Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 09, 1903, Sonntags-Blatt, Image 10

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Roman von Pqu Oscak Höcker.
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(18. Fortsetzung)
Der Freiherr sah tie ernst an. »Das
XI der Schluß der Arbeit. Der Chro
nik ifi zur Vollendung seian Wertes
nicht zuräclgekehrt.«
»Ich vergehe — — vor Angsi!«
sammelte Martha. »Ein Grauen hat
mich übermältigt . . .«
»Ja, Fräulein Spener, auch dern
ifSkepiiker muß bei der Vorstellung die
fer nächtlichen Ereignisse, deren ein
ziger Zeuge Gott ist, ein unheimliches
Zittern und Bangen überlommen.«
»Ja, wie —- wie erklären Sie sich . .
Wie glauken Sie, daß die That ge
schehen ist«-«
Eckhardr warf rasch einen Blick in
die fchtoeigende Umgebung; seinenTon
- dann noch mehr dämvtend, sagte er:
»Es ist kein Zweifel daran, daß
Wassilietv thatsäehlich zu Justus hsn
til-gekommen ist. Er mag ihn irn
Halbfehlaf vorgefunden haben. Und
allein. Denn Sie weilten tnit Brale
um jene Wohnung in der Bauerre
vohnung am Fenster, auf die Trans
porteure wartend.«
»Aber wir hörten nichts —- es war
still im ganzen Haus . .
.Der thnotifenr hatte Ursache,
E still hinabzuschleichen,« fagte Ect
rdi. »Geräufchlos trat er bei Ju
stuö ein, näherte rich feinem Lager und
begann die Krönun-« des Wertes, —
wie er es nannte.«
Martha wagte sick nicht zu rühren,
kaum zu aihmen. Sie befand sich
lbst loie in einem Bann unbekannter
Echte
«Sie kennen die Art der Ohr-nost
ilire Entstehung-— den Vorgang über
haupt?« fragte sie stockend.
·Jch war bei Professor Vogt häu
sig Zeuge solcher Versuche. Der Hyp
notiseur leg feine Hände auf Stirn
und Schläfe feines Mediums —- nach
dem er desten Finger gegen die eigene
Stirn gepreßt hat. Dies ift das äu
ßere Bild. Lange verharren sie so —
eterbetreglich. Man sieht es aber auf
her Sirt-erbaut zucken. man sieht die
Adern anfchtvellen nn: abschwellen
man fiebt die-Züge schließlich mehr und
mehr sich versteinern während die Au
genlider einen fahlen, bläulichen
Schein erhalten. Plötzlich schlägt der
Hypnotiseur die Augen auf —- das
Medium folgt —- und starr Und
fchneidend und drohend durchdringt
der Blick des Herrn und Meisters den
feines gefügig gewordenen, willenlo
fen Wert.1,euges. Und in einem selt
sam fremden Ton, ohne Timbre, ohne
Klang-, — unheimlich ftarr und kalt
und gebieterisch — spricht der Hypsip
tifeur auf das Mezsiium ein. Dieses
wiederholt ergeben, schier demüthig,
Wort für Wort.«
»Und Sie alauben,« wagte Martba
nun im behenden Flüsterton zu sag-en,
»daß Wassilietv in jener Stunde . .
«Seinen·. Opfer befohlen hat. Jo
hannes Brate, seinem Feind, feinem
Widerfackier«in mehrfach-It Hinsicht —
der der Gegner seiner Lehre, der fein
Nebenbubler um die Hand der Ge
liebten, um die Macht über den Kran
ken war —- Trotz zu bieten um jeden
Preis, ja, ibn tödtlich zu hassen!'«
»Eckhardt!« entfuhr es Martbas
blutleeren Lippen.
«Ts)·dtlich zu basien’ —- saae ich.
Alles was in ihm war an wunderbar
-genet Muth, langderheblter Verzweif
lang, betxrsaener Hoffnung —- all’ das
siberttng Wasiiliem ir- der vanose
seinem willenlos-en Opfer. Und id
bätte es Johannes Brate nicht rathen
wollen, noch einmal wie in der vorder
sangenen Nacht sich zum Herrn über
zen Willen des Kranken auszuwer
n.«
»Es dreht sich ja Alles rund un1
mich,«« stammelte Marthe-, »das Blut
jagt mir durch die Adern... ich —
lann nicht mehr...«
»Sie ließ ihre Arme schlaff herab
sinken. Was jeyt aus sie einstiirmte,
war so unt-barmherzig, so graue-well
—- sie fürchtete sich vor ihrer eigener
Phantasie.
»Ja. Fräulein Martha,« flüsterte
Mart-L ,.dieKombination mag grau
sam sein —- aber mit zwingender Lo
gak schließt sich Glied an Glied zu ei
ner lüsenlofen Kette! Dies und nichts
Inder-es ist meine felfenfeste Ueber
ung: Gabriel Wassiliew ist das
Mr seines eigenen oerbrecherifchen
Meers geworden!«
Aber tote — erklären Sie...«
kscedek brach Martlza ab. Sie hatte
g Die Luft nicht mehr Sitte n bilden,
— state in formen. um den« treu Ge
M die is r Dirn; ihn Seele mar
.W Ausdruck zu geben.
le DOHRN-I fuhr Eckbardt
« nnd MI, wenn auch immer
Mc nnd flü nnd, fort, »,,bat
« III-It- css M f und geistige «
.Wiimr taki en, um trog —
U- Miyauchi-m An
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un
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die Krankenstube verlassen —- ebenso
heimlich wie er gekommen — aber di
Fiiße versagten ihm den Dienst. Er
setzte sich, um einige Setunden zu
ruhen, im Altoven nieder. Aber er
vermochte gegen die Schlasfucht nicht
mehr anzutiimpfen. Sein Kopf iant
zutiick — sein Körper. Und so blieb
er liegen, ohne fich zu rühren, an der
Stätte, nn der in der Nacht zuvor
Kranken, der Gegenstand von dessen
Johannes Brate, der Peiniger des
Haß, gelegen, — eine Stunde. eine
zweite —- tniihrend deren dicht unter
ihnen, am Fenster der Parterrewoh
nung der von doppeltem Haß verfolgte
Johannes Brate stand — ahnungs
los...«
Walten Sie einl« flehte Martha
ganz erschöpft. »Sie quälen mich —
unsaghar... Was- Sie da andeu
ten... Es ist um den Verstand zu
verlieren !"
»Friiulein Marthe-, beherrschen Sie
sich —- eks heißt irn Gegentheil, alle
Verstandeskraft zusammenzufassen
um den letzten Knoten des Witrsals
zu lösen.«'
»Ich bin dazu — nicht imstande.
Mir graut davor —- ich wage m: r s
nicht auszumalen..
Eckhardt befand sich selbst in schier
lranthnfter Errequng Er faßte sich
an die Kehle, rana noch Luft.
»Sie werden Sich die Scene verge
genrviirtigen müssen, Fräulein Mar
tha, — ebenso wie jene andere, zwei
Nächte zuvor, deren Zeuge Sie gewor
den iind. ohne sie mit eigenen Augen
zu sehen.« Rascher und abgerissener
fuhr der rFeiherr fort: »Es ift still
im ganzen Hans —- Ihr Mit-Fern
dringt nicht herauf zu den Beiden —
da geht Plotlich ein trankhaftes Zacken
iiber den Körper des Kranken. Der
fiir gelahmt geltende Juftus erhebt
den Kopf, richte« ich lang-« am auf .
stellt sich fest und entschlossen auf seine
Füße. die tbn tragen wie in gesunden
Tagen. Seine Au sen sind starr ge
öffnet — er fühlt Die ganze Zeiten
kx,ss k.-.
lud-III ch JJLLUTV UT sitt-, scncll JITUH
Johannes Brote durch seinen Zwang
in ihsn geweckt, des durch Wassiliems
Suggestion zu mirer Verzweisliina,
zu furchtbarer Wirth aus-geartet ist·
Und Justus glaubt, an derselben
Stätte, von der er feinen Peiniger in
der Nacht zuvor nur durch eine De
rniithkgnng seines eigenen Trotzes ver
treiben konnte, dert verhaßten Hüter
in tiefe-n Schlaf zu erspähen Da
tastet seine abaezehrie Hand aus dern
Schrepdtisch oder an der Wand nich
irgend einr. Waffe —- er nähert sich
schlepvenren Schritte-H stumm und
furchtbar, seinem ahnungklosenOpfer,
beugt sich darüber —- ein Jucken der;
Haus« ein jaher ;-trcich . und der I
«
oerrneintliche Todseind ist hinüber.
Nur ein leises Stöhnen klang oon
Marrhcräs Lippen. Eckhardt hielt inne
und sih sich, aus seinen grausiges-.
Phantasien auffahiend, wtrr um.
Marthas Kopf war zurückgesunten —
sie lag in einer Ohnmacht regungslos
da.
Edhardt sprang herzu Er suchte
nach Wasser, urn die Ohnmächtige zu
besprengen Von Angst getrieben eilte
er dann zur KlingeL stürmte aus der.
Gang hinaus, um Beistand zu holen.
Da tam ihm schon die Schwester,
die iu der Nebenstube am Bett des
unbeweglich und im tiefen Schlafe
liegenden Kranken aewacht und das
Klingeliieichen gehört hatte, hastig ent
gegen.
Rasch holte sie, als Eckhardt sie auf
retliirh Essen-sen herbei und folgte
dem Besuch zu Fräulein Spener zu
rück, die noch immer mit bleichen et
was bläulichen Lippen, marmornem
Teint, starr und wie leblos dalag.
12. C a v i t e l.
Für den «Fall Wassiliew« war in
Karlsruhe heute noch dasselbe bren
nende Interesse vorhanden, wie im
verflossenen Spätherbst
Dabei hatten« die Zeitungen nur
spärliche Mittbeilungen iiber den
sortgann der Untersuchung bringen
Innen, die den Fall von einer neuen
Seite zu beleuchten im Stande gewe
sen waren. Man staunte über die
bartnäckigteit, mit der der nach küh
ner, gefahrooller Flucht endlich ein
-efanaene und hinter Schloß und
Itiegel aebrachte Bildschniher Brote
seine Schuld abstritt —- man besprach
noch häufig all die Details, die seiner
Bestreitung opranaegangen waren.
die Rolle, die Fräulein Spener
nährend dieser ganzen auseegenden
periode gespielt hatte, war man sich
nicht einia. Die Einen behaupteten,
daß die in ihrem Vertrauen, in ihrer
Ihre se schwer geträntte junge Dame
der Justiz selbst die Wege gewiesen
be, aufdenen die Verfolgung des
iichtigen aufzunehmen set — die
Inder-en waren, tin Gegensaj hierzu,
Ier Meinung, daß Fraulein Spener
each sie per von der Schuldlosigteit
II- Qeeiobten überzeugt set.
die schsthslitmng in der
Midn- Mitgen er verhan
senden snste, werde mit IM
sc» en deni diril Meut
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I liche hauvtveriahren stattfinden sollte«
E begann eine wahre Majagd nach Kar
2 ter: für die Tribiine des großen Ber
haxkdlundssaales
Jn juristischen Kreisen war die
i Meinung über den Erfola des Haupt
Toerfahrens —- nachdem das Vorver
fahren so wenig Positides im lrirninas
- listischen Sinne aesiirdert hatte —- ge
theilt. Dr. Dierstäiter hatte nach Ab
; schluß des Untersuchungsrnaterials
die Anklage auf Todtschlag erhoben.
Es gab Unzufriedene, die der Ansicht
waren, die ursprünaliche Fassung der
Schuldfrage — ob vollendeter Mord
vorliege —- sei die korrekten gewesen.
Der Landgerichtsrath Wischhusen
war von Hause aus ein sehr schweig
samer Mensch —- in akademischen Er
örterunaen solcher Art ließ er sich sel
ten ein — und grundsätzlich nicht, so
bald er mit einem Falle amtlich be
traut war, wie hier. Denn er fürch
tete, unbewußt die Stimmung der
Oeffentlichteit zu beeinflussen.
Auch über die Person des Ange
llagten selbst liesz er sich niemals aus.
Es sickerte nur so viel durch, daß Jo
hannes Brale danl der Verwendung
Wischhusen’s mancherlei Erleichterun
gen genoß.
Der Landgerichtsrath stand seit ei
nem Menschenalter im Dienste der
Justie. Vor seinem durchdringenden
Blick hatten schon bunderre von An
aeilagten Revue Passirt — Schuldige
und Unschuldige. Noch nie zuvor
aber hatte thn das Gemüths- uno
Geistesleben eines Untersuchungng
sangenen so intensiv gefesselt, wie bei
dem unentwegt leuanenden, jede
Wald von sich weisenoen Brate.
Dieser junge Künstler war ein
äußerst intelliaenter Mensch, talen·t
voll, stolz, bewußt —- es war ein
mmer, daß er sich in seiner Liebes
leidenschaft und hitzigen Eifersucht zu
einer so verzweifelten That hatte hin
reißen lassen —- aber sein Scharfjinn
der-sagte irr dem Versuch, eine Ent
lastung herbeizuführen. Er hattenur
l dies negative Leugnen, Abstreiten,
das ihm dem schier etdriickenden Jn
dizienbeweis gegenüber ja doch nichts
helfen konnte.
Wischhusen hatte in den Kreuzpa
hören seine ganze erstaunliche Meister
schaft der glänzendsten Dialektit und
Iraaetechnit svielen lassen: Brale
schwieg schließlich, immer ganz ermat
tet, konnte nicht mehr folgen.
Aber besiegt aab er sich doch nicht.
Gel egentl ich der Augeinanderietznna
m: t de m Staatsanwalt wegen Frei-; af
sung verschieden-r Effekten der Zne
nerfchen Geschwister aus der Beicht ag
nahme kam es zwischen den beiden
Beamten wieder einmal Fu einem
flüchtigen Gedankenaustausch iiber den
Charakter des Angeklagten.
Dr. Dierstiitter hatte gehofft, das-,
es der überaus geschietten, in vielen
verzroickten Fällen schon erprobt-n Art
des bejahrten Untersuchunggricht ers
gelingen werde den oerstodtsr n Brate
noch dor der Schronrgerichtgsitzung zu
einem umfassenden Geständniß zu
bringen. Er war von dem Bericht, den
Wischhusen ihm in großen Zitgen über
den ganzen Verlauf seiner Tbiitigleit
erstattete, nun nicht besonders befrie
digt. Es schien ihm, als habe der ös
tere Wechsel der das Anklagematerial
bearbeitenden Herren die Erhebungen
geschädigt Die Hauptschuld daran
trug seiner Ansicht nach der jungeffreis
herr oon Eckhardt, dem sür das schwe
re, verantwortliche Amt eines Staats
anwalts die nüchterne Ruhe, die be
sonnene Objektivität abgina. Als der
Reserendar ihm seine Absicht umfu
fatteln zu erkennen gegeben, hatte er
ihm daher auch in keiner Weise wider
sprochen —- was Zu einem ziemlich
liihlen Abschied geführt hatte.
Nur aus diesen leidig-en Wechsel der
Untersuchungsleitung wer es auch zu
rückzusiihren, daß die bebiirdliche Frei
gabe der Spencerschen Wohnung nicht
unmittelbar nach Beendigung der Osa
larinspection erfolgt war.
»Natürlich mus-, der Wunsch der
jungen Dame umgebend erfüllt wer
den,« sagte Dr. Dierstiitter, aus Mar
iha Spener’s Anliegen zurückkam
mend. »wir hatten ja im Grunde we
der ein Recht, noch eine direkte Veran
lassung, die Wohnriiume so lange un
ter Siegel zu halten«
Wifchhusen bestellte sich also den
Kriminalkommisfarius Benede. der bei
verschiedenen Lotalterminen dort schon
gleichfalls mit zur Stelle gewesen war,
und fuhr nach der Kriegsstreågr.
Jn der Spener’schen ohnung
hatte sich seit Ende November nichts
verändert, nur daß jetzt eine dicke
Staubschicht aus allen Möbeln lagerte.
Die von Fräulein Spener bezeich
nete Truhe war bald gesunden.
»Herr von Eckbardt hat ja wohl
seinerzeit eine genaue Besichtigung der
aesammten Wohnung vorgenommen,«
äußerte der Landgerichtsrath, »als
ist ej schließlich überflüssig, den Ka
sten noch einmal zu öffnen.«
Benede entsann sich, daß damal
allerdings jeder Winkel der ganzen
Wohnuna —- ja auch das Treppen
haus, der hos nnd der Vor arten —
abkes esucht worden waren. m Jn
zum t dieserM Schranke, die lange vor der
lassen sparen, deren
Sei-Mel bdie schwisier —- nach deren
der Mord Ia erst erfolgt war
—- rnitgenow nnd an deren
Schwerte nicht die ingste Verän
derung au eine gen-a tsaine Oeffnung
lmch Un ugte hinwies, hatte man
nichi erst einer Bifilation unterzogen
mspie Hort-Ia - I muß
WMM bevor »dri
er Rossi-Blei- Wlewa
Illso ward ein Schlosser herbeige
Wie nicht andere erwartet, tobt der
Jnhlt der Schranke bei in der Spe
nerlschen häuslichteit anzutreffende
peinliche Ordner-a aus.
Die Trube sei mitte s des Dietrichs
aber nicht zu öffnen, erklärte schließ
lich der Fachmann.
«F«räulein Spener bat den Schlüs
sel nicht Erschiett —- wenn sie aus der
Auslieferung der Trube so bestimmt
verharrt, so ist ihr nicht zu helfen, als
daß man rätb, ibren Bruder eben trotz
Allem einzuweihen«
»Herr Spener ist schwer trank.«
gab Beneete zu bedenken, »auch Dr.
Matbieu soll neuerdings sehr wenig
Hoffnung für den Patienten haben«
Wischhusen wandte sich an den
SchlosseL »Giebt’s denn gar teine
andere Möglichkeit, das Ding zu öff
nen?«
Der Schlosser betrachtete den kunst
vollen Gegenstand von allen Seiten.
»Es ist eine so kostbare, seine Ar
beit.«' meinte er, »man scheut sich or
dentlich, dem Stück mit Zunge und
Stemrneisen zu Leibe zu rücken. Aber
schließlich, wenn man vorsichtig den
Beschlaa oon derSeite losliist und das
ganze Seitentbeil beraushebt, dann
drinat man in’s Jnnere ein, ohne die
Scharniere oder das Schloß zu beschä
digen. Aber das ist eine langwierige
Arbeit. Eine Stunde zum Oesfnen
und anderthalb Stunden zum Wieder
zufammenfetzem wenn die Sache fau
ber gemacht werden soll."
»Freilich —- beschiidigt soll nichts
werden«
Der Untersuchungsrichter ließ also
Benecke zur Aufsicht bei dem Schlosser
zurück und trat eine neue Wanderung
durch die Wohnuna an. Auch Winters, -
die übrigens von den vielen Verbören »
schon ganz neroös geworden waren,
suchte er wieder aus. Da der Schlosser !
mit seiner schwieriaen Arbeit noch nicht
fertig war, als er von da zurückkehrte,
stieg er noch einmal zur Mansarde ein
por, die Wasfiliew bis zu seinem Tode
bewohnt hatte.
Auch dieser Raum war bisher abne
schlossen und versiegelt gewesen. Es
zeigte sich daher keinerlei Veränderung
seit dem letzten Lotaltermin.
Wischbusen entfaan sich, das-z der
Staatsanwaltstelloertreter, der die
Verfolgung des Falles Wassilieto zu
erst geleitet batte, auch die Manustridte
des Rassen mit Beschlagl belegt hatte.
Cis iUJLCIl tUULsi Uull lJUlsulUl billle
gesehen und iijr unwichtia befunden
worden —- fonst bittre er sie bei dem
übrigen Material ichon en:deckt.
Etwas Neues fiel ihm heute zunächst
nicht auf, blos eine winzige Klemm
teit, die ihm hinterher aber doch viel
zu denken gab.
Er wunderte sich darüber, daß we-,
der der sonst to aeriebene Kriminals
lommisfarius noch einer der beide-n
Staatsanwälte bei dem ersten Lokal
termin diesem Umstand irgend welche
Bedeutung beigemessen hatte.
Während das Tlieeglas5, aus dein
Wassilisew seinen letzten Trunk gethan,
und der Samowar, in dessen Inhalt
sich die Spuren vorhandenen Chloral
hndrats hatten nachweisen lassen, be
schlagnahmt worden waren, hatte man
die Petroleumlampe, die dem Russen
immer bei seinen wissenschaftlichen
Studien aeleuchtet, auf dem Schreib
tifch stehen lassen.
Monate waren vergangen sei: ienem
verbangnißoollen Abend; im Bassur
der Lampe befand sich also längst tein
Tropfen Oel mehr: der Nest« der da
rin hatte vorhanden sein mögen, nach
dem das Licht zum letzten Mal rie
löscht worden, war also längst ver
trocknet.
Dennoch interessirte ihn nun plötis
lich dieses Beleuchtungsobjett aanz in
tensio.
Warum hatte man bisher eigentlich
immer nur der Angabe des alten Win
ter, daß rie Lampe noch um elf Uhr
gebrannt habe, Rechnuna getragen?
War das schließlich ein Beweis dasiir
daß Waisiliew da noch im Zimmer
weilte, blos weil bei ihm noch Licht
brannte?
Winter hatte den Rassen als einge
fleifchten Ordnungsmenschen in derlei
Sicherheitsdingen geschildert. Nie habe
Wafsiliew die Mansarde verlassen,
ohne vorher die Lampe gelöscht zu ha
ben, versicherte der Alte·
Wie nun aber, wenn Wassiliew ne
rade in jener Nacht eine Ausnahme
gemacht hatte? .
Wischhusen war es gewöhnt, sein
Material aus den winzigsten Details
zusammenzusehen Er fragte bei der
Beresolgung solcher Spuren nicht
gleich nach dem Endzrveck, sondern
reihte Zug um Zug aneinander, um
erst schließlich nach dem Faeit zu sor
schen.
Jn einer Angelegenheit, in der es
sich um Tod und Leben eines Mit
menschen handelte, war ja auch keine
noch so mithielige und minutiitse Ar
beit «iibersliissig.
Er sette sich an den Tisch und
rückte sich die Lampe näher.
Bei der Bewertung fiel die oertohlte
Asche des Dochtes in den Jnneneaum
des Rolinders. Es war eine ziemliche
Men . Borstchtig drehte Wischhusen
den ocht weiter in die bishe.
»Die Lampe ist das lebte Mal nicht
aelöscht worden, sondern see ist, nach
dem der Dacht alles tin Basin befind
liche Oel auieasoaen hatte, von selbst l
ausgeganamt« Das stand sofort bei l
ilnn fest. Und er zoa daraus weitere
Folgerungen
, Wie lange mochte eine Itilluna vor
ha n, tote lange konnte hie Lampe
ge eannt habens -
—
E
l
Sie war rnit Besinn der Tonlei
heit a iindet warten; da der Bres
nee sie-T ich klein-. das Basses Inge
wöqulij aro Dar. mochte die Spei
sunet del Do ts fitr iechrn stehen« höch
stens acht Stunden Dorgehalten Faden.
»Alle ift die Lampe um ein oder
zwei Ubr von selbst ausgegangentu
sagte sich Wiss-hinten
Sinnend schritt er auf und nieder.
»Dann wäre es alfq auch nicht nö
thig, anzunehmen, daß Wassiliexv um
elf Uhr noch hei der hrennendenLampe
hier oben aewefen ist? Dann wäre es
möglich, daß die That schon friiher ge
schah. nicht erst in der Nacht, in der
sich Brate allein mit dem Rufsen in
der Wohnung befand . . . .«
Er ward aus seinem Gedankengang
plötilich aufaefchreett durch einen über
rascht-Ort Ausruf
»Herr Landgerichtsrath!« rief Be
necke im Vorfaal der unteren Etagr.
Er öffnete die Mansardenthiir. »Ja
—- svas aiebt’s?«
»Ein ganz feltfanier Fund —- es ift
da -—- in der Truhe. . . .«
»Sie haben sie anfgelriegt?«
Wifchhusen eilte hastig die Treppe
hinab. «
Jm Vorfaal tnieten die heidenMiin
net vor der soeben aeöffneten Truhe.
Borsichtia hatte» der Commissar ver
schiedene Gegenstande herausgenom
men und seitwärts aufg—:ftapelt: Bil
der, Brieffchaften, Schmucksachen, Re
liquien . . . .
»Ja. was — was ift denn dast«
ftieß der Unterfachunqskichter plötzlich
aus, gleichfalls in staunender Verwun
derung. »
Benecte hielt zwischen zwei Fingern
eine blutbefleckte, zum Theil derroftete
Waffe —- ein kostbarer-, langgestrecktes,
dorlchartiaes Messer mit zioeiZchneid
seiten — der Griff war tunftooll gear
beitet, die Jntarsienzeichnuna war
aber durch Blutspuren unkenntlich.
",,ES ift ein Dalmatinek Messer!«
sagte Benede.
Die heidenBeamten wechselten einen
haftiaen Blick.
»Und sonst —- hahen Sie sonst noch
—- etroas Berdächtiaes entdeckt?«
fragte Wifchhusen stockend.
Der Commissar holte Stäck für
Stück heraus.
Blutspuren wies sonst keiner der
Gegenstände auf —- his auf den fein
nen Schatvl, eine persifche handarbeit,
die unter dem Dolcknzesser ·aelegen
OIHL UUM clllJclc stscsh lsswulc
Stücke, die ihrer prächtiaen Griffari
beit balber aesamelt tu fein schi:nen.
befanden sich in der Truhe. Sie waren
aber wohl seit vielen Jahren außer
Gebrauch.
Der Landgerichtsratb entließ den
Schleifen
»Sie können das Dina ein ander
mal zusammensetzen Jch werd’g Ih
nen saaen lassen!«
Als sich die Vorsaalthiir hinter dem
Manne aeschlossen hatte, saate Wisch
busen, der die Waffe von allen Seiten
prüfend gemustert hatte:
»Mit diesem Dalmatiner Messer Esr
der Mord begangen worden«
Benecke nickte· »Ich entsm mich
noch genau der Halsivnnde. I an liat
übrigens photographische Ausnahmen
davon vor der Obduction veransta
tet.«
»Zuniicbst must der Gerichtgchemiter
diese Blutflecke untersuchen, die auf
der Waffe somobi, als auch die hier
im Tuche. Unsere Wissenschaft ist ia
aliickliber Weise im Stande, ziemlich
acnau fest.rustel1en, wie alt diese Blut
spuken sein tönnen.«
Vorsichtig verpackte der Criininal
commissar die beiden Gegenstände
Dann untersuchten die Beamten
noch einmal sämmtliche Stücke des
Truheninhalts. Nirgends sonst ir
gend etwas Verdachtiaes. Auch die
Trubentvände, auch die Charnieke,
das Schloß waren frei von Blutspu
ren.
Noch einmal begaben sie sich in das
Schlafaemach Spener’s.
Man hatte seiner Zeit mit peinlich-r
Genauigkeit den mnzen Raum nach
Blutflecken abgesucht. Auch sent wie
der ein neaatives Resultat.
»Der Mörder muß mit erstaunlicher
Kaltbliitiaieit und Ueberlegung zu
Werte aeaartaen sein, da alle Spuren
so glücklich vermieden wurden!« sase
der Commissur.
»Ur-er mit Sorglosigteit undGliick!«
wandte Wischhusen ein.
Sinnenb musterte er die Schlaf
stätte.
»So lag der Schläfer ——- mit rem
Gesicht nach der Wand . . . Der Mör
der bat die Trube geöffnet und die
Waffe, von der wir bisher keine Ah
nung hatten, hervorgebolt. Mit ein
paar Sätzen nach dem Kopfende der
Chaiselongue, führte er den Streich
aus und warf die Waffe sofort acht
los in die noch offenstehende Trabe
Nur so is» zu erklären, dasz nirgends
—- Iveder auf dein Teppich noch auf
dein Partett vor der Trube —- Blut
spuren sichtbar sind. Ei ist nicht ein
mal nöthig anzunehmen, daß der
Fikrder seine Dani- mit Blut befleckt
a .«
«Trotzbrm der Griff Spuren auf
weist-P fraate der Cammissiir.
»Das Blut rann von der Schneide
auf den Griff — wahrscheinlich erst,
als die Wafe bereits in der Truhe
lag, mit dem Griff schräg abwärts
einigt Der Mörder hat dann die
ruhe geschlossen den Schlüssel abge
zogn nnd mit sich aenontmen.«
stecke-fah das Schloß wieder und
wieder an. »Der Meister da sa te, ei
seiein sogenanntes Oel-einrichte , eine
sehr tunstoalke Irbeit Einen Nach
-
....-..-t-».-. - -» -1-x--·-« —- .—.
schliissel dazu herstellen, sei fast nn
möglich wenn man nicht das Schick
oisen oar sich liegen habe. Den Dri
ginalschliissel besin aber nur ein lein
zrger . . .«
Wischhnsen zog Martha Stirn-Ah
Brief heraus und las: »...Diese
Truhe enthält Anoenten meines Bru
ders an seine verstorbene Braut. Er
Hut sich von-dem Schlüssel laer nie
getrennt. trägt ihn immer aus der
Brust, und er wäre unstiicklich, wenn
man ihn ihm abocrlangtr. Sollte
also die Auslieferung der Truhe, de-v
ren harmloser Inhalt Niemanden
weiter interessiren wird, erfolgen ihn
IWs the das, wir dem Kranken die
Aufregung verursachen . . ."
Julius Spener ist gelähmt,« sagte
der Crisrinalcommissarius plötzlich,
da er unwillkürlich dem Gedantenss
aana Wischhusens gefolgt war, .er
konnte sich schon damals nicht einmal
selbstständig und ohne Unterstützung
auf sie erere Seite her-umwälzen.
Uebrigens ist ja die That erst nach der
Abreise der Geschwister erfolgt.«
»,,Hm. Das steht so unberbriichlich
e «
Berecke sah den Untersuchung-Trich
ter iiberrascht an. »Sie —zweifeln
da"ran?«
«Gehen Sie, bitte. unverzüglich
zum Gierichtschemiler und bringen Sie
ihm die beiden Gegenstände zur Un
tersuchung. Die Sache ist von soicher
Wichtigleit Jch werde auch lieber
einanl gleich mit Dr. Dierstätter
Rückfprache nehmen«
Kaum eine halbe Stunde später
traf Wischhusen auf oem Lanhgericht
ein. Der Staatsanwalt war aber
nicht mehr anwesend. Wischhusen
sprach darauf in seiner Privatwoh
nung vor. Hier hieß es, Dr. Dier
stiitter sei zum Freiherrn von Eckbardt
gefahren. Underdrofsen folgte Wisch
huiendorthin nach, trotzdem er ziem
lich bestimmt zu wissen glaubte, daß
der Reserendar sich noch auf Urlan
befand. Der Staatsanwalt war
schon dagewesen, --— gleich ihm jedoch
unverrichteter Sache abgezogen, denn
die Wirthin des sunaen Mannes musi
te gar nichts davon, daß ihr Miether
Karlsruhe berührt haben sollte. Dier
stiitter hatte aber angegeben, das-, er
durch einen Eilboten vorn Freiherrn
eine Zuschrist erhalten habe.
Es war schon spät. Wischhusen
stellte also seine Gänge für heute ein.
Jn der Friihe des solaenden Taaes
erhielt er· den Besuch Benecke’s, der
i:«-nr can imriinmte muiaaiien iseg cer
eikiaten likerichtechesniters brachte
Nach dessen Ausiaae war tar« Blut,
das an der Waffe nn: dem Zeit-rn
schal tlebte, Menschenblut, und es fei,
soviel sich auf Gruno oon Analnien
und Rerqleichen feitftellen lasse, un
gefähr ein Vierteljahr alt.
Mehrb rauchte Wifchhnien nicht zu
missen. Jn Vepleitung von Benecke
fuhr ersofort auf’g Landgericht
I »Ich hörte, das-, Sie mich bereits
Iaestern anfinchen wollten« empfing
ITr. Tierstiitter den Untersuchungs
! richtet-, »ich befand mich aber inmitten
kein-er io wichtigen Akiskit... Denten
Sie-, Da ichiclt mir here von ticthardt
Leinen Pack Maniiflripte zu, die sich
I noch in seinem Besitz befanden von der
ereften Untersuchung-, des Falles Was
silierv her . . .«
»Tiefe«-e Angelegenheit fiihrt uns
zu Ihnen!« sagte der Landgrrichtss
rath.
»Um so willko:iin-ens:r. Also hören
Sie. Jch nehme nur die zUianuflripte
vor und blattere Jas- Zeuq durch. Es
schien mit ein wissenschaftliche-Z Wert,
fiir uns qant belanglo5; da lomme ich
aber zu diesen Blättern am Schlusse,
die Caharot meiner besonderen Be
achtung aneinpfahl Jch wußte aar
nicht, das-, er russiich versteht. Er hat
da nämlich eine Uebersetzung nferti
gen lassen und bemerlt aus rücklich
daß sie wortaetreu fei, wovon er sich
selbst überzeugt habe· Jch lese und
lese. Anfanas meine ich, man shabe
es mit den Aufzeichnungen eines Irr
sinniaen zu thun. Denn was der
Mann da behauptet, kommt aus nicht
mehr und nicht iveniqer heraus, als
den Leser feines Tagebuches —- so et
was Aehnliches stellt dieser Anhang
zu dem Kapitel ,hypnotische Experi
mente an Gesunden nnd Kranten« dar
— glauben zu machen, ei fei ihm
möglich, kraft Squestion oder weiß
der Teufel was fonft. Lahme gehen zu
machen!«
Gortseduna folgt.)
spethnnderiiühetner heim-.
Eine historische Ernte ift heuer in
einer kleinen Gemeinde des französi
schen Departements Somme erzielt
worden. Jn dem Dorfe Naours be
finden sich unterirdische Gewölbe, die
während des fpanifchen Erbfolgelrie
ges von den Englöndern alsVoeratbss
tarnmern benutzt wurden. Als fich
die Engländer 1709 nach der Schlacht
von Malplaquet zurückzogen, geriethen
jene Raume in Vergessenheit Jrn No
vember vorigen Jahres öffneten Bau
ern eines der Gewölbe und fanden da
rin eine große Menge gut erhaltenen
Weizen-K Sie beschlossen,- ihn als
Saatgut zu benuhem Die fafi zwei
hundeetjiihrigen Körner keimten vor
züglich und ergaben eine Ernte, die der
aus frischem Weizen gewonnenen
nichts» nachließ. Eine hauptbedingu
fur tangere «rha»ltung der Keimtra
von Samen, die tin vorliegenden Falle
zutraf, ift betanntllch vollkommene
Trockenheit.