Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 21, 1903, Zweiter Theil, Image 11

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    ssssssssss
Ofener Schreibebrief von
xtkkie hanfflengeh
Mister Edi
thor, mer sin
nit gemuhst
un mer baue
auch tei neues
Bilding, mir
hen unser
Haus ass
pätsche losse
un jetzt is
widder alles in e gute Schehp. Oss
Kohrs is ja noch lang nit alles, wie
ichs gern gleiche hebt, owwer die
selwe eZit is es besser, als wie zuvor.
Sehn Se ich hen Jhne doch gesagt,
daß unsere Ruhms arig gr« sin, wie
mer se in die neue Haiser gar zit mehr
mache duhi. Wisse Se, in die neue
Haiser. do mache se soviele Jmpruhs
ments errei, daß gar kein Platz mehr
for die Ruhms bleiwe duht. Weil
also unsere Ruhms so groß sin, do
hen ich gedenkt, mer könnte uns e
Badruhrn fickse losse. Bis jetzt hen
mer noch keins gehabt un Si wisse
gut genug, was das sor en Butter is,
wann mer Kinner in die Fämmillie
hot. Im Sommer iH es j: noch gut
genug, awwer wann im WEnter ebbes
bassire duht un die arme Minnercher
missei n die Nacht aurseit in die
Jahrh, bas- iH doch e wenig tosf. Un
dann do iH das Bade. Mir lien ja en
gut seist klgaschtobh owiver wann die
Feger mit ihren Bade horch sin, dann
schwimmt di-: siitschen un ich hen drei
Dag zu dul)n. bis ich widder alles
itsfgesickft ben. For den Riesen bo sin
ich fmb »in-s- inkt m» ikbt die Em
ptuhfment hen mache lasse, das is doch
e ganz anner Sach. Die Kids sin
ganz eckseitet iwwer das Badruhm un
es is den ganze Tag eins drin; wisse
Se, ej is enIe ncch ehhes neues. Wie
mer zum erschte mol hen bade könne,
do hätte Se emol die Fest sehn solle
Jedes hat zuerscht enei wolle gehn un
wie se sich gar nit hen einige könne,
do hen die Lausbuwe hawwe wolle, ich
sollt zuerscht bade, for dasz se emol
sehn lännte. wie alles schaffe duht.
Sell hen ich off Kohrs nit gedahn un
do hot der Philipp, was mein Dos
band is, gesagt, er wollt den Statt
mache, bitahs er wär der älteste in die
"mmtllie un nach ihn deht die Ma
omme, bitahs die tärn zunächst in
Ehtsch un so fort, bis zu allerletzt der
jüngste Bub dran tamme deht. So
hätt jedes sein Törn un leiner hätt
Kahs zu title. Damit hen se all sat:
tisfeit sein müsse un der Phil is in
das Badruhin. Die Kids hen sich ver
oge un hen mich nur gefragt, daß ich
se rufe sollt, wann ihr Tärn komme
deht. Es hot noch teine fünf Min
nits genomme, do is der Phil widder
etans tomme un hot gesagt, das
darnd Ding deht nit schaffe. Er hätt
gedreht und gepufcht wie alles, answer
es deht tein Wasser comme. Sell is
doch fonnie, hen ich gesagt, du hist en
Dadpes un das is all, was du bist.
Loh mich emol treie. Do sin ich in
das Badruhm, hen mich ausgezoge un
hen dann das Wasser andrehe wolle,
awwer es is nicts komme. Bei Galle,
do hen ich awwer e Wuth kriegt, daß
ich am allerliebste gegliche hätt, das
ganze Badruhm zum Fenster enans
u umfinge. ch gen gedenu« oao
Wasser wär am End eingefrore,
awwer so ebbes is doch bei die Tem
peretschuhr nit zu eckspeekte. Weil ich s
den mich widder gedreszt un dann hen
ich gedenkt, mehbie mer mus; den
Fahssett etscht e trenig naß mache; ich
ftn in die Kitschen aange un hen en
Pehl voll Wasser geholt un dann hen
ich uss un in den Fahssett gesprenkelt,
awwer es hot all kein Gut nit gedahn,
O, Fotsch, den ich gesaat un ossKohrH
den fest auch all die Hist emol irrie
wolle, se hen so lang an den Fahssett
erum gedreht, bis er beinahe von
selbst gange is, awwer Wasser is doch
keins komme· Do hot der Philipp e
schmarte Eidie kriegt. Er hot gesagt,
in so en sieh-i wär nicks annerschter zu
duhn, als wie den Ploknmer hole, sor
dass der die Sach sickse del-t. Jch den
dieselwe Eidie gehabt un do hen mer
eins von die ths fortgejagt, den
Plommer zu hole. Der is awtoer
erscht Hwei Dag später komme un so
lang wie der nit komme is, hen mer
oss Kohrs auch das Bad nit juhse
könne. Well, tote er endlich komme is,
do hot er soc drei Stunde an die Peip
erum gemonkied, awwer er hot kein
Sockzeß gehabt; es is lein Wasser
komme un er hot gesagt, der Plomi
mee. wo uns dag Badruhm gesiast
hätt, das müßt entweder e Nindvieh
von Geburt an sein, odder er deht sei
Bißneß nit verstehn; am beste deht ich
ihn en Brief schreiwe in ganz plehne
Lengtvitsch, daß er komme sollt un sei
anze Schuhttnamiitsch widder hole
Polit. So Iellersch müßt mer ganz
gehörig siekse. Unner die Zirtumsten
zes den ich gedenkt, daß sell auch
schließlich ästerahl das beste wär an
ich hen den Phil gesagt, er sollt sich
gleich hinhoeke un den Brief schrein-e;
er sollt ihn awroer recht streng mache,
dikabi so en Butter wollt ich mit e
neue Badruhm nit ben. Uhlrecht bat
der phil gesagt, zuerscht muß ich
answer eint-l zu den Wehe-weiter gehn
Ist en Drink zu nemme, bikabs dle
Meist-sent set mich ganz nsrtpei se
Mququstkslnidderew
ni dann tweitene. Ahlrechi, hen ich
gesagt, awwer steh nit so lang, ditahs
ch hen nit ehnder Ruh, als bis ich
das Badruhrn in Schehp hen. Der
Phil is auch gar nit lang gestannr.
Jn so edaut zehn Minnits is er do ge
wesi un hat den Wedesweiler mitge
bracht. Der hot gesagt, er wollt doch
ernol gucke, ob er nicks finne könnt.
Osf Kohrs hot er alliwwer ernrn ge
guckt un schließlich is er auch in den
Keller gange. Nach e tleine Weil hot
er gesagt: Piebels. ich will Euch emol
eddeö sage; euer Badruhm is ahlrecht,
awwer ihr selbst seid verdollte Rindsi
viehcher; wie könnt Jhr dann eckspeci
te, daß Jhr Wasser in Euer Badruhm
habt, wann ihr in den Keller gar
keine Kohneckschen mit die Mehnpeip
habi? Mister Edithor, do hen ich
awwer arig tschiep gefühlt; ich hen
den Philipp ganz gehörig daunge
tahlt» hitahs er als Mann hätt das
doch gleich wisse müsse, was unver
stehi e Lehdie von Plumming? Awwer
ich sin schuhr, der Phil bleibt sei gan
zes Lewe e Kalb un duht sich höchstens
wann er Glück hot, zu eme Ochs de
welloppe. Mit beste Riegards
Juhrs
Lizzie HansstengeL
-»—..·.
Ein Bot-fahre der Anschtskariem
Ueber den Ursprung der Ansichis
posttarie, in deren Zeichen jetzt die Welt
steht, wird viel gestritten. Selbst die
tühnsienForscher wagten bis jetzt nicht,
über das Jahr 1870 zurückzugehen.
mu- ss.-t «ck-- h-- Ek----«k- Styls
Ist-Is- Ouuosssk o
..... .,... .«. » .,.,..
Grand-Cartetre im »Almanach de la
petite Poste de Paris« vom Jahre
1777 folgenden meriwiirdigön Text
gefunden, den er in einer erösfent
lichung iiber die Ansichtspostkarte wie
dergiebt: »Man schickt einander durch
die Post,als höflichkeitsausdrucl oder
als Glückwunsch über die verschieden
sten Gegenstände gestochene, auch oft
mit Bemekun en versehene Karten, die
offen, jedem ichbar, befördert werden.
Man hat viel über ldiese Reuerung ge
redet. die die Erfindung des Stechers
Desmaisons ist. Manche Leute sin
den,-dasz man damit die Bosheit der
Dienerschast Vorschub leistet, die auf
diese Weise in Jedemanns Geheimnisse
eindringen kann.« Jm Uebrigen fehlen
genauere Nachrichten iiber diese Vor
fahren der heutigenArisichtskartem Es
scheint, dasz die Sammler tein einziges
Exemplar haben.
Dei- Dönis der Sahn-.
Man wird sich noch des Glückes
und Endes des «Petit Sucrier«. Mar
Lebaudh erinnern, den seine Millio
nen nicht vor einem traurigen Tode in
früher Jugend bewahren haben tönen.
Eines hat er wenigstens in seinem
kurzen nnd inhaltlosen Leben erreicht:
er hat iiionatelang in Frankreich durch
allerhand dumme Streiche von sich re
den gemacht. Dieser Ruhm, den man
auch ohne Millionen haben kann, läßt
anscheinend einen Bruder von ihm,den
bekannten Sportsniann und Zucker
sabritanten Lebauth nicht ruhen. Er
hat sich aus die Colonialpolitil gewor
sen und trägt sich mit dem Gedanken,
»den Besitz Frankreichs zu vermehren.
Zu diesem Zweck hat er einige vergol
dete Zuckerhiite drangegeben, um in
Nordwestafrika, an der Küste, ein
großes Gebiet ein utauschen, das er
iolonisieren will. enn man dieMit
tei bat, will man gewöhnlich auch ei
nen Titel. Da der Name »Schisf der
Wüste« nicht gut klingt. und König
der Wüste« unangenehmeAuseinander
setziingen mit dem bisherigen Inhaber
dieses Adelsnamens haben könnte. so
nennt sich Herr Lebaudy ebenso beschei
den als schön »Ri5nig der Salyara«.
Augenblicklich hält sich der Zudermann
zu Las Palmas, auf den Canarischen
Inseln auf. Seine Sommerfrischei
ireuden werden nach einer Mittbeilung
des »Matin« aber durch die große Zu:
kücklsaltung des dortigen französischen
Consuls getrübt, worüber der ,,Ikönig«
sich lebhaft beschwert. Er thut dem
guten Manne aber wohl Unrecht. Er
stens ist der französische Consul doch
Republitaner, und zweitens ist er am
Hofe des Wüstentönigs noch gar nicht
beglaubigt. Uebrigens ist es nicht
ausgeschlossen, daß es in Spanien we
gen Lebaudn l. zum Bürgertriege
kommt. Die spanischen Blätter be
sebden sich meistens schon sehr heftig.
Die einen lecken an dem süßen Thron
Lebaudys herum, die anderen sind
der Ansicht, der Saharatiinig solle sich
fitr seinen Sport ein anderes Gebiet
als das aussuchen. über das Spanien
hoheitsrechte geltend macht· Nun tön
nen hie »8uckerbiite« ja bald lustig
durch diei Luft sausen. Vielleicht er
eignet es sich in unserer friedliebenden
Zeit auch, daß die Sache im Sande
verläuft.
Die gescheidten Menschen, die unsere
Ansichten gnadenlos bekämpfen wer
den uns trotzdem niemals so demüthi
gen können, wie die Dummttöpfe, die
unserer Meinung sind.
« i i
Auch in Grönland giebt es Blute
traten, die mit ihrem Neichthum dick
thun. In Oft-Baffinslantd hat here
KorsKmYa sich ein holzhaus errichtet
und eine Petroleumlampe angeschafft.
Und als er vor Kurzem ein Geschäfts
subiliium beging, trattirte er einen
Ritzen Tag lang Leberthran feinster
arte!
s- e- ·
UnioersitätssStudenten sin jeßt
vielfach als Iarmarbeiter that-ig.
Wenn sa - elehrte Leute damit be
sassen, knieen die Aus en fttr die
Kartoffeln-nie nicht schr We seien
Verspekuiirt
»Du«, sagte der Kaufmann Stein
riick, als er eines Tages nach Hause
kam zu seiner Frau, »Deine Mutter
malt jeht an einem Bilde, so was hast
Du in Deinem Leben noch nicht ge
sehen, wir sahen uns es drei zu glei
cher Zeit an, der eine hielt es für eine
Seeschlacht, der andere siir eine wei
dende Elephantenheerde und· ich siir
eine russische Winterlandschaft —- üb
rigens, was erzähP ich Dir denn, Du
wirst es wohl selbst gesehen haben
Na, hoffentlich hat es auf Dich- densel
ben Eindruck gemacht, wie aus mich,
ich habe mir noch aus der Straße die
Seiten vor Lachen halten müssen!«
Die junge Frau senkte betrübt den
Kopf, es schmerzte sie immer, wenn
ihr Mann geringschätzig von ihrer
Mutter sprach, obwohl sie zugeben
mußte, daß Frau Aurelie Bellerbeck,
geb. Thugut, ihre Schrullen hatte. Sie
antwortete daher auch nicht sofort,
sondern sagte erst nach einer kleinen
Pause:
»Nein, ich habe das Bild nicht gese
hen, Maina hat es mir nicht gezeigt,
ich vermuthe, daß sie es mir zum Ge
burtstag schritten will!«
»Was?« rief der Mann entsetzt,
»aus keinen Fall nehme ich das an,
aus keinen Fall, das Monstrum kommt
mir nicht in’s Haus, das schwöre ich
Dir, ich wüßte absolut nicht einmal,
ivo ich es hinhängen sollte.«
Er kam nicht dazu, weiter zu schim
psen, da ihn seine Frau mit dem ent
rüsteten Aufschrei: »Adols, besinne
Dicht« unterbrach. Er besann sich
auch wirklich, schwieg und ging brum
mend im Zimmer aus und ab. Die
junge Frau, die vorhin ausgesprungen
war, sehte sich wieder.
»Schau, Abols«, begann sie mit
sanster Stimme, »Du mußt nicht so
über meine Mutter sprechen, ich weiß
ja, sie hat ihre Eigenheiten, aber, wer
hat die nicht; nun hat sie sich, seit sie
mich, ihre einzige Tochter, verheira
thet hat, aus die Kunst geworfen, sie
malt ja keineswegs gut, ich gebe es
zu, aber sie iibt sich doch erst seit einem
halben Jahr in dieser Kunst, wer
weiß, ob Du es besser können würdest
in der kurzen Zeit!«
»Das glaub’ ich auch nicht, und
tushalb lasse ich’s eben!«
»Mama musz doch eine Beschäfti
gung haben!«
»Dann soll sie Strümpfe siriclen!«
»Das ist doch keine Befriedigung
siir ben Geist!«
»Geist! Hahaha, sie hat ja gar kei
nen!« .
»Aools, Du wirst roh!«
»Ach, roh hin, roh her, meinetwe
gen mag sie malen so viel sie will,
aber mich soll sie mit ihren Kunstprog
dukten in Ruhe lassen; schenkt sie Dir
wirklich das Bild, und wir hängen es
nicht im Salon an der besten Stelle
auf, spielt sie doch mindestens acht
Wochen die gekräntte Leberwurst!«
Die junge Frau senkte mit einem
leisen Seufzer den Kopf
«Na also!« fuhr Steinriick, die Be
wegung berstehend, fort: »ich sehe doch
nicht ein, warum ich mir oen Solon
orrschimpfiren lassen soll!«
Die junge Frau nickte, dann aber
sagtemsiu ,,«Schau’, Adols, was soll
kkvl4v »sc- i.-- J
ssssss
Krinisirams, und dann denkt sie doch,
sie macht mir eine Freude!«
»Sie soll nicht denken«, rief Stein
riick, »das hat sie nicht gelernt! Aber
was ein Geschenk zu Deinem Geburts
tag anbeirisfi, so mag sie deshale
wirklich in Vertegenheii sein. Was
ich Dir schenken sollte, wüßte ich an
genblickiich selbst nicht, dei Dein-r
Mutter ist das viel leichter zu sin
den!«
,,So«, tief die junge Frau Jisrin
Weißt Du ein passender-» Geschenk fiir
Mania?«
»Ein sehr passendes!«
»Was denn, ach bitte, sage es mir,
was soll ich ihr zum nächsten Geburts
tag schenken?«
»Schenie ihr eine angefangen
Handarbeit Da kann sie d'ran sti
den!««
«Adolf!« Die jun-ge Frau wollte sich
eben in einer längeren Rede über die
Güte ihrer Mutter und die Takilosi,i
keit ihres Mannes ergehen, als dieser
pxiitzlich im Zimmer herumzuianien
anfing und dazu rief:
»Ich hab’s! ich has-M ich hab’i3·!«
»Was denn«, rief die junge Fran,
ist«-er der Neugierde die Sirafpredigt
vergessend
»Das werd’ ich Dir sagen, wenn
Dein liebes Mütterlein hier ist«, sang
e: ini Reciiaiio und hopste dabei auf
einem Beine. »Kling«, ahmte er der
draußen gehenden Korridorglocke nach,
»wir scheint, da ifi sie schon oder doch
nicht? ach vielleicht, indem wir hoffen,
hat das Unglück schon getroffen«
Und es hatte getroffen, denn kaum
hciieSteinbriick ausgesprochen, so öff
nete sich die Thür nnd Frau Aureiie
trat in’s Zimmer.
Mit grinsenden Gesichtsziigen eilte
ihr Steinriick entgegen und rief mit
ironischer Freundlichkeit: »Ach, Ma
ina, wie reizend, eben- sprachen wir
von Dir, iawohl, meine Frau wird es
Dir bestätigen Und weißt Du, was
wir beschlossen habet-i —- Rein, nun
höre: weil Du Dich- so sehr siir den
Wohlthätigkeit-herein —- Mißguisi
—
heißt er ja wohl ? nein, na, dann heißt
er anders, interefsirfi. so haben wir
beschlossen, Dir zu Ehren Alles, was
meine Frau zum Geburtstag be
kommt, als Gewinne für Eure Wohl
fahrtslotierie zu stiften, und daß ich
das thue, darauf gebe ich Dir hiermit
mein Ehrenwort.«
Frau -Aurelie, die ein paar Mal
versucht hatte, ren Sprechenden zu
unterbrechen, machte ein enttüufchies
Gesicht.
Das ist eigentlich ein wenig viel für
Jemand, der nicht einmal Mitglied
des Vereins ist; es würde vollständig
genügen, wenn Du einige Loose näh
mefi!«
Steinrück wehrte mit beiden Hän
den ab.
»Nein, Mama,« risef er, »das thue
ich nicht, das thue ich wirklich nicht,
auf keinen Fall; ich gebe jährlich fünf
hundert Kronen für wohlthiitige Zwe
cke aus, und das ift gerade genug!«
,,’fünfhundert Kronen!« sagte Au
relie mit einem Anflug von Zweifel
in der Stimme. »So so, da wunder!
es mich aber sehr, daß ich Deinen Na
men noch nie in einer der durch die
Zeitungen veröffentlichien Listen ge
funden habe.«
»Das wirft Du auch kaum je sehen,
weil ich mir das fchönftens verbitte!«
»Aber welche Thorlxit, wenn man
so viel giebt, lann man doch stolz dar
auf f-ein!«
..:«(-.1. liebe Mama« entnenneie
Stein-kais mit seinem Lächean « »es"
kommt eben darauf an, ob man wohl
thun oder dictthun willi«
Frau Aurelie antwortete nichts
mehr und war den ganzen Abend recht
mißgestimmi.
So ärmlich wie diesen Geburtstag
hatte Frau Anna Steinriick noch kei
nen erlebt, von ihrem Manne bekam
sie nur einen vernickelten Schuhanzie
her, der laut Adolfs Wort sofort in
die Wohlthätigksritslotterie wanderte.
Hier ist zu bemerken, daß Steinriick
seine kleine Frau am Tage vor dem
Geburtstage überreich beschenkt hatte.
Von Frau Aurelia aber erschien zu
Dem Geburtstag der Tochter nichts als
ein Brief. Er enthielt ein Busen-d
Loose zu der Wohlthätigkeitslotterie
und ein Schreiben folg-enden Inhalts:
,,Geliebte Tochter! Mit den herz
lichsten Glückwiinschen fürDein Wohl
ergehen sende ich Dir einliegend ein
Dutzend Loose, da ich will, daß Jhr
von der von mir protegirten Wohlthä
tigkeitslotterie Nutzen, nicht aber
Schaden habt. Jch beabsichtigte erst,
Dir mein letztgemattes Bild zu wid
men, da aber Dein Mann sagte, er
wolle jedes Geschenk, welches Du er
hältst, der Wohlthätigkeitslotterie stif
ten, so dachte ich, könne ich das Kunst
wert ja selbst stiften. Die Loose kann
Dein Mann übrigens nicht zurückschi
den, denn die werden nicht angenom
men. Jn einer Stunde bin ich bei Dir.
Leb’ wohl, aus Wiedersehen.«
Ueber den Brief und das Geschenk
wollte sich Steinriick trank lachen, und
Frau Anna war auch ganz zufrieden,
daß es so gekommen. Das Bild hätte
einen ewigen Zankapsel zwischen ihr
und ihrem Manne gegeben.
Da Steinriick die Billets nicht zu
riickschiaen konnte, oerschenkte er sie,
wag aueroingg einige zueuye roIrece, da
sie Niemand haben wollte. Aber er
wurde sie doch los, bis aus eins, das er
nothgedrungen behalten mußte.
Gewöhnlich gewinnen nur Loose,
die man verschentt; hier trat aber das
Gegentheil ein. Eines Abends tam
Frau Aurelie und brachte dem er
staunten Ehepaar die Kunde, das-, aus
eins ihrer Loose ein bedeutender Ge
winn gefallen sei..
Beschämt gestand Adols, daß er von
dem ganzen Dutzend nur noch eins be
sitze. Als er es aber herbeiholte, stellte
es sich heraus, daß er gerade das Ge:
winnloos behalten hatte. Voll triiber
Ahnung gab er Frau Aurelie das
Loos zur Regelung der Angelegenheit
mit, und seine Ahnung sollte ihn nicht
betrogen haben. Am nächsten Tage
kam der Gewinn, zwei Männer tru
gen ihn, es war ein langer, flacher Ge
genstand. etwa in der Form einer
Stubenthiir. Entsetzt riß Adolf die
Decke weg, die den Gegenstand ver
hüllte, dann sank er mit einem Aus
schrei in die Arme seiner nicht minder
entsetzt-en Frau: see hatten auf das
einzige unverschenlte Loos — das Ge
miilde der Schwiegermutter gewon
nen«
Zudem-then
Der neueste und zwar etwas uner
llärliche Trust ist lder Zahnstocher
Trust. Sechs Fabritem welche sich
mit der Herstellung dieser kleinen Holz
lanzetten befassen, sind soeben unter
einen Hut gebracht worden. Sie fa
briziren täglich 100,000,000 Zahnsto
eher. d. i. einen und drei Stehenm
Zahnstocher der Tag für jeden einzel
nen Bewohner der Ver. Staaten.
Mann, Frau, Kind, Säugling an der
Mutterbrust, Jndianer und sonstige
Mitdiir er. Das Merkwürdi e dabei
ist,daß illionen von die en enschen
überhaupt leine·3ahnst· r gebrau
chen, ja sogar eine gewisse Abneigung
gegen desia te Kultur-einrichtung em
p indem r benüst denn nun diese
sse Zahnstocher und was wird aus
den 100,000,000 Zahn rn, welche
täglich hergestellt werden « » ··—»
W
Mein bester Freund.
Von Pierre Veron. Deutsch von
Wilhelm Thal.
I.
Die Moralisten verbringen seit
mehreren Jahrhunderten ihre Zeit da
mit, über den Verfall derFreundschaft
zu jammern. Die Moralisten müssen
immer über etwas jammern. Haben
sie recht? Vielleicht. Doch ich muß ge
stehen, ich tümmere mich nicht viel da
rum. Denn trotz allem, was sie sagen
oder thun mögen, ich habe einen
Freund, einen Freund, wie man kei
nen mehr findet.
Dieser Freund ist ein Weiser. Er
kennt weder Uebertreibung, noch Par
teilichteit. Er vergrößert weder die
Fehler, noch die Vorzüge, er sieht die
Welt, wie sie ist, und zeigt sie auch fo.
Um so schlimmer für die Welt, wenn
sie manchmal häßlich anzusehen ist.
Was ihn anbetrifft, so kennt er nur
eine Devise: Offenheit und Ehrlich
keit. Man verlange nicht von ihm
die verhängnißvolle Gesälligleit der
heuchlerischen Schmeichler, man ver
lange auch nicht von ihm die erzwun
gene Zustimmung der neidischen Pa
rasiten. Das ist die Maske der
Freundschaft, und mein Freund ist die
Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit selbst.
Doch man verlange von ihm uneigen
nützige und sichere Rathschläge; man
verlange von ihm den Muth seiner
Meinungen, selbst wenn diese Mei
nung zuweilen den Fragesteller ein
wenig tränkt; kurz, man verlange von
i
ihm, was man von einem treuen Ge
fährten erwarten darf, und er wird
das Vertrauen, das man ihm entge
genbringt, nie täuschen. Einige wür
den sogar der Meinung sein, er treibe
die Offenheit manchmal bis zur
Schrofsheit. Ich aber weiß, daß er ein
sehr wohlthätiger Grobian ist, und
danke ihm fiir seine manchmal plumpe
Aufrichtigkeit, ohne mich darüber zu
ärgern. Freunde, wie es mein
Freund ist, sind ja so selten.
2.
Es ist lange her, als ich ihn zum
erstenmal schätzen lernte. Wir unter
hielten schon ziemlich rege Beziehun
gen, doch ich würdigte ihn nicht nach
seinem vollen Werth und ließ ihn so
zusagen im Wintel stehen. Es war
eines Abends, als ich ihn, wie gesagt,
zum erstenmal schätzen lernte. Jch
war zu einem Balle eingeladen, dem
ein Konzert und eine Salonkomödie
vorangehen sollte. Theils aus Eitel
keit, theils aus Gesälligteit, hatte ich
in der Komödie eine Rolle übernom
men und sollte auch in dem Konzert
austreten·
Jch hoffte aus einen Erfolg, und
mehrere meiner Freunde — meiner
anderen Freunde —- haiten mir auf
der Probe geschworen, ich spiele wie
der selige Talma und singe wie ein
Engel.
Ob sie überhaupt jemals einen En
gel hatten singen hören, davon sagten
sie mir allerdings nichts.
Jch wollte gerade fortgehen, als
mir plötzlich der Gedanke tam, eine
bestimmte Stelle des Stückes in sei
nem Beisein zu probiren, den ich nach
lässigerweise bis dahin gar nicht um
Rath gefragt hatte. Wir waren al
lein. Jch stand in der Mitte des Zim
mokä sk Rock-mit fins- nvbon dem Kn
" ’-I"
min. Ich begann meine Tirade mit
großen Gesten. Doch er unterbrach
mich schon bei den ersten Worten:
»Wie « sagte er zu mir, »l)ast Du
denn den Kops verloren? Ja, merkst
Du denn gar nicht, daß Du komisch
bist? Daß diese Salontomödie nur
ein Vorwand ist, daß Du Dich durch
Lobeserhebungen verblenden läßt?«
»Aber?« . . .
»Es gibt tein »Aber«, Deine Mimik
ist ungeschickt, Dein Gesicht schneidet
Grimassen, Deine Arme bewegen sich
wie Telegraphenstangen. Du wirst
laut applaudirt werden, und leise
wird man Dich zerreißen; ich sag’5
Dir vorher; jetzt kannst Du thun, was
Du willst.«
»Aber wenigstens wirst Du mir
doch die drei Lieder, die ich singen soll,
zugestehen.«
»Seht hübsch, jetzt machst Du ein
Gesicht wie ein Karpfen; ja, willst Du
Dich denn durchaus lächerlich ma
chen?«
Jch war einen Augenblick ärgerlich,
hielt dann Cintehr in mich selbst. er
kannte die Richtigkeit der Kritik, und
seitdem kann ich auf einer Soiree tei
nem Durchfall eines Dilettanten bei
wohnen, ohne die Grobheit meines
Freundes innerlich zu segnen
B.
Von diesem Tage an waren wir
Freunde auf Leben und Tod; ich
schwor fötmlich auf ihn. Aber wo
fand man auch einen so wunderbaren
Scharfiinnii Es war unmöglich, ihm
eitan zu verbergen. Schon auf den
ersten Blick sagte er zu mir:
»Guten Tag, was gibts denn heute
Morgen Neues? Teufel, Teufel» wir
sehen unzufrieden aus, wir haben ir
gend einen schweren Plan, der uns
quält, oder werden von Gewissens
bissen verfolgt. Nimm Dich in acht,
mein Bester, Gewissensbisse sind
schlechte Begleiter.«
Oder er sagte: »Das laß’ ich mir
gefallen, solch’ ein vergnügtes Gesicht
efiillt mir! Jch möchte wetten, Du
it eben ein gues Werk gethan. Jch
beglückwünsche Dich deshalb nicht,
denn eine gute That findet immer in
sich selbst ihren Lohn.«
, ,
Und jedesmal, wenn der sursche ss
spricht. trifft er immer das Wichtige,
o daß ich schon aus Furcht vor der
Kontrolle meines Freundes genbthigt
sein werde, eine Seele von einem
Menschen werden.
4
Daher würde ich auch, wenn ich
eine Tochter hätte . . . Böse Zungen
haben in dieser Beziehung über mei
nen Freund häßliche Gerüchte ver
breitet, die keinen Sinn und keinen
Verstand haben; man behauptet, er
übe auf die Frauen einen gefährlichen
Einfluß aus, verdrehe ihnen den Kopf
und verlocke sie, schlimme Fehler zu
begehen. — Jch behaupte nach wie
vor, diese Gerüchte lügen, und die
Köpfe lassen sich nur verdtehen, wenn
sie leichtfertig sind.
Daher, ich wiederhole es, würde ich,
wenn ich eine Tochter hätte, ihn zu
ihrem Rathgeber einsetzen, und ich
wette, er würde ihr sagen: »Mein
Kind, Sie sind schön, mein Kind, Sie
sind jung, begnügen Sie sich damit!
Lassen Sie sich nicht vom Luxus ber
blenden; denn der Luxus kommt dem
Herzen oft theuer zu stehen. Mein
Kind, bleiben »Sie einfach, dann wer
den Sie auch stets würdig bleiben, ge
liebt zu werden«
Kann man wohl besser sprechen, als
mein Freunds
5.
Auch als Arzt ist mein Freund
ganz vorzüglich, und auf diesem Ge
biet gibt es keinen schärferen Beob
achtet.
Er hat allerdings nicht das ge
ringste System, er ist weder für Allo
pathie, noch für die Homöopathie.
Aber steht er deshalb geringer dalt
—- Jch finde, er steht nur desto höher
da; denn seine ganze Wissenschaft
gründet sich auf die Erfahrung der
Thatsachenz er täuscht sich nie.
»Hm, hm, wir haben heute Nacht
schlecht geschlafen.« .
»A.ber . .
»Wir sind zu spät aufgeblieben, wie
dieser dunkle Ring unter den Augen
beweist.«
»Ich verordne Dir, heute frühzeitig
zu Bett zu gehen, sonst stehe ich für
nichts . . . Und das Uebel ist sogar
schlimmer als ich glaubte. Du«hast in
dieser Woche viel zu viel gegessen;
leugne nicht. Diese dicken Adern deu
ten auf Triiffeln und Champagner;
also Nüchternheit, Thätigteit und eine
volle Woche aufs Land, mein
Freundl«
6.
Eines Tages indessen haben wir
eine tleine Meinungsverschiedenheit
gehabt.
Es ist noch gar nicht lange her. Ich
ging an ihm vorüber-, ohne an etwas
Böses zu denken, als er mich unter
weas aufhielt: »Höre ’mal, Du
fängst an, graue Haare zu bekom
men."
»Ach, Unsinn! in meinem Altert«
,,Bis jetzt ist es nur eine War
nung!«
»Aus die ich nichts zu geben brau
,,Das hindert nicht, daß ich eben
auf der Schläfe ein schönes weißes
Haar entdeckt habe. Jch sage Dir das
vorher, damit Du nicht länger auf
den Jüngling herausspielst; das fängt
an, lächerlich zu werden.«
s--«
»Ach, Du iangiveusr mich: —
»Das thut mir leid.« — Ja, das ist
aber so!« —- Noch ein paar Worte,
und Alles wäre aus gewesen, doch
ohne sich weiter aufzuregen, fuhr er
fort: »Du, das mußt Du Dir abgess
wöhnenz ich habe Dich noch nie zornig
gesehen: Du bist schrecklich häßlich.
wenn Du Dich ärgerst.«
Er hatte Recht, und mein Zorn ver
schwand vor den vernünftigen Worten
meines Freundes-.
Uebrigens bin ich durchaus nicht
egoistisch und wünsche jedem Men
schen eben solchen Freund. Er ist auch
gegen Jedermann von derselben Of
fenheit, und einzelne ärgern sich dar
über, während sie ihm doch danken
sollten. —- Von welchen Dummheiten
würde er sie zurückhalten, wenn sie
auf ihn hörten. — Dem Parvenue,
der sich mit Juwelen schmückt und an
dere mit seiner Ausdringlichteit be
lästigt, würde er sagen, daß dieser
falsche Glanz seinen geringen Ur
sprung nicht nur nicht verdeckt, son
dern nur desto mehr verräth. —- Dem
Gigerl, der stets nach Exzentritäten
hascht, wiirde er sagen, daß er nicht
zum Berg der Lächerlichteiten zu ge
hen braucht, da der Berg von selbst
zu ihm kommt. — Dem Geizhals, den
seine Leidenschaft verzehrt, würde er
rathen, sein Vermögen zu genießen,
anstatt es lachenden Erben zu hinter
lassen.
Ja, wenn man auf ihn hören woll
te, er würde den Leuten noch ganz an
dere Dinge sagen, mein Freund!
8.
Und ich rathe Jedem aufrichtig da
zu.-—Ja, hört auf mich, es wird Euch
nichts kosten; denn ich habe vergessen,
die beiden kostbarsten Eigenschaften
meines Freundes zu erwähnen; man
braucht ihn nicht zum Essen einzula
den, und er borgt einen nie an. Man
glaubt mir nichts Und doch schwör-e
ich ich habe in zehn Jahren nur s
Fänis 50 Centimes für ihn ausge
e n
»Aber ever i es denn?«
IWer sein reund ist? Run, Ia
einfach, UISe l dordenibchmE
jeden Morgen ra re.«