Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 09, 1903, Sonntags-Blatt, Image 9

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    www-»Im
Am Abgrund.
Novellette von Annie O. Tibbits.
Fluch veu »Sie-Mir übersetzt
von E. Bilrnar.
Es war spät geworden. Der Stra
ßenlörin war verhallt. Statt des
ohdenbetiiubenden Genosselö derDmni
busse, Automotrilen und Straßenbah
neu drang nur der Schall von Fuß
tritten, Stimmen und Lachen durch die
klare, halte Abendlust und an das Ohr
des Maan de: in dem spärlich er
leuchteten Arbeitszimmer über sein
Pult geneigt saß. .
Es war ein großes Gemach — ein
Advolatur - Büreau — mit teppichh
bebegtem Boden. Bücherschränten, ver- -
schiedenen mit Papieren bedeckten
Schreibtischen und einem großen Geld
schrein.
Endlich schloß Georg Andrew lang
sam den Deckel sein«-g nmerilanischen
Pultes und starrte mit düsterem, ver
zweifelte-i Blick vor sich hin.
Erst zweiundvierzigJahre und hoff- z
nugslos ruinirt, entehrtl Er zählte
zu Benen, die aus Schwachheit zum :
Verbrecer werden. l
Es hatte, wie so oft im Leben, mit
einer Kleinigleit begonnen. Ein lang
jähriger Client, dem er baares Geld
zur Verfügung gestellt, hatte sich in
Folge verschiedener Mißerfolge insol-j
sent erllären müssen. Doch statt seine i
Rechte nun geltend zu machen, hatte :
Andrerv ruhig gewartet, bis- der Mann z
im Stand-e sein würde, ihn zu bei-ih
ien. Es handelte sich um eins-a zwölf
tausend Mart, aber er lonnte sie di -
mal-Z ncrsde entbehren nnd würde den
Verlust wohl auch oersihsnerzt hab.:n,
wenn er cen Rest seine-;- Vermögens in
der Tasche behalten hätt-e. Das gei«
schah indesz nicht. Als ein alter
Freund ihn bat, ihm zwanzigtausend
Mnrt zur Uebernnhmc einer- Theater
zu leihen, vermochte er ihm die Sum
me nicht zu verroeigern, und ein Vier
teljahr daraus mußte er dieEntdeckung
machen, daß das Geld bis-H aus den letz
ten Heller verloren und sein Freundi
flüchtig geworden war. Jahrelang
ioar er vergebens bemüht, sich ivierer
entworzuarbeiten Da bot sich ihinf
eine anscheinend günstige Gelegnheit,
seinen Verlust wettzumachem und da!
l
ihm das zu dem betreffenden Unter
nehmen erforderliche Kapital fehlte,
nahm er das bei ihm deponirte Geld
eines Clienten. Doch das Unterneh «
nien icar fehlgeschlagen das Geld -.):r «
lo:en. L
Seither war es stetig derer-ab geg.1n-« s
nen. Mit dem Gelde eines nndererii
Clientcn hatte er dar-« Defizit zu decken, ;
und mit dem eines Plriiien den ZnJei »
ten zu befriedigen gesucht. Und sok
ioar es immer weiter gegangen auf der
abschüssigen Bahn, unaufhaltsam dein
Abstande zu.
ANY in Auge mit den unerbittlickzen
Eonsequenzen seines Vergebens hatte
er nun das Einzige gethan, was ihm
säh-L- --Ll!-s--- ic- c--IA- k-I--- leis-n.
UUIIH LXLUIILUlep K S Sfu II b Islllksl Dis-· ’
ten ein schristtiches Bekenntniß aige
leat ,il)r.en eine Aufstellung seiner lite
fchästz lage ieaeben und sich zur Ans
liefernna alles dessen erboten, wag er i
an Geldes-verti) besas; Vor eins-: : -
Stunde waren Die Briefe abgesandt
worden. Morgen würde er den Ge
scbäoiaten aeaeniibertreten müssen. !
Dann gab ec- teine Fristung, keine
Seh-Immer mehr. Diese Stunden wa: »
ren die letzten seineroeibeit.
Doch trotz dieses oernichtenden Be
wußtseins vermochte er nur voll Mit
leids Derer zu gedenlen, die indirett
die Ursache seines Nuing aesoesen
Wahrlich, John Gillan war nicht mit
der Absicht umaeaanaen, ihn um seine
twantiatausend Mart zu betrügen
Er hatte den Erfolg seines Untern-eli
mens fiir gesichert gehalten und den
Fseblichlaa jedenfalls bitter empfunden
Der arme, alte Gillan! Er war ein
mal sein ster Freund aewesen· -
Der votat löschte dag Gas ausi
und verließ mit lanasarnen, bleischxvesi
ren Schritten das haus. .
Draußen herrschte AbenddunteL
Als er die Hausthüre schloß, schlug die
Dornuhr acht. Er ichrat verbös zu
san-wem Seine Frau würde sich um
ihn ängstigen und die Kinder be
reits zu Bett gebracht haben. s
Endlich hatte er seine Wohnung er
reicht. Seine Frau kam ihm bereits an
der Thiire entaeaen und schaute ihm
besorat in’s Gesicht.
»Wie spät Du tommst, Georg...«
Doch beim Anblick seiner sahlenBliisse
stockte sie iäh. »Geora« Geora, was ist
geschehen7« rief sie anastvoll.
Er wandte sich ab. Nein. er konnte
— er konnte ihr nichts aeiteben.
»Nichts — nichts, liebe Minnie Ich
babe lanae aearbeitet und bin miioe
Das ist Alles-. Sind die Kinder schon
zu Bett?«
Ermattet sank er in einen vor dem
gedeckten Tische stehenden Stuhl, dpch
ohne die Speisen zu beriibren nie ieine
Frau ihm vor-sente. bastisr stürtte er
einiwe Gläser Connac hinunter und be
mertkte dann, er wolle zu den Kindern
sieben.
Das war nichts Unaemöbnliches ----
er vsleate noch allabendlich hinausm
asebn, um nach den beiden schlafend-m
Lorsersiiivscksen zu schauen: doch der
ver-störte Ausdruck sein-e Lilie erfüllte
feine Frau mit tiefem Anna-n und be
wva sie, ibtn zum Kindertimmee zu
sales-evi. Von der »sechs-treffe desselben
aus sah sie. wie er lieb erst eine Meile
übers das kleine Miit-ebn. dann iiber
, den Knaben neiate. Sobald er den
sonf les-h und sie den Ausdruck seiner
III-se involvie- sloa sie »Ist ihn in und
« — a die Arme um seinen hals.
Sonntags - cvBlatt
Beilage dkg »lebragtm Staats-Kitzcigkr und Herold«.
z P. Wcudolph, Herausgehen Grund Island, Nebr» den SI. Januar »Im-. Jahrgang 23. Ro. 19.
»Geora, inein geliebter Mann o sag'
mir, was Dich quält!'«
Er neigte sich und tüßte sie stumm.
»Jetzt nicht, jetzt nicht," sagte er
dan heiser. »Ich will hinaus in die
Luft. Wenn ich zurücktehke —- ja,
dann will ich-«- Dir sagen-«
Die lalte Ahendluft schien anfangs
beruhigend auf ihn zu wirken. Voll
neu erwachten Hoffens schritt er zum
Thor hintre-» Es mußte irgend einen
Ausweg geben. Unmöglich konnten,
aurften die Sünden des Vaters aus
die Kinder iuriiclsallen
Doch s-: sehr er sein Hirn zumar
terte, er fand keinen Ausweg, leineRet
tunza. Ja, hätte ihm jemand hundert
tausend Mart geliehen, so wiire es ihm
vielleicht möglich- gsewesen, sich« in eini
aen Jahren emporzuarocitem denn sei
nePraris hatte sich in der letzten Zeit
bedeutend vergrössert; wer aber sviirde
ihn-. eine solche Summe leihenz Die
beiden reichen Freunde die er darum
ersucht, hatten ei ihm abaeschtaaem
Immer fester, unerbittlicher schlug
ihni Die Sorge ihre Krallen in’5 Her-»z.
Düften hcfiuungglos aähnte ihm die
Zukunft entgegen. Gefängniß, Schan
te, tiefste Deiniithiauna nnd Ernie
drigung, ein verlorenes, zerftörteg Da
sein war alles, was sie in ihrem
Schoospe fiir ihn barg.
lan se n Weib gemieden, arm, dem
Elend preisgegeben, seine Kinder siir
Lebensgeit aebrandinartt als die
ZDröiilinge eines Verdrecheri3.
Q, Daß er Frau und Kinder wenig
sten-J vor dieser äußerstenSchandr. die
sem bittersten Weh bewahren könnte,
ihn iin Gefängniß zu wissen!
Verzweifelt starrte er in das Dun
tel.
Er lauschte. Ring-Zum nächtines
Schweinen lir war allein, allein init
seinen waltnsinnigen Gedanken.
Beim Schein eines Zündhölzcheng
sih er nach feiner Uhr. Es war dei
nalie sehn. Jn wenigen Minuten muß
te der Londdner Cruresizua den Pia
rnlt valiiren, und wenn er lief —
Plötzlich schrat er zusammen. Wo
rsan dachte, was plante er? Er war
von Sinnen; Er mußte zurück —-- zu
, L sh1«s
eurl »Hu Wie-I unu neun-.
Dann aber standen ihm wieder alle
Zchreeten vor Augen, die der tomnien
Ise Taa siir ihn und die Seinen mir sich
bringen würde. Man wiirde ihn ar
retiren, iiin in’s litefiinanisz brinaen
und die Seinen zeitlebens darunter
leiden nriisfen.
Wie « statt dessen toti dort ans den
Schienen gefunden wurde? . . · Die
Wahrheit sdiirdse natürlich an den Taq
kommen und offenbar werden, was
ihn dazu aekrieben, ader insan 2oiirde es
wieder veraesfrm es würde Gras dar
iiber wachsen und die Zchande seiner
Jnlzsaftirnng den Seinen erspart blei
nen.
Mit aliihendein Kopfe und Minn
Ielndern Hirn stürzte er zum Visaduti.
Nur noch eine Wiese trennte ihn
dont Ziel. Jrn Begriffs das Gehege
neeselben «er übersteigen, hob er plötz
lich horchend den Kopf. Zein Gesicht
ioar ask-u, fein Athem stockte.
Durch die stille Winternacht drang
llar und deutlich das Rasseln des na
henden Zuges.
Zu spät! Er konnte die Brücke nicht
mehr erreichen. Der Zug war schnel
ler als er.
An allen Gliedern bebend, lehnte er
an der Umzäununa, während der Zug
blitzschnell vorübersauste, um wieder
im Duntel zu verschwinden.
Wäre er eine Minute früher zur
Stelle gewesen ——·
Selundenlana verharrte er re
a aslos. Das Gerassel des Zuges
er arb allmählich —- doch weit lang
samer als sonst —- ja, es schien sogar
im Erst-erben wieder lauter zu werden.
Was war das?
Ein Herzschlag stockte jäh. Krampf
haft hielt er sich am Gehege. War er
von Sinnen? Träumte er? Was be
deutete Dieser zweite Zug zu dieser
nächtlichen Stunde?
Dort ——-- dort brauste soeben derselbe
Zug vorüber« passirte den Viadnit
und verschwand im Dunlel, just wie
oor kaum einer Minute-.
Reaunaslos starrte er ihm nach. Es
konnten doch unmöglich zwei Züge —
innerbalb dreißig Sekunden einander
folaen? . . . Oder wiirde noch einer
und noch einer und abermals einer
kommen, die nur ihm allein sichtbar
;varen?. . . .
Es wirbelte in seinem Hirn, ihm
war, als sei er im Beariss, den Ver
» stand zu verlieren. Doch jetzt ertlsanq
das laute, schrille klifeisen der Lokomo
» tide und dann verstummte dac- Gerns
I sei plötzlich. Tier Zug war in die Sta
» tion einsaelanfem
) Andrew schaute um sich wie ein
sTräuniender. Er war gerettet-geret
stet vor seiner einenen wahnsinnigen
That. Jener erste Zua hatte ihn vom
Ueberschreiten der Wiese iuriickaehab
ten. Es war die Hand des stimmt-,
die ihn gerettet. Gott hatte ein Zei
chen geschehen lassen — ihm eine Vi
fion gesandt. Es war in feinem Rath
bestimmt, Daß er am Leben bleiben
solle.
Er hob die gefulteten Hände zum
Himmel. Doch plötzlich schien ihn
Blindheit zu überlomnten Ohnmäch
tig sank er zu Boden. —————
Als er die Augen aufschlug, fand
er seinen Kopf in seines Weibes
Schooß gebettet. Doch unfähig, ihn al
lein nach Hause zu bringen, war Min
-nie aezwnnsgem zur Stadt zurückzu
eilen und die Hilfe zweier Schutzleute
in Anspruch zu nehmen. Daheikn an
xielangt, sandte sie sofort nach einem
Arzt, welcher Nervenfieber lanftntirtr.
Ani nächsten Vormittag wurde zu
friilser Stunde nie G. ocle der Aue-rem« -
schen Wohnung ge zogen. Da dasMäDi
chen iuornenjsan abwesend war, öffnete
LIJIinnie selbst
Eine hob-e Männergestnlt stand vor
jin-.
»Jol)n —-- John Gillan, Zie?« rief
sie lauin ihren Augen trauend
»Ja, ich. Ich bin endlich mieder da,
obwohl ich kaum noch auf Die Mög
lichteit einer Wieoertehr zu hoffen ge
wagt. Es ist nicht leicht, in der Welt
zu reüssiren, doch endlich ist es ruir ge
gliickt Aber sagen Sie mir, Minnie,
es lann roch unmöglich wahr sein? —
Er -s er ist traul, er phantufirt oder
leidet an Æthnvorstellunaen? Die
Briefe, die er geschrieben, beruhen has
fenllich nicht aus Wahrheit?«
Minnie schaute ihn bestürzt an.
»Was « was meinen Zie? Was
soll n; cht Dahr sein?«
»Er hat Verschiedene Briefe —— un
sinnine Briese geschrieben, « entgegnete
er. ,,3ufiilliger Weise ist mir ein sol-·
elier heute Morgen zu Gesicht aetosni
men. Ich bin erst aeftern Abend mit
Dein Erprefzznge hier angelangt nnd
tomme direkt aus Rein Vort.1.liein er
ster Gern-i anl: heute einem nur be
kunnten Bankier. Tseers lbe Hatte soeben
eine luriosen Brief von Anmeer er
halten-. Da er unt unsere frühere
Freundschaft wußte-, zseiate er mir das-.
ihtn Völlig unverständliche Schrei«!en,
ans dem ich jedoch ebenso wenig tlua
wurde. Vlndreio muß be« Abfassung
desselben schon trank aexoesen fein:
aber mit Gotte-J Hilfe wird er bald
wieder aenefen. Und nun nur noch
eins: ich komme als- vermögend-er
Mann zuriick, alH Besitzer eines New
Yorter Theater-H das sich als tosabre
Goldgrube erweist,-nnd bin eiaens su
riictasetehrt, um Anore:v, kein besten,
edelsten Freunde in der Noth, Das-.
schuloiae Kapital persönlich zu über
brinaen. Und sollte hier irgend etwas
nicht in Ordnuna sein . . . ·«
Minnie erbebte. »Ich fiirchte etsvag
Deratiaes,« saate sie leise· ,.Jrgeno
etwa-« quält und market ihn derma
ßen, dass esJ ilm an den Rand des
Grabes acbacht hat. Gestern Abend
kam er fo blaß nnd verstört nach
Haufe, das-, ich mich entschie; er ging
sodann zu den schlafenoen Kindern
und verließ das Haus. Von oaaer
Lilie-ist getrieben, folate ich ihm. Jch
fürchtete. . .«
Schluchsen ersticlte ihre Stimme.
»Beruhigen Sie sich, Minnie.« trö
stete sie Gillan. »Seien Sie aanz nn
besorgt. Es wird alles wieder gut wer
den. Ich will unver üalich die Rege
lung seiner acschäft schen Angelegen
heiten in die Hand nehmen.
Und das that er mit vollster Hinge
bung Anstatt des erwarteten betrüge
rischen Banterotts, fanden die er
schreckten Gläubiger einen großen,
breitschulteriaen, araubärtiaen Mann,
der ihnen erklärte, daß Mr. Anorew
ernstlich ertrantt und zur Wahrung
seiner geschäftlichen Angelegenheiten
vor der Hand unfähig sei. Seine an
gebliche Jnfoloenz beruhe auf einem
Jerthnm und falls Jemand Zweifel
daran hean sollte« übernehme er, John
Gillan, die Büraschaft für ieoe Forde
runa im Betrage bis zu zweiinalhuns
dettansend Mat.
Jnfolae dessen wilde allgemein an
aenonnnen, daß Andrewg Briefe im
Fieberwahn abasefaßt worden. Das
Nervenfieber ist schon fiir so manches
verantwortlich gemacht worden.
Und während der Kranke von sei
nem BanterotL seiner Schande phan
tsasirte, bealich John Gillan sämmtliche
Mantos-, so daß der endlich Genesene
anstatt der drohenden Häscher, ein
neues. ehrenhaftes Leben feiner har
rend fand. Voll tiefen Dantes nahm
er die ihm von Gillan znr Verfiiauna
aestellten Summen, unter der Bedin
auna allmählicher Rnriickzahlung an,
und heute ist feine Schuld bereits bis
auf den letzten Heller aetilat.
Nunmehr aipfelt seine Schwäche le
dialich in einer Art firen Idee. Er
bleibt dabei, daß er in iener Nacht eine
Vision aebabt. ein Reichen, eine Inter
ventton des himmels.
i Vielleicht war es so — wer weißt
Denn de: erste Zug, den er gesehen,
war lein wirklicher, und der zweite
brachte ihm seinen Freund und Retter.
. Co —
Umwege der Liebe-.
Humoristische Slizze von Franz
Kurz-Elsheim.
»Karl, Karl! Willst Du wohl gleich
von dem Apfelbaum herunterkom
men?«
Herr Amsadeus Krappenfeld stand
am offenen Fenster seiner Sommer
woljnun«a, das den Ausblick frei ließ
ans den großen Obstgarten, der zum
Nachbargute gehörte, auf weite saftige
Wiesen und die sanft ansteigenden
Höhenziiae, die das Dorf Hammerholz
Umratmten. Früh-er schon, als seine
Frau noch lebte, war ser alljährlich
während derFerien l;-ierhergezogen, um
ntue straft siir den ermiidenden Bu
reandienst dein-. Jnstizrnrb Dechenlorb
zn sammeln. Jn diesem Jahre konnte
er nur seinen Jungen mitnehmen.
Seine Gattin lag bereits els Monate
unter dem grünen Rasen. . . .
Ach ja, dieser Jung-e! Welche Sorge
ihm der stets bereitete. Wie denn so
ztoölsjährige Rangen sind. Wie oft
hatte ser, der Vater, sich schon vorge
nommen, ihm, wenn er wieder einen
tollen Streich begangen, ordentlich das
Fell zu bearbeiten. Indessen, sobald
der ilkn ansah mit den Augen, die er
von der Mutter geerbt, dem großen,
treuherzigen Blicke ---— dann schmolz all
sein Ernst.
Gut-e Freund-e rieihen dem verhält
nißtnäßig noch jungen Manne, der erst
Ausgangs »der Drseiszig stand, und
dessen finanzielle Position gar nicht so
schlecht war, sich wieder zn vermählen
Der Junge müsse in eine tüchtige weib
liche Zucht. Herr Atnadeus wollte aber
nichte- davon mit en. Er und noch
mals heirathen? Wer sollte ihn wohl
nehm-en und den wilden Jungen dazu?
Wie wiirde sich das Verhältnis-, zwi
schen diesem nnd der neuen Mutter ge
stalten? Schließlich macht er dieFran
nnd hnä Kind nnnliicklirb Und tm
lciszt eresz lieber beim Alten.
Wenn er sich nur einmal ausraffs n,
:.nmal Energie zeiaen tönutet Seine
Zetiae hatte schon Recht. tfr was- schon
ein wenig ein »Zchtdachmatitus:-«.
Da hat er’H ja wieder. Da ist der
Bengel trotz feines ausdrücklichen Ver
bot-«- jedenfalls wieder iiber die Hede
in den Nachbakaarten geflettert und
aus einen Obstbaum gestiegen, wo er
sich in aller Gemüthsrnhe die rothtvans
aigen Früchte schmecken lässt Voriqe
Woche erst hat sich der Besitzer iiber den
tleinen Soitzbuben beschwert. Der
Vater hatte ihm mit Zimmerarrest, mit
Fasten, mit allem Jttöalichen gedroht.
llnd"da, da sitzt er nun doch ans dem
Baume, lzwischen den Westen, und
tnaust nnd schmaust.
,,.5tarl, willst Du toohl aleich von
dem Apfelbaum herrsntertotntiten?«
Der Junge wandte den stops und
lachte.
»Aber, Papa.« rieser Juriiet »Die
Aepsel schmecken samos· Und reis sind
sie auch. Alle Kerne sind schtoarz.«
»Ich toinme mit dem Stock, wenn
Du jetzt nicht gleich gehorchst.«
»Ach, Papa, das thust Du ja doch
nicht."
Und Arnadeus Arappenseld stand
am Fenster und ranq die Hände Was
soll man nur mit solch einem Nacker
anfangen?
Der Vater trat vom Fenster zurück
und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
Nein, so tonnte es in der That nicht
weiter neben
Aus einmal lauschte er aus. Sinn-il
des Geheul dringt an seineOhren Das
ist doch die Stimme seines Karl. Ums
Himmels willen, der wird nun doch
nicht gar vom Baume heruntergesallen
sein, und sich ein Glied gebrochen
liabeu? Jm Nu ist er wieder aus den
Beinen und schallt hinaus-; seinen
Blicken bietet sich ein merkwürdige-S
Schauspiel Driiben im Garten steht
ein Mädchen oder eine junge Frau
Und den Karl hat sie vor sich genom
men, seinen Fion zwischen ihr-e Beine
asetlcmmt und mti kräftigen Händen
verarbeitet sie den unter-en Rückentheil
des Jungen, iiber den sie die Hose straff
gespannt hat. Und bläut und drischt
drauf los, daß es nur so eine Art hat,
obwohl Karl sich aus Leibes-trösten
bemiibt, loszutommem
Es nutzt ihm nichts, weder sein
Schreien noch sein Band-ein lkr muß
dran alauben bis endlich das Mädchen
tiesaufatbmiend inne hält und sich die
ihr in die Stirne gesallenen Haare
zurückstreichit.
»So, mein Lieber-. Jetzt ist Dir wohl
die Lust vergangen, anderer Leute Obst
tu stibitzen und seinem Vater steche
Redensarten ins Gesicht zu schleudern.
Und attrappire ich Dich noch einmal
t hier-. so strafe ich Dich mit einem Stock
ab, verstanden? Der trifft noch ein
wenig besser. Und nun mach', daß Du
heimtommit.« i
Und Karl ließ sich das nicht zweimal
sagen. Mit einem Satze waret über
die Hecke und lief davon, noch immer
heulend, unid hielt sich wit der Hand
die schmerzende Körperstelle und sah
sich gar nicht mehr um.
Und Amadeus, der Vater, stand
ganz verblüfft da und brachte endlich
nnr das unter Umständen vielsagende
Wort hervor: »Donnerwetter«.
Amadeus kannte das Mädchen übri
gens vom Sehen. Aus sein-en Spazier
gängen war sie ihm häufiger begegnet,
meist umgeben von einer Schaar
Zchul linder. Sie sei Lehrerin hatie
ntan ihm einmal aess,aat die mit den
Kindern nach Hamierholz in dieJeriew
loldnie gegangen sei. Gerade sitsön
war Lieschen Melbitz nicljt. Aber sie
hatte setsdag Getvinniendes an sich, das;
Ehr alle Leute sofort gut sein mußten.
Und itre kjtialinae hing-en mit ganz
besonderer Liebe an ihr. Amasdseus
blickte ihr nach, bis sie in einer Laube
verschwunden war.
Und dann sagte er nochmals
»annerwetter«.
Jn der That, er bewunderte das
Mädchen. Wie das den Jung-en her
genommen hatte, alle Achtung. Eigent
lich ist es ja gesetzlich verboten, das-,
man anderer Leut-e Kinder züchtigt.
Doch darf man hier mit gesetzlichen
Paragraplen herankommen? Er hat
doch in feinen Ferien nich-ts- mit sei
nem Amte als Vureauvorsteder eines
Justizratbs zu thun. Und Karl hat
die Hüchtigung zum Mindest-en ver
dient.
Halt , wo steckt der Junge denn? Der
niiisite doch nun eigentlich hier sein.
Er hat doch gesehen, wieer ins Han
lief. Islmadeug wartete noch fiinfMi
iiuti:n. Karl lam nicht. Tinn gina
er s1’-:i:-nter. Ein leis-es chituchzen
brachte ibn auf die Fahrt-,- des Geiuchs
ten. Der stand binter der Kellerthiire
in einer dunklen Ecke und scbaute aar
nicht anf. Auch nicht, als ihn der
ins-U- ins-» Why-fu« k;«-c
k- »i- «Iu--u.s Im
»Nun warum tomrnstTn denn nicht
heraus :n«J Zimmer und verbirgst Dich
hier?«
Ein neues Zchluchzea Und endlich
dir ziiaernde Antwort:
»Ach, Papa, ich schäme mich so — —«
Da strich ihm der Vater liebtosend
über die Haare und dachte-: »Wenn der
Junge sich noch schämen kann, ist doch
noch nicht Alles an ihm verloren.«
Und in seinem Innern reiste ein
arosver Entschluß.
Tiierzehn Tage spcit er wars- Jn
der nächsten Woche hies; e: zurück unter
das Joch der Arbeit. Vlniadeus hatte
seit jenem Vorsalle die junge Lehrerin
beobachtet, nnd nun raffte er sich auf,
biirstete rnit»besonderer Sorgfalt sei
nen Anzug und seinen Hut ans nnd
aing inH Nebeiiha115, um Fräulein
Lilielbitz zu sprechen.
Die Lehrerin bat ihn, Platz 311 neh
men und setzte sich ihm qeaeniiber.
Arnadeus drehte seinen Hut zwischen
den Händen hin und her, nnd mehrere
Male mußte er ansetzen, bis er endlich
herausbrachte:
»Mein Fräulein, ich wollte Ihnen
schon längst ein-en- Besuch abstatten.
doch nun, ehe ich diesen Ort verlasse,
musz ich es Ihnen sagen. Vor etwa
vierzehn Tagen sah ich, daß Sie mei
nem Jungen, als er aus einen Obst
haum in einem sremden Garten geklei
tert war« eine derbe Ziichtigung ange
deihen ließien.«
»Allerding"g,
»Ich war so srei.«
»Das hat inir riesig gesallen,« fuhr
Arnadeus fort.
»Den der That? Sie ziirnen mir des
halb nicht?«
»Im GegentheiL ganz im Gegen
theil,« betonte der Mann eifrig. »Ich
danste Ihnen dasiir. Denn seh’n Sie
verdient hat er sie, reichlich soaar.
Und genützt hatsie auch. Denken Sie
nur, der Jung-e hat sich geschiij vor
seinem eigenen leiblich-en Vater ges
schämt-«
Und nun erzählte er ihr seine ganze
Geschichte, schilderte ihr das Verhält
nis; zwischen ihm nnd seinem Karl,
die Bemühungen seiner Freunde, ihn
zu einer neuen Ehe zu veranlassen.
»Und da,« fügt-e er stotternd hinzu,
»als ich sah, wie Sie dem Jung-en Re
shett heibrachten, da stand es auf eins
mal seit: Wenn ieh noch einmal hei
rathe, dann nur Sie.«
Er wartete aus Antwort. Aber es
ersolate keine.
Fräulein Mselbitz,« fuhr er fort
AHalten Sie mich nicht fiir dreist.
Aber nun kommt nicht nur der Vater
rascher-m um zu fragen, sob Sie die
Mutter sein-es Sohnes werden wollen,
sondern auch der Mann, dessen herz
«
entgegnete Lieschen.
spricht. Fräulein Melbis, wenn Sie
mir ein klein wenig gut werden tön
nen, dann weisen Sie mich nicht ab.
Mache-r Sie mich glücklich- und erziehen
Sie meinen Jungen zu einem brauch
baren Menschen «
Eine Stunde später ging Amadeus
hoch erhabenen Hauptes nach Hause.
Er fühlte sich recht glücklich. Und als
er wieder im altgewohnten Geleise
stand, da führte ihn einer der ersten
Wege auf den Kirchhof, wo seine erste
Frau begraben lag. Und vor ihrem
»Hutte! meinte er: »Du nimmst es uns
s nicht übel, nicht? Es ist ja auch für
Deinen Jungen.«
Uebrigens geht Karl heute für seine
neue Mama durchFeuer nnd Flamme
Und sie kommt selten in die Lage,
noch einmal jenes Mittel anzuwenden
»das im Grunde genommen der Umweg
siir seine Liebe gewesen ist.
Was beten »Für-tm« passiven
kame.
Ein für Unbetheiligte amüsantes
Abenteuer hat in Paris ein junger Be
amter aus dem Marineministerium er
lebt. Besagter Herr hatte am Vormit
tag einen Freund besucht, welcher in
der Nähe von Paris wohnt. Als er nun
des Abends mit dem letzten Zuge nach
Paris zurückkehrte, stieg in sein Abtheil
eine reiz ene, junge Dame mit einem
Parleie ei n, Welch-: S sie oben in das Ge
täcluztz ten t.e Dann te egte sie sich in die
Polster Huriict und vertiefte sich in die
Lettiire einer Zeitung, ohne den jun
zscn Beamten auch nur ein-es Blick-es zu
niirdigem während dieser alle nur
möglican Versuche unternahm, mit
seiner reisenden Reisenefiihrtin ein Ge
sprach anzutniipsen Als der Zug end
lich in die Halle des Pariser Bahnhofs
cinlies, bat der galante Herr um die
Erlaubniß, der Dame das Partei tra
gen zu dürfen, und wurde erhört. So
isassirte man den auf dem Babnsteig
doitirten Steuerbenmten Auf die üb
liche Fraae desselben antwortete die
Dame mit einem schüchternen »Ne·:n«,
desgleichen der junge Schwerenötlxr
aus dem Ministerium. Doch der
Steuraeivaltiqe traute dem Frieden
nicht, öffnete vielmehr das bewußte
Parier, und siehe da, es befand sich in
Ebrn ein feister Hase. Nunmehr wurde
Ier Pietierbeainte ungemiiihlich und
beschuldiate den Träger des Packets
Der versuchten St-euerhinterziehung,
während letzterer nur immer wieder be
tt:euerte, er habe leine Ahnung von dem
- Inhalte dek Vactets gehabt. Doch der
! 3:euerbeaxnte ließ sich daraus nicht
; e.n. »Ach :Ua5«, meinte er, ,,faule Aus
l reden, oEe kennt man schon! Abr ich
! falle darauf nicht hineinl« Der junge
J Wann mußte die Steuer bezahlen, und
I außerdem wartet seiner noch eine
i Strafe Tie Dame hatte sich während
i Der Ecene im Gedränge verloren. Der
i aeprellte Kavalier soll geschworen ha
ibein niemals wieder allein reisenden
f jungen Damen, nnd seien sie auch noch
so hübsch, ein Partei abzunehmen.
l
i
i
i
i
«-.--—— —
Tte Braut aus Zins.
Folgende lustige Schmugglerge
schichte berichtet man dem »Petit Jour
nal« aus Aoesnes: An der Grenze
,:eigte sich an einem dr letzten Tage ein
Lljldbelioaaem in welchem sich eineHoch
kzeitggessellschaft befand. Der Lräuti
» aam saß vorn auf dem Kutschersitze
nnd plauaerte leise mit seiner jungen
Frau, aleichgiltig gegen die laute Hei
terleit der Hochzeitsgäste Die Zollbe
amten wollten schon die Hochzeitsge
fellschaft vorübserziehn lassen, ohne die
vorgeschriebene Besichtigung des Wa
gens allzusehr in die Länge zu ziehen,
als durch ein seltsames Faltum ihre
Aufmerksamkeit erregt wurde. Die
» Braut, die hinter ihrem weißen
i Schleier ziichtig die Aug-en niederschlug
i und verschämt den Worten zu lauschen
; schien, die ihr der glückliche Gatte ins
! Ohr flüsterte, machte auf die Beamten
seinen häch verdächtigen Eindruck, weil
i sie steif wie ein Klotz dsasaß. Ein Be
lamtier sprach sie an. Sie antwortete
inichi. Ohne sich durch das Gescheri
l der Gäste irrefiihren zu lassen, sprang
i der Beamte auf den Wagen und riß
der schweigsamen Braut den Schleier
vom Gesicht. Der Beamte fand seine
,,duntle Ahnung« bestätigt. Die
junge Frau hatte in der That gute
Gründe, stumm zu bleiben: es war
nämlich eine Puppe aus Zink, die
wahrscheinlich mit Alcohol gefüllt war.
Wir sagen wahrscheinlich, weil die Be
amten sich leider darauf beschränken
mußten, den Betrug, dessen Erfindung
der fruchtbaren Phantasie der
Schmugaler wirklich Ehre macht, zu
·lonftatiren, ohne die Zinkbraut äff
nen zu können. Der Kutscher gab näm
lich plötzlich den Pefrden die Peitsche,
nnd der Wagen sauste mit Windeseile
davon. Die Schmuggler werden, als
sie sich erft aller Verfolgung entrückt
sahen, aus Freude über das Gelingen
ihres Streiches wahrscheinlich ein
lslläiclren getrunken haben, daß sie der
,,.Vraut« abzapften
-...—-—-.-—- .
Csin arg lickeinnetqllener Elscmanm
»Ich habe nicht gewußt, Rosa, daß
Du nicht kochen kannst! . . . Jch werde
Dir nun ein Kochbuch schenken, damit
Du es daraus lernst!«
»Ja, wenn ich nur lesen lönntet«