, welche die Araber an aie Nordkiiste Afrikag führten. Dort haben sie bei den Berbern und Mauren ihre Kameele gegen das edle afritanische Roß eingetauscht Denn aus Afrita und nicht Arabien bezogen die Griechen Aegypter. Assyrer ihr bestes Pferde material. Und wenn die Thatsache oft bemerkt ist, daß die attischen Rosse auf dem Fries am Parthenon im Typus dem heutigen arabischen und englischen Pferd nahe stehen, so ist der Grund da siir nach einem französischen Archäolo gen in der gemeinsamen Abstammung vom Berberrosz zu finden. -»..-,. Bei-neben und vergessen· Gast lzum Reftaurant - Kassiret): fLassen Sie uns vergeben und verges en.« Kassirer: »Ich verstehe Sie nicht. Was meinen Sie damit?« Gast: »Ich will dieses miserable Dinner vergeben, wenn Sie vergessen, daß ich es gehabt habe.«