Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 29, 1903, Zweiter Theil, Image 14

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    -o.
Unter egyptischer Sonne.
Iowa aus der Gegenwart von Kathqtiu Zittelum
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l2L Fort ekungJ
Es waren eine enge Fremde an
stimmen und harald fand im Spei
aal eine voll beseste Gasitafel vor,
tm deren oberes Ende er aufgrüott
Dar. Der verlappte Erwaon der
Ue Spise des Fisches neben ihm ein
schm, bestellte ihm einen Gruß von
Hirs. Sommers und gab ihm zu ver
stehen, daß es wohl artig fein würde,
nach dem Befinden oer Reisege
Zhrtinnen zu ertundigen.
»Sie haben gewiß die Damen für
mein Ansbleiben reichlich entschiidigi,«
»Hal- Harald zurück, ver allerdings ein
etwas schlechtes Gewissen hatte, daß
er noch nicht in Shepheard’g Hotel
porgesprochew
Wildau maß ihn mit einem Blick,
der ihm die Kluft, die ihn von dem
Erzherzog trennte, völlig zum Be
wußtsein brachte. Gleich darauf ent
gneie Wildan indeß anscheinend un- I
an en: »Ich reife erst am Mon
tag, mstag machen wir noch dens
Vaa beim non-we mit. Ich wollte
eigentlich nicht hingeben, da ich von
solchen großen Festen genug hab', aber .
ihr machi’s Vergnügen, und da hab’ ;
ich ihr eine Einladung verschafft.« »
Man saß noch beim Bessern ein: ;
zelne Gäste erhoben sich berietg. Tal
amen vlöiilich noei betten. die une.
ter den neuen Ankömmlinaen am un- s
teren Ende der Tafel gesessen, aus
Wildau u und bgriißten ihn.
»Ab, ie auch biet? Wie geht es
anens Haben Sie Ihre Gattin nicht
mitgebracht?« klang es in österreichi
schem Dialett neben Harnld
Wildau etc-leichte, stotterte, wars
einen ernsthaften Blick aus seinen
Tischnachbarn und sprang auf, die
Iwei Herren, die sein Benehmen offen i
bar befremdete, in dn Solon nöthi
send
Als Harald einige Minuten später-«
dahin folgte fand er Wildau nicht1
mehr. Sehr begierig auf seine Ers!
klärung des Borialls, stellte er sich den !
Fremden vor, die ihm darauf ihre:
vornehmen österreichischen Namen z
nannten. f
»Sie tennen Deren Wildau?« fragi l
te harald dann. »So tönnen Sie
vielleicht authentische Auskunft über
ihn geben. Wer ist ers« ;
»Wer er ist? Ein bekannter Zahn: f
nrzt aus Wien.« f
harald schwieg einen Augenblick
und brach daraus in ein unstillbares
Gelächter aus.
»Was giebt’3 denn?« forschte der
eine Oesterreicher erstaunt. «
»Wissen Sie, wofür er hier gehal
ten wird, welche Rolle er gespielt hat?
Er galt für einen Jhrer Erzherziigr.
Ich glaube Ernst Ferdinand.«
Nun lachten die herren auch. »Es
giebt gar keinen Erzherzog des Ra
unan erwiderten sie. »Ernst lMedi
nand Wildau beißt er. Uebrigens ist
seine Aehnlichkeit mit den Hat-sour
gern eine bekannte Sache, und er ist
oft verwechselt worden« Jrn Theater
in Gras hat sich einmal das Publi
cmn erhoben und das Orchester bat
Tusch geblasen, weil man den Thron
folger in ibm zu erkennen glaubte.«
»Zabnarzt!« rief Harald in äußer
Iern Erstaunen. »Das hätte ich doch
nicht gedacht; er sprach so viel von
der österreichischen Aristokratie,
das —«
EI- fmr kirr- ensnso Nie-Iris irr der
felben,« fielen die Fremden ihm la
chend in’z Wort. »Geh-gen hat er
nicht, wenn er sie zu kennen behaup
ret«
»Und eine Frau hat er auch?«
de»Gewiß, und fünf oder sechs Kin
r.«
»Der Schwerenöther!« rief Ha
rald ganz aufgeregt
Wildau’S Landsleute ruhten nicht,
sit ihnen Sperber Alles zum Besten
gegeben hatte, was et von Jeneni zu
erzählen wußte. Sie waren höchst er
heitert iiher die Geschichte und sehr
nnt darauf, wie sich der falsche
Therzog nun benehrnen würde.
och das zu sehen war ihnen nicht
vergönnt Arn nächsten Morgen er
fuhren fie, daß Wildau unter dem
Verwand, durch wichtige Nachrichten
nach hause gerufen zu fein, vorn vol
len Glanz feiner Prinzlichteit umge
hen, adgereifi sei. Ein paar flüchtige
Entfchnldigungszeilen an Fräulein
sen Umfaiiel waren feine einziaehim
terlaffenfchaft neben reichlichen Trink
ldern und dem Bedauern der Hasel
rfchaft. die durch die Anwesen
heit des hohen herrn ihr haus über
ask anderen in Kairo erhoben gefühlt .
ists-. !
e e e
rald war doch gespannt wie die i
U riel die Nachricht aufnehmen
Ark- Seine Entrüstung über den
M- den sie Muth gespielt, und
sei-e Manna gegen sie waren fo
das er sich ieit der Schaden
Iicht ern-ehrte nnd das Spiel,
U Midas sich rnit ihr Ia treiben
M, als eine see-echte Strafe für
- Wid. Obgleich er G einne
- . daß dies niedrig nnd unedel
e- B- feWe Schob-essend- Im
UI M feich nicht schenkte-. und
·M lese-b er steh Isr dern
Lunch in Shepheard’j hotel, um den
Da n seine Aufwartung zu machen.
M . "Summers empfing ihn mit
» freundlicher Gelassenheit und verlor
stein Wort darüber-, daß er sich nicht
Heher habe blicken lafsen over daß sie
; die Reisegefährten vermißt habe. »Und
lherr Wildau ist fort?« fragte sie
Idann, als gerade Kunigunde eintrat.
Diese begrüßte ihn liihl und flüchtig
»und verrieth durch nichts weder ihre
Neugier-, noch irgend eine Gemüthsde
wegung. Frau Daish wiederholte
ihre Frage. »He-den Sie nicht gehört,
was den hohen Herrn fo plötzlich fort
getrieben hats Er war gestern Abend
hier und brachte Kuni eine Einlad ng
zum Ball des Rhedioe, ohne von ·ei
ner Abreise ein Wörtchen zu sagen.'«
»Es sind Landsleute von ihm an
gekommen, die ihn iannten,« entgeg
nete Harald. und plötzlich verging ihm
der Muth, die Neuigkeit mitzutheilen
Seine Schadenfreude war dahin. Er
schämte sich ihrer. Hatte er sich denn
nicht ebensogut täuschen lassen, Ivie
Fräulein von Umfattelt War er nicht
derjenige, der. Schein und Wesen ver
toechielnd. den neuen Bekannten mit
Begeifterung gepriesen und den Das
men vorgeftellt hattet Wildau hatte
sich niemals selbst als Erzherzog aus
gegeben. sondern nur die Rolle, die
man ihm übertragen. geschickt gespielt.
Wenn seine Aehnlichteit mit dem Kai
serhaufe die falsche Zeitungsnachricht
veranlaßt hatte, seine vornehme Er
scheinung und Persönlichkeit waren
es doch, die sie glaudtviirdig gemacht.
Und wenn Wildau nun Zahnarzt
war, so bewies er aus das Schlagend
ste, daß auch ein solcher in dein Besitz
der Vorzüge fein konnte, die ihm, Ha
mps- vssdsk«.gxs.. Mystik-Jenesqu
recht oer stimmen weseuiaiangrreiie
gegolten hatten. lFr selbst war also der Z
Blamirte. und wenn Fräulein von«
Umsattel nicht kliiger gewesen war als
er, so durfte er ihr doch keinen Vor
wurf machen, oder gar Schadenfreude
empfinden.
Er gestand sich, daß ihm diesmal
wieder in der Schule des Reisens eine
heilsame Lektion zu Theil aeworden
sei, die seinen übertommenen An
schauungen und .Voruttbeilen eine
klägliche und lächerliche Niederlage
bereitete.
Die Damen merkten wohl, daß er
etwas zu verschweigen wünschte. und
bewiesen nun ihre Erziehung. Fräu
lein »von Umsattel«« gewann Harold
Achtung ab durch die vollkommene
Haltung, die sie bewahrte. Sie, die
vor Begierde brannte, etwas zu
erfahren, drang mit keiner Frage in
ihn; sie wollte ihm den Triumph nicht
gönnen, ihre Enttäuschung zu sehen.
»Da werden wir uns nach einer an
deren Hegleitun umsehen müssen,"
bemerkte sie, zu aisn gewandt. »Viel
leicht findet sich unter Ihren englischen
Freunden Jemand, der den Ball de
sucht. Jch acht jedenfalls. Nicht unr
sonst habe ich mir die kostbare Pari
ser Toilette mitgebracht. Schon in
Deutschland habe ich erklärt, ich wür
de nicht zurückkehren« ohne beim Rhe
dioe gewesen zu sein. Die Einladung
ist da —- und nun sehlt der Kavalier.
Wollen Sie wich nicht begleiten, herr
von Sperber?«
Ader er lehnte höflich ab. Er habe
»sich gar nicht um eine Einladung be
- müht und fest sei ei zu spät dazu.
« Der deutsche General-Komm werde
ihm gewiß auf seinen Wunsch noch zu
einer solchen verhelfen. meinte sie.
Doch er entschuldigte sich. Der
Zudranq solle sehr groß sein und er
nehme Abstand, den General-Konsu!
im legten Augenblicke zu bemühen.
So interessant es ihm unter ande
ren Verhältnissen gewesen wäre, den
oieeköniglichen hos kennen zu lernen,
« — das Mädchen, das er suchte, raubte
»ihrn den Wunsch, Feste mitzumachen.
..O ia.« bemerkte Mri. Summers,
l
«achthundert Amerilaner allein sollen
um Einladungen gebeten hoben, und
nur sechzig Karten sind von dem Kon
sului für sie zur Verfügung gestellt.«
«Donn muß der Oberst von Wan
gen rnitl« rief die Umiattel.
« »Der geht mit mich,« entgegnete
Daisy liihi.
Auch noch Mary Solinas sragte
sie nun endlich, aber in einem so
sgleichgiltigen Geichäftstom daß ha
rald ihr ziemlich kurz antwortete, wo
mit sie auch zufrieden war. Jhr
teresse siir das arme lleine Miid ,
mit dem sie so Schackliches durchge
macht, war bereits im Erlöschen. Und
als er nun heimging, erschien ilnn
Mei. Summerö aus ihrer Lebensreise
wie die Zuschauerin vor einein Kalei
doskop. Wechsean Bilder zogen an
ihr vorüber, das eine löste das andere
ah nnd verlöschte es. Tieseren Ein
druck hinter-lieh ihr keines, und so ge
langte sie von Station zu Station,
weiter und weiter, nnd wiirde einst
am Ziele sein. dieselbe. als die sie aut
aezogen, It z nnd Geiz nicht berei
chert von rn, was sie niertoegi ge
sehen, erlebt nnd gelernt sondern nur
leidend und leanlend an dem Be
wußtsein daß mit In end nnd
Schönheit auch ihre Inzie ngslrast
Unden. Vase lmuegfntisiheme Reise,
sie ihn ein-um Gewinn
eine Stufe der Enwlceltmz eine zu
riickselegte Masse in der ule des
Lebens bedeutete, an ihr war e spur
los vorübergegangem Kaum« da
eine sliirhtiae Erinnerung den en
schen schenkte. die sie be leitet, den Er
eignitien, die sich abge pielt.
Im Nachmittag fuhr harald aber
, nach Helwan hinaus.’ Heute
M ei keinen Ein-usw« keinenStaub.
M der Ort schien nicht so öde und
beteurfarnt, wenn auch die vielen Vil
len, in denen die vornehmen Türken
ihre Darernsdamen unter-gebracht hat
ten, durch ihre Irnsterlosigkeit einen
merkwürdig todten Eindruck machten.
Nur hinter hohen Mauern durften die
von Eunuchen bewachten Frauen Luft
schöpfen. Er sah ein paar dieser wi
derlichen Gesellen in den Thüren ste
hen« die Equipagen erwartend, die
ihre Gebieter von Kairo heranfiihr
ten. Wie feift und brutal und heuch
lerisch sie ausfahenl
Diesmal traf Harald den deutsJen
Badearzt zu Hause. Wie klopfte i m
ungcktiim das Herz, als der ihm
freundlich die gewünschte Auskunft
gab. Herr Doktor Schmidt fei fo
schwer leidend von Theben zurückge
kehrt, erzählte er. daß von einerlleberi
siedelung nach Helwan habe Abstatb
aenarnrnen und der Kranke im beut
fchen Dialonissen - Hospital unterne
bracht werden müssen, wo er die beste
Pflege und Vehandlnna genieße. Er
selbst, der Arzt, sei gestern dort ge
wesen« um sich nach den Geschwistern
umzufeben. Leider gehe es dem Dol
tor so schlecht, daß sein-: Auflösuna
nahe bevorstand-e
»Und die Schwester?« fragte Ha
rald bestürzt.
»Ist bei ihrn natürlich. Schon ih
retwegen ift ein baldiges Ende zu
wünschen denn an Rettung ift nicht
mehr zu denken und das junge Mäd
chen reibt sich gänzlich auf bei der
Pflege, abgesehen von der Ansiect i
ungsgefahr die ja leidet bei der»
Schwindsueht größer ift als wir srü ;
her gewußt haben. Sind Sie ein Ver
wandter oder nur Belannter der Ge
fehwifter?·
»Ein Freund," entgegnete haraltaI
»Das freut mich unendlich fiir
Fräulein Erns! So ift doch Jemand
da. sich ihrer anzunehmen, ihr beizu
stehen, wenn das Schlimmste eintritt.
Sie hängt so sehr an dem einzigen
Bruder, und steht, wie sie mir sagte,
fo allein auf der Welt, daß der Ver
luft fiir sie noch fchwerer sein muß,
als er es in anderen Fällen fein witt
Ernai Wie der Name Hatald
durchzuckte. Er wiederholte ihn sich
in Gedanken unablässig; er liebkofte
ihn förmlich
»Sie haben Fräulein —- Erna nii
her kennen gelernt?« fragte er. »Als
Arzt ihres Bruders freilich haben Sie
dazu die befte Gelegenheit gehabt.«
»Gewiß! Und ich oerehre dasFriiui
lein don ganzem Herzen. Eine Heidin i
ist sie, fo zart sie auch erscheint. Mit
welcher unermüdlichen Geduld und
Ausdauer hat sie den Kranken ge
pflegt, der ihr oft das Leben recht
fehwer machte durch feine Mißsiinr
mung, und mit welcher Energie at
sie daneben ihre Arbeit fortgesept Oe
lange es dem Bruder noch leidlich
ging, arbeiteten sie gemeinfarn. Sei-—
ne ganze Seele hängt an dem Werk
und nun treibt er die Schwester rosi
los weiter Noch geftern hat er mir
von Ptah Doteo gesprochen und-Träu
lein Erna genöthigt rnir ihre letzten
Ueberfegun en oorzuleten Mit fie
berheißen ngen und leuchtenden
Augen hörte er zu, während ihr die
Stimme faft versagte. Es war er-1
greifend.« »
»Wie konnte denn der Schwertranke
noch nach Theben gehen?« fragte Ha- I
rald.
Der Arzt zuate die Achseln. »Na
tiirlich wäre es besser geweten, er wäre
hier in Ruhe geblieben. Allein seinem
leidenschaftliasen Wunsche gegeniiber
war nichts zu machen. Er hatte sichs
in den Kopf gesetzt, die Gräber dort
kennen zu lernen ——- und da er doch
verloren war — warum hätte man
ihm die Freude versagen sollen? Sein
Leiden hat sich allerdinng durch die
Strapazen, die er sich auserleat, au
ßerordentlich schnell verichlimmert,
aber er scheint das laum zu ahnen,
spricht von Genesunq nnd allen den
Arbeiten, die er plant, und beweist
einmal wieder, wie sehr der Geist den
Körper zu beherrschen vermag. Es
ist schade um den hoffnungsvollen
jungen Gelehrten!«
»So weiß er aar nicht, dasz er ster
ben muß?« sragte Harald.
»Es scheint nicht so, doch hat er
seine Schwester verpflichtet, seine Ar
beiten, namentlich aber die gemein
same Uebersetzung des Plah Vater-,
herauszugeben, wenn er nicht mehr
dazu im Stande sein sollte. Ich fürch
te rndesz, das arme Mädchen wird erst
an ihre Existenz denten müssen. Jhr
lleinej Vermögen wird wohl bei die
sein egyptischen Ausenlha drausaes
Wen sein. Er lam ach mit ber
Oeffnung her, zu gesunden. Sie aber
wußte-durch meinen deutschen Kolle
, daß wenig Aussicht aus Rettung;
fei, und hat trosdem ohne Zögern(
Alles geopfert, um den Bruder zu be- i
fleiten und ihm die Reife u ermög- j
ichen, die die Sehnsucht feinei Less
beni war. Doch das wissen Sie wahr- ;
scheinlich ebenso gut wie ich-« I
rald mußte alle Kraft derk
Se bstbeherrschuns ausbieten, um dies
sewegu in der er sich befand, nicht (
u verra Alles, was er örteU
iitiste » hin nur, dass der n inet;
seiner Liebe ihn recht gesiihr , und«
das, wenn ei ihm gelingen faste»
— pu-— )- --
Erncks Neigung u ewinnen, er der
leiiellichste Ster li ein würde.
sber wie tonnte'er der chwefter ei
nes Stett-enden werdend nahen? Mit
größter Vorsicht nur durfte er eine
Annäherung versuchen.
Als Darald sich verabschiedete,
fra te er den Arzt, od er nicht einen
Au trag an Doktor Schmidt oder des
«s sen Schwester auszurichten habe. Da
holte Dottor Seiler eine Zeitung aus
der Tasche. Es sei ein Vertrag darin
abgedruckt, den der antotoge Er
« mann in Berlin gehalten habe, sagte
er. Vielleicht interessire es Fräulein
Gena, ihn zu lesen. Er bäte den Herrn
von Sperber, ihr das Blatt mit be
stem Gruß zu geben.
Während Harald nun Kairo zu
fuhr, versuchte er noch einmal mit
ruhiger Besonnenheit, sich den Schritt
zu überleaen, den er zu thun vorhatte.
Er versehlte sich nicht, daß Ema-I
spießdürgerlicher Name, ihre Armuth,
ihre Verwandtschaft mit einem Lun
aenlranlen schwer geaen feine Ver
lbindung mit ihr in’s Gewicht fielen.
i
i
Aber sein Herz glaubte nicht an die
Gründe, die sein Verstand gegen seine
W hl anfiihtte. Jm Graentheih sie«
ve andelten sich in lauter Beweise,
daß nur dieses Mädchen fiir ihn ges
schaffen sei. Ihren Namen ——-- nun,
den follte sie ja mit dem seinen ver
tauschen. Ihre Armuth-? Welckf eine«
Seligkeit fiir ihn, die Zutunft der
Geliebten sorgenfrei geftalten zu tön
A
nen! Der lungentrante Bruder? Jm
Glut-, m guter Pflege wurde sie ge
sund bleiben — und wenn — was
Gott verhüte -—— auch bei ihr das Lei
den sich entwickeln sollte —« so war er
neben ihr, sie zu lieben bis an’s Ende,
ihr schweres Loos ihr zu erleichtern,
den kurzen Weg mit Rosen zu be
ftreuen. Doch fort mit so traurigen
Gedanten. Die Zukunft lag in Got
tes Hand. Für das Jetzt nur wollte
er sorgen, Erna«s Ldbe sich erringen.
Und wenn er ihr helfend, tröstend
nahe sein, ihr beweisen durfte, dafz sie
in ihm einen Freund hesihr. der jeden
Tropfen seines herzt-lutes für sie hin
zugeben bereit sei —- so mußte es ihm
gelingen, das VorurtheiL das sie ge
gen ihn hegte, zu überwinden. Dies
war fiir’s Erste sein Ziel.
Vom Bahnhof aus fuhr rald to
fort in das in Ur Neustadt gmaiiiya
gelegene Diatoniffenhaus, wo er
Fräulein Schmidt zu sprechen begehr
te. Er ließ sagen, er habe eine Be
stellung des Arztes aus Helwan aus
zurichten.
Wie bang pochte ihm das herr.
während er in dem lleinen Sprech
zimmer wartete. Die Minuten dehn- ;
ten sich ihm u Stunden. Endlichi
öffnete sich die « hiir und das blasse«
lumrnerdolle Gesicht des aeliebten I
Mädchens erschien in derselben. · S
Sie zuckte zurück, alk- sie ihn er
lannte: doch er ließ ihr nicht Zeit, ih
rein Befremden iiber feinen Besuch
irgend welchen Ausdruck zu geben«
sondern faßte ihre Hand, die auf dem
Drücker lag, und sagte in großer Be
wegung: »Ich lafie mich nicht wieder
abweier, wie in Theben. gnädiaes
Fräuleins Gott sei Dant, daß ich Sie
endlich gefunden habe! Sie haben ez
mir schwer gemacht!«
»Was — wiinschen Sie von mir?«
ftammelte sie unsicher hervor. »Ich
tam, weil ich eine Botschaft von Dot
tor Seidel empfangen follte. Jch must
zu meinem Bruder zurück.«
»Sieh diese Zeitung sendet Jhnen
der Arzt mit beftem Großes entgeg
nete er, ihr das Blatt reichend. »Ich
war zweimal in Helwam um Sie auf
zusuchem und erfuhr endlich von Dot
tor Seiler, daf- Sie hier zu finden
feien.«
Sie blickte ihn an, während er
sprach· und es mußte wohl in seinem
Intli etwas geschrieben stehen, was
ihr ißtrauen entwaffnete.
«Was führt Sie denn zu mir?«
fragte fie verlegen.
«Iriiulein Erna, Sie wissen es,
Sie miissen es wissen!« rief er. und
fein ganzes herz lag in feiner Stim
me. «Jrgend etwas hat Sie gegen
mich ein enammen. Sagen Sie mir,
was es i , damit ich mich vertheidigen
tann.«
Jn « re Wangen ftieg tiefe Röthe;
sie fe e befangen die Augen.
»Sagen Sie es mir, ich befchtvöre
Sie!« drang er in sie. »Seit ich Sie
auf der Pyramide tennen gelernt, hat
Jhr Bild mich begleitet —«
»Sind Sie nicht der Adiutant und
Freund des Erzherzoge?« unterbrach
ie ihn hastig, ali wolle fie ihn verhin
dern. weiter zu sprechen
»Das waren ja alles Märchen,« er
widerte er. »Es gab weder einen Erz
herzog, noch einen Adiutanten i-—«
Aber Jhr Dragornan sagte doch
—- und die Damen in Ihrer Gesell
ichait —- die eine, die schöne ift Ihre
Gemahlin —- aber die andere —«
Er lachte jetzt, lachte frei und herz
lich heraus.
»Ich habe keine Gemahlin, wahr
haftig nicht! Mrs. Summers ift
eine Reifebelannte nichts weiter, und
Fräulein von Umiattel, wenn Sie die
meinen sollten —"
»Die immer mit dem Erzherzog
ing —- der Dragaman gab an, fie
ei« —- ihre Lippen brachten der-Wort
nicht hervor.
Er verstand. »Die arientalifche
Phantasie hat unfere Gefellfchait mit
einem Sagenlreis nmdichtet,« ant
wortete er heiter. «Wilda, der ver
meintliche Erz zog« ist ein Wiener
sah-tatst der rate nnd fing Kinder
hat· IfIch fah in viel da il neben
ihm bei Tifchr. ir find fiimtitlich
ganz anverdsächstige Leute« vom Zu
sali zuianiniengewiir lt. Und nun
erlauben Sie ir, da ich Ihnen sage,
mit weni BE eigentlich zu thun ha
ben, mein iidifee Fräulein. Sie
wissen ja noch iicht einmal meinen
Namen."
Er reichte ihr seine Karte und sie
lächelte, als sie sie las. D, wie lieb
lich diiiichte ihn ihre Miene!
«Verzeihen Sie mirs« bat sie. »Ich
glaubte Jhreni Dragonian und als
dein, was die Leute iin Thebener Ho
tel er ählten. Jhre aanze prinzliche
Gesellschaft erschien mir so s- so —·—
zweifelhaft, der Lehenslreis, deni Sie
angehörten, war so arundverichieden
von dein meinen, dass es —« sie stockte
-«— »daß es inir sehr leid that,« fügte
sie leise hinzu. ’
Es hatte ihr leid gethan. So
lonnte er ihr nicht völlig gleichgiltia
sein! Sein herz that einen Freuden
sprung. Doch er verrieth sich nicht.
sondern meinte etwas empfindlich:
»Mir thut es leid, daß ich Ihnen
nicht etwas mehr Vertrauen einste
slöszt hatte."
»Jch kannte Sie doch so ivenia,«
gab sie zukiiich und ihr Ton bat ihn
um Entschuldigung »Ich niißtiaute
inir selbst, gerade weil ich« wieder
brach sie ab, von tiesein Noth über
gossen, und sein Herz ergänzte sich die
Worte, die es selig schlaaen machten.
»Vielleicht war es sehr thörichi von
inir,« fuhr sie nach einer kleinen
Pause fort. »Mein Bruder behaup,
tet immer, ich sei zu leichtgläubig
Mein Gott, niir sällt es gar nicht ein.
daß die Leute mich beliiaen ldiinten.
Warum sollten sie dac- thunk Ich
sehe gar keinen Grund daiii ein -—
uiio ou lallt tax mir Yiurryrii arti
binden.«
Die Wahrhaftigkeit und Einfalt,
die aus ihren Worten sprach, ver
fetten ihn in helle Beaeisterung Ja,
das war sie, war die, die er lief-te!
Sie durfte ihn noch nicht verlassen,
mußte ihm noch ein paar Worte gön
nen. Und so begann er von-ihrem
Bruder zu reden. von seiner warmen
Theilnahme siir ihn und sein schweres
Geschick und bat sie endlich, seine
Hilfe in Anspruch zu nehmen sich zu
erinnern, daß ihn nichts auf der Welt
mehr begiiiclen würde ais weisn sie
ihin erlauben wollte, ihr beizustehen.
Ihre Augen hatten sich mit Thra
nen gefüllt.
»Sie sind sehr —— aut —- gegen
mich!' entgegnete sie. »Wodurch ver
diene ich das?« Und schnell, als
fürchte sie feine Antwort, subr sie
satt: »Es ist jammervoll, das Liebste«
das man bat, so sterben zu sehen.«
Die Bewegung wollte sie überwältis
gen, doch sie faßte sich schnell und
fiigte hinzu: «Jcb mus-, ilzm eine bal-:
dige Erlösung wünschen ---—— und doch
ist mir, als könnte ich es nicht tra
aen, als wiire mit seinem Tode auch
siir mich Alles zu Ende. "
Gortiehuna scl.t.)
Die sie-se see per-ersieh
Bis vor etwa einem halben Jahr
hundert lonnten selbst von Schrift
stellern, Gelehrten, Juristen u. f. co.
nur wenige srei und öffen:iich spre- »
chen: es gab eben ieine Geiegenheit’
zum Redenhalten und Vortragen, au- ;
szer dem Katheder. Es wurde alles ;
schriftlich vermittelt, man schrieb, man Z
las ab allenfalls, aber man sprach
nicht. Zeit ist es umgekehrt, setzt
wird mehr gesprochen und vorgetra
gen als geschrieben und gelesen. Die
Zeit und die Institutionen unseres
öffentlichen Lebens drängen wieder
immer mehr zur Redelunst bin. Der
Glaube an die stillen» aber tiefen Was
ser, an den Mann, der es in sich hat,
beainnt immer triebe nur Mvtbe tu
werden. Man dispensirt namentlich
junge Männer sehr ungern von der
Forderung, itsre geistigen Schöne auch
zu zeigen. Der Mensch ailt heutzu
taae wenig oder gar nichts in seiner
weltscheuen Abgeschlossenheit; er soll
lich iiberall an die Mitmenschen an
schließen, sie weiter sartbilden hellen.
Es soll gemeinschostlich gehandelt, es
soll arganisirt werden. Zur That aber
führt der Weg nur über das Wort.
Das aute, tlar durchdachte, mit Wär
rne aesprochene, wohl verlheidigte und
tadser anareisende Wort ist es, das sich
selbst Bahn bricht und sornit die That
anbahnt. »Wer das Wort in seiner
Gewalt bat,« sagt ein deutscher
Eschfriststellen »der beherrscht die Gei
ter.«
Auch an die Frauenwelt tritt mehr
und mehr die Nothwendiateit heran,
die Kunst des« Vortrags sich anzueig
nen, nicht allein til-er Gedanken, son
dern auch über den rdetorischen Aus
duret derselben zu oersiiaen. Was wir
unter jener Fertigkeit verstehen, das
Sprechen und Borlesen das Dellami.
ren und Vortragen. wird zwar jetzt
allmählich in den Schulen dem Lehr
dlan einverleibt: aber da wir uns
nicht an diese, sondern an das baus
und an die weibliche Juaend selbst
wenden, rniissen wir es als wünschens
werth erklären dass sie auch später
nicht dernachlässiat, sondern in den
Muskestunden gräbt werde.
Getos ist das Vorlesen, wenn auch .
nur icn - milienlreis, angenehm undl
spukt-hast Wie gut m ei m- viel
älteren Familienmitalieder, deren Aus »
aen vielleicht, wenigstens am AbendH
nicht met-r oder nur mit Anstrengunq .
und schlimmensfolaen zum Lesen aus- (
reichen. wenn die Tochter, Nichte oder ·
Enkelin ilInen vorzulesen derstelstz oder
wenn dies Schwestern und Freundin
nen unter einander abwechselnd thun.
und, während sie an langen Winter
abenden bei der traulichen Lampe oder
an schwlilen Sommernachmittaaen in
I
--.. ,-- . ....-.-.--,
l
der tchattiaen Veranda intelnanders
seyen, daneben noch allerlei nuiUcht
und nothwendiae Handarbeiren vor
nehmen tönnen, die um lo melit ANT
dert werden, wenn dabei kein Manne
der Langeweile auitommen tann. Es
ist nicht nothwendig« daß init Pathos,
Aufwand oon Simon-Material Und
deilamatorischem Effekte gelesen wer
de, im Geaentdeii: beim längeren Vor
lesen wirlt nichts auf die Zuhöm so
abspannend, aufreaend nnd darum
unangenehm, wie wenn Jemand mit
foreirter Stimme, Affekt und Pathos
liest und statt des ruhigen Tones der
Crziihluna oder Berichterftattuna in
einen pathetischen oder theatraliicben
verfällt. Aber gerade darin liegt die
Kunst: einfach nnd natiirlich vorzule
ien, ohne eintiinia nnd lanaiveilia zu
werden: verständlich und sinnin vor
mtraaen dem Inhalte aerniiß und
ohne Ilffeltion sei's nach der Seite
des Zentimentalen Weinerlichen oder
nach der empathilcher Beaeiiternng
nnd Eraltation
Die Lefeabende oder geselligen Lese
tranzchem iei eg, daß sie allein von
junqen kUkiidchen und Damen, denen
sie sich oorziiqlich zur Uebung empfeh
len. oder im Vereine mit Herren ge
halten werden« sind gewiß ein ebenso
angenelmzeg und niiregendeoVildnrias
wie ilnterlIalrunagmiztel und baden
dabei noch einen indirekten Rudern sie
leiten ab Von dem faden Geschnätz,
das nur »in leicht in solchen Kreisen
herrscht und in Ermangeluna anderer
THOMAUI THIS ,«--- Z-. k-.·-’«-l-L-- M-:
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se mit abwesenden Belannten oder lin
betannten beschästiat, wahrlich so we
nia iii deren Vortlieil ivie zu dein ei
.1,enen. Jn solchen Keiinzchen liest
man gern Theaterstiiete mit vertheilien
Rollen. was jedenfalls setir zur Erhö
tiunii des aeiiieiniamen Genusses bei
ttiia. Gewöhnlich wiiblt man daiu
die Werte der deutschen Klassiker· in
erster Reihe uin ibrer unberaänalichen,
immer neu wirtenden Schönheit we
aen. Auch iit man ia mit den italis
schen Gestalten vertraut iind weiß sie
traditionell aufzufassen indem man
sich in unbetanntere Dichtungen erst
einiuleben suchen musi.
Wie ost stehen nicht die iliigsten und
liebenswürdigsten jungen Damen
linlisch und mit niedergeschlaaenen
Augen da, wenn sie ein Gedicht spie
chen sollen. Sie beginnen mit zittern
det Stimme, init stockendem Odem
iind svrechen ost so leise, dass tein
Mensch ein Wort davon versteht, oder
so schnell, dasi sich dabei die Worte
überstiirzen und man den Eindruck
dat. als ioollten sie nur uin jedenPreis
iu Ende loinnien. Es bedars auch
hier keines geschulten, mit schaust-leie
rischer Routine gehaltenen Vortrags
— aber doch der edlen Form, die jeder
an das Gebiet der Kunst streisenden
Leistung eigen sein musi, der aus
druetsvollen Sicherheit« die das auch
wirtlich den anderen vermittelt, was
der Dichter aeschassen bat. Man hält
der inädchenbasien Schiichternbeit viel
iu gute. aber est macht einen peinlichen
Eindruck, ioenn man Jemand zittern
sieht und stottern hört; es ioirtt lehr
osi auch touiisch.
Der Mangel an Geioöliuna aber
trägt die Schuld daran. Man übe sich
darum nicht allein vor sich selbst im
Vorlesen und Detlamieen sondern
auch oor Anderen, man übe sich auch
in der sreien Rede, tin Vortrag. Die
Kunst des Vortrags dient aber nicht
nur unserm aeselligen Leben zur edel
sten Zierde, sondern — und rvir torni
nien damit aus das zurück, wovon wir
ausginaen —-- auch das soziale Leben
verlangt heutzutaae von der Frauen
welt rbetorische Isrtigteiten ,
- --—.-—-— —
..I..Io
Willst Tit aliiettiai sein ini Leben,
Traae bei zii Aiidrei Wint.
Den-i die Freude-. die wir geben«
Its-km iiio eiiiiiis Herz ziiruet
Was der Mensch der lliisitnild gewesen«
tWann Jeder sich ans-. seiner Kindheit lese-ri.
Bewertire Tir Narr Triiieii Uiirdersiiiin
So weis-n Tit iinniei ioolieit uiid woliini
i
uns Wann ans vertwrrenent Erden
» « ichsnere
Stets stotzltnien Blickes hininieltoarw.
Nur in der iitlten Welle
Heim iitti dre- Dininkele Bild.
Sie spiegelt klar die Sterne
lind ruhet qtmwriiillr
Doch die in its-idem Toben
Sieb an dem Preisen bricht,
Steine tief empor vorn Grunde
Und leimt das Liielsln nicht.
Als iels noeli jnna war, t s
Liebt« im zu ltnqem
All· were dein Herzen leid J «
Allen zu innen; ’
Nun. der ieti älter-,
hehr ieti die Pein,
Sei-ließe den Nummer
Im Jnneriten rin.
W fliehst Fu eilend vor der Welt,
Sie bleibt Tir doch zur Seirei
TVrnm sei ein Mann und sei ein Held,
Und stell« Dieb ihr zum Streite-l
—--—.——
Il- lsreslseseee seien-.
Der Reize von Schonneutz diente in
der Jnfanterie in Ulrn. Der Fell-we
bet hatte Instruktion ertheilt über das
Benehmen bein- Schilmvachilebem
»Wenn jemand totnmt, so hat die
S Andacht zu rufen dreimal. Wer
du — Erfolgt keine Antwort, so hat
vie Schild-pocht Feuer su geben-« —
Als andean Abend der lvwedel sich
von der punttlichen Erfüllung feines
Dienstes überzeugen wollte, ging er an
vie Wache. die obiqee Ra bezogen
hatte, vorbei, und Reize rie mil Ani
gevot beider Lungenfliigeh «Dreiinaf
wer da?'· Der Ielstpebel gab keine
Antwort Sotort zilnoete Reize
Zundtiolzchen an nnd überm-b es in
greigrontinasls dein verblüfften Feld