Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 01, 1903, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
’tIIIIt5-spj IIIIIII II II IIII JH’III III
J. P. Windolph, Herausgehen Grund Island, Nehk., l. Mai 19053 Mincitcr Theil-) Jahxgang 23 No. Zö. «
W
wri- ist ein Kinde ’
Ein lichter Strahl, vom Himmel her
gesandt »
Ein Liebe ruiz ans Gottes Vaterland.
Jst eine kraqe, die Dein Herz durch
dringt
Tie schönste Dabe, Deine liöchfte Lust,
Des Glückes Morgenrotii in Deiner
Brun,
Jst Deiner reinstleln Freude tiefster
ne «
Tess Lebens Sonnenschein so liclki nnd
c .
Jst Deiner Some erste Liebeevflictm ----
Es iit Dein Kind vom Himmel ein
Gedicht.
C. F. sanken
———--.--.-—-——
Großvaters Jugendsündem
· Eine Frühlings-Geschichte von Rein
hold Ortinann. -
Sie waren beinahe die Letzten aus
« der schlechten, in voller Auslösung be
griffenen Eigflächr. Nur zwei oder
drei mit verschlungenen Händen
todesmuthig durch die doch auf
spritzenden Wasserlachen dabinglei
tendc Liebespärchen wurden hier und
da in den spärlich beleuchteten Theilen
der Bahn sichtbar. So waren die
Beiden in dem stillen, nbenddnnllen
Pakt so gut wie ganz allein mit ein:
ander, und es hatte in verdächtigem
Maße den Anschein, als- sei ihnen an
diesem Alleinsein mehr geleaeih denn
am EislaussporL
Und als jetzt aus«- der Finserne ein
allbekanntes Trompetknsipnal hcr
übertönte, sagte die junge Dame niit
einem tiefen Seufzen
»Nun dars ich aber wirklich nicht
länger bleiben, es- ist schon so spät,
· und der Großvater ist sicherlich inei
netwegen bereite in Sorge.«
»Mir noch süns Minuten, Ilse!
Gilt es doch heute wieder einen Ab
schied aus ungewisse Zeit, da uns der
abscheuliche Frühling nun auch diese
letzte schone Gelegenheit vuchnavuch
zu Wasser macht.«
Fräulein Jlse seufzte wieder.
»Ja, Heinz, wer weis-» ob wir uns
in diesem Leben überhaupt noch ein
mal unter vier Augen sprechen! Der
Großvater hat gestern schon wieder
daraus angespieli, das; ich im Mai
zu meiner Tante Beim nach Baden
soll.«
»Das verhüte der Himmels Diese
Verbonnung muß natürlich um ieden
Preis verhindert werden. Wie ich es
aber anfangen soll, das einmal ver
ickurzte Wohlwollen des Herrn Pro
fessor-? zuriick zu gewinnen, ist mir
leider unerfindlich. Die Begründung,
mit der er meinen lentraa adlchnte,
war ia leider so entznnthigend als
inöglich.«
»Ach warum cnufitess Tn ihn auch
damals in den ,,Litieraturbs:richten«
so schonunaslos angreifen!«
»Mein Gott, ich Hab doch nur
meiner innerster Ueberzeuaung Aus
druck, und dann konnte ich vor zwei
Jahren eben so wenig ahnen, daß ich
gerade an die hiesige Universität be
rufen und zum Falnltiitsrollegen des
Herrn Professor Harrius werden
wiirde. wie ich Vor-aussehen tonnte, ihn
als den Hiiter und Vormund einer so
liebreizendenEnlelin zu finden. Uebri
gens ist es ja nicht jener Aufsatz allein,
der ihn aegen mich einnimmt, sondern
noch viel mehr meine schriftftellerische
Thätiaieit iin allgemeinen. Er kann
leine elternlose Enkelin -—- so tagte er
buchstäblich — unmöglich einem
Mann anvertrauen, der durch seine
rücksichtslosen Angrisse auf ehrwür
dige Institutionen und anerkannte
Autorität so unzweideutige Beweise
seiner Pietätlosigteit und llnverträg
lichteit geliefert hat.«
»Wie schrecklich das ist, Heinzl
Wenn Du gar leine Hoffnung hast,
den Großvater zu gewinnen was,
um des Himmels willen, soll denn
aus uns werden?«
»Ein glückliches Ehepaar -- das
ist ganz gewiß!«
Sie waren während dieses bedeut
samen Gespräches zu dem Bretter
häuöchen zurückgelehrt, darinnen man
die Schlittschuhe an- Und ablegte,
nnd mit betrübter Miene lies; sich
Fräulein Jlse aus die Holzbant nie
der. Die Anwesenheit einiger dienst
bater Geister hinderte sie, ihre Unter
haltung sortzusetzem zumal einer der
selben eilsertig herbeigeeilt war, um
gegen den üblichen Obolus dem jun
gen Mädchen diejenigen Ritterdienste
zu erweisen, die der außerordentliche
Professor Heinz Sendlitz ihr wahr
scheinlich sehr gern ohne jede Entschä
digung geleistet haben würde. Ein
bittender Blick aus den hübschen,
braunen Augen hatte ihn veranlaßt,
davon abzusehen, und er mußte sroh
sein· daß er Gelegenheit fand, ihr seine
Galanierie damit an den Tag zu le
en, daß er behend ein aus ihrem
Fluss geqlittenes Büchlein vom Boden
aufhob. Es war ein lleines, unschein
bar-ei Hest von altsräntischer Aus-—
stattung und stark verblichenetn Um
ichlage. auf dem in großen, verschnitt
lelten Buchstaben zu lelen stand:
»Freie Lieder-. Allen Freunden der
Wahrheit gesungen von Diethelm
Treurnuud«.
shaitig streckte Fräulein Jlie ibkt
Hand danach aus
»T, gehen Sie her, here Prosessori
isik nnd Großvaters Jugendgedichte.
und e- wäre schrecklich gewesen, wenn
im py-; Buch hier verloren hätte.«
»Wie Z« ir.1ate der Andere mit dem
szspkchk ikxjchstcn Erstaunen-. »Ge
dzch», mkm Verialier kein Geringerer
wäre als titotilsili bannt-ji« »
»Es-chinng Sie nur die erste Seite
ans, und Sie werden den Beweis da
fiir erhalten-"
heinz Seydlitz las auf dem Titel
blatt in rierlicher Handschrift:
»Sei-irr agebeteten Braut widmet
diese feine poetiscben Erstlinge in
treuer Liebe Gotthilf Harrius.«
»Wal)rhaftigt Der nrtundliche Be
leg macht jeden ferneren Zweifel un
möalich. ilnd wie sind Sie zu diesem
unschatzbaren Werte gelomman
»Ich fand es gestern beim Abstän
ben in einem ganz versteckten-Winkel
von des Großvaters Handbibliothei.
Schon vor einiqer Zeit hatte er mir
einmal, als er besonders gut aufgelegt
war, mild-theilt, auch er habe einige
poetifche Jugendsünden anf dem Ge
wissen. Aber die Oeffentlichteit habe
von denselben aliiellicherweise nie er
fahren, da er bald nach dem Erschei
nen nachdem er sich als Privatdo
zent tiabilitirt —— die ganze Auflaae
der Gedibte zuriietgetanft und bis auf
das letzte Blättchen vernichtet l)abe.«
»Dieses eine Exemplar aber. an
das sich fiir den Dichter vermuthlich
besonders liebe Erinnerungen knüpfen,
ist damals dem awan Autodafe ent
gangen. Möchten ie mir nicht ne
statten, mein gnädiaes Fräulein, es
für kurze Zeit zu behalten?«
Fräulein Jlse fträubte sich zwar
erit ein wenig gegen solche Zumu
thung, aber was vermöchte wohl ein
junges Mädchen dem geliebten Manne
ab·zuschlaaen, wenn er recht herzlich;
darum bittet!
Mit Brausen war der Frühling
nun vollends in’53 Land gekommen,
nicht als ein zarter Knabe oder ein
holdes-, minniges Jungfräulein, son
dern als ein recht unwirscher und ge
waitthiitiger Geselle, der Lawinen
und Mitten von den Bergen warf und
das Eis der Flüsse In gewaltigen
Massen starrte, fo daß die Flntlien
il;re brennenden Dämme einrifsen nnd
weite Streiten Landes berwiisteten.
lind ein Schrei der Noth. ein ver
· ttoeifelter Hilferuf durchhallte die
deutschen Lande. Da reaten sich denn
aller Orten die beiftandbereiten
Hände, und in der altebrtviirdiaen
Univerfinitestadt war man nicht trai
ger alr- irgendtvo im Reiche. Was sich
nur immer zur »Gefellschaft« rech
nete, das ftrömte herbei zu der gro
fzcu Woltltltätigteitg-Soiree.
Auch Professor Gotthilf Harrius
und seine anmuthige Enkelin fehlten
nicht unter den festlich gefchmiictten
Zuschauern. Das feine, silberbaarige
Haupt des allverehrten Gelehrten
wurde mitten in einer der ersten
Stuhlreihen sichtbar, und die schlanke,
jugendfrische Maid an feiner Seite
bildete« ohne es zu ahnen, das Ziel
gar vieler beioundernder Blicke. Sah
sie doch heute mit ihren rosigen
Wangen und ihren glänzenden Augen
reizender aug- denn je. lind das aus
einem sehr einfachen Grunde. Was
ihr Gesichtchen so heis; und ihre Augen
so hell machte, lvar die ungeduldige,
freudige (f-rtvartung, den geliebten
Mann bald als einen Gegenstand
allgemeiner Bewunderung vor sich zu
sehen. Auf dem «-Brograunn des- Son
certh, das den Wohlthätigkeitsball
einleiten sollte, stand nämlich als
Nummer fünf zu lesen: »Tai Lieder
eigener Composition, gesungen von
O· S.« Und sie wußte, daf; diese
beiden geheimnifzvollen Buchstaben
nichts anderes bedeutenen, als den
außerordentlichen Professor Heinz
Seydlitz, der in «einen Musestunden
auch ein talentvo er Musiker war.
Alles. wag vorhergehen und nach-—
folgen follte. bedeutete ihr natürlich
nichts neben dieser Programm
umnmer, und selbst den unter Rum
mer 4 angetiindigten Recitationen des
von allen Backsischen der« Stadt
glühend angebetenen Heldendarstellers
Wolinsti sah sie ohne jegliches Inter
esse entgegen.
Die volltönende Stimme des Reci
tators toeclte sie aus ihren Träumen,
zunrnl in den Gedichten, die er vor
trug, so viel von treuer Liebe die
Rede war, als spräche er nur für sie
allein. Rauschender Beifall lohnte
ihn, und so groß war der Ave-laute,
daß er sich wohl zu einer Zugabe be
quemen mußte. Mit seinem längst
als untoiderftehlich bekannten Lächeln
an die Rampe vortretend, sagte er:
»Meine Damen und Herren! Er
muthigt durch Jhre Freundlichkeit,
werde ich mir die Ehre geben, Jhnen
noch einige Poesien eines leider viel
zu wenig bekannten Dichters vorzu
tragen. Der Name, unter dem er
vor Jahren seine tief empfundenen
Verse veröffentlicht hat, lautet Piet
helm Treus-quad. Und ich muß mich
für fest auf die Andeutung be
schränken, dafe sich hinter diesem
Pseudonym eine Ihnen Allen be
kannte und von Ihnen Allen innig
verehrte Persönlichkeit verbirgt.«
Der Professor war bei dem wohl
beiannten Klange des von Wolinsli
genannten Namens mit verstsrter
Miene halb von seinem Sitze empor-T
gefahren, als ob er energischen Ein-·
spruch erheben wolle gegen das, was
man da beabsichtigte. Er setzte sich
jedoch rasch wieder nieder und machte
sich nun sogar so klein als möglich;
damit um des Himmels willen nie-.
tnand aus den Gedanten verfiel, ihn
zu beobachten. Das lam aber glück
licherweise keinem in den Sinn; denn
alles war gefesselt und hingerissen von
dem Feuer, dem Schwung und der
tiefen, inniaen Empfindung der
Treumund’schen Verse. Ein Rauschen
des Beifalls ging durch den Saal.
als Wolinsli geendet. Und aus allen
Gesichtern las man die Neugier, den
Namen des Autors zu erfahren, den
angeblich alle kennen sollten. Abs-Z
der Schauspieler verbeugte sich stum
und verließ die Estrade, ohne die
Wißbegierde des Oluditoriums zu be
friedigen. Ein tiefer Athemzug der
Erleichterung hob des Professor-s
Brust, denn er war auf Schlimmeres
gefaßt gewesen —--—- auf viel Schlim
meres. Das Bändchen Gedichtc, das
irgend ein tückischer Zufall diesem
Recitator in die Hände gespielt haben
mußte, es enthielt ja auch Lieder von
ganz anderer Art, Zkreiheitshymnen
im Stile eines Herweah und Freilig
rath: geharnischte Angrifse gegen
,,Tt)rannen« und ,.Despoten« und
argen mancherlei altehrwiirdige Jn
stitutionen, die den Verfasser in den
Augen des Publikums nothwendig
als einen Revolutioan vom reingen
Wasser hätten erscheinen la en
müssen. Seine Miene bellte sich wieder
aus, und Fräulein Jlse sah zu ihrer
großen Beruhigung, daß sich nicht
einmal dann, als Heinz Seydlitz auf
dem grossen Podium erschien, die so
gesiirchtete tleine Mißmuthssalte auf
der Stirn des Grosevaters einstellte
Aber sie hatte sich allzu früh gefreut,
denn nachdem er einiae leise Worte
mit seinem schon am Fliigel sittenden
Begleiter gewechselt hatte. wandte sich
der iunge Professor zu ihrer grössien
Bestiirzung ebenfalls mit einer eins
leitenden Ansprache an das Publikum.
»Meine Damen und Herren! Mit
i einer Genugthuung, die Sie nach dem
eben Gehörten begreiflich finden
werden belenne ich mich hiermit als
s
L-« -l-«.«Is:-s-.-- lT-4L--l-- h ---------
UIII HIUUIIWIII Ulllokuks LLY Uns-LI
dienter Weise verfchollenen Diethelm
Treumund Ein freundliches Unge
fähr vermittelte mir die Bekannt
schaft mit seinen Poesien, und so gron
war der Eindrucr, den sie auf mich
gemacht, daß ich mich gedrängt fiihlte,
einige von ihnen in Musii zu setzen«
Ilse, die vor Scham und Angst fast
vergehen wollte, warf einen scheuen
Seitenbliet auf ihren Großvater. Ter
aber saß jetzt ganz still da, mit einem
mehr nachdenklichen als zornigen Ge
sicht, und als dann Heini Sehdlitz
nach tunem Vorspiel seines Beglei
ters zu singen begann, befchattete er
die Augen mit der feinen, durchsich
tiaen Hand und lauschte, ohne sich Du
rühren.
Es waren nur ein paar einfache,
kleine Liebeslieder, die das Publikum
hörte, und am Ende hätte niemand
recht sagen können, oh es der Text
war oder die Musik, die einen io
tiefen Eindruck hervorbrachte Wahr
scheinlich aber war es die innige Ver
schmelzung von beiden und der schöne-,
warmbeseeite Vortrag des Sänger-A
der diese fünfte Programmnmnmer
Zu der erfolgreichsten des aanzen sinn
zertes machte. Die Wände des Saa
les wiederhallten vom einmüthinen
Applaus der Hörer. Gottiieb Har
rius aber hatte, als HeinzSendlitz ge
sendet, noch immer die Hand über den
Augen, und über feine alten, gest-rein
ten Wangen rannen, von keinem ge
sehen, ein paar stille Thränen.
»Ich will Sie heute nicht fraaen,
lieber Kollege, wie Sie zu meinen
idergessenen Liedern gekommen sind.
Ich will Jhnen nur von Herzen dan
ten für die weihevollen Eindrücke die
fes Abends. Mag denn in Gottes-nn
men alles vergessen sein, was uns bis
heute getrennt.«
Mit dankbarem Druck hielt Heinz
Sehdliß die Hand des alten Profes
sors umschlossen, und bis lange nach
Mitternacht saßen sie in einem trau
lichen Winkel der Ressource eifrig
vlaudernd beim feurigen Rauenthaler,
der aleich erquicklich ist für das Alter
wie für die Jugend.
Fräulein Jlse aber hatte allenGroll
gegen den boshaften Frühling begra
ben, seitdem ihr der Mann ihres Her
zens an einem sonnigen Maientag
das goldene Ringlein an den Finger
gesteckt.
«---—s-—
Im Kosteekriinzelsetr.
»Das muß main sagen: die marinir
ten Heringe der Frau Jnfpeetor sind
ausgezeichnet — möchte übrigens wis
sen. woher die tdias Recevt hat«
»Dort) sehr wahel«iegentd, Frau Kanz
Veivath — sie hat doch- ihrens ältesten
olJn in Kiel auf Ider Marthe-Acade
rnee.« -
Der Berr Kafsirerx
Stizze von Edtvard Nahan
Die Knappheit seines Gehalte-F
wurde znr Legende. Wenn aber einer
der Beamten des Instituts den Vor
gesetzten um Zulage bat, so antwortet
man ihm:
»Wir wissen allein, wag jemanden
zukommt . .. arbeiten Sie nur tüchtkg
dann Tommt die Zulage von selbst.
Herrn Sorians Gehalt ist halb so gest
cvie das Jhre, er ist Kafsirer, trägt
eine viel größere Verantwortung. al-:
irgend jemand nnd verlangt niemals
Zulage.«
Das stimmte.
Herr Sorian, loohlhabender Eltern
Sohn, hatte ein arme-J Mädchen. dar
er liebte, geheirathetx feitdem wollte
seine Familie nichts mehr von ihm
missen. Er war fiir den Kampf mit
dem Leben nicht vorbereitet. Als Ehsn
eine befcheidene Stelle von einem Pr
datinstitut angeboten wurde, griff er
zu, wie nach einem Rettungsanter. Der
Vorgesetzte bemerkte denEifer, mit dem
er auf den Vorschlag einging, und bot
ihm das niedrigste Gehalt.
Sorian war ehrlich, fleißig und v m
außerordentlicher LiebenswlirdigLit
im Umgang. Die Kollegen gewannen
ihn sehr lieb, die Vorgesetzten ersann-;
ten sehr bald seine Eigenschaften und,
um dieses gute Material genügend
auszunutzen, ernannten sie ihn nat-)
einem Jahre zum Kassirer.
Das war eine große Ehre.
Alle Interessenten verneigten sich tief
vor ihn-» stunden und Lieferanten
drückten ihm stets- die Hand . .. er giks
im Institut als Persönlichkeit, »das
mußte ihm jeder lasfen.
Das Gehalt wurde aber nicht grii
fzer, dagegen vergrößerte sich seine Fa
Inilie: Sorian wurde Vater.
Als die junge, liebende Frau fah,
daß ihrMann um ihretioillen New
litt, verkaufte sie heimlich die kleinen
Familienandenlem die sie von ihren
Eltern aeerbt hatte.
Anf diese Weise machte sich die Noth
im Haufe nicht bemerkbar, nnr war
n- «
UUV Illklyicllsc Puusclll UUll Uclll Lust-Js
der jungen Frau geschwunden, nur
tiefer lkrnst trat an seine Stelle
»Die Mutterschaft hat mein Frau
chen zur Matrone geinachi,« dachte der
junge Gatte, als er das geliebte Weib
betrachtete.
Eine dritte Person in einem knap
Pen Hausstand, — das ist eine Sor·1e,
eine neue, sehr schwer: Last.
Der Ausdruck des Ernste-: auf dem
Gesicht der jungen Frau wich einem
Schatten der Trauer-.
Man nahm ein bälligeres Dienst
mädchen an, inau as-, weniger, mcsn
miethete eine kleinere Wohnung. Das
Kind iiijrie in der Nacht, die Mutter
gab ilrn ost zu triiilen, aber es schrie
immer lauter und länger.
»Man müßte eine Amme nehmen«
meinten die Naclkbariunein Die Mutter
zuckte die Amsclii.
Die litarderobe des Mannes begann
Frau Soriau zu beisnrubiaein Die
Männcrtleiduna war so tljeuer . ..
Sie flickte, so atit eg- aiii·a. Auch fiir
sich arbeitete sie die lttleider sorgsälsia
um, uud da alles um sie her sauber
und adreti war, merkte teiii Mensch
und auch ihr Mann nicht, das; es- ar.
irgend etivars fehlte. Aber Andenken
gab’s nicht mebr.
Es blieb nur noch eine Standuksr
zurück . . . ein aussallender Gegenstand
Außerdem hatte sich Sorian daran ge
wöhnt, nach ihren Zeigeru sein Leben
einzutheilen
Zum Unglück kam im zweiten Jahre
der Ehe ein zweites Kind.
Das war zu viel.
In einem Ansall der Verzweiflung
gab die junge Mutter, der für il):e
Kinder das Llllernotbweudigste fehlte,
auch die letzte Erinnerung für einen
Spottureis bin.
«Wo ist die Uhr .’« sraate der Manu,
als er am nächsteiillliorgen ins- Biirecu
gehen wollte.
»Ich habe sie zur Liiparatur »ge
bracht.«
«Jch liatte nie-tu bemerkt, daß sie erst
zwei war.«
»Ich mußte sie jeden Tag richten,
sie blieb oft stehen und ging meistens
nach,« -«-;gte die Frau verlegen.
Sorian blickte seine Frau misjf
trauisch an. Ein Ausdruck des-Schmu
zes trat jetzt an Stelle des traurigen
Gesichtsausdruckes.
Jn der Stadt herrschte das Schar
lachfieber.
ZDie Kinder des Sorian’schen Ehe
paares waren in keiner Krankheile
versicherung. Auch sie blieben von dcr
tückischen Krankheit nicht verschont. —
alier sie überwanden sie und erhalten
sich allmählich wieder.
Nun aber kam die Rechnung aus der
Apotheke; der Arzt mußte ebenfalls
bezahlt werden . .. lein Mensch vest
rnutbet, daß es dein »Herrn Rassen-«
schwer fallen könnte, diese kleinen Rech
nungen zu begleichem Die »kleine Rech
nung« betrug genau das tdreimonats
liche Gehalt des Herrn Kassirers.
Der Arzt hatte verordnet, diesbe
der gut zu pflegen, ihnen leichte, aber
kräftige Kost zu geben. Um diesen
Anforderungen nachzukommen, mußte
der Haushalt fünf Mart täglich kosten.
sie konnten aber im besten Falle nicht
mehr als zwei ausgehen, wenn sie keine
Schuld-.- n hätten
Ein verzweifeltes Aufzucien trat at
Stelle des schmerzlichen Ausdrucks-.
,,Marysch, Du bist lrank,« sagte der
Gatte, als er sie eines Tages aufmerk
sam betrachtete.
» »Es scheint Dir nu-: so,« entgegn.-te
ne.
»Sag« mir, wo die Uhr is ,« fiigte cr
plötzlich hinzu, ihr tief in die Augen
blickend
Dag bleiche Gesichtchen der Frau
wurde purpurroth
»Ich verstehe . .. habe es seit langer
Zeit geahnt . .. und errathen . « mor
gen schreibe ich an meinen "Vater.«'
»Ach!« seufzte die junge Frau.
»Ich muß es . .. es hilft nichts...
wir haben Pflichten . .. und Schulden
. . meine Stellung verlangt es, daß
ich anständig gekleidet gehe; hier aber
ist kein Halt mehr . .. wir müssen uns
dentiithigen, fo schwer es auch an-—
. steht»
—·—.———-—.————- — «
»s- ist vergeblich, Dein Vater wird
Dir niemals verzeihen, daß Du sei ne
Hoffnungen getäuscht haft . . meinte
die Frau.
»Wer weis-, . . .
Der Brief wurde aligeschicki Sorian
bat seinen Vater, die Antwort nicht
nach seiner Wohnung, fondern nach
dem Bureau zu adrefsiren.
Sie traf pünktlich ein.
»Wie man sich einbettet, so schläft
man,« lautete die Antwort des in sei
nem Stolz beleidigten Edelinannes.
»Ich lsab’ einen Brkssf vom Vater . ..
er hat aierhundert Mart geschickt!« ricf
Sorian, als er des Abends seine Woa
nunalspeirat
»Ich wußte, dafz Gott unf- nieht ver
lassen t-)ird,« entgegnete die Frau und ;
schmiegte sich Järtlich an den geliebtin
·....... - »
Außerdem versprach er, hundert
Mart inonatlich zu schicken.« »
»Er rat Dir also verziehen?·. , Ach .
welches Glück! Jch brauche niich»alio ;
nicht mehr als Eindringlina zu fuhlei
.. Du wirst zu Deinem Vater saht-Hi
und ihm danken, nicht wahr? Wirth
ihn bitten, daß er Dir erlaube, du
Ftinder niitzubringen... Jch aber
werde zu Hause bleiben, denn ich will
die alten, so schmerzlichen Erinnerun
gen in seinem Herzen nicht wieoxr
wachrufen.«
Seit diesem Tage slofz daleeben
des Sorian’schen Ehepares wie exxi
seliger Traum dahin.
Die Frau wurde wieder frisch und
schön und blühte aus wie eine schone
Blume unter den belebenden Sonnen
strahlen.
Die tiinder entwickelten sich prächtia.
s Der Vater fgnd Lin Paradies vor,
ioeiiner von dei· Arbeit nach Hause
tain.
O, kgohlstanu was bist Du für eis
fruchtbarer Boden! was für zauber
volle Blumen von Tugenden, Gefühlen
und Talenten blühen auf deinen go·
denen Acker!
Man bewunderte die schöne Frau
und ihre Kinder, dieFreunde verfass
nielten sich gern in diesem liebenswür
digeii Hause, wo sie stets mit offeiiin
Armen und warmem Herzen aufge ;
iioiiinien wurden. »
Wo ist aber ein votllominenes Glück
zu suchen? j
Mit Schrecken bemerkte die junge
Frau bei ihrem Manne einen Gesichts- «
ausdriick, den sie früher nicht wahrge
nomine-n hatte·
»Was ist ihm?« fragte sie sich selbst
nnd wurde immer zärtlicher gegen ihn.
Einmal fragte sie ihn nach der Ur
sache seiner Verstimniiing. ,
»Ich habe morgen Revision iri der
Kasse, csas ist für mich ein recht ai
ftrengcnder Tag«
»Es ist doch nicht zum erstenmal.«
»Die inorgige wird in Gegenwart
eines höheren Koniites stattfinden . «
das ist schon lange nicht mehr dage
wesen.«
»Auch das geht vorüber,« sagte fis
und küßte ihn zärtlich.
»Nichts dauert ewig . .. das ist wahr
« entgegnete er und erwiderte den
Kuß. ; ,
Bis spät in die Nacht arbeitete der
Herr Kassirer im Eßzinimer, während
die Frau mit den Kindern im Schlaf
zimmer ruhte, das jenseits des Flur-J
gelegen war.
Als Frau Sorian frühmorgens er
wachte, bemerkte sie mit Schrecken. das-,
das Bett ihres Mannes unberührt
«ivar.«.f;)astig lief sie in’s Eßzimmer.
Die Lampe brannte noch und be
leuchtete das bleiche Gesicht des Man
nes. der im Sessel schlies.
Die junge Frau holte eine warme
Decke nnd eilte. den Schlafenden dsv
mit zu bedecken.
Sie näherte sich aus den Schen.
plötzlich aber ließ sie die Decke, die sie
trug, zur Erde fallen-» erhob die-Anme
schwantte und brach lautlos zusam
men.
Von Dort-Ins Schläfe- sickertednå
Blut langsam herab
Ani nächsten Tage brachte die Wal
zeitung einen kurzen Bericht über eines
Verumreuung, die in der Kasse des
N.’schen Instituts vorgekommen war
und über den Selbstmorsd defi- Kasse
rni.
Oberst Hasse.
Der am 5« Februar in Berlin-Wil
mersdors verstorbene Oberst Hasse ist
durch sein tapfer-es Verhalten in der
Schlacht von Gravelotte in weiteren
Kreisen der Armee bekannt geworden.
Er war im Jahre 1870 Chef der drit
ten reitenden Batterie des Westsälischen
FeldartitlerieMegimentes No. 7. Seine
Batterie gehörte zur KorpI-Artillerie
und fand mit zwei anderen Batterien
lzunächst keinen Platz in der langen Ar
tillerielinie, die auf dem äußersten
rechten Flügel der deutschen Schlacht
linie westlich der Manceschtucht ent
wickelt war, Und mußte westlich von
Graoelotte eine Bereitstelle einnehmen.
Als-«- General von Steinmetz zu bemer
ten glaubte, daß der Widerstand der
Franzosen nachließ, ordnete er bekannt
lich einen energischen Vorstoß an. Vier
Batterien des 7. Arineekorps, darunter
die Vatterie Hasse, erhielten den Be
fehl, iiber die Manceschlucht vorzu
gehen.
Sobald die ersten auf der Chaussee
vortrabenden Geschütze bei St. Hubert
sichtbar wurden, lebte das Feuer der
Franzosen wieder auf und die beiden
vordersten Batterien wurden durch ein
furchtbares Schnellseuer ihrer Führer
beraubt. Dem Hauptmann Hasse da
gegen gelang es, seine Vatterie, wenn
auch unter schweren Verlusten, in Stel
lung zu bringen. Von der rechtenFlanke
her erhielt sie ein lebhaftesGewehr- und
Mitrailleusenfeuer, »so daß alle Offi
ziere die Pferde unter dem Leibe ver
loren; zwei Lieutenants wurden schwer
und Hauptmann Hasse selbst leicht am
rechten Unterarm verwundet. Dennoch
gelang es ihm, mit seiner Batterie ein
wirksames Feuer zu eröffnen, und
mehrfache Versuche französischer Vatik
rien, bei Moscau Ferme in Stellung
zu gehen, zu vereiteln· Die Verluste
der Batterie wuchsen von Minute zu
Minute; nach Ablauf von anderthalb
Stunden reichte die gefechtsfiihige
Mannschaft nur noch zur Bedienung
einer-« Geschützes aus. Da die Muni
tionszivaaeu durch die auf der Ehaussee '
eingetretene Truppenansammluna auf
gehalten waren, fing auch die Mani
tion an knapp zu werden. «
Die verzweifelte Lage der Batterie
wurde auch in der ArtilleriesLinie bei
Gravelotte bemerkt. General-Lunte
nant Schwarz schickte ihr ndochmals Be
fehl, die aefährliche Stellung zu räu
men, aber der brave Hauptmann Hasse
antwortete, eine preußische reitende
Batterie ginge nicht zurück, solange sie
noch Munition habe; lieber wolle er
auf dein Platze sterben als zurückgehen.
Es war inzwischen gelungen, die Protze
einer französischen Batterie heranzu
schaffen und das Feuer noch länger
fortzusetzen Als die ganze Eljirznition
verschossen war, brachte der Abwei
lunasstioinmandeur Major Coester
persönlich die zur Fortschaffung der
msfnfxsitsy nndßsnsnhinson «Dn««-hc-kku- In
vptkqøpk ussstvsnssos uvkpksvv
.. »
die Batterie und ertheilte noxhinals den
Befehl zum Zurückziehen Mit unge
heuerer Mühe gelang es, die Gefchütze
unter dem feindlichen Feuer zu bespan
nen. Jm Schritt verließ die heldetp
mijtbiae Batterie den ruhmvoll behaup
teten Platz. Die von seindlichen Ge
schossen durchlöcherten Protzen waren .
mit Schwerverwundeten beladen. Von
dem lebhaftesten Feuer der Franzosen
verfolgt, ging die Batterie auf der
Chaussee nach Gravelotte zurück. Mit
schrecklich gelichtcten Reihen, aber in
ungebrochener moralischer Kraft er
reichte die Batterie Gravelotte. Bewegt
umarmte nnd küßte der General
Schwarz den wackeren Hauptmann vor
der Front. So ist der Rückzug der
Batterie Hasse im wahren Sinne des
Worte-J zu einem Triunrphzuge ge
worden.
—---——-.-.I-——s—
Rette Aue-traurig.
Braut: »Ich halte es fiir eine Bos
heit« Hang-. saß Du mir ein« solch über
aus Ostia-preis Deschenlt machst: . . . .
Du weißt, das; ich das höchst ungern
zuriirkacåezi werde wenn icii unser-.
Verlobuiia ciufhkbe!«
V(srtt·et1um.
Fremder wean Abschied Die Trink
gelder oertheilend): »Warum halten
Sie denn gleich beide Hände auf?«
Hausknecht: »Die Linse ist für das
Zimmermädchem das hat gerade aus
gehen miissen!«
Stimmt
»Der Kassirer ist nicht gelommen?«
Buchhalter: »Stimmt.«
Bankier: »Ist die Kasse in Ord
nung?«
Buchhalter: »Stimmt nicht.«
sBanlien »Am Ende ist er durch
gebrannt?«
Buchhaltet: »Stimmt.«
Mancher findet sein Herz nicht eher,
als bis er seinen Kopf verliert.
Nietzsche.